Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche „Einsparungen“ mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II

Deutschland, am Jahresende 2023: Im Dezember 2023 lebten in 2.897.000 Bedarfsgemeinschaften 5.473.000 Personen, die einen Anspruch auf Regelleistungen nach dem SGB II hatten. Hinter dieser einen großen Zahl von fast 5,5 Millionen Menschen, die auf Leistungen aus dem Grundsicherungssystem (SGB II) angewiesen sind, verbergen sich nicht nur 5,5 Millionen Einzelschicksale, sondern auch extrem unterschiedliche Fallkonstellationen, die zu einer Hilfebedürftigkeit geführt haben. In der öffentlichen und diese formatierenden medialen Diskussion muss man als unbedarfter Beobachter aber den Eindruck bekommen, als sind alle Hartz IV- bzw. neudeutsch „Bürgergeld“-Empfänger Arbeitslose, genauer: Erwerbsarbeitslose und das Hauptproblem des „neuen“ Bürgergeldes besteht darin, dass es keine „Anreize“ geben würde, irgendeine Erwerbsarbeit aufzunehmen oder dass sogar Jobs hingeschmissen werden, weil man mit dem Bürgergeld angeblich besser, vor allem angenehmer leben könne. In diesem höchst selektiven Kontext, der viele Millionen Hilfebedürftige und deren Lebenslagen komplett ignoriert, passt dann die Forderung nach einer (Wieder-)Verschärfung der Sanktionen, also der Leistungsminderungen in der Grundsicherung. Besonders populär, weil auf den ersten Blick für viele nachvollziehbar ist die Forderung, dass die Ablehnung einer angebotenen Erwerbsarbeit und die damit einhergehende Verlängerung des steuerfinanzierten Leistungsbezugs zu einer „knallharten“ Sanktionierung führen müsse, damit man sich nicht von Faulenzern und den Sozialstaat missbrauchenden Menschen an der Nase durch den Ring ziehen lassen muss und damit die Solidargemeinschaft geschützt wird vor einer Über-Inanspruchnahme aus „niederen“ Beweggründen.

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Sanktionen „mit Augenmaß“. Das befürwortet eine Mehrheit in der Bevölkerung, so eine Studie

»Sanktionen in der Grundsicherung, also die vorübergehende Absenkung der finanziellen Leistungen für Grundsicherungsbeziehende, sind ein kontrovers diskutiertes Instrument. Die Befunde einer IAB-Befragung zeigen, dass auf der einen Seite Sanktionen eine relativ breite gesellschaftliche Akzeptanz genießen. Auf der anderen Seite sollte das Existenzminimum nach fast einhelliger Auffassung der Befragten unangetastet bleiben«, so Matthias Collischon et al. in ihrem Beitrag Eine Mehrheit in der Bevölkerung befürwortet Sanktionen mit Augenmaß. Angesichts der wieder einmal eskalierenden und zu gesetzgeberischen Aktivitäten führenden Debatte über die Sanktionierung von erwerbsfähigen Leistungsbeziehern im Grundsicherungsstem ist das ein interessanter Aspekt aus der Forschung. Aber wie kommen die Wissenschaftler zu dieser Einschätzung der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung?

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Sanktionen im SGB II: Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht

Im Kontext der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten (Wieder)Einführung von 100 Prozent-Sanktionen (unter Ausklammerung der Kosten für die Unterkunft, die davon unberührt bleiben sollen) im nunmehr zum Bürgergeld umbenannten Hartz IV-System wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass doch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Sanktionierung von maximal 30 Prozent für zulässig erklärt habe. Dem ist aber nicht so – der vollständige Entzug von Leistungen wurde auch vom höchsten deutschen Gericht als Möglichkeit in den politisch gestaltbar Raum gestellt. Man muss das hier angesprochen Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 des BVerfG zu Sanktionen im Sozialrecht nur genau lesen.

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