Sozialversicherung: Was man könnte, wenn man machen würde, was man müsste. Der Sozialverband VdK ruft die „versicherungsfremden Leistungen“ mit einem Preisschild in Erinnerung

Die Menschen in unserem Land wurden in den vergangenen Monaten mit zahlreichen Einzelmeldungen über finanzielle Schieflagen in den unterschiedlichen Zweigen der Sozialversicherung überhäuft – ob nun die Pflege- oder Krankenversicherung betreffend, der Rentenversicherung wird berichterstattungsmäßig sowieso schon eine strukturelle Pleite untergeschoben und die Hiobsmeldungen mit Blick auf die Einnahmen-Ausgabenentwicklung in der Arbeitslosenversicherung werden in den kommenden Wochen mit großer Sicherheit auch noch aufschlagen, wenn man sich deren weggeschmolzenen Reserven und die steigenden Ausgaben für Arbeitslosengeld anschaut.

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Ein sozialpolitisches Stehaufmännchen: Die „Bürgerversicherung“. Die schlägt wieder auf in Gestalt einer „Pflegebürgervollversicherung“

Die sozialpolitischen Veteranen werden es vor Augen haben: alle Jahre wieder wird sie an die Oberfläche der politischen Debatten geholt – die „Bürgerversicherung“. Oder zumindest einige Komponenten davon. Den bisherigen Höhepunkt hatte die Diskussion über eine „Bürgerversicherung“ in den frühen 2000er Jahren, vor allem, als 2003 die SPD und insbesondere die Grünen die Bürgerversicherung erstmals offiziell als Reformmodell vorgeschlagen haben und „die andere Seite“ mit dem Kopfprämienmodell (das später dann als „Gesundheitsprämie“ semantisch aufgehübscht wurde) zu kontern versuchte. Dabei ging (und auch in den neueren Vorstößen geht) es vor allem um die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung, konkret um die die Ablösung des bisherigen dualen Systems von gesetzlicher und privater
Krankenversicherung. Das muss man auch vor dem Hintergrund sehen, dass seit 2006 Deutschland das einzige Land in der EU ist, das für einen definierten Teil der Bevölkerung die Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung ermöglicht.

Nun hat man bei der Einführung der Pflegepflichtversicherung Anfang der 1990er Jahre das duale System im Krankenversicherungsbereich auch auf die neue Säule der Sozialversicherung übertragen und wir haben – für 90 Prozent der Bevölkerung – die (umlagefinanzierte) Soziale Pflegeversicherung bekommen, während die Privatversicherten in einer eigenständigen (teilkapitalgedeckten) Privaten Pflegepflichtversicherung integriert wurden.

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Sozialabgaben auf Kapitalerträge – ein Schnellschuss im Wahlkampf und erwartbare Abwehrreflexe. Zugleich der Hinweis auf ein ganz großes Fragezeichen bei der Finanzierung der Sozialversicherung

Was hat ihn da geritten, mag der eine oder andere gedacht haben: Als Finanzierungsquelle für die Krankenkassen sollten auch Kapitaleinnahmen herangezogen werden. Das hatte der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am 12. Januar 2025 gesagt. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen“, so Habeck. Er kritisierte, dass Kapitalerträge bisher von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden dadurch stärker belastet als Kapitalerträge. „Deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (…) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte er. Das sei ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems, so dieser Bericht: Habeck will Sozialabgaben auf Kapitalgewinne. Und weiter kann man dort lesen: »Umgehend kommt Kritik an dem Vorschlag.« CSU-Parteichef Markus Söder wird mit den Worten zitiert: „Die Grünen wollen nicht nur höhere Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der Menschen und ihre Erträge ran. Das lehnen wir grundlegend ab. Auf schon einmal versteuertes Geld dürfen keine zusätzlichen Beiträge und Steuern erhoben werden.“ Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnte davor, dass ein solcher Schritt die Mittelschicht besonders belasten würde. Pflichtversicherte müssten dann gegebenenfalls bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge auf Kapitalerträge zahlen, so der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer. Und dann wurden noch ganz andere Kaliber aufgefahren.

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Der Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung: Wenn Haushaltstrickser Luftbuchungen und einen nicht nur kosmetischen Schaden produzieren

Das kommt dabei heraus, wenn man über keinen sicherheitshalber ausgearbeiteten Plan B verfügt, sondern im Nachgang zu dem offensichtlich die amtierende Regierung völlig überraschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 und den daraus resultierenden handfesten Auswirkungen in Form fehlender Milliarden auf den Bundeshaushalt 2024 planlos und auf die Schnelle in Gestalt hektischer Nachtsitzungen in das Aufstellen von mehr oder weniger belastbaren Streichlisten bei den Ausgaben (und weitaus gewichtiger dem Verschieben von Finanzierungslasten auf Dritte wie Steuer- und Beitragszahler) reinschlittert. Da sind dann Sach- und Personenschäden vorprogrammiert.

Einen schon auf den ersten Blick perfiden „Sparbeitrag“ für den Bundeshaushalt muss das ausgabenträchtige Bundesministerium für Arbeit und Soziales leisten: »In der Pandemie zahlte die Bundesagentur für Arbeit massenhaft Kurzarbeitergeld und verbrauchte dabei sämtliche Reserven. Eigentlich sollten die Rücklagen nun wieder aufgebaut werden. Doch jetzt will die Ampel an das Geld«, so eine der Meldungen zu dem Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung, hier unter der Überschrift Ampel zapft Reserve der Bundesagentur an – Gewerkschaften und Arbeitgeber empört. Christina Ramb von der Arbeitgeberseite in der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit kritisiert, »Beitragsgelder seien kein Sparbuch zur Entlastung des Bundesetats.« Was ist da los?

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Über die eigene Welt der Bundeszuschüsse und sonstiger Steuermittel für die Rentenversicherung. Von „nicht beitragsgedeckten“ Leistungen und Verschiebebahnhöfen

Es sind ganz große Zahlen (und Geldbeträge), die man aufrufen muss, wenn wir über die gesetzliche Rentenversicherung sprechen. Die hat 2022 insgesamt 359,5 Milliarden Euro ausgegeben. Von diesen Ausgaben entfallen rund 90 Prozent auf die Zahlung der Renten (322,7 Mrd. Euro) – der Rest sind höchst überschaubare Ausgabenposten, so für die Verwaltung, für die mit 4,6 Mrd. Euro lediglich 1,3 Prozent der Gesamtausgaben fällig wurden (vgl. Rentenatlas 2023). Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben im Bundeshaushalt 2023 belaufen sich nach dem Nachtragshaushalt der Bundesregierung, der im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 notwendig wurde, auf 461,2 Mrd. Euro. Der Bund kalkuliert für das Jahr 2023 mit Steuereinnahmen in Höhe von 356,3 Mrd. Euro – auch hier zum Vergleich: nur aus der Erwerbstätigkeit hat die Rentenversicherung Beitragseinnahmen in der Größenordnung 245,8 Mrd. Euro im Jahr 2022 erzielen können.

Diese wenigen Zahlen mögen die Größenordnung der Rentenausgaben dieses Zweigs der umlagefinanzierten Sozialversicherung umreißen können. Und das Stichwort umlagefinanziert verweist sogleich darauf, dass eigentlich die Finanzierung der laufenden Ausgaben durch die laufenden Beitragseinnahmen erfolgt bzw. erfolgen sollte. Aber offensichtlich gibt es zwischen aus Erwerbstätigkeit generierter Einnhamen in Höhe von knapp 246 Mrd. Euro und Ausgaben von mehr als 359 Mrd. Euro eine gewisse Lücke, die aus anderen Einnahmequellen gespeist werden muss. Und schon sind wir bei den Bundesmitteln, die aus dem Steuertopf an die Rentenversicherung fließen (müssen).

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