Arbeitskämpfe als historisches Moment. Zur fundamentalen Bedeutung der Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern in den USA diesseits von Glanz und Glamour

Deutschland liegt nach wie vor – folgt man der Rechenweise des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) – im unteren Mittelfeld hinsichtlich der Streikintensität im internationalen Vergleich. Gemessen an den arbeitskampfbedingten Ausfalltagen pro 1.000 Beschäftigte gibt es eine Spitzengruppe bestehend aus Belgien, Frankreich und Kanada, gefolgt von einem oberen Mittelfeld, das von Dänemark, Finnland und Spanien bis Norwegen reicht. Das untere Mittelfeld wird aktuell von den Nieder- landen angeführt und umfasst neben Deutschland auch Irland, Polen sowie Portugal (vgl. Dribbusch et al.: WSI-Arbeitskampfbilanz 2022. Streiks als normales Instrument der Konfliktregulierung bei Tarifauseinandersetzungen, April 2023).

Wenn denn aber mal gestreikt wird, dann wird man in den vergangenen Jahren zunehmend mit einer deutschen Besonderheit konfrontiert: Bereits nach einem Tag wird eine hyperventilierende Berichterstattung an den Tag gelegt, nach der unzumutbare Belastungen mit den Arbeitsniederlegungen verbunden seien und reflexhaft werden Einschränkungen des Streikrechts diskutiert, als ob wir massiven Streikwellen ausgesetzt wären.

mehr

Schatten-Prekariat der digitalen Welt: Für die digitalen Drecksarbeiter hinter unserem Rücken ist auch der Bundestag keine Schutzzone

»Es verändert sich viel in der Arbeitswelt – und das häufig nicht zum Guten. In den vergangenen Jahren wurde viel diskutiert über Leiharbeit, Werkverträge oder befristete Beschäftigung. Immer wieder tauchen auch Berichte auf über die Arbeitswelt jenseits der in Berliner Cafés mit Apple-Geräten arbeitenden Kreativlinge. Vieles, um das es hier geht, nutzen wir alle, beispielsweise Google und Facebook. Aber auch in dieser anscheinend schönen neuen Glitzerwelt gibt es Drecksarbeit, digitale Drecksarbeit, um genau zu sein.« So begann ein kurzer Beitrag, der hier am 13. Mai 2015, also vor über acht Jahren, veröffentlicht wurde: Digitale Drecksarbeit hinter unserem Rücken. Wenn man so einen Begriff verwendet, dann muss es sich um wirklich üble Arbeit handeln. Google-Suchergebnisse bewerten, pornografische Inhalte bei Youtube herausfiltern, Hass-Postings bei Facebook löschen: Hinter den Kulissen der Internetgiganten machen viele Menschen digitale Drecksarbeit zum Hungerlohn. Auf der re:publica 2015 in Berlin war die Rede vom „Arbeitsstrich des 21. Jahrhunderts“. Den Begriff hatte Johannes Kleske bei seinem Vortrag „Mensch, Macht, Maschine” verwendet.

In den zurückliegenden Jahren ist immer wieder über dieses Schatten-Prekariat der digitalen Welt berichtet worden.

mehr

Kein Auslaufmodell auf dem Arbeitsmarkt: Helfertätigkeiten. Eine Studie beleuchtet die regional unterschiedliche Beschäftigungsentwicklung in Deutschland

Wer kennt sie nicht, die Vorhersagen, dass die Un- und Angelernten auf dem Arbeitsmarkt in schwere See geraten, dass sie durch die Digitalisierung – von der die Hochqualifizierten profitieren (sollen) – überflüssig, wegautomatisiert und eingespart werden. Dabei werden ältere Semester darauf hinweisen, dass das nun wahrlich keine neue Perspektive darstellt, man denke nur an die zahlreichen Rationalisierungswellen, die wir seit den 1970er Jahren vor allem in der Industrie gesehen haben. So viele Jobs für Un- und Angelernte sind seitdem weggefallen, also hier bei uns in Deutschland, sie wurden tatsächlich Opfer des technischen Fortschritts oder aber die sogenannte Einfacharbeit wurde verlagert in andere, in Billiglohnländer. Und auch die Verlagerung dieser Jobs vor allem in den asiatischen Raum ist nun wahrlich kein neues Phänomen, es seit hier nur an die in den 1970er Jahren geführte sozialwissenschaftliche Forschung über eine „Neue internationale Arbeitsteilung“ erinnert, die sehr genau beobachtet hat, was mit den damals hunderttausenden Jobs in der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie passiert ist. Für die historisch Interessierten und für die, denen bewusst ist, dass viele Debatten schon einmal geführt wurden, vgl. beispielsweise Folker Fröbel, Jürgen Heinrichs und Otto Kreye (1978): Die neue internationale Arbeitsteilung: Ursachen, Erscheinungsformen, Auswirkungen. Darin beispielsweise dieser Satz – wohlgemerkt aus dem Jahr 1978: »Im Mittelpunkt stehen … gegenwärtig die Auswirkungen der
Einführung elektronischer Geräte und Verfahren in zahlreichen Sektoren von Wirtschaft und Verwaltung.« Das damalige Anliegen der Autoren aus dem Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg war es, die Auswirkungen von Produktionsverlagerungen ins Ausland unter die Lupe zu nehmen und deren Wechselwirkungen mit der vor über 40 Jahren bereits geführten aufgeregten Debatte über massive Arbeitsplatzverluste durch die technische Entwicklung zu untersuchen. .

mehr