Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen

Die älteren Semester werden sich an die vielen und in der jeweiligen Tagespolitik überaus beliebten haushalterischen Verschiebebahnhöfe zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren und danach erinnern. Ein munteres, kurzfristig die potemkinschen Zahlenfassaden aufhübschendes Hin- und Herschieben, wer denn die Rechnung zu begleichen hat. Am Ende war das volkswirtschaftlich nicht nur ein Nullsummenspiel (recht Tasche, linke Tasche), sondern je nach Dreistigkeit der finanzpolitischen Hütchenspielerei gab es dann auch substanzielle Schäden bei den „schwächeren“ Mitspielern, was in der Regel die Sozialversicherungen waren und sind, die nicht nur mehrere Wackersteine in die Tasche gesteckt bekommen (haben), sondern im Nachgang auch noch gescholten wurden angesichts ihrer hohen Ausgaben, die „der Beitragszahler“ zu stemmen habe, so dass man dort nun aber angesichts der „Belastungsgrenze“ dringend Einsparungen vornehmen müsse.

In diesen Sommertagen des Jahres 2023 werden wir nun erneut Zeugen der Fortschreibung dieser langen und unseligen Traditionslinie. Wenn es nur ein buchungstechnisches Hin- und Herschieben von Zahlen in Exceltabellen wäre – im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben und gleichzeitig wird es im Ergebnis zu einer grotesken Verkomplizierung von sowieso schon komplizierten Strukturen der konkreten Arbeit mit den jungen Menschen kommen, abgesehen von dem damit einhergehenden Abräumen (angeblicher) sozialstaatlicher Grundprinzipien wie „Leistungen aus einer Hand“ und wie die Slogans aus den Sonntagsreden auch immer heißen.

Um was geht es genau?

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Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem

Bezieher von Grundsicherung sind derzeit von erheblichen Kaufkraftverlusten betroffen: So hätte ein Paar mit zwei Kindern im Jahr 2022 rund 1.600 Euro mehr bekommen müssen, um die Kaufkraft der Grundsicherung zu erhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB):

➔ Irene Becker (2022): Ermittlung eines angemessenen Inflationsausgleichs 2021 und 2022 für Grundsicherungsbeziehende. Expertise im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Bundesvorstand, Riedstadt, November 2022

Und auch die Empfänger von Bürgergeld, was zum Jahresbeginn das offizielle Licht der Welt erblickt hat, sind nicht vor hohen Teuerungsraten geschützt. Das Statistische Bundesamt hat die Inflation für das gesamte Jahr 2022 auf 7,9 Prozent taxiert – das ist der höchste Wert seit 1951. Aber die Bundesregierung hat doch eine Vielzahl an Entlastungsmaßnahmen für die Menschen auf den Weg gebracht?

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Eine abgesenkte „Sonderbedarfsstufe“ für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums

Zu diesem Ergebnis ist das Bundesverfassungsgericht gekommen. Der erste Senat des BVerfG hat entschieden, »dass § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.«

Wenn das BVerfG von einem „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ spricht, dann ist das ist zum einen natürlich für die betroffenen Menschen in diesem Fall interessant, aber generell auch vor dem Hintergrund der parallel laufenden Diskussionen und gesetzgeberischen Entscheidungen im Kontext der Einführung eines „Bürgergeldes“, mit dem Hartz IV abgelöst werden soll, denn auch in der Grundsicherung nach SGB II (sowie SGB XII) geht es um dieses Grundrecht, das hier so prominent hervorgehoben wird.

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