Hilfe durch Zwang? Wann dürfen Menschen vor sich selbst geschützt werden?

»Mit Wohltätigkeit und Fürsorge begründete Zwangsmaßnahmen sind in vielen Feldern des Sozial- und Gesundheitswesens verbreitet. Dabei handelt es sich etwa um freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Unterbringung in Kliniken und anderen stationären Einrichtungen gegen den Willen der betroffenen Person oder das Anbringen von Bettgittern oder Fixierungsgurten, um medizinische Behandlungen oder Pflegemaßnahmen gegen den Willen eines Patienten oder um sogenannte intensivpädagogische Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. Wenn eine Person sich selbst schwer zu schädigen droht, können solche Zwangsmaßnahmen dem Wohl der betroffenen Person dienen. Gleichwohl stellt jede Anwendung solchen „wohltätigen Zwangs“ einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person dar und ist folglich in besonderem Maße rechtlich und ethisch rechtfertigungspflichtig. Dies führte immer wieder zu kritischen Diskussionen über entsprechende Praktiken in der Medizin, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Pflege- und Behindertenheimen.«

Mit diesen Worten beginnt eine Mitteilung des Deutschen Ethikrates unter der Überschrift Wann dürfen Menschen vor sich selbst geschützt werden? Hier werden ganz elementare Fragen aufgerufen, die sich tagtäglich in vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens stellen. Und die sporadisch an die Oberfläche der öffentlichen Wahrnehmung gespült werden, meistens im Kontext von Skandalisierung (vermeintlich) missbräuchlicher Ausübung von Zwang gegen den (vermeintlichen) Willen einzelner Menschen.

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Die Einwanderung der einen ist die Auswanderung der anderen: Osteuropa als (bisheriger) Arbeitskräftelieferant

Es wird wieder viele sozialpolitisch relevanten Themen im neuen Jahr geben – und darunter befindet sich auch eine zum Jahresende konkretisierte Gesetzgebung in einem hoch umstrittenen Bereich: Das von der Bundesregierung als Entwurf vorgelegte Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) wird uns noch erheblich beschäftigen. Zum einen, weil man tatsächlich einen Paradigmenwechsel der Einwanderungspolitik konstatieren kann, zum anderen aber stellen sich zahlreiche Folgefragen mit Blick auf das, was da ermöglicht werden soll. Das federführende Bundesinnenministerium informiert uns so: »Durch den Gesetzentwurf … werden die Regelungen für den Aufenthalt und die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaat dem wirtschaftlichen Bedarf entsprechend gezielt geöffnet sowie neu systematisiert und insgesamt klarer und transparenter gestaltet. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz führt erstmals einen einheitlichen Fachkräftebegriff ein: Fachkräfte sind sowohl Hochschulabsolventen als auch Beschäftigte mit einer qualifizierter Berufsausbildung. Liegt ein Arbeitsvertag vor, können Fachkräfte künftig ohne Vorrangprüfung einreisen. Die Arbeitsplatzsuche wird für Fachkräfte mit Berufsausbildung analog zur Regelung für Hochschulabsolventen neu vorgesehen. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Fachkraft über deutsche Sprachkenntnisse verfügt, die der angestrebten Tätigkeit entsprechen, und ihren Lebensunterhalt während der Suche eigenständig sichern kann … Schließlich enthält der Entwurf auch eine neue Beschäftigungsduldung mit klaren Kriterien für gut integrierte Geduldete sowie Anpassungen zur einheitlichen Anwendung der Ausbildungsduldung und deren Ausweitung auf staatliche anerkannte Helferausbildungen.«

Weniger technokratisch die Rezeption in einem Teil der Medien. So jubelt Mathias Oberndörfer unter der Überschrift Mit dem FEG stellt Deutschland die Weichen für die Zukunft: »Deutschland fehlen Fachkräfte. Verstärkung kann nur aus dem Ausland kommen. Bislang war die Zuwanderung für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten ein langer Hürdenlauf. Das soll sich jetzt ändern – es ist höchste Zeit!« Wie gesagt, darüber wird noch intensiver zu diskutieren sein. In diesem Beitrag soll es um die zweite Seite der geplanten Einwanderungsmedaille gehen: Wo kommen diese Arbeitskräfte eigentlich her? Woher sollen sie kommen und werden sie auch in Zukunft noch kommen (können)?

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Erwerbsarbeit im unteren Lohnbereich soll sich mehr lohnen. Von Zuverdienstgrenzen, weiterführenden Reformvorschlägen und einigen Grundsatzfragen

Wenn man die vielstimmige „Hartz IV“-Debatte der letzten Monate Revue passieren lässt, dann taucht da immer wieder eine Komponente auf, deren Veränderung auf den ersten Blick zu erstaunlichen Koalitionen führt: der Zuverdienst und seine Begrenzungen im Grundsicherungssystem. In dem von Robert Habeck von den Grünen verfassten Positionspapier Anreiz statt Sanktionen, bedarfsgerecht und bedingungslos wird unter der Überschrift „Eine Frage der Gerechtigkeit: Wer arbeitet, muss davon profitieren“ ausgeführt: »Aktuell werden je nach Einkommenshöhe 80, 90 oder gar 100 Prozent des selbstverdienten Einkommens auf Hartz IV angerechnet. Während in Deutschland immer wieder über ein zu frühes Einsetzen eines Spitzensteuersatzes von 42 Prozent geredet wird, scheinen viele nicht zu wissen, dass gerade die Menschen, die am wenigsten verdienen, 80 Prozent und mehr ihres selbstverdienten Einkommens abgeben müssen. Wir halten diesen Zustand für ungerecht und demotivierend. In einem ersten Schritt wollen wir daher erreichen, dass alle Empfänger*innen mindestens 30 Prozent des selbst verdienten Einkommens behalten können. Das klingt immer noch wenig, aber ein Beispiel verdeutlicht, was das für die Betroffenen heißt. Heute verfügt eine vierköpfige Familie mit einer erwerbstätigen Person, die 1.500 Euro brutto verdient und die zusätzlich im Hartz-Bezug aufstocken muss, über 330 Euro netto mehr, als wenn niemand in der Familie arbeiten würde und das Einkommen allein aus der Grundsicherung käme. In unserem Vorschlag steigt nun diese Differenz auf 520 Euro. Wenn erst einmal eine Kindergrundsicherung eingeführt ist, steigt das verfügbare Einkommen der Familie sogar noch weiter.«

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