Gewerkschaften in den USA: Eine Niederlage und dann auch noch gegen Amazon. Zugleich werden die bitteren Folgen der Atomisierung gewerkschaftlicher Gegenmacht in Dollar und Cent erkennbar. Und warum das auch für Deutschland relevant ist

Fast alle klagen über die Folgen und die Belastungen durch die Corona-Pandemie und die Liste der Verlierer wird immer länger. Aber nicht wirklich alle werden darin einstimmen – denn wie immer gibt es auch Gewinner. Und ein Gewinner steht definitiv fest: Amazon. Schon das erste Corona-Jahr, also 2020, war ein „Geschenk“ für diesen global aufgestellten Konzern, Dazu muss man sich nur diese beiden Abbildungen anschauen:

Und diese Abbildung enthält noch nicht das für den Konzern so außergewöhnlich „bescherungsreiche“ 4. Quartal 2020, denn mit den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres haben die Zahlen noch einmal einen richtigen Sprung nach oben hingelegt: Insgesamt 125,56 Mrd. US-Dollar setzte Amazon im 4. Quartal 2020 um, dies entspricht einem Umsatzwachstum um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2019).

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Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten

Am 1. Juli 2018 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Die einen wollen Tariflöhne in der Altenpflege, die anderen die Arbeitgeber genau davor bewahren. Der Weg wird kein einfacher sein. Darin und in Folgebeiträgen (beispielsweise am 19. Januar 2019: Ein flächendeckender Tarifvertrag für die stationäre und ambulante Altenpflege? Es ist und bleibt kompliziert) wurde beschrieben, wie schwierig die Umsetzung der lobenswerten Absicht sein wird, in der Altenpflege zu einem für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrag zu kommen. Das Feld der stationären und ambulanten Pflege ist tarifpolitisch besonders vermint, hier stehen sich im Grunde zwei Blöcke gegenüber, die gemeinnützigen Anbieter (mit einem besonderen Schwergewicht bei den katholischen und evangelischen Trägern) sowie die privatgewerblichen Anbieter (kommunale Träger sind nur noch in Spurenelementen) vorhanden. Fast die Hälfte der immer im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehenden Altenheime sind schon in privatgewerblicher Hand, bei den ambulanten Pflegediensten sind es zwei Drittel. Und mit Blick auf diese Seite des „Marktes“ müssen wir eine quasi tariffreie Zone konstatieren (die übrigens auf der Seite der Beschäftigten durch einen desaströs niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad komplettiert wird). Hinzu kommt, dass auf der Seite der gemeinnützigen Anbieter die beiden konfessionell gebundenen Schwergewichte, vertreten durch Caritas und Diakonie, in einer Sonderwelt leben dürfen, dem sogenannten „Dritten Weg“. Danach werden den Beschäftigten in konfessionell gebundenen Einrichtungen und Diensten elementare Arbeitnehmerrechte vorenthalten (beispielsweise das Streikrecht) und die Kirchen dürfen ihre Angelegenheiten weitgehend selbst und auch unter Ausschluss von Gewerkschaften regeln, selbst in den vielen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens, die zu 100 Prozent aus Steuer- und Beitragsmitteln finanziert werden.

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Der Bundesarbeitsminister will Betriebsräte stärken, das Kanzleramt will das nicht bei den Mitbestimmungsrechten. Ein Update zum Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetz

Kurz vor dem Ende des nunmehr vergangenen Jahres 2020 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht, der einen skeptischen Unterton schon in der Überschrift enthält: Schafft er das vor dem „Nichts geht mehr“? Der Bundesarbeitsminister will Betriebsräte mit einem Stärkungsgesetz unter die Arme greifen. Am 28. Dezember 2020 war das. In dem dort besprochenen Entwurf für ein „Betriebsrätestärkungsgesetz“ (Stand: 21.12.2020) ist nicht nur die Ausweitung des Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer enthalten, die versuchen, etwas an sich Selbstverständliches zu machen, also einen Betriebsrat ins Leben zu rufen (im hier maßgeblichen § 1 Abs. 1 BetrVG heißt es unmissverständlich: „In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“). Das deckt sich übrigens mit dem, was Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 als eines der vielen gemeinsamen Vorhaben fixiert haben: „Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern“, so heißt es dort.

Aber der vorliegende Referentenentwurf geht weiter: Mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz »soll Betriebsräten zudem mehr Mitspracherechte in Sachen Digitalisierung zu verschaffen – zum Beispiel auch zur Frage, unter welchen Bedingungen das sogenannte mobile Arbeiten („Homeoffice“) stattfinden darf. Ebenso sollen die Betriebsräte systematisch mitreden dürfen, wie neue Systeme mit Künstlicher Intelligenz beschaffen sein müssen, wenn der Betrieb sie einführen will. Und sie sollen dabei auch eigene Sachverständige einschalten dürfen, deren Vergütung der Arbeitgeber übernehmen muss,« so dieser Artikel: Heil baut Kündigungsschutz für Betriebsräte aus. Das nun geht weit über den Ansatz hinaus, die Gründung eines Betriebsrates zu fördern. Offensichtlich will man auch eine Zuständigkeitserweiterung im Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung realisieren.

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Don’t be evil, Google. Zur Gründung einer Gewerkschaft beim Google-Mutterkonzern Alphabet

Sergei Brin und Larry Page haben am 4. September 1998 Google als Unternehmen ins Leben gerufen. Die Geschäftsidee des Start-Ups, das in den ersten Wochen in einer Garage im Silicon Valley residierte, war clever: Neben den Suchtreffern gibt es kleine Werbeanzeigen, die thematisch zur Suche passen. Den Preis für die beste Anzeigenposition regelt ein automatisches Bieterverfahren. Damit ließ sich nicht nur schnell, sondern auch viel Geld verdienen. Doch die Google-Gründer wollten sich von der Konkurrenz aus IBM, Microsoft oder Apple unterscheiden. Man wollte die Welt verbessern. Das inoffizielle Firmenmotto: Nicht böse sein – „Don’t be evil“. Der Slogan richtete sich nicht nur an die Kunden, sondern vor allem an die eigenen Mitarbeiter – das haben die Gründer auch beim Börsengang betont. Sie seien bereit, auch auf Gewinne zu verzichten (vgl. dazu den Beitrag „Don’t be evil“ von Marcus Schuler). Was daraus geworden ist, wissen wir alle: Aus dem ehemaligen Start-Up ist ein milliardenschwerer Konzern geworden, der seit Jahren angesichts seiner krakenhaften Expansion mit einer damit einhergehenden enormen Konzentration globalen Marktmacht zunehmend kritisch beobachtet wird. Und wie auch Apple mal in den Anfangstagen mit dem Image des kreativen und irgendwelchen besseren Motiven verpflichteten Außenseiters gegen den damaligen Riesen IBM werbewirksam zu Felde gezogen ist (vgl. die berühmte Super Bowl-Werbung von Apple im Jahr 1984), hat sich auch Google zu einem „klassischen“ und mit allen harten Bandagen kämpfenden gewinnmaximierenden Konzern transformiert.

Das gilt auch für den Umgang mit den eigenen Leuten, wobei man gerade am Beispiel von Google die maximale Ambivalenz der neuen Giganten der Digitalökonomie als Arbeitgeber studieren kann: Auf der einen Seite gilt das Unternehmen als einer der beliebtesten Arbeitgeber, von einem der im Vergleich zu anderen Unternehmen und Branchen überschaubaren wenigen Jobs haben viele geträumt und tun es auch heute noch angesichts vieler Rahmenbedingungen für den einzelnen Mitarbeiter (allerdings gab es schon vor Jahren immer wieder kritische Berichte: »Lässig, kauzig, ein großer Abenteuerspielplatz: Internetgigant Google pflegt ein besonderes Image und lockt damit viele Bewerber. Doch Einsteiger sind verblüffend schnell wieder draußen. Fungiert die Firma bloß als Drehtür?« so die Fragestellung in dem Artikel Rein, raus, tschüs aus dem Jahre 2013). Auf der anderen Seite zeigt Google eben auch die Merkmale, die wir von anderen Vertretern wie Amazon & Co. kennen: Mitbestimmung über Betriebsräte oder gar Verhandlungen mit Gewerkschaften? Das ist bzw. wäre Teufelszeug. Das kommt nicht in die US-amerikanische Tüte.

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Schafft er das vor dem „Nichts geht mehr“? Der Bundesarbeitsminister will Betriebsräte mit einem Stärkungsgesetz unter die Arme greifen

Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nach den teilweise mehr als zähen und innerhalb der derzeitigen schwarz-roten Koalition überaus strittigen Gesetzgebungsverfahren beispielsweise zur „Grundrente“ oder zuletzt das „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ mit dem Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in den Kernbereichen der Fleischindustrie nun mit einem weiteren Vorstoß Teile der Union gegen sich aufbringen (und man deshalb davon ausgehen kann, dass der nun bekannt gewordene Entwurf aus seinem Haus am Widerstand des Koalitionspartners scheitern müsse, da man dem Arbeitsminister keinen weiteren – scheinbaren – Erfolg gönnen dürfe), der möge vorher in das Vertragswerk schauen, auf dem die Zusammenarbeit von SPD und CDU/CSU seit 2018 basiert: dem Koalitionsvertrag. Dort findet man diese beiden Zielsetzungen, was die Betriebsräte angeht (S. 51 f.):

»Wir werden das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte für Weiterbildung stärken. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Betriebsrat haben über Maßnahmen der Berufsbildung zu beraten. Können sich beide nicht verständigen, kann jede Seite einen Moderator anrufen mit dem Ziel, eine Einigung zu erreichen. Ein Einigungszwang besteht nicht.«

»Wir wollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtern. Dazu werden wir das vereinfachte Wahlverfahren für alle Betriebe mit 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verpflichtend machen. Für Betriebe mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen wir die Wahl zwischen dem vereinfachten und allgemeinen Wahlverfahren.
Wir setzen uns dafür ein, dass auch bei grenzüberschreitenden Sitzverlagerungen von Gesellschaften die nationalen Vorschriften über die Mitbestimmung gesichert werden.«

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