Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche „Einsparungen“ mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II

Deutschland, am Jahresende 2023: Im Dezember 2023 lebten in 2.897.000 Bedarfsgemeinschaften 5.473.000 Personen, die einen Anspruch auf Regelleistungen nach dem SGB II hatten. Hinter dieser einen großen Zahl von fast 5,5 Millionen Menschen, die auf Leistungen aus dem Grundsicherungssystem (SGB II) angewiesen sind, verbergen sich nicht nur 5,5 Millionen Einzelschicksale, sondern auch extrem unterschiedliche Fallkonstellationen, die zu einer Hilfebedürftigkeit geführt haben. In der öffentlichen und diese formatierenden medialen Diskussion muss man als unbedarfter Beobachter aber den Eindruck bekommen, als sind alle Hartz IV- bzw. neudeutsch „Bürgergeld“-Empfänger Arbeitslose, genauer: Erwerbsarbeitslose und das Hauptproblem des „neuen“ Bürgergeldes besteht darin, dass es keine „Anreize“ geben würde, irgendeine Erwerbsarbeit aufzunehmen oder dass sogar Jobs hingeschmissen werden, weil man mit dem Bürgergeld angeblich besser, vor allem angenehmer leben könne. In diesem höchst selektiven Kontext, der viele Millionen Hilfebedürftige und deren Lebenslagen komplett ignoriert, passt dann die Forderung nach einer (Wieder-)Verschärfung der Sanktionen, also der Leistungsminderungen in der Grundsicherung. Besonders populär, weil auf den ersten Blick für viele nachvollziehbar ist die Forderung, dass die Ablehnung einer angebotenen Erwerbsarbeit und die damit einhergehende Verlängerung des steuerfinanzierten Leistungsbezugs zu einer „knallharten“ Sanktionierung führen müsse, damit man sich nicht von Faulenzern und den Sozialstaat missbrauchenden Menschen an der Nase durch den Ring ziehen lassen muss und damit die Solidargemeinschaft geschützt wird vor einer Über-Inanspruchnahme aus „niederen“ Beweggründen.

mehr

Sanktionen im SGB II: Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Hat es nicht

Im Kontext der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten (Wieder)Einführung von 100 Prozent-Sanktionen (unter Ausklammerung der Kosten für die Unterkunft, die davon unberührt bleiben sollen) im nunmehr zum Bürgergeld umbenannten Hartz IV-System wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass doch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Sanktionierung von maximal 30 Prozent für zulässig erklärt habe. Dem ist aber nicht so – der vollständige Entzug von Leistungen wurde auch vom höchsten deutschen Gericht als Möglichkeit in den politisch gestaltbar Raum gestellt. Man muss das hier angesprochen Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 des BVerfG zu Sanktionen im Sozialrecht nur genau lesen.

mehr

„Damit ist der Rechtsweg endgültig ausgeschöpft“. Beamte dürfen es nicht machen. Der EGMR und das Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte in Deutschland

Man weiß, dass sich Verfahren vor den Gerichten lange, sehr lange hinziehen können. Bis etwas letztendlich vom höchsten deutschen Gericht, also dem Bundesverfassungsgericht, abschließend behandelt und entschieden wird, ziehen meistens viele Jahre an einem vorbei. Letztendlich und abschließend? Könnte man denken, wenn es um das Bundesverfassungsgericht geht. Aber tatsächlich geht es auf der juristischen Himmelsleiter noch weiter hinauf. Da ist dann der Europäische Gerichtshof (EuGH), dessen Entscheidungen auch durchaus mal anders ausfallen (können) als das, was das BVerfG geurteilt hat. Wenn wir in die vergangenen Jahre zurückschauen, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Rechtsprechung des EuGH in den hier besonders interessierenden arbeits- und sozialrechtlichen Fragen eine zunehmende Bedeutung erfahren hat.

Aber es gibt auf der europäischen Ebene neben dem EuGH auch noch den EGMR – das Kürzel steht für Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Der EGMR als Gerichtshof mit Sitz in Straßburg agiert auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der alle 46 Mitglieder des Europarats beigetreten sind. Und diese Institution war nun Schauplatz von seit Jahren vorangetriebenen Klagen, mit denen eine Grundsatzfrage aufgerufen und entschieden werden sollte: Dürfen Beamte in Deutschland streiken? Verstößt das Streikverbot für Beamte gegen die Menschenrechte?

mehr