Wir haben in den vergangenen Monaten an vielen Stellen im medialen (und parteipolitischen) Raum wuchtige Kampagnen gegen das „Bürgergeld“ erleben müssen. Unabhängig von der Tatsache, dass es nun wirklich gute Gründe für Kritik an der derzeitigen Ausgestaltung des Grundsicherungssystems gibt, muss man feststellen, dass ein Teil der Kampagnen das unterste Niveau erreicht hat. Zugleich sind die Kampagne aber aufgrund der reißerischen Aufmachung und der gezielten Adressierung von mehr oder weniger reflektierten Gerechtigkeitsvorstellungen bei vielen Menschen in der Lage, hochgradig emotionalisierte Abwehrreaktionen und Aggressionen auszulösen, bei denen mehrere Millionen Menschen, die in äußerst heterogenen Lebenslagen und für einige Zeit bis hin zu vielen Jahren auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sind, in Kollektivhaft genommen werden.
Arbeitsmarktpolitik
(Monetäre) Anreize für berufliche Qualifizierung: Kaum eingeführt, schon ist er wieder weg. Der „Bürgergeldbonus“. Und Österreich macht es anders
Als das „Bürgergeld“ Anfang 2023 den ungeliebten Namens-Vorgänger Hartz IV wenigstens semantisch ersetzen sollte, ging es auch um inhaltliche Veränderung im System der Grundsicherung nach SGB II. Durch gesetzgeberische Korrekturen wollte man arbeitsmarktpolitisch neue Impulse setzen, neben „mehr Augenhöhe“ zwischen den „Kunden“ und den Jobcentern ging es auch um eine – seit langem im Fachdiskurs angemahnte – Stärkung des Qualifizierungsgedankens. So wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass zahlreiche erwerbsfähige und als arbeitslos registrierte Leistungsbezieher – die übrigens die Minderheit derjenigen, die auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sind, darstellen – erhebliche „Vermittlungsprobleme“ haben, weil viele von ihnen beispielsweise keine berufliche Ausbildung haben und fehlende Qualifikationen eine Integration auf der Erwerbsarbeitsmarkt erschweren oder gar verunmöglichen. Mit dem Bürgergeld hat man den „Vermittlunsgvorrang“ (so schnell wie möglich in irgendeinen Job vermitteln) abgeschafft und die Teilnahme an der beruflichen Qualifizierung alternativ platziert. Vor diesem Hintergrund war die angestrebte Stärkung der beruflichen Weiterbildungsförderung ein wichtiger Ansatz. Und den wollte man u.a. auch durch monetäre Anreize, an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen, fördern.
Der Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung: Wenn Haushaltstrickser Luftbuchungen und einen nicht nur kosmetischen Schaden produzieren
Das kommt dabei heraus, wenn man über keinen sicherheitshalber ausgearbeiteten Plan B verfügt, sondern im Nachgang zu dem offensichtlich die amtierende Regierung völlig überraschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 und den daraus resultierenden handfesten Auswirkungen in Form fehlender Milliarden auf den Bundeshaushalt 2024 planlos und auf die Schnelle in Gestalt hektischer Nachtsitzungen in das Aufstellen von mehr oder weniger belastbaren Streichlisten bei den Ausgaben (und weitaus gewichtiger dem Verschieben von Finanzierungslasten auf Dritte wie Steuer- und Beitragszahler) reinschlittert. Da sind dann Sach- und Personenschäden vorprogrammiert.
Einen schon auf den ersten Blick perfiden „Sparbeitrag“ für den Bundeshaushalt muss das ausgabenträchtige Bundesministerium für Arbeit und Soziales leisten: »In der Pandemie zahlte die Bundesagentur für Arbeit massenhaft Kurzarbeitergeld und verbrauchte dabei sämtliche Reserven. Eigentlich sollten die Rücklagen nun wieder aufgebaut werden. Doch jetzt will die Ampel an das Geld«, so eine der Meldungen zu dem Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung, hier unter der Überschrift Ampel zapft Reserve der Bundesagentur an – Gewerkschaften und Arbeitgeber empört. Christina Ramb von der Arbeitgeberseite in der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit kritisiert, »Beitragsgelder seien kein Sparbuch zur Entlastung des Bundesetats.« Was ist da los?