Ein Entgeltgleichheitsgesetz als bislang zahnloser Tiger, aber das Bundesarbeitsgericht hat nun einen Meilenstein in Richtung echte Entgeltgleichheit gesetzt

Das Mitte 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) erfasst Betriebe mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten und bringt Mitarbeitern einen Anspruch auf Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots (vgl. § 10 EntgTranspG). Das Gesetz soll die Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern im Sinne von „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ durchsetzen. Das EntgTranspG hat seine Wurzeln im europäischen Recht und soll die europäische Richtlinie 2006/54/EG umsetzen. Anfang des Jahres 2017, der Gesetzentwurf war gerade vom Bundeskabinett verabschiedet, klang es sehr selbstbewusst, was aus dem Bundesfamilienministerium den Menschen mitgeteilt wurde: »Das Gesetz will den seit über 50 Jahren geltenden Anspruch von Frauen auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen. Es schafft neue Instrumente, um die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben auch beim Lohn voranzutreiben.« Und die damalige Ministerin Schwesig (SPD) lies sich mit diesen Worten zitieren: »Nun ist der Weg frei für ein Gesetz, das ein wichtiges Tabu brechen wird: nämlich, über sein Gehalt zu sprechen. Der Gesetzesentwurf schafft mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern – und zwar über Transparenz von Gehalts- und Entgeltsystemen. Mit dem individuellen Auskunftsanspruch, der Berichtspflicht und den Prüfverfahren wird die Unternehmenskultur verändert.« Dazu der Beitrag Gerechtigkeit beim Lohn per Gesetz? Das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ zwischen Hoffnung und Enttäuschung vom 11. Januar 2017. Der Beitrag damals wurde übrigens mit diesen Worten beendet: „Man muss kein Prophet sein um vorhersagen zu können, dass die tatsächlichen Auswirkungen in der betrieblichen Praxis mehr als überschaubar bleiben werden.“

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Ein Update aus einem Teil der Schattenwelt des deutschen Pflegesystems: Der Mindestlohnanspruch in der unmöglichen 24-Stunden-Betreuung bleibt

»Es gibt zahlreiche Urteile, die Tag für Tag von deutschen Gerichten gefällt werden. Die meisten interessieren nur die unmittelbar Betroffenen. Aber einige Entscheidungen haben über den konkreten Einzelfall hinaus eine solche Bedeutung, dass sie ein Erdbeben verursachen und viele andere, nur scheinbar Unbeteiligte, mehr als unruhig werden. Mit einer solchen hat man es zu tun, wenn man sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2020, Az. 21 Sa 1900/19, anschaut: Mindestlohn für Einsatz in der umfassenden häuslichen Betreuung, so ist die Pressemitteilung des Gerichts dazu überschrieben.« So begann der Beitrag Ein un-mögliches Geschäftsmodell: Die sogenannte „24-Stunden-Betreuung“ als eigene Säule des deutschen Pflegesystems wird von der Rechtsprechung ins Visier genommen, der hier am 17. August 2020 veröffentlicht wurde. Am Ende des Beitrags findet man diesen Hinweis: »Die hier besprochene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg wird möglicherweise in diesem hunderttausende Familien betreffenden Bereich Geschichte schreiben – man muss nun aber (weiter) warten, ob sich auch das Bundesarbeitsgericht der Sache annehmen wird bzw. das muss.«

Und ja, das Bundesarbeitsgericht hat sich damit befasst. Blicken wir zurück auf den Sommer des vergangenen Jahres: Aus der Schattenwelt des deutschen Pflegesystems: Die un-mögliche „24-Stunden-Betreuung“ als Geschäftsmodell ist beim Bundesarbeitsgericht aufgelaufen, so ist ein Beitrag zur damaligen Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts überschrieben, der hier am 24. Juni 2021 veröffentlicht wurde.

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Die große Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist tariffähig, sagt das Bundesarbeitsgericht. Auch da, wo sie ganz klein ist: In der Pflegebranche

In den vergangenen Monaten und Jahren ist in der pflegepolitischen Diskussion immer wieder gerade mit Blick auf die Langzeit- bzw. Altenpflege darauf hingewiesen worden, dass der extrem niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad der Beschäftigten mit ein Grund dafür sei, dass die von vielen ebenfalls seit Jahren angemahnten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen nur schleppend vorankommen bzw. sogar eine weitere Verschlechterung nicht verhindert werden konnte.

Und schon vor Jahren wurde darauf hingewiesen, dass gerade in der Altenpflege mit ihren vielen eher kleinteiligen Einrichtungen und Diensten und dem zunehmenden Anteil an privat-gewerblichen Trägern ein gewerkschaftliches Machtvakuum zu beklagen sei, was auch dazu beigetragen habe, dass (im Zusammenspiel mit der Sonderrolle der den freigemeinnützigen Sektor der Altenpflege dominierenden kirchlichen Träger, die eigene Regelungswerke haben) es in diesem Bereich eine tariflose Zone geben würde, bei der man noch nicht einmal von einer „tarifpolitischen Erosion“ sprechen kann, die seit den 2000er Jahren zunehmend kritisch diskutiert wird, denn es gibt kaum, geschweige denn flächendeckende Tarifverträge.

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