Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen

Die älteren Semester werden sich an die vielen und in der jeweiligen Tagespolitik überaus beliebten haushalterischen Verschiebebahnhöfe zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren und danach erinnern. Ein munteres, kurzfristig die potemkinschen Zahlenfassaden aufhübschendes Hin- und Herschieben, wer denn die Rechnung zu begleichen hat. Am Ende war das volkswirtschaftlich nicht nur ein Nullsummenspiel (recht Tasche, linke Tasche), sondern je nach Dreistigkeit der finanzpolitischen Hütchenspielerei gab es dann auch substanzielle Schäden bei den „schwächeren“ Mitspielern, was in der Regel die Sozialversicherungen waren und sind, die nicht nur mehrere Wackersteine in die Tasche gesteckt bekommen (haben), sondern im Nachgang auch noch gescholten wurden angesichts ihrer hohen Ausgaben, die „der Beitragszahler“ zu stemmen habe, so dass man dort nun aber angesichts der „Belastungsgrenze“ dringend Einsparungen vornehmen müsse.

In diesen Sommertagen des Jahres 2023 werden wir nun erneut Zeugen der Fortschreibung dieser langen und unseligen Traditionslinie. Wenn es nur ein buchungstechnisches Hin- und Herschieben von Zahlen in Exceltabellen wäre – im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben und gleichzeitig wird es im Ergebnis zu einer grotesken Verkomplizierung von sowieso schon komplizierten Strukturen der konkreten Arbeit mit den jungen Menschen kommen, abgesehen von dem damit einhergehenden Abräumen (angeblicher) sozialstaatlicher Grundprinzipien wie „Leistungen aus einer Hand“ und wie die Slogans aus den Sonntagsreden auch immer heißen.

Um was geht es genau?

Das Bundesarbeitsministerium hat den Rotstift kreisen lassen müssen. Und bei den „U 25“ ist man fündig geworden

Startpunkt ist der Bundeshaushalt 2024 und die Sparvorgaben des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FD) an die allermeisten Kabinettskollegen. Auch das große und ausgabenschwere Bundesministerium für Arbeit und Soziales des Hubertus Heil (SPD) musste bei der Haushaltsaufstellung hektisch in den Büchern bzw. in den Excel-Tabellen der modernen Zeit graben, um die auferlegten Einsparungen wenigstens auf dem Papier hinzubekommen. Insofern keine neue Sache, das kennt man in den Apparaten und man kennt dort auch die Strategien, wie man durch phantasievolles Umbuchen bis hin zu knallharten Realkürzungen die Vorgaben (scheinbar) erfüllt.

Konkret hat man die nicht geringe Summe von 900 Millionen Euro im eigenen Haushalt gefunden, die ab dem Haushaltsjahr 2025 „eingespart“ werden können. Es handelt sich dabei um Mittel für den SGB II-Bereich (früher umgangssprachlich „Hartz IV“ genannt, heute sollen wir „Bürgergeld“ sagen und schreiben). Und wie will man diesen Betrag „einsparen“? Die arbeitsmarktliche Förderung von jugendlichen Bürgergeldempfängern unter 25 Jahren soll ab dem Jahr 2025 von den heute dafür zuständigen Jobcentern (die aus Steuermittel finanziert werden müssen) in die Agenturen für Arbeit der Bundesagentur für Arbeit (die als Arbeitslosenversicherung aus Beitragsmittel der beitragspflichtigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert wird). Im Ergebnis würde das bedeuten, dass die beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherung nun die bislang aus Steuermitteln in den Jobcentern finanzierten Aufgaben übernehmen muss – wenn man denn davon ausgeht, dass die hinter den Ausgaben stehenden Aufgaben auch wirklich eins zu eins übernommen werden (können). Und da die „Einsparung“ bei den Ausgaben aus (Bundes)Steuermittel erst 2025 gebucht werden kann, hat man eine weitere Kürzung der Finanzmittel bereits ab dem Haushaltsjahr 2024 in Höhe von 500 Millionen Euro in die Listen eingetragen. Das bringt die sowieso schon in einer bedenklichen Schieflage befindliche Finanzarchitektur der Jobcenter in noch unruhigere See. Wie dem auch sei, mit der Aufgabenverlagerung hat man sich 900 Mio. Euro „gespart“ – also natürlich nicht, sondern man zaubert sie wie ein Kaninchen aus dem Hut steuerfinanzierte Jobcenter und dann tauchen sie im Hut der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung wieder auf. Genial, haushalterisches Problem „gelöst“, die (steuerfinanzierte) Excel-Datei atmet befreit auf.

Mehr als nur eine „Aufgabenverlagerung“ für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren

Der eine oder andere könnte auf die Idee kommen, dass hier doch „nur“ eine Verlagerung von Aufgaben von der einen zur anderen Behörde beschrieben wird, wo denn neben der unterschiedlichen Finanzverantwortung ein wirkliches Problem sein soll, das den offensichtlich zynischen Unterton der bisherigen Darstellung des Sachverhalts oder gar die eindeutig negativ daherkommende Überschrift des Beitrags rechtfertigen kann. Schauen wir also genauer hin.

Zuerst einmal muss man sich klar machen, dass wir nicht über irgendeine Orchideengruppe in der großen Bevölkerung sprechen. Die Größenordnung der „U 25“ (für unter 25 Jahre alte erwerbsfähige Bürgergeldempfänger) wird mit über 700.000 Jugendliche und junge Erwachsene angegeben, die derzeit von den Jobcentern betreut werden.

Das Bundesarbeitsministerium beabsichtigt nun – das ist besonders wichtig zu verstehen – keine vollständige „Übergabe“ der Jugendlichen und jungen Erwachsenen von den Jobcentern an die Arbeitsagenturen (was bedeuten würde, dass auch die Bürgergeld-Ansprüche von den Arbeitsagenturen bedient werden müssten), sondern was von den Jobcentern verlagert werden soll sind „Beratung zu Integration und die Vermittlung der jungen Menschen“, der „Rest“ soll bei den Jobcentern bleiben.

Das Bundesnetzwerk Jobcenter hat sich am 5. Juli 2023 mit „Erste Bewertungen des Bundesnetzwerks zu den geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt für das SGB II sowie zur Aufgabenverlagerung der Jugendlichen unter 25 Jahren“ zu Wort gemeldet. Und dort spricht die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Gemeinsamen Einrichtungen gem. § 44b SGB II und kommunaler Jobcenter“ von einem „radikalen Systemwechsel“, der „weitreichende gesellschaftliche, organisatorische und personelle Folgen haben“ werde. Das ist schon eine volle Ladung – und das muss man begründen können. Lesen wir weiter:

»Die Herausnahme des Personenkreises der Jugendlichen aus dem SGB II durchbricht die absolut sinnvolle ganzheitliche Betreuung der Bedarfsgemeinschaften und der Familien durch die Jobcenter vor Ort, die gerade mit dem Bürgergeldgesetz erst erfolgte Akzentuierung des Beratungs- und Betreuungsauftrages der Jobcenter und nicht zuletzt die auf die Jugendlichen zugeschnittenen Instrumente, wie zum Beispiel § 16h SGB II (Förderung schwer zu erreichende junger Menschen) und § 16k SGB II (ganzheitliche Betreuung). Dies gilt insbesondere für besondere Personengruppen unter den Jugendlichen mit spezifischem Beratungsbedarf, wie beispielsweise zuge- wanderte junge Menschen, Schulabbrecher, Wohnungslose etc.«

»Darüber hinaus werden die vielfältigen flächendeckenden ganzheitlichen Beratungsstrukturen in den Jugendberufsagenturen sowie die vor Ort bestehenden Kooperationsformen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit massiv gefährdet. Die Jobcenter sind in vielfältiger Art und Weise regional eng vernetzt. Insbesondere die Verzahnung der kommunalen sozialintegrativen Eingliederungsleistungen wie die Schuldner- und Suchtberatung mit den arbeitsmarktpolitischen Eingliederungsleistungen sind ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor in der Integrationsarbeit mit den jungen Menschen.«

Die Jobcenterpersonalräte haben sich ebenfalls am 7. Juli 2023 mit dem Schreiben „Verlagerung der Zuständigkeit für die Beratung zu Integration und Vermittlung der unter 25-Jährigen von den Jobcentern in die Bundesagentur für Arbeit“ an den Bundesarbeitsminister Heil gewandt. Darin heißt es:

»Wirklich arbeitsmarkt- und sozialpolitisch Sinn macht dieser rein haushaltspolitisch motivierte Taschenspielertrick nicht. Auch und gerade bei den unter 25-Jährigen ging und geht es in der Beratung nicht einfach „nur“ um Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit. Vielmehr ist eine vielfältige soziale Beratung bis hin zu Fallmanagement gefragt. Psychische Probleme, Sucht, Schulden, Probleme mit den Eltern und Vieles mehr stehen einer schnellen und erfolgreichen Vermittlung in Berufsausbildung, bedarfsdeckende Arbeit oder zumindest strukturgebende Marktersatzmaßnahmen oftmals entgegen. Die Jobcenter haben in den letzten fast 18 Jahren eine entsprechende Beratungskompetenz aufgebaut, sind mit ihrer sozialraumorientierten Arbeit etabliert und respektiert und stellen auch in den Jugendberufsagenturen die treibende Kraft und die tragende Säule dar. Die Bundesagentur für Arbeit verfügt hingegen nicht über die entsprechenden Erfahrungen, Netzwerke und Strukturen und ist in der Fläche im Übrigen auch längst nicht so präsent. Die Zuständigkeit jetzt zu verlagern, wird zu einem Bruch in der Betreuung der jungen Menschen und zu einem Verlust an Beratungsqualität führen.
Die zusätzliche Schnittstelle wird zudem Reibungsverluste in der Bearbeitung und Beratung der finanziellen Bürgergeld-Leistungen (inklusive Bildung und Teilhabe) mit sich bringen, die nach wie vor von den Jobcentern erbracht werden. Für die betroffenen Menschen bedeutet das zusätzliche nervliche und bürokratische Belastungen bei schlechterer Dienstleistung. Und das konterkariert die mit dem Bürgergeld gerade erst auf den Weg gebrachten Reformen (Stärkung der Ausbildung und Weiterbildung, Wegfall des Vermittlungsvorrangs, Kooperationsplan, Aufwertung der Sozialberatung, ganzheitliche Betreuung und Coaching, etc.).«

Und nicht nur die jungen Menschen werden mit Sicherheit empfindlich getroffen durch diese „Aufgabenverlagerung“, die mit erheblichen Verlusten einhergehen wird. Zugleich schafft man es „oben“ mal wieder, nicht etwa Prozesse und Strukturen zu entschlacken, sondern sowieso schon anspruchsvoll komplexe Verwaltungsgebilde noch einmal von der Komplexität und den damit immer einhergehenden „Reibungsverlusten“ her zu hypertrophieren.

So schreibt des Bundesnetzwerk Jobcenter in seinen ersten Bewertungen vom 7. Juli 2023:

»Statt einer Verwaltungsvereinfachung ist insbesondere bei den zu gewährenden Leistungen zum Lebensunterhalt eine größere Komplexität zu befürchten. Die Jobcenter sollen für die Leistungen zum Lebensunterhalt zuständig bleiben, vorbehaltlich der Auswirkungen der noch neu zu konzipierenden Kindergrundsicherung. Es steht somit zu befürchten, dass die besonders herausfordernde Kundenstruktur der Jugendlichen mit ihren Eltern in ein noch komplizierteres Sozialsystem transferiert wird: Leistungen zum Lebensunterhalt durch die Kindergrundsicherungsstelle, ergänzende Leistungen durch das Jobcenter, gleichzeitig in vielen Fällen Leistungen der Jugendämter nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sowie je nach Fallkonstellation ergänzende Leistungen durch die kommunalen Wohnungsstellen nach dem Wohngeldgesetz.«

Franz Kafka hätte sein Freude an dem, was ihm da heute als Buchvorlage serviert wird.

Und weil bereits die parallel in Aussicht gestellte, allerdings regierungsintern immer noch höchst umstrittene (und derzeit ebenfalls aus haushaltspolitischen Gründen eher kleingeschredderte) Kindergrundsicherung, die kommen soll, angesprochen wurde: Am 17. Juli 2023 hat das Bundesnetzwerk Jobcenter eine „Zweite Stellungnahme des Bundesnetzwerks zur Aufgabenverlagerung der Jugendlichen unter 25 Jahren“ veröffentlicht, in der explizit auf die mittlerweile vom Bundesarbeitsministerium vorgetragene Verteidigungsargumentation mit der Kindergrundsicherung eingegangen wird. Diese Argumentation wird so wiedergegeben:

»Mit der Kindergrundsicherung sollen demnach künftig prinzipiell für alle Familien die gleichen Leistungen bereitstehen, der Höhe nach abhängig von der Einkommenssituation. Wenn viele junge Menschen perspektivisch Kindergrundsicherung – und damit grundsätzlich ihre Lebensunterhaltsleistungen nicht mehr von den Jobcentern – erhalten, sei es sinnvoll, jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass auch die Arbeitsmarktintegration aus einer Hand erfolgen kann. Die vielerorts erfolgreichen Jugendberufsagenturen würden dann ohne die Jobcenter aufgestellt.«

Na, dann brauchen wir die Jobcenter ja nicht mehr. Das Bundesnetzwerk Jobcenter argumentiert nun, „dass eine komplette Verlagerung der Beratung U25 zu den Agenturen für Arbeit nur dann sinnvoll sein kann, wenn gleichzeitig eine vollständige Überführung in eine umfassende bedarfsdeckende Kindergrundsicherung stattfindet.“ Wenn, ja wenn.

»Andernfalls wird lediglich eine neue Schnittstelle geschaffen zu den Jobcentern ohne erkennbaren Mehrwert zum Status quo. Die Aufteilung der leistungsbeziehenden Familien auf zwei und je nach Fallkonstellation mehr Behörden erhöht den bürokratischen Aufwand immens. Zusätzliche Kosten und Zeitverluste in der Abstimmungsarbeit sind die Folge. Dies kann nicht im Interesse der Bürger sein.«

An anderer Stelle (in einem Arbeitspapier des Bundesnetzwerks Jobcenter vom 17. Juli 2023) wird zum Thema Kindergrundsicherung ergänzend ausgeführt: »Eine Kindergrundsicherung macht nur dann Sinn, wenn sie vollständig bedarfsdeckend ausgestaltet ist, so dass keine weitere Datenerhebung sowie keine weiteren ergänzenden Leistungen durch die Jobcenter für jederlei Leistungen Sinn machen. Dies ist sicherzustellen. Zu denken ist hierbei an das gesamte Paket Bildung- und Teilhabeleistung sowie Kosten der Unterkunft und Heizung und zum Beispiel einmalige Leistungen für Schwangerschaft und Geburt, Umzugshilfen, unabweisbare Bedarfe bei Mittellosigkeit usw.. Macht es nicht viel mehr Sinn, den bedürftigkeitsabhängigen Zusatzbetrag der angedachten Kindegrundsicherung über die Behörden (Jobcenter, Sozialämter) zu gewähren, die auch jetzt zuständig sind? Ansonsten entstehen neue Behördenstrukturen mit merklichem Personalbedarf. Nebenbei angemerkt, wo soll dieses Personal in Zeiten von Fachkräftemangel im öD herkommen?« Zu den enormen Anforderungen hinsichtlich der Ebene der administrativen und personellen Umsetzung, die eine Kindergrundsicherung mit sich bringen würde, vgl. auch die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zur Ausgestaltung einer Kindergrundsicherung vom 21. Juni 2023.

Und nicht vergessen sollte man, dass hinter dieser scheinbar so abstrakten und auf dem Papier einfach zu skizzierenden „Aufgabenverteilung“ auch enormer personalpolitscher Sprengstoff versteckt liegt, denn wir sprechen hier nicht nur von hunderttausenden Jugendlichen jungen Erwachsenen, sondern auch von vielen Beschäftigten in den Jobcentern, die das tagtäglich mehr oder weniger gut, aber auf alle Fälle machen. Und wenn man die Beratungs- und Vermittlungsarbeit in den Arbeitsagenturen verlagert, dann müssen diese Aufgaben auch dort erfüllt werden. Wer aber soll das machen? Man ahnt schon, man schiebt dann auch die Beschäftigten, die das bislang gemacht haben, wie Bauernfiguren übers Schachbrett. Oder stellt sich das einfach mal so vor, dass die sich dann auch hin- und herschieben lassen:

Dazu das Bundesnetzwerk Jobcenter: »Es ist unklar, was mit den Beschäftigten geschieht, die bisher die Betreuung der Jugendlichen realisieren. Ein eventueller Wechsel zur Bundesagentur bei Beibehaltung des Prinzips „Personal folgt der Aufgabe“, analog der Einführung der Grundsicherung in den Jahren 2004 und 2005, wäre für alle Beteiligten mit großen personellen, organisatorischen, rechtlichen und fachlichen Herausforderungen verbunden. Besonders für kommunale Beschäftigte in den gemeinsamen Einrichtungen und zugelassenen kommunalen Trägern wird dies nicht ohne weiteres zu realisieren sein.«

Und das in Zeiten, in denen die Jobcenter und die Arbeitsagenturen wie viele andere Behörden auch erhebliche Fachkräftemangelprobleme haben, die stetig an Gewicht zunehmen, auch wegen der hier oftmals hemmenden Grundstruktur der öffentlichen Verwaltung.

Aus einer buchungstechnischen Impulshandlung wird ein verwaltungstechnischer (und inhaltlicher) Albtraum

Ein generelles Problem bei politischen Entscheidungen über Aufgaben ist nicht nur, dass man in aller Regel die Umsetzungsebene ausblendet (wird schon irgendwie „da unten“ umgesetzt werden), man unterschätzt auch oftmals den Rattenschwanz an völlig unproduktiven, aber im bestehenden System erforderlichen Folgearbeiten, weil sich sofort in der Praxis zahlreiche Folgefragen ergeben, die man „vor Ort“ dann aber nicht ignorieren kann, sondern für die es Antworten braucht.

Eine beeindruckend-frustrierende Liste der möglichen Folgefragen und -arbeiten hat das Bundesnetzwerk Jobcenter am 17. Juli 2023 mit dem Arbeitspapier „Themenstellungen und Hinweise zum Gesetzentwurf bezüglich der Aufgabenverlagerung der Jugendlichen unter 25 Jahren aus den Jobcentern hin zu den Agenturen für Arbeit in den Rechtskreis SGB III“ veröffentlicht. Das sei jedem der „Entscheidungsträger“ dringend empfohlen.

Dort werden 27 (!) Einzelpunkte erwähnt, die bei einer „Aufgabenverlagerung“, wie sie kommen soll, zu bedenken bzw. zu lösen sind.

Vorangestellt werden diese Prämissen:

»Oberste Prämisse muss sein: Die arbeitsmarktliche Betreuung der Jugendlichen muss nach dem Systemwechsel in das SGB III zeitnah die gleiche Intensität und Qualität ausweisen. Laufende Förderprojekte und sinnvolle Maßnahmen dürfen durch den Rechtskreisübergang nicht gestoppt bzw. verloren gehen. Insbesondere die SGB II spezifischen Förderinstrumente (§§ 16a, 16d, 16f, 16h, 16j, 16k SGB II) müssen für die Jugendlichen auch im SGB III Anwendung finden. Potentialanalyse und Kooperationsplan sowie Schlichtungsverfahren (§§ 15, 15 a SGB II)« müssten auch im SGB III für anwendbar erklärt werden.

Und dann kommen noch zahlreiche andere offene Fragen, wie beispielsweise: »Insbesondere die kommunal sozialintegrativen Leistungen gemäß §16a sind über die Jugendberufsagenturen sowie die lokalen Netzwerke auch ohne die Jobcenter dringend weiter erforderlich. Deren Nutzung muss sichergestellt sein. Evtl. durch Dienstleistungseinkauf bei den Kommunen?« Oder: »In vielen Jobcentern bzw. Jugendberufsagenturen gibt es eine unmittelbare Nähe zwischen Geldleistungen und Förderleistungen, wodurch teilweise erst die Erreichbarkeit gewisser Zielgruppen sichergestellt werden kann. Wie kann dies nach dem Systemwechsel bzw. der Umsetzung der Kindergrundsicherung gewährleistet werden? Sollte dies nicht erreichbar sein, besteht ein großes Prozessrisiko, eine merkliche Anzahl von Jugendlichen überhaupt erreichen zu können.« Und so geht das dann weiter.

Kann man das wirklich bekommen wollen – für einen haushaltspolitischen Taschenspielertrick, der sich möglicherweise im Nachgang sogar als Luftbuchung erweisen wird? Wie bei so vielen anderen Umbuchungen der Vergangenheit auch.

Nein, vor unseren Augen läuft ein weiteres Trauerspiel (mit handfesten Folgen, aber nicht für die, die das ins Rollen gebracht haben).