From bad to worse: Wenn die Suppenküchen des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen in Europa wieder angeworfen werden (müssen) und Google auf den Bermudas Urlaub macht

Solche Meldungen sind schon starker Tobak: »43 Millionen Bürger sind laut einer Studie auf Suppenküchen und Spenden angewiesen. Das Rote Kreuz spricht von der „schlimmsten humanitären Krise seit sechs Jahrzehnten“ auf dem Kontinent,«, berichtet Spiegel Online in einem Artikel über eine Studie der International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies mit Sitz in Genf, die im Original abgerufen werden kann: „Think differently. Humanitarian impacts of the economic crisis in Europe“. Grundlage der Studie und ihrer Ergebnisse sind Datenerhebungen von 42 Rotkreuz- und Halbmondgesellschaften. Laut französischem Roten Kreuz konnten sich Dreiviertel der Hilfsempfänger ohne Suppenküche und Lebensmittelspenden die Miete für ihre Wohnung nicht leisten und besonders in Italien ist die soziale Härte spürbar: 150.000 Geschäfte und kleine Unternehmen mussten auf dem Höhepunkt der Krise schließen – das habe laut Studie zu einem massiven Anstieg neuer Armut geführt, kann man dem Spiegel Online-Artikel entnehmen. Und in einem Folgebeitrag müssen wir zur Kenntnis nehmen: „Rotes Kreuz verteilt Lebensmittel in Großbritannien“ – erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Quelle ist hier der Beitrag „Red Cross launches emergency food aid plan for UK’s hungry„, der im Independent veröffentlicht wurde. Freiwillige Helfer werden im Winter in Supermärkten um Essen und Trinken bitten. Die Wohltätigkeitsorganisation FareShare solle die Hilfspakete dann an Armenküchen im ganzen Land verteilen. »Noch besorgniserregender sei die Situation aber in Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien. Allein in der italienischen Wirtschaftsmetropole Mailand seien mehr als 50.000 Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen.«

Von welcher Front wird hier berichtet? Es sind einzelne Mosaiksteine der zerstörerischen Folgewirkungen dessen, was sich – irgendwie verharmlosend, weil so abstrakt daherkommend – als „Finanzkrise“ vor fünf Jahre über den Globus ausgebreitet hat.

Nun könnte man gerade hier in Deutschland den Eindruck bekommen, diese „Finanzkrise“ sei doch mittlerweile unter Kontrolle und man könne Entwarnung geben. Aber dem ist nicht so – nicht nur hinsichtlich der sozialen Verwüstungen, die noch über Jahre anzuhalten drohen. Auch hinsichtlich der die Finanzkrise 2009 auslösenden strukturellen Faktoren besteht kein Grund zur Beruhigung, man denke hier nur an die vielfältigen Schwierigkeiten bei der notwendigen Regulierung der Finanzindustrie, bei der der Fortschritt eine Schnecke ist. Und seien wir ehrlich – immer noch hängt die wirtschaftliche Verfasstheit der meisten Staaten am Infusionstropf der Politik des billigen Geldes seitens der Notenbanken der Welt.

Womit wir erneut beim Geld wären – aber was den vielen von der Krise voll getroffenen Menschen vorne und hinten fehlt, das haben andere in unglaublichen Größenordnungen und das zugleich angesichts der angesprochenen Politik des billigen Geldes immer mehr immer günstiger. Nun könnte man auf den verwegenen Gedanken kommen, dann bräuchte man doch „nur“ eine Umverteilung von der einen Seite der Wenigen zu der anderen Seite der Vielen organisieren und gewichtige Teile des Problems wären gelöst oder zumindest abgemildert. Aber schon minimale Umverteilungsversuche werden von denen, die ihre Gewinne privatisieren und gerade erst in der Krise ihre Verluste weitgehend sozialisiert haben, mit schrillen Tönen angegriffen. Aber viele von ihnen gehen noch weiter  und sind noch nicht einmal bereit, minimalste Beiträge zur Finanzierung der Gemeinwesen zu leisten – und deshalb ist dieser Artikel „Google schiebt neun Milliarden Euro auf die Bermudas“ ein Beispiel unter vielen, das gleichsam die andere Seite der Suppenküchen- und Lebensmittelspenden-Medaille abzubilden in der Lage ist. Der Sachverhalt ist schon seit längerem bekannt und wird lediglich durch neue Aktivitäten der Wiederholungstäter – zu denen neben Google unzählige andere Konzerne gehören – aktualisiert: »Google nutzt … weiter massiv Steuertricks. So soll der Konzern allein im vergangenen Jahr Lizenzeinnahmen in Höhe von 8,8 Milliarden Euro auf die Bermudas geleitet haben, um Steuerzahlungen zu vermeiden«. Eine hilfreiche Sache, denn dadurch habe der Konzern seinen durchschnittlichen Steuersatz im Ausland auf rund fünf Prozent drücken können. Die Zuflüsse aus Lizenzgebühren auf die Bermudas in den vergangenen drei Jahren verdoppelt – eine Folge des zunehmenden Geschäfts von Google. »Google nutzt seit Jahren Steuerschlupflöcher, um seine Abgabenlast gering zu halten. So werden die Gewinne aus dem Auslandsgeschäft zum größten Teil im Niedrigsteuerland Irland verbucht – und von dort auf die Bermudas weitergeleitet. Zwischendurch fließt das Geld in diesem komplizierten Steuergeflecht auch in die Niederlande – der Trick ist deshalb auch unter dem Namen „Double Irish with a Dutch Sandwich“ bekannt«. Ach ja, der Vollständigkeit halber darf an dieser Stelle daran erinnert werden, dass die G20-Staaten im vergangenen Sommer angekündigt hatten, diese Steuertricks in Zukunft stärker zu bekämpfen. Den Stand der Umsetzung kann man sich sicher denken.

Besonders markant und sehr ehrlich: »Die Google-Führung hat damit offenbar kein Problem: „Ich bin sehr stolz auf die Struktur, die wir geschaffen haben“, hat Konzernchef Eric Schmidt einmal über das umstrittene Steuersparmodell des Suchmaschinenkonzerns gesagt. „Das nennt man Kapitalismus.“«
In diesem Kontext sind dann solche Meldungen durchaus verständlich: „US-Milliardäre so reich wie nie„: »Zwei Billionen Dollar – auf diese Summe schätzt das US-Magazin „Forbes“ das Gesamtvermögen der 400 reichsten Amerikaner. Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers und dem anschließenden Hochkochen der Finanzkrise geht es den Superreichen so gut wie nie: Vor zehn Jahren besaßen die Top 400 noch halb so viel Geld, im Vergleich zum Vorjahr machten sie ein Plus von 300 Milliarden.« Und es sind nicht nur die Amerikaner. Überall erleben wir derzeit eine weitere gewaltige Konzentrationswelle beim Superreichtum: „Ein Drittel des Wohlstands – in der Hand von 0,00008 Prozent„, so vermeldet es beispielsweise die Süddeutsche Zeitung mit Blick auf die Situation in Russland oder anders formuliert: »35 Prozent des gesamten Wohlstands des Landes ist nun in den Händen von gerade einmal 110 Menschen«.

Oder ein anderes Beispiel: „Immer mehr Milliardäre in China„: »Die Zahl der Super-Reichen in China wächst rasant. Inzwischen leben in dem kommunistisch geführten Land 315 Milliardäre, das ist ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr, wie aus dem am Mittwoch vorgelegten sogenannten Hurun Report hervorgeht, der chinesischen Version der „Forbes-Listen“.«

Und in diesem Reigen darf Deutschland natürlich nicht fehlen, wie man einem Beitrag im „manager magazin“ entnehmen kann: »Nie zuvor waren Deutschlands Superreiche reicher als heute, nie wurden so viele Milliardenvermögen gezählt …  Insgesamt vermehrte sich der Wohlstand der 500 reichsten Deutschen 2013 … auf 528,45 Milliarden Euro. Die Staatsschulden- und Euro-Krise hat die Vermögen damit nicht berührt.«

Woran erinnert einen diese Entwicklung? Also mich erinnert das an ein Zitat der Investorenlegende Warren Buffett: „Es herrscht Klassenkampf, meine Klasse gewinnt, aber das sollte sie nicht“, so wird er in einem im Jahr 2010 veröffentlichten Artikel „Warren Buffett: Das nette Gesicht des Kapitalismus“ von Rosemarie Schwaiger zitiert. Letztendlich handelt es sich bei dieser Variante des Zitats um eine gleichsam „politisch korrekte Fassung“, die Schwaiger aus einem Interview zitiert, das auf CNN.com veröffentlicht wurde: „Buffett: ‚There are lots of loose nukes around the world‘„.
Eine etwas abweichende Variante findet man in dem Artikel „In Class Warfare, Guess Which Class Is Winning“ von Ben Stein, der in der New York Times ebenfalls im Jahr 2006 publiziert wurde – und diese Fassung von Buffetts Zitat ist dann so richtig eindeutig:

„There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.“

„Abrechnung“ mit einer, die schon weg ist und der Blick in ein unaufgeräumtes Politikfeld: Familienpolitik aus Sicht von Wirtschaftsforschern

Jahrelang wurde im Auftrag der Bundesregierung – schon begonnen von der damaligen Bundesfamilienministerin von der Leyen und fortgeführt von der noch, aber eigentlich schon nicht mehr Ministerin Schröder – von Wissenschaftlern an der Frage herumgedoktert, wie denn die vielen Maßnahmen und Leistungen der Familienpolitik einzuordnen seien, wie man sie zu bewerten hat. Und kurz vor der Wahl wurden dann die Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus den vielen daraus entstandenen Studien gezogen und man verkündete der Öffentlichkeit verzückt, dass alles in Ordnung sei in der Familienpolitik und alle relevanten Leistungen irgendwie wirken und ihren Sinn haben. Das wiederum irritierte einen Teil der Wissenschaftler, die sich missverstanden fühlten und nun mit einer Art Gegendarstellung an die Öffentlichkeit getreten sind – nach der Bundestagswahl, was aber nicht per se gegen sie spricht, denn sie haben sich mit Leistungen beschäftigt, die hinsichtlich ihrer Einordnung von einer grundsätzlichen Bedeutung sind.

Die Medien haben das sofort aufgegriffen und in griffige Headlines verpackt – so auf Spiegel Online Lisa Erdmann und Annett Meiritz mit der Überschrift „Experten gegen Kristina Schröder: Fünf Ideen für eine bessere Familienpolitik„. Die beiden sprechen von einem »Tag der Revanche. Mehr als drei Monate haben die Forscher der Institute DIW, Ifo und ZEW darauf gewartet. Nun, kurz vor Ende der schwarz-gelben Koalition, präsentierten die Wirtschaftsforscher ihre Bilanz der Familienpolitik – und die bezeichnen sie an vielen Stellen als verfehlt. Um die Studie hatte es im Sommer Streit gegeben, denn Familienministerin Kristina Schröder hatte bei der Präsentation von Teilen des Gutachtens die Ergebnisse dreist geschönt, zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt.«

Hintergrund der Berichterstattung: Die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, ifo und ZEW haben ihre zentralen Resultate aus der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen vorgestellt. Die Pressemitteilung des DIW dazu ist kompakt überschrieben mit „Lehren aus der Gesamtevaluation der Familienpolitik: Kita-Ausbau und Elterngeld schneiden am besten ab„. Die Wissenschaftler haben die wichtigsten der insgesamt 156 Instrumente der deutschen Familienpolitik im Hinblick auf fünf Ziele untersucht: die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der Familien, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die frühe Förderung von Kindern, die Erfüllung von Kinderwünschen und den Nachteilsausgleich zwischen den Familien. Dabei sind sie zu der nicht überraschenden Erkenntnis gekommen, dass die meisten Maßnahmen und Leistungen wenn, dann nur einzelne Ziele adressieren, oftmals andere der genannten Ziele konterkarieren.

So erhöht das Ehegattensplitting für manche Familien kurzfristig zwar das Haushaltseinkommen, ist aber der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zuträglich. Deutlich besser schneiden die öffentlich finanzierte Kindertagesbetreuung und das Elterngeld ab. Sie verursachen keine oder kaum Zielkonflikte und sollten demzufolge ausgebaut werden, so kann man es in der Pressemitteilung des DIW lesen. Wer die ganze Argumentation nachvollziehen möchte, dem sei dieser Artikel empfohlen:

Holger Bonin, Anita Fichtl, Helmut Rainer, C. Katharina Spieß, Holger Stichnoth, Katharina Wrohlich: Zentrale Resultate der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen, in: DIW Wochenbericht, Heft 40/2013

Erdmann und Meiritz fassen die wichtigsten Punkte in ihrem Beitrag gut zusammen:
Kita-Ausbau hat oberste Priorität; Ganztagsschulen helfen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf; das Elterngeld ist gut, aber reformbedürftig; das Ehegattensplitting muss überarbeitet werden und schlussendlich: höheres Kindergeld ist Quatsch.

Und weiter können wir zu der Sichtweise der Wissenschaftler lesen: »Sie sehen den Schlüssel in einer guten, qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Kinderbetreuung. Eine „Steigerung der Betreuungsquote für unter dreijährige Kinder“ bewirke „eine statistisch signifikante Erhöhung der Geburtenrate“, schreiben sie. Auch beim Elterngeld sehen sie entsprechende positive Effekte.« Das richte sich – so die beiden Autoren des Spiegel Online-Artikels – gegen die Position der Noch-Bundesfamilienministerin Schröder, denn die habe den Standpunkt eingenommen: „Ich bin sehr skeptisch, dass man Fertilität mit politischen Maßnahmen steuern kann“. Ohne die scheidende Ministerin hier in Schutz nehmen zu wollen, aber so ganz falsch ist das natürlich nicht. Was sie aber nicht sieht ist die Tatsache, dass im Ergebnis das Zusammenspiel der vielen Signale, die gerade an die (potenziellen) Mütter ausgesendet werden und die handfesten, nicht selten als familien- und vor allem kinderunfreundliche Strukturen die Entscheidungen beeinflussen können. Insofern kann dem Petitum der Wirtschaftsforscher, was beispielsweise den Stellenwert einer möglichst hochwertigen Kindertagesbetreuung angeht, nur zugestimmt werden – wohl aber wissend, dass auch das beste Betreuungsangebot möglicherweise nur eine geringe Auswirkung haben wird auf die „Fertilitätsrate“, was für ein unerotisches Wort. Wenn man beispielsweise berücksichtigt, dass viele Frauen, die zwar einen Kinderwunsch im Grunde äußern, aber keine haben, auf die Frage nach dem Warum an erster Stelle eben nicht fehlende Kinderbetreuung äußern, sondern man habe bislang eben noch keinen Partner gefunden, mit dem man sich das Kinderkriegen vorstellen kann, dann wird klar, dass es sehr schwer sein wird, die Geburtenrate durch irgendwelche Leistungen zu steigern. Auf das gesellschaftliche Klima kommt es an.

Bei aller Sympathie für die Forderungen der Wissenschaftler nach einem Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung – sie folgen in ihrer Argumentation einer Philosophie, die man mögen kann, die aber nicht ohne Fragezeichen stehen gelassen werden kann: Ihr Plädoyer lässt sich weitgehend eindampfen auf die Forderung „Infrastruktur statt Geld“. So schreiben die Forscher zum Punkt Kindergeld nicht erhöhen: »Für Kindergeld und Kinderfreibeträge gibt der Staat jährlich fast 40 Milliarden Euro aus. Diese Maßnahmen, so stellen die Forscher fest, tragen zwar erheblich zur finanziellen Stabilität von Familien bei. Junge oder zukünftige Eltern können sich auf insgesamt rund 65.000 Euro freuen, auf die sich Kindergeld oder Kinderfreibetrag im Durchschnitt summieren. Sie bewirken jedoch hauptsächlich einen Einkommenseffekt und erhöhen den Wohlstand vor allem bei Familien im mittleren oder oberen Einkommensbereich.«

Sie erwecken den Anschein bzw. sie zielen darauf, dass man das eine gegen das andere in Stellung bringen könne. Aber was sie kritisieren, sind Umverteilungseffekte von Geldleistungen, die wie das Kindergeld eben nicht einkommensabhängig wie viele andere Leistungen sind. Nur am Rande – das bestehende System produziert verteilungspolitisch die skurrilsten Effekte: Kinder der reichen, dadurch auch viele Steuern zahlende  Oberschicht und oberen Mittelschicht bekommen anteilig gesehen durch das System der Kinderfreibeträge mehr für ihre Kinder als die Mutter an der Kasse eines großen Discounter.

Allerdings – und dafür wird hier geworben – sollte man nun nicht auch wieder das Kind mit dem Bade ausschütten, denn die Formel „Infrastruktur statt Geldleistungen“ ist verkürzt, blendet sie die vielen materiellen Probleme in den Familien im unteren Einkommensbereich zumindest teilweise einfach aus. Sinnvoller wäre die Überlegung, eine Kindergrundsicherung einzuführen, die den materiellen Sorgen vieler älterer Menschen im unteren Einkommensbereich entsprechen könnte, während zugleich die oberen Einkommensgruppen durch die Versteuerung der Kindergrundsicherung bis zum Stand dessen, was sie heute schon an Kinderfreibeträgen bekommen, nicht weiter zusätzliche Geldmittel erhalten würden.

Das Kreuz mit den Steuern: Parteipolitische Sirenenklänge und Ausschließeritis versus einer bedarfsorientierten Diskussion. Das Steuerthema vom Kopf auf die Füße stellen

Da waren so einige überrascht, als der amtierende Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) kurz nach der Wahl einen wohlpräparierten Pfeil in das noch die eigenen Wahlwunden leckende und desorientierte Lager der Sozialdemokratie abgefeuert hat: Er könne sich Steuererhöhungen vorstellen, wenn sie denn der Preis für eine große Koalition sein sollten, so wurde und wird es in den Medien kolportiert. Flankenschutz bekam er vom Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe, der den kritischen Wirtschaftsflügel seiner Partei einem Bericht zufolge auf einen höheren Spitzensteuersatz eingestellt habe, bis zu 49 Prozent seien denkbar. Auch das Bundesfinanzministerium prüfe die Anhebung des Spitzensteuersatzes – bezeichnenderweise ist der Artikel überschrieben mit „Schäuble will SPD mit höherer Reichensteuer ködern„. Auch wenn es hierbei primär um ein durchschaubares Manöver vor dem Hintergrund der anstehenden Koalitionsverhandlungen geht, so ist doch diese überraschend frühzeitig in Aussicht gestellte Kompromissbereitschaft innerhalb der Union mit großen Risiken behaftet, denn vor der Wahl hatte die Union höhere Steuern ausgeschlossen. Entsprechend sind die aktuellen Reaktionen: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen lehnt höhere Steuern strikt ab. Und noch weiter positioniert sich der CSU-Chef Seehofer, der sogar sein Wort gibt: Steuererhöhungen werde es nicht geben: Horst Seehofer sagte der „Bild am Sonntag“, Steuererhöhungen kämen für seine Partei „nicht in Frage … Die Bürger haben darauf mein Wort“ (vgl. hierzu das Interview in der Bild am Sonntag: „Hier gibt Seehofer sein Steuer-Ehrenwort„).

Und nicht wirklich überraschend, man könnte auch sagen gut getimt ist die Tatsache, dass der neue SPIEGEL mit dem Steuerthema aufmacht – wobei man die Gestaltung des Titelblatts durchaus als das wahrnehmen kann, was es ist: Propaganda, die an die tiefergelegten emotionalen Schichten vieler Deutschen appelliert, bei denen Worte wie Steuern oder noch schlimmer Finanzamt nicht nur allergische Hautreaktionen auslösen, sondern zu schlimmeren Reaktionen führen. Unter der Überschrift „Die Wahrheit nach der Wahl“ behauptet der SPIEGEL: »Versprochen, gebrochen: Noch vor kurzem hat Kanzlerin Merkel höhere Steuern ausgeschlossen. Nun werden sie geplant, um die SPD in die Koalition zu zwingen. Für höhere Renten und bessere Pflege könnten bald auch die Sozialabgaben steigen.« Womit wir schon mittendrin wären in den Tiefen und Untiefen der Sozialpolitik.

Es muss an dieser Stelle ausschließlich aus Gründen einer quellenkritischen Bewertung dieser Diskussion darauf hingewiesen werden, dass die Aussage, der Bundesfinanzminister Schäuble könne sich Steuererhöhungen vorstellen, eine sehr „flexible“ Interpretation seiner Aussagen aus einem Interview der ZEIT darstellt: Auf die Frage, ob er Steuererhöhungen (in einer neuen Koalition) grundsätzlich ausschließe, sagte Schäuble: „Nochmals: Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen. Wir werden Koalitionsverhandlungen nicht über die Öffentlichkeit führen. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Staat keine zusätzlichen Einnahmequellen benötigt“, so die Darstellung in einem Artikel der FAZ. Insofern ist es dann auch konsequent, dass der Minister sich über das Regierungsorgan „Bild-Zeitung“ an die Öffentlichkeit gewandt hat: ”„Der Staat hat kein Einnahmeproblem. Es gibt keinen Grund, die Steuern zu erhöhen. Darum gilt weiterhin das, was wir vor der Wahl gesagt haben: keine Steuererhöhungen«, so wird er in dem FAZ-Artikel zitiert.

Aber die tagespolitischen Aktivitäten sollen hier nicht weiter verfolgt werden, sondern eine grundsätzliche Frage gehört in den Raum geworfen: Was würde eine systematische Steuerpolitik ausmachen? Neben der Berücksichtigung der komplexen Wirkungen und vor allem der Nebenwirkungen der unterschiedlichen Steuerarten sollte es nach der hier vertretenen Auffassung vor allem um eine Systematik gehen, die von der Instrumentalfunktion der Einnahmenseite ausgeht, was aber bedeuten würde, dass man in einem ersten Schritt die Bedarfe bestimmt und quantifiziert, für deren Deckung dann entsprechende Finanzmittel erforderlich wären, wenn man denn die Bedarfe decken muss bzw. will – oder das eben auch nicht, was dann aber wieder eine politische Frage ist. Das ist gemeint, wenn hier dafür plädiert wird, das Steuerthema vom Kopf auf die Füße zu stellen:

Also 1. die Bedarfe diskutieren und definieren und 2. die dafür notwendigen Mittel quantifizieren und 3. dann über die Art und Weise der konkreten Finanzierung (also direkte oder indirekte Steuern, Sozialversicherungsbeiträge usw.) diskutieren.

Zur Illustration des dringend notwendigen rationalen Diskurses über die Ausgestaltung der Einnahmenseite in ihrer Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Bedarfen soll im Folgenden als aktuelles Beispiel die massive Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur dargestellt werden, denn dieses Beispiel steht – nur stellvertretend und leider keineswegs solitär – für eine Tatsache, die sich jetzt und in den vor uns liegenden Jahren bitter rächen wird: Ganz offensichtlich wurde in der deutschen Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren in einem erheblichen Umfang eine Verhaltensweise an den Tag gelegt, die man bezeichnen muss als „von der Substanz leben“. Man kann das auch wesentlich nüchterner ausdrücken: Die Tatsache, dass beispielsweise die Bruttoinvestitionen der kommunalen Ebene in den vergangenen Jahren unter den Abschreibungen lag, verdeutlich dem Ökonomen, dass wir tatsächlich von der Substanz gelegt haben, denn offensichtlich ist noch nicht einmal der Werteverzehr kompensiert worden, geschweige denn sind gesamtwirtschaftlich gesehen echte Neuinvestitionen im Sinne zusätzlicher Investitionen vorgenommen worden. Nun muss man sich die vermiedenen Ersatzinvestitionen vorstellen wie ein Haus, in das man aus Geldmangelgründen jahrelang nichts investiert, Reparaturen aufschiebt usw. – irgendwann aber wird eine dicke Rechnung kommen, der man dann nicht mehr wird ausweichen können, es sei denn, man gibt die Funktionsfähigkeit des Hauses insgesamt auf. Und seien wir ehrlich – in vielen Städten, natürlich vor allem in den westdeutschen Kommunen, sind wir mit einem massiven Investititionsstau konfrontiert, bei einer Infrastruktur, die oftmals in den 1960er und vor allem in den 1970er Jahren geschaffen wurde und von der große Teile jetzt das Endstadium ihrer technischen Lebensdauer erreicht haben.

Wer das konkreter haben möchte, der möge ein Blick werfen auf diesen Tatbestand: „Jede zweite Brücke der Kommunen ist marode„, so meldet es Spiegel Online: Viele Verkehrswege in Deutschland sind in die Jahre gekommen, besonders schlecht steht es um die Brücken. Laut einem neuen Gutachten ist jedes zweite von 66.714 Bauwerken marode, für deren Erhalt die Kommunen zuständig sind – und wir reden hier noch gar nicht von den ganzen Autobahnbrücken, bei denen ebenfalls vergleichbare Werte gemessen wurden und die in die Zuständigkeit des Bundes fallen.
Straßen, Brücken, Bahnhöfe, Wasserstraßen, Schienen – zusammengerechnet ist Deutschlands Verkehrsinfrastruktur 778 Milliarden Euro wert. Allerdings beklagen Experten „eine substantielle Vernachlässigung der Investitionen in die Erhaltung und Qualitätssicherung der Verkehrsinfrastruktur“. Dies lässt sich einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) entnehmen: Uwe Kunert und Heike Link: Verkehrsinfrastruktur: Substanzerhaltung erfordert deutlich höhere Investitionen, in: DIW Wochenbericht Nr. 26/2013, S. 36 ff. Die Wissenschaftler liefern deutliche Zahlen: »Die Analyse zeigt, dass in der Vergangenheit jährlich knapp vier Milliarden Euro zu wenig für die Substanzerhaltung der Verkehrsinfrastruktur aufgewendet wurden. Geht man von mindestens dieser Investitionslücke für die Substanzerhaltung der Verkehrsinfrastruktur auch in den kommenden Jahren aus und berücksichtigt man darüber hinaus den aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung aufgelaufenen Nachholbedarf, so dürfte der zusätzliche jährliche Investitionsbedarf bei mindestens 6,5 Milliarden Euro liegen.«

Zurück zu den Brücken in kommunaler Zuständigkeit. Mehr als 30.000 sind marode und ein guter Teil nicht mehr reparierbar, so auch die Berichterstattung in der Online-Ausgabe der Welt. Beide Artikel beziehen sich auf eine neue Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU). Konkret hatten sich die Forscher die Brücken in kommunaler Hand angesehen. Das sind genau 66.714 Bauwerke. Für eine Stichprobe wurden mehr als 2.000 Brücken in 456 Städten, Gemeinden und Landkreisen ausgewählt. Ein zentrales Ergebnis lautet, »dass bei rund 15 Prozent „Ersatzneubaubedarf“ bestehe: Der Zustand sei so schlecht, dass nur Abriss und Neubau in Frage komme. Betroffen seien häufig kleine Kommunen unter 20.000 Einwohnern, wo aber fast 70 Prozent der Brücken stünden, sowie Städte und Gemeinden im Osten. Dort wurden nach der Wende vor allem große Verkehrswege saniert und neu gebaut, kleinere wurden nicht beachtet.«

Das wird natürlich alles Geld kosten, viel Geld. Konkrete Diskussionen zur Mittelbeschaffung laufen bereits. Zur Sanierung des bundesweiten Verkehrsnetzes wollen die Bundesländer den Weg für einen Milliardenfonds ebnen. Im Gespräch sei ein Volumen von fast 40 Milliarden Euro bis 2028. Pro Jahr sollen – unabhängig von der aktuellen Haushaltslage bei Bund und Ländern – zwischen 2,7 und 3 Milliarden Euro in Projekte fließen. Der Sanierungsbedarf sei immens und Folge einer jahrzehntelange Vernachlässigung von Straßen, Brücken, Schienen und Wasserwegen. Entsprechende Vorschläge wurden von einer Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Verkehrsministers Kurt Bodewig (SPD) für die Verkehrsministerkonferenz erarbeitet. Zur Gegenfinanzierung plädiert die Kommission auch für eine intensive Nutzung der „Instrumente der Nutzerfinanzierung“, die Lkw-Maut ist hier das prominenteste Beispiel.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass das Beispiel über die marode, unterfinanzierte Verkehrsinfrastruktur nur ein Beispiel aus dem Reigen der Handlungsfelder darstellt, in denen es große Investitionsbedarfe gibt – man denke hier nur an die Finanzierung der Energiewende. Dass es allein schon in diesen „harten“ Infrastrukturbereichen derart enorme Investitionsbedarfe gibt, muss den Sozialpolitiker skeptisch stimmen, denn natürlich gibt es bei der Frage, wo und wofür das immer knappe Geld eingesetzt werden soll, eine Konkurrenz zwischen den einzelnen Handlungsfeldern des Staates und damit seiner Ausgaben. Sollen die Steuermilliarden für neue Verkehrswege oder für eine bessere Vergütung der Pflegekräfte und der Erzieherinnen ausgegeben werden? Genau so wird natürlich diskutiert. Und vor diesem Hintergrund muss man dann eben auch deutlich machen, aber wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass es das Problem einer ausgeprägten Unterfinanzierung auch in vielen sozialen Arbeitsfeldern gibt, man denke hier an Pflege oder Bildungseinrichtungen, schon mit Blick auf das Leben von der Substanz – und wir reden dann immer noch nicht von den erheblichen zusätzlichen Ausgaben, die mobilisiert werden müssten, wenn man neue Aufgabenstellungen umsetzen will. Als Stichwort mag hier der Hinweis auf die Umsetzung der Inklusion (nicht nur) im Schulsystem genügen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte kurz vor der Bundestagswahl mit Blick auf die steuerpolitische Debatte versucht, mit einer medienwirksamen Inszenierung den Investitionsbedarf im Sozialbereich aus Sicht eines Wohlfahrtsverbandes in eine Zahl zu pressen: In der Pressemitteilung „Paritätischer fordert Steuererhöhungen für Bildung und Soziales: Expertise belegt Milliardenbedarf bei sozialen Leistungen“ kommt man zu dem Ergebnis, dass »jährlich mindestens rund 35 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen notwendig (seien), um drängende soziale Projekte umzusetzen«. Man hat versucht, mit einer Expertise den »Mindestinvestitionsbedarf für insgesamt acht sozialpolitische Handlungsfelder von der Bildung bis zur Pflege« zu ermitteln. »Die drei größten Ausgabenblöcke stellen die Bereiche Armutsbekämpfung, Pflege und Teilhabe von Menschen mit Behinderung dar. Mit zusammen über 20 Mrd. Euro pro Jahr machen sie allein 58 Prozent der ermittelten Gesamtsumme von 35 Milliarden Euro jährlich aus. Für die gesamte nächste Legislaturperiode ergibt sich ein zusätzlicher Finanzbedarf von insgesamt 142 Mrd. Euro. Wichtige unbestrittene Herausforderungen wie der Ausbau der Kindertagesbetreuung oder die Förderung der Mobilität sind dabei auf Grund der unzureichenden Datenlage noch gar nicht berücksichtigt.« Politik kann sich nicht mehr vor der Verteilungsfrage drücken – so die zentrale Quintessenz des Wohlfahrtsverbandes, der eine stärkere Besteuerung von Einkommen und Vermögen fordert.

Fazit: Mit der Behauptung, der Staat habe kein Einnahmenproblem (sondern ein Ausgabenproblem, obgleich das dann nie an konkreten Beispielen belegt wird, wo man denn überall mehrere Milliarden Euro einsparen könne), aber auch nicht mit einer Forderung nach ordentlich mehr Steuergeld, weil so viel zu tun sei, wird man der Komplexität des Themas gerecht werden können. Und natürlich muss man bei der Frage Steuererhöhung ja oder nein (und dann vor allem auch welche) immer berücksichtigen müssen, dass aufgrund der selbst gesetzten Schuldenbremsen auf Bundes- und Landesebene die Flucht in eine zusätzliche Verschuldung immer schwieriger wenn nicht ganz unmöglich wird. Insofern wäre zu fordern, dass wir systematisch, also ausgehend von einer echten Analyse der Bedarfe, den notwendigen Finanzbedarf abzuschätzen und dann zur Diskussion zu stellen versuchen.

Dass das nicht sofort Steuererhöhungen bedeuten muss, sondern dass man zuweilen auch innerhalb des bestehenden Systems erhebliche Steuereinnahmeverbesserungen erreichen kann, zeigen abschließend diese beiden aktuell diskutierten Beispiele:

Der neue SPIEGEL thematisiert auch die entgangenen Steuereinnahmen in unserem gegebenen System: „Steueroase Deutschland“: »Weil in den Finanzämtern Fahnder und Prüfer fehlen, entgehen dem Staat Milliarden. Viele Länder wollen lieber die Wirtschaft fördern, als ihre Steuerbehörden
in Ordnung zu bringen. Die Steuer-Kleinstaaterei kommt das Land teuer zu stehen.« Es wird darauf hingewiesen, dass im »vergangenen Jahr ist die Zahl der Einsätze deutscher Steuerfahnder drastisch gesunken (ist). 2012 rückten die Fahnder nach Recherchen des SPIEGEL knapp 24.000 Mal aus, um Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen. Das sind rund 14 Prozent weniger Einsätze als noch im Jahr zuvor … In Baden-Württemberg etwa fielen die Besuche der Fahnder bei Steuersündern um ein Viertel, Hessen verzeichnete gar ein Minus von einem Drittel. In Nordrhein-Westfalen reduzierten die Fahnder ihre Einsätze um rund 17 Prozent.« Kurzum, Deutschland hat Züge einer Steueroase und in diesem Kontext ist das zweite Beispiel dann nur konsequent:

Die Bundesregierung blockiert eine Reform in Europa, die die Geldwäsche mittels Briefkastenfirmen erschweren soll – so die Botschaft in dem Artikel „Schonzeit für das Paradies„. Das Problem ist, dass »bei den derzeit laufenden Verhandlungen über die Neufassung des EU-Geldwäschegesetzes im Brüsseler Ministerrat stellen sich ausgerechnet die Vertreter der Bundesregierung gegen den nach Meinung von Fachleuten wichtigsten Reformvorschlag: Die europaweite Einrichtung von Unternehmensregistern einschließlich der Pflicht, darin die im Finanzjargon so genannten „beneficial owners“, also die „wirtschaftlich Berechtigten“ zu nennen, denen die Gewinne aus den jeweiligen Firmen zufließen.«

Man muss sich klar machen, was das bedeutet. »Weil es diese Verpflichtung bisher nicht gibt, können Steuerhinterzieher und Geldwäscher ungehindert mit Briefkastenfirmen operieren, deren tatsächlicher Eigentümer verborgen bleibt. Das gilt auch in Deutschland. Zur Eintragung eines Unternehmens im hiesigen Handelsregister reichen die Angaben über das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen, auch wenn diese bei einer ausländischen Firma liegen, deren Eigentümer nicht genannt sind. Vor allem wegen dieser Lücke nimmt Deutschland einen der vorderen Plätze auf dem „Schattenfinanzindex“ der Organisation Tax Justice Network (TJN) ein …« Mit seinem Verhalten »stellt sich die Bundesregierung pikanterweise auf die Seite der als Steuerfluchtzentren bekannten Länder Luxemburg, Malta und Niederlande, die sich ebenfalls gemeinsam mit fünf weiteren der 28 EU-Staaten gegen die Registerpflicht aussprachen« und durch das Gewicht Deutschlands fehlt den Befürwortern die notwendige qualifizierte Mehrheit. Schade, dass darüber kaum bzw. nur partiell berichtet wird.

Auf alle Fälle sollte deutlich geworden sein – man muss nicht reflexhaft sofort nach Steuererhöhungen rufen, wenn es noch so viel Spielraum im bestehenden System gibt.
Unbestritten aber bleibt die Aufgabe, jetzt endlich eine ordentliche Bilanzierung der Investitionsbedarfe vorzulegen – und zwar der Investitionsbedarfe in Beton wie auch in Menschen. Erst dann ließe sich eine vernünftige steuerpolitische Diskussion führen, die dann auch eine Chance hätte, die Akzeptanz höherer Belastungen in der breiten Bevölkerung herzustellen. Denn wenn die bislang unterfinanzierten Bedarfe in vielen sozialpolitischen Handlungsfeldern so sind, wie von vielen Seiten immer wieder behauptet wird, dann werden die dafür notwendigen Mittel nicht nur durch eine Besteuerung von einigen wenigen Millionären aufzubringen sein. Denn für deren Belastung bekommt man schnell 80 bis 90 Prozent Zustimmung. Es wird dann die Brieftasche der bereiten Masse treffen und da ist die Zustimmung dann besonders herstellungsbedürftig.