Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen

Die älteren Semester werden sich an die vielen und in der jeweiligen Tagespolitik überaus beliebten haushalterischen Verschiebebahnhöfe zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren und danach erinnern. Ein munteres, kurzfristig die potemkinschen Zahlenfassaden aufhübschendes Hin- und Herschieben, wer denn die Rechnung zu begleichen hat. Am Ende war das volkswirtschaftlich nicht nur ein Nullsummenspiel (recht Tasche, linke Tasche), sondern je nach Dreistigkeit der finanzpolitischen Hütchenspielerei gab es dann auch substanzielle Schäden bei den „schwächeren“ Mitspielern, was in der Regel die Sozialversicherungen waren und sind, die nicht nur mehrere Wackersteine in die Tasche gesteckt bekommen (haben), sondern im Nachgang auch noch gescholten wurden angesichts ihrer hohen Ausgaben, die „der Beitragszahler“ zu stemmen habe, so dass man dort nun aber angesichts der „Belastungsgrenze“ dringend Einsparungen vornehmen müsse.

In diesen Sommertagen des Jahres 2023 werden wir nun erneut Zeugen der Fortschreibung dieser langen und unseligen Traditionslinie. Wenn es nur ein buchungstechnisches Hin- und Herschieben von Zahlen in Exceltabellen wäre – im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben und gleichzeitig wird es im Ergebnis zu einer grotesken Verkomplizierung von sowieso schon komplizierten Strukturen der konkreten Arbeit mit den jungen Menschen kommen, abgesehen von dem damit einhergehenden Abräumen (angeblicher) sozialstaatlicher Grundprinzipien wie „Leistungen aus einer Hand“ und wie die Slogans aus den Sonntagsreden auch immer heißen.

Um was geht es genau?

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Mit „Wumms“ aus der Krise – aber wer zahlt die Zeche? Beispielsweise die Beitragszahler in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Anfang Juni 2020 wurde als Ergebnis zweitägiger Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien ein großes Konjunkturprogramm mit einem Volumen von 130 Mrd. Euro verabschiedet – zusätzlich zu den bis dato bereits beschlossenen Rettungsprogrammen und im Zusammenhang mit dem seitens der EZB am Anfang der Corona-Krise aufgestockten Anleihekaufprogramm von 750 auf 1.350 Milliarden Euro. Der mittlerweile zum Kanzlerkandidaten der SPD bestellte Bundesfinanzminister Olaf Scholz nutzte die Gelegenheit der von Medien gerne aufgegriffenen semantischen Zuspitzung und sprach davon, man wolle mit „Wumms aus der Krise kommen“.

57 Maßnahmen enthält das Paket: Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken. Ergebnis Koalitionsausschuss 3. Juni 2020. Und bereits auf der zweiten Seite des Eckpunktepapiers konnte man dieses Versprechen der Bundesregierung lesen:

»Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie steigen die Ausgaben in allen Sozialversicherungen. Um eine dadurch bedingte Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, werden wir im Rahmen einer „Sozialgarantie 2021“ die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40% stabilisieren, indem wir darüber hinaus gehende Finanzbedarfe aus dem Bundeshaushalt jedenfalls bis zum Jahr 2021 decken. Das schützt die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer und bringt Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit für die Arbeitgeber. {Finanzbedarf: 5,3 Mrd. Euro 2020, Bedarf 2021 kann erst im Rahmen der HH-Aufstellung 2021 ermittelt werden}.«

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Schwarzer-Peter-Spiel oder das Hoffen auf den Reise-nach-Jerusalem-Effekt? Die Große Koalition und die Entlastung der doppelverbeitragten Betriebsrentner

Man kennt das in der deutschen Sozialpolitik zur Genüge: die Suche nach Verschiebebahnhöfen, wenn die eine Sozialkassen in den Seilen hängt. Wo kann man wie viel umleiten, um ein Loch zu stopfen. In diesen Tagen werden wir erneut Zeugen, wie es ist, wenn man sich auf die Suche macht.

Der Hintergrund: Blicken wir zurück in die Zeiten der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, konkret in das Jahr 2004. Zu Beginn dieses Jahres trat das „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ in Kraft. Seinerzeit waren die Sozialkassen klamm und die rot-grüne Bundesregierung suchte fieberhaft nach neuen Einnahmequellen. Unter der damals zuständigen Ministerin Ulla Schmidt (SPD) wurde auf der Suche nach zusätzlichen Geldern für die Gesetzliche Krankenversicherung die volle Beitragspflicht für Einkünfte aus der betrieblichen Altersvorsorge eingeführt – und das auch rückwirkend für alle Altverträge. Dass das als ein massiver Vertrauensbruch von den dadurch Betroffenen wahrgenommen wurde und wird, überrascht jetzt nicht wirklich. Die von den Betroffenen als kalte Enteignung wahrgenommene Doppelverbeitragung wird von ihnen – und beispielsweise vom Verein Direktversicherungsgeschädigte – seit Jahren immer wieder kritisiert und eine Korrektur eingefordert.

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