Das Corona-Virus und die Ungleichheit: Vom anfänglichen „großen Gleichmacher“ zu einem in Umrissen immer deutlicher erkennbaren „Ungleichheitsvirus“

»Das Coronavirus ist nicht der große Gleichmacher: Arme Menschen und prekär Beschäftigte sind deutlich häufiger betroffen. Doch es mangelt in den meisten Bundesländern an Daten und Lösungen«, so das ARD-Politikmagazin „Panorama“ am 4. März 2021 unter der Überschrift Corona: Höheres Risiko für Arme. Und dort werden Befunde präsentiert, die belegen, dass man mittlerweile auf eine Fragezeichen hinter dem höheren Risiko für Arme verzichten kann – und dennoch ist der Hinweis wichtig, dass es bei uns in Deutschland ganz erheblich an Daten mangelt, um eine genauere Einordnung präsentieren zu können.

Allerdings: Denken wir kurz zurück an den Anfang des vergangenen Jahres und an die Zeit, also die erste Corona-Welle über uns gekommen ist. Für einen Moment konnte man tatsächlich von dieser Diagnose ausgehen: Diesmal sind die Menschen alle gleich betroffen, egal ob oben oder unten.

Es war eine dieser vielen kleinen Meldungen und dann noch aus einem Land ganz weit weg von uns, die man wenn, dann nur mit einem Seitenblick zur Kenntnis nimmt und gleich wieder ausblendet: Unter der Überschrift Zentralchina meldet mysteriöse Lungenkrankheit wurde am 31.12.2019 auf Spiegel Online berichtet: »In der chinesischen Millionenstadt Wuhan sind knapp 30 Menschen an einem rätselhaften Lungenleiden erkrankt. Gerüchte schüren Angst vor dem gefährlichen Sars-Virus, doch die Behörden beschwichtigen.« Mittlerweile wissen wir alle zur Genüge, was daraus erwachsen ist. Das Virus hat seine Schneisen über den gesamten Globus geschlagen und es hält uns – verstärkt durch neue, nur schwer einzuschätzende Mutationen – weiterhin in Beschlag. Zumindest am Anfang der Pandemie konnte man den Eindruck bekommen, dass eine ihre Besonderheiten darin besteht, dass wir alle gleich betroffen waren und sind. Dem Virus scheint es egal zu sein, ob es auf einen reichen oder armen Menschen trifft – und wenn es bei dem einen oder anderen in schwerer, oftmals tödlicher Ausprägung zuschlägt, dann reißt es die Betroffenen ohne Ansehen der Person und ihres Standes mit. 

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„Generation Corona“? Auf alle Fälle ist man immer auch Gefangener seiner Kohorte, vor allem bei den Einstiegen und Übergängen in Ausbildung und Erwerbsarbeit

In den Medien wird seit längerem immer wieder diskutiert, ob man es mit einer „Generation Corona“ zu tun hat (bzw. haben wird). Gerade in diesen Tagen wird von ganz unterschiedlichen Seiten massiv auf angebliche oder tatsächliche Schäden für Kinder und Jugendliche berichtet aufgrund der Exklusion durch die Lockdowns, wobei große Teile der Debatte fokussiert sind auf die institutionelle Seite, also die (Nicht-)Öffnung der Kitas und der Schulen. Dabei erfahren viele junge Menschen erhebliche Beeinträchtigungen auch und gerade im außerschulischen Bereich, man denke hier an den Vereinssport und andere elementare soziale Aktivitäten, die teilweise seit einem Jahr brach liegen müssen.

Und ein Strang der „Generation Corona“-Debatte konzentriert sich auf die Folgen der Pandemie und des Umgangs mit ihr für das Ausbildungssystem, ob nun im dualen, fachschulischen oder im hochschulischen Bereich. Und auf die Frage, ob die davon betroffenen jungen Menschen nicht nur jetzt Schwierigkeiten haben, sondern man über die Krise hinaus mit Schäden an den Biografien rechnen muss. Mit diesem Thema beschäftigt sich die Sendung des Wirtschaftsmagazins „makro“ (3sat) am 2. März 2020, die den Titel trägt: Generation Corona – wie steht es um ihre Zukunft? »Verpasster Lernstoff, fehlende Praktika, weniger Ausbildungsplätze – viele Schüler und Azubis stehen vor großen Herausforderungen. Kurz vor dem Sprung „in den Ernst des Lebens“ wird die Generation Corona in ihrer Zukunftsplanung ausgebremst. „Je länger die Krise andauert, so gravierender sind ihre Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohlbefinden der Kinder. Die Zukunft einer ganzen Generation ist in Gefahr“, warnt UNICEF. Und das ifo-Institut rechnet aus, dass genau auf diese Generation 3,3 Billionen Euro Kosten durch den Schulausfall zurollen könnten. Eine einfache Rechnung: Bildungsausfall gleich Lohnausfall im späteren Berufsleben. Doch wie steht es wirklich um die Chancen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt starten. Schule fertig und dann?«

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Müssen die Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern Erlöseinbußen eines Gesundheitskonzerns vor allem im Ausland ausbaden?

Es ist eine dieser Meldungen, wie man sie tagtäglich in der Wirtschaftspresse zu lesen bekommt: »Nach einem Gewinnrückgang in der Coronakrise plant der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius erhebliche Kostensenkungen. Das Dax-Unternehmen will bis 2023 Verbesserungen beim Ergebnis nach Steuern und Minderheitenanteilen von mindestens 100 Millionen Euro jährlich erreichen«, so dieser Artikel: Medizinkonzern Fresenius will Kosten senken. Aufmerksam wird man dann sicher bei diesem Hinweis: »Die Coronakrise schmälert den Gewinn von Deutschlands größtem Klinikbetreiber. Nun will Fresenius sein jährliches Ergebnis um mindestens 100 Millionen Euro verbessern.« Fresenius wird der eine oder andere sicherlich mit Medizintechnik, insbesondere mit Dialyse in Verbindung bringen. Aber „größter Klinikbetreiber“? Lesen wir weiter: »Im vergangenen Jahr hatte Deutschlands größter privater Krankenhausbetreiber mit 89 Hospitälern die Pandemie zu spüren bekommen. Operationen mussten verschoben werden, um Intensivbetten für Corona-Patienten freizuhalten. Da die Pandemie aber relativ glimpflich verlief, standen viele Betten leer. Staatliche Hilfen für Krankenhäuser konnten die Ausfälle nur mindern«, wird da behauptet. Nun werden diese Krankenhäuser nicht unter dem Namen Fresenius betrieben, sondern es geht um die Helios Kliniken.1

Also Corona und die damit verbundenen angeblichen Einnahmeausfälle der Kliniken sind das Problem? Es könnten einem Zweifel kommen: »Ein Bremsklotz ist aus finanzieller Sicht die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC). Ohne Berücksichtigung ihrer Ergebnisentwicklung dürfte das währungsbereinigte Konzernergebnis im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich wachsen.«

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Das (duale) Berufsausbildungssystem unter doppeltem Druck: Vor und seit Corona. In diesem Jahr könnten erneut weniger und in einigen Betrieben gar keine Ausbildungsplätze angeboten werden

Man kann es drehen und wenden wie man will: Das zurückliegende Ausbildungsjahr ist eine schwere Hypothek in einem überaus komplexen System, das bereits vor Corona erheblich unter Druck war (vgl. dazu die Beiträge Die (in Sonntagsreden und anderen Ländern) vielgepriesene deutsche Berufsausbildung: Nach der Corona-Krise so richtig in Schieflage? vom 16. April 2020 sowie Die (duale) Berufsausbildung vor und jetzt auch noch durch Corona unter Druck. Eine Zwischenbilanz der aktuellen Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt vom 31. Oktober 2020). Die strukturellen Probleme des Berufsausbildungssystems, vor allem der dualen Berufsausbildung, konnte man schon den Jahren vor der Corona-Krise entnehmen – eine weiter abnehmende Zahl an Betrieben, die überhaupt (noch) ausbilden, eine Abnahme der Bewerberzahlen und damit einhergehend das nur auf den ersten Blick paradoxe Ergebnis einer Gleichzeitigkeit von unbesetzten Ausbildungsstellen und einer großen Zahl an „unversorgten“ Ausbildungsplatzsuchenden (mehr dazu in dem Anfang 2020 veröffentlichten Berufsbildungsbericht 2020).

Eine erste Bilanz des Ausbildungsjahres 2020 musste dann leider transparent machen, dass das Ausbildungsangebot der Betriebe und die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildung nachfragen, zurückgegangen ist. Um es in einer Zahl auszudrücken: »Als Folge des sinkenden Angebots, der sinkenden Nachfrage sowie der zunehmenden Passungsprobleme zwischen beiden Marktseiten fiel die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 57.600 bzw. 11,0% niedriger aus als ein Jahr zuvor (2019: 525.000). Mit nunmehr 467.500 lag sie in Deutschland erstmals unter 500.000.« Vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Der „Corona-Effekt“ auf dem Ausbildungsmarkt. Der wird nicht nur im Jahr 2020 von Bedeutung sein, sondern lange nachwirken vom 11. Dezember 2020.

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Riskante Berufe in Corona-Zeiten. Erneut belegen Daten von Krankenkassen eine erhebliche Ungleichverteilung der Erkrankungshäufigkeit zuungunsten der Erziehungs- und Gesundheitsberufe

»Beschäftigte in Gesundheitsberufen waren von März bis Mai 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 1.283 je 100.000 Beschäftigte in der Altenpflege im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt die Betroffenheit dieser Pflegekräfte mehr als das 2,5-fache über dem Durchschnittswert von 474 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Gleichzeitig gab es bei Beschäftigten in der Altenpflege auch häufiger Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit Covid-19: Je 100.000 Beschäftigte wurden 157 Personen mit dieser Diagnose in einer Klinik behandelt – der Vergleichswert aller AOK-Mitglieder liegt bei 91 je 100.000 Beschäftigen.« Das wurde hier am 9. Juli 2020 in dem Beitrag Corona-Ungleichheiten: Riskante Gesundheitsberufe, relative Sicherheit im Homeoffice. Krankschreibungen und Krankenhaus-Aufenthalte von Beschäftigten im Kontext von Covid-19 berichtet. Die Daten bezogen sich auf die erste Corona-Welle. Auf der Grundlage von AOK-Versichertendaten wurde dann einige Monate später eine Folge-Auswertung präsentiert, deren Ergebnisse in dem Beitrag Erziehungs- und Gesundheitsberufe ganz oben im Ranking. Bei den Krankschreibungen wegen Covid-19 vom 21. Dezember 2021 aufbereitet wurden.

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