Müssen die Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern Erlöseinbußen eines Gesundheitskonzerns vor allem im Ausland ausbaden?

Es ist eine dieser Meldungen, wie man sie tagtäglich in der Wirtschaftspresse zu lesen bekommt: »Nach einem Gewinnrückgang in der Coronakrise plant der Krankenhaus- und Medizinkonzern Fresenius erhebliche Kostensenkungen. Das Dax-Unternehmen will bis 2023 Verbesserungen beim Ergebnis nach Steuern und Minderheitenanteilen von mindestens 100 Millionen Euro jährlich erreichen«, so dieser Artikel: Medizinkonzern Fresenius will Kosten senken. Aufmerksam wird man dann sicher bei diesem Hinweis: »Die Coronakrise schmälert den Gewinn von Deutschlands größtem Klinikbetreiber. Nun will Fresenius sein jährliches Ergebnis um mindestens 100 Millionen Euro verbessern.« Fresenius wird der eine oder andere sicherlich mit Medizintechnik, insbesondere mit Dialyse in Verbindung bringen. Aber „größter Klinikbetreiber“? Lesen wir weiter: »Im vergangenen Jahr hatte Deutschlands größter privater Krankenhausbetreiber mit 89 Hospitälern die Pandemie zu spüren bekommen. Operationen mussten verschoben werden, um Intensivbetten für Corona-Patienten freizuhalten. Da die Pandemie aber relativ glimpflich verlief, standen viele Betten leer. Staatliche Hilfen für Krankenhäuser konnten die Ausfälle nur mindern«, wird da behauptet. Nun werden diese Krankenhäuser nicht unter dem Namen Fresenius betrieben, sondern es geht um die Helios Kliniken.1

Also Corona und die damit verbundenen angeblichen Einnahmeausfälle der Kliniken sind das Problem? Es könnten einem Zweifel kommen: »Ein Bremsklotz ist aus finanzieller Sicht die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC). Ohne Berücksichtigung ihrer Ergebnisentwicklung dürfte das währungsbereinigte Konzernergebnis im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich wachsen.«

Um das hier gleich klar zu stellen: Wir sprechen keineswegs über einen Konzern, der in tiefroten Regionen operieren muss: »Im Gesamtjahr 2020 stieg der Umsatz um zwei Prozent auf 36,3 Milliarden Euro. Das bereinigte Konzernergebnis sackte jedoch um vier Prozent auf knapp 1,8 Milliarden Euro ab.«

Wir sprechen also über ein Unternehmen mit einem Konzernumsatz 2020 von 36,3 Mrd. Euro und einem Gewinn nach Steuern in Höhe von 1,8 Mrd. Euro – und der soll auch im laufenden Jahr 2021 in etwa wieder erreicht werden.

Stephan Sturm, Vorstandschef des Dax-Konzerns Fresenius, wird mit der Ankündigung zitiert, dass er auch die Trennung von einzelnen Kliniken und einen Stellenabbau nicht ausschließt. »In Deutschland steht eine „Anpassung des Klinik-Portfolios“ auf Sturms Agenda. Dabei sollen hauptsächlich Häuser veräußert werden, die den Mindestmengenanforderungen an eine qualitativ hochstehende Versorgung nicht genügen. Allerdings, schränkt der Konzernchef umgehend ein, werde es sich um „keine große Anzahl“ handeln«, kann man diesem Artikel entnehmen: Fresenius stellt Konzernstruktur auf den Prüfstand. Was aber hat das nun mit den Pflegekräften zu tun?

Dazu diese Pressemitteilung der Gewerkschaft ver.di vom 26. Februar 2021: ver.di sieht Klinikkonzern Helios in der aktuellen Tarifrunde auf Konfliktkurs mit den Beschäftigten: Die Gewerkschaft sieht durch die Kündigung der Vereinbarung zur Pflegezulage durch den Konzern kurz vor der zweiten Tarifrunde einen Konfliktkurs des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten. »Durch die Kündigung könnten ab Januar 2022 die Zahlungen für Pflegekräfte bis zu 300 Euro bei Neueinstellungen oder Vertragsänderungen vorenthalten werden.« Also in einem Personalbereich, in dem normalerweise laut über einen heftigen Personal- und Fachkräftemangel gejammert wird. Und auch das über diesen Einzelaspekt hinausgehende Angebot seitens des Konzern wird von ver.di als „mehr als mager“ charakterisiert: »„Nach fünf Nullmonaten ab Juni ein Prozent mehr, das bewerten die Beschäftigten eher als Provokation denn als ernsthaftes Angebot. Unterm Strich würde das Angebot sogar Reallohnverluste für die Beschäftigten bedeuten. Zudem soll die Arbeitszeit in Ostdeutschland erst im Jahr 2024 an das Westniveau angeglichen werden. Dies ist eine fatale Botschaft an die dortigen Beschäftigten und nicht zu akzeptieren“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und ver.di-Verhandlungsführerin.« Diesem Angebot stehen die Forderung der Gewerkschaft gegenüber: »ver.di fordert Entgelterhöhungen von 5,5 Prozent mit einer sozialen Komponente bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Ausbildungsentgelte sollen um 70 Euro monatlich erhöht werden. Zudem erwartet ver.di einen zusätzlichen Freizeitausgleich für Beschäftigte, die mit noch weniger Personal arbeiten müssen, als im Dienstplan ausgewiesen ist.«

Und was hat das mit der am Anfang des Beitrags zitierten Botschaft von der Bilanzpressekonferenz von Fresenius zu tun?

»Der Helios-Mutterkonzern Fresenius wolle angesichts von Erlöseinbußen von Tochterunternehmen im Ausland die Kosten auf Teufel komm raus drücken. „Die Beschäftigten in den deutschen Helios-Krankenhäusern sollen die wirtschaftlichen Probleme in anderen Konzernbereichen ausgleichen und immer höhere Ausschüttungen an Aktionäre erwirtschaften. Das ist ausgerechnet noch während einer Pandemie eine ganz schlechte Botschaft an Beschäftigte im Gesundheitswesen.“« So die Perspektive von ver.di.

Man muss der Vollständigkeit halber an dieser Stelle ergänzen und damit das Weltbild vieler bestätigen: Es gibt nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner:

»Das Wichtigste vorweg: Obwohl Fresenius auch im laufenden Jahr mit belastenden Effekten durch die Covid-19-Pandemie rechnet, kündigte das Management die 28. Dividendenerhöhung in Folge an. Für das Geschäftsjahr 2020 soll eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 0,88 Euro pro Aktie erfolgen, was gegenüber dem Vorjahreswert (0,84 Euro) einer Steigerung um fünf Prozent entspricht«, kann man dieser Meldung von Börse Online entnehmen.

Und natürlich hat der Klinikkonzern nicht nur gelitten unter den Einnahmeausfällen durch die Corona-Krise, sondern man hat auch profitiert von den staatlichen Unterstützungsprogrammen in der Krise: »Staatliche Unterstützungsleistungen insbesondere in Deutschland und den USA (zugunsten von FMC) hätten sich bisher auf rund eine Milliarde Euro summiert.«


1 Die Helios-Kliniken-Gruppe ist einer der größten Anbieter von stationärer und ambulanter Patientenversorgung Europas. In Deutschland verfügt Helios im Jahr 2019 über 86 Kliniken, darunter sieben Krankenhäuser der Maximalversorgung in Erfurt, Berlin-Buch, Wuppertal, Schwerin, Krefeld, Wiesbaden und Duisburg. Weiterhin hat die Klinikgruppe 120 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und zehn Präventionszentren. Jährlich werden in Deutschland rund 5,2 Millionen Patienten behandelt, davon 4 Millionen ambulant. Das Klinikunternehmen beschäftigte 2017 über 66.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Jahr 2017 einen Umsatz von rund 6,1 Milliarden Euro. Zum Konzern gehört das Tochterunternehmen TIPP, das in den Helios-Kliniken die Logistik abwickelt. TIPP spaltet sich unter anderem in die Bereiche Catering, Servicedienstleistung und Krankenhaustechnik. Der Hol- und Bringdienst wird in vielen Häusern von TIPP durchgeführt.
2001 übernahm Fresenius die Wittgensteiner Kliniken AG mit 30 Akut- und Fachkliniken und rund 4.600 Mitarbeitern. 2005 übernahm Fresenius die Helios GmbH. Die Wittgensteiner Kliniken AG wird am 1. Januar 2006 mit den Helios-Kliniken fusioniert. 2014 übernahm Fresenius Helios 40 Kliniken und 11 MVZ der Rhön-Klinikum AG. Im Dezember 2020 wurde die Klinikgruppe Eugin, ein Kliniknetzwerk für Reproduktionsmedizin mit 31 Kliniken und 34 weiteren Standorten in neun Ländern auf drei Kontinenten übernommen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Barcelona.