Angehende Fachärzte als Wanderarbeiter? Über erste Umrisse von Kollateralschäden des Umbaus der Krankenhauslandschaft

Karl Lauterbach hat fertig, zumindest als Bundesgesundheitsminister. Viele seiner Projekte und Vorhaben sind entweder durch den Absprung der FDP aus dem Ampel-Raumschiff in der Gesetzgebungspipeline stecken geblieben oder aber sie befinden sich nun in den Mühen der Umsetzungsebene. Dazu gehört sicher die groß angelegte Krankenhausreform. Mit der soll und wird es einen weiteren Spezialisierungs- und Konzentrationsschub geben. Was da als abstrakte Begrifflichkeit daherkommt, wird handfeste Folgen haben – aber nicht nur für die (potenziellen) Patienten, sondern auch für das Personal in den Kliniken. Und dazu gehören auch die Ärztinnen und Ärzte.

Krankenhäuser sind nicht nur wichtige Orte der Diagnostik und Therapie, sondern sie sind auch zentrale Orte der Weiterbildung der jungen Ärzte im Rahmen ihrer fachärztlichen Qualifizierung. Und die steht nicht außerhalb dessen, was als „Krankenhausreform“ so nett formuliert in den nächsten Jahren Schneisen schlagen wird. In die gewachsene Kliniklandschaft und damit auch in die vorhandenen Strukturen der ärztlichen Aus- und Weiterbildung.

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Die oftmals vergessenen stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit (zu) wenig Personal und sanktionsfähigen Personaluntergrenzen

Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Deutschland ist zum einen verbunden mit zahlreichen föderalen Zuckungen und noch lange nicht gelösten Finanzierungsfragen gesetzgeberisch auf den Weg gebracht worden, zum anderen läuft vor und neben diesem ambitionierten gesundheitspolitischen Unterfangen eine „kalte Strukturbereinigung“ der Kliniklandschaft mit zahlreichen Insolvenzen. Dazwischen angesiedelt sind Vorreiter wie Nordrhein-Westfalen, die bereits mit dem Umbau der dortigen Krankenhäuser begonnen haben. Das ist nicht nur eine finanzielle Großbaustelle, es ist auch ein hochgradig emotionalisiertes Themen- bzw. besser: Minenfeld.

Den meisten wird dabei noch gar nicht aufgefallen sein, dass ein in den vielen hitzigen Debatten über die Krankenhausversorgung oftmals vergessener Bereich explizit nicht Bestandteil der großen Um- und Abbaupläne ist: gemeint sind hier die stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik. Die haben auch schon Anfang des Jahrtausends bei der Einführung eines „durchgängig fallpauschalierenden Systems“ der Krankenhausvergütung gespielt. Und so ist das auch jetzt wieder. Dabei reden wir über einen wichtigen Versorgungsbereich des Gesundheitswesens, dessen Bedeutung man gar nicht überschätzen kann.

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Das kann doch nicht wahr sein. Doch. Krankenhäuser entlassen Hilfskräfte und die ansonsten fehlenden Fachkräfte sollen das jetzt auch noch machen

Da wird sich der eine oder andere aber die Augen reiben. Sind die denn total verrückt geworden in den Krankenhäusern? Überall liest und hört man davon, dass denen die Pflegefachkräfte fehlen, das ganze Stationen mit ihren Betten verwahrlosen (müssen), weil man nicht über ausreichend (Pflege)Personal verfügt. Zugleich wird man andauernd damit konfrontiert, dass sich die offensichtlich noch wertvoller, weil knapper gewordenen Pflegefachkräfte beklagen über Arbeitsverdichtung, Überlastung und kaum noch erträgliche Arbeitsbedingungen. Da könnte der eine oder andere auf die naheliegende Idee kommen, dass man alles versuchen muss, um diese Arbeitsbedingungen zu verbessern, dass man nach Entlastungsmöglichkeiten suchen muss, um die, die noch da sind, (möglichst lange) zu halten und andere vielleicht gewinnen zu können. Könnte man denken.

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Die „Streikwelle“ ist vorbei? Aus der Welt der Arbeitskämpfe „unten“ und „oben“ auf der Schattenseite der öffentlichen Erregung

Was waren das für Wochen, als in diesem Land hochgradig erregt und nach wenigen Tagen am Rand eines hysterischen Nervenzusammenbruchs angekommen über Streiks und eine „Streikwelle“ berichtet, diskutiert und vor allem gestritten wurde. Wieder einmal war es der „Arbeiterführer“ Weselsky mit „seinen“ Lokführern gewesen, der das Land eine Zeit lang in Beschlag genommen hat. Wie nach dem Lehrbuch der Polit-Reflexe wurde sofort mit Hingabe über eine Begrenzung, Einschränkung bis hin zu einem Verbot von Streikaktionen in Bereichen der „kritischen Infrastruktur“ geraunt und entsprechende Maßnahmen wurden von interessierter Seite – nicht selten unter dem Applaus des entnervten Publikums – eingefordert.

Das war vor einigen Wochen – und jetzt? Ruhe im Schacht. Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit den Boni-versorgten Führungskräften des Deutsche Bahn-Konzerns geeinigt und selbst die Lufthansa hat mehrere Tarif-Baustellen unter ihrem Dach abgeräumt, so dass die vielen Menschen, die es möglichst kostengünstig in die Ferne zieht, keine Angst mehr haben müssen, dass die Kerosin-Vögel am Boden festgenagelt werden. Alles gut in Deutschland. Oder?

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Neben, unter oder über dem „Großstreiktag“ wird auch noch gestreikt. Aber nicht für mehr Geld

Was wurde da mit Blick auf den gemeinsamen Streiktag der Gewerkschaften Verdi, die sich in Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen befindet, und der Eisenbahnergewerkschaft EVG, die mit der Deutschen Bahn AG verhandelt, an die Wand gemalt: Stillstandsszenarien, von einem „Generalstreik“ wurde gefaselt, ein (verbotener) „politischer Streik“ wurde einfach mal so behauptet. Und manche Medienvertreter hyperventilierten im Kontext eines eintägigen Warnstreiks in zwei normalen Tarifrunden in nicht-normalen Zeiten von der angeblichen Notwendigkeit, das Streikrecht in Bereichen der „Daseinsvorsorge“ müsse eingeschränkt werden. In vielen Berichten wurde über ebenfalls angeblich völlig überzogene Lohnforderungen hergezogen und gewerkschaftliche Forderungen wurden behandelt wie bereits vor der Tür stehende Lohnabschlüsse.

Aber bei der ganzen Fixierung auf diesen großen Tarifkonflikt wird wieder einmal übersehen, dass auch an anderer Stelle gestreikt wird – und das in einem Kernbereich der vielbeschworenen Daseinsvorsorge, von den einst systemrelevanten Helden der Pandemie-Jahre. Gemeint ist der Krankenhausbereich.

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