Der Armutsbericht 2019, eine grobschlächtige Vierteilung des Landes und eine klaffende offene Wunde, die größer wird: Altersarmut

Alle Jahre wieder veröffentlicht der Paritätische Wohlfahrtsverband seinen Armutsbericht. Der für 2019 beginnt mit durchaus erfreulichen Nachrichten: »Im Jahr 2018 waren 15,5 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut betroffen. Im Vergleich zu 2017 sank die Armutsquote damit um 0,3 Prozentpunkte. Für Hunderttausende bedeutete dieser prozentual kleine Rückgang einen Fortschritt: 210.000 Menschen weniger als noch im Vorjahr mussten rechnerisch unterhalb der Armutsgrenze leben.« Aber dabei bleibt der neue Bericht nicht stehen: »Jahre schien es so, als würde die Armutsgrenze zwischen Ost und West verlaufen. Jetzt hat der Paritätische Wohlfahrtsverband auch im Westen Problemzonen identifiziert«, so versucht es dieser Artikel zusammenzufassen: Wohlfahrtsverband sieht Deutschland viergeteilt. »Den „wohlhabenden“ Ländern Bayern und Baden-Württemberg mit einer Armutsquote von zusammen 11,8 Prozent, stünden Nordrhein-Westfalen und der Osten mit rund 18 Prozent gegenüber. Dazwischen lägen die weiteren Regionen Westdeutschlands mit einer Armutsquote von zusammen knapp 16 Prozent.«

Aber die Unterteilung des Landes auf der Ebene der Bundesländer in vier Blöcke erscheint doch mehr als grobschlächtig. Das wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, welche Unterschiede innerhalb der einzelnen Bundesländer beobachtbar und wie auseinanderlaufend zuweilen die Entwicklungen zwischen den Regionen innerhalb eines Bundeslandes sind.

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Mit heißer Nadel eine Teilentlastung der Betriebsrentner stricken, um schnell noch die Kurve zu bekommen: Das GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz

Eine der vielen sozialpolitischen Baustellen soll rechtzeitig zum Jahresbeginn abgeräumt werden und deshalb wird der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen in diesen Tagen einen – im Bundesrat nicht zustimmungspflichtigen – Gesetzentwurf verabschieden, dessen Neuregelungen dann bereits am 1. Januar 2020 in Kraft treten werden: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz – GKV-BRG), so heißt das Wortungetüm. Der Gesetzentwurf wurde als Bundestags-Drucksache 19/15438 vom 25.11.2019 veröffentlicht. Damit wird das zügig umgesetzt, was in dem Beitrag Im Windschatten der Einigung bei der „Grundrente“: Die Betriebsrentner bekommen auch was ab. Die Doppelverbeitragung wird gemildert vom 11. November 2019 auf der Grundlage des Kompromisses zur „Grundrente“ bereits beschrieben wurde. Man will was tun gegen die seit Jahren und von vielen kritisierte „Doppelverbeitragung“ im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Noch im Frühjahr 2019 hatte es so ausgesehen, dass sich hier nichts mehr zum Besseren verändern wird (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Doppelt verbeitragte Betriebsrentner und ein (nicht nur) Merkel-Basta-Nein vom 3. April 2019).

Zur offiziellen Zielsetzung des Gesetzes kann man dem Entwurf entnehmen: »Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind in der gesetzlichen Krankenversicherung als sogenannte Versorgungsbezüge beitragspflichtig. Auf Versorgungsbezüge werden Krankenversicherungsbeiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz zuzüglich des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes erhoben. Die Betriebsrentnerinnen und -rentner haben diese Beiträge allein zu tragen. Dies verringert die Attraktivität von Betriebsrenten und führt heute vielfach dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber entsprechenden Angeboten zu- rückhaltend sind. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf Versorgungsbezüge hemmt somit den weiteren Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung.«

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Ein weiteres Schlaglicht auf die Menschen hinter der Dunkelziffer der harten Altersarmut: Zur Nicht-Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter

Man kann es nie genug betonen: Mit Zahlen wird Politik gemacht (oder eben nicht). Die Angst vor möglicherweise „zu großen“ Zahlen prägt ganze Politikbereiche und die dort immer wieder zu beobachtenden Klimmzüge, durch kreative „Gestaltung“ dessen, was man (nicht) mitzählt, die Ergebnisse zu beeinflussen. Man denke hier nur an den „Klassiker“ der Arbeitsmarktstatistik, beispielsweise bei der Frage, wer denn nun als Arbeitsloser ausgewiesen werden dar und welche trotzdem arbeitslose Menschen man ausklammern kann.

Auch in der Debatte über Altersarmut kann man diesen Mechanismus beobachten. In einer gleichsam doppelten Variante. Da wird zum einen behauptet, die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII, also Sozialhilfe für ältere Menschen beziehen, würde die Altersarmut in unserem Land abbilden. Das ist nach den berechtigten Konventionen der Armutsforschung wie auch der seit Jahrzehnten betriebenen offiziellen Statistik schlichtweg falsch, denn ausgehend von diesen Fachstandards bemisst sich die Zahl der altersarmen Menschen an denjenigen, die über weniger als 60 Prozent des am Median gemessenen durchschnittlichen Haushaltseinkommens verfügen können. Konkret: Wenn man im vergangenen Jahr als Alleinstehender weniger als 1.035 Euro pro Monat für alle Ausgaben zur Verfügung hatte, dann gehörte man zur Gruppe der „von Armut bedrohten Menschen“. Das betraf mehr als 20 Prozent der älteren Bevölkerung. Da sehen dann diese Zahlen deutlich „besser“ aus:

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