»Beschäftigte in Gesundheitsberufen waren von März bis Mai 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 1.283 je 100.000 Beschäftigte in der Altenpflege im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt die Betroffenheit dieser Pflegekräfte mehr als das 2,5-fache über dem Durchschnittswert von 474 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Gleichzeitig gab es bei Beschäftigten in der Altenpflege auch häufiger Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit Covid-19: Je 100.000 Beschäftigte wurden 157 Personen mit dieser Diagnose in einer Klinik behandelt – der Vergleichswert aller AOK-Mitglieder liegt bei 91 je 100.000 Beschäftigen.« Das wurde hier am 9. Juli 2020 in dem Beitrag Corona-Ungleichheiten: Riskante Gesundheitsberufe, relative Sicherheit im Homeoffice. Krankschreibungen und Krankenhaus-Aufenthalte von Beschäftigten im Kontext von Covid-19 berichtet. Die Daten bezogen sich auf die erste Corona-Welle. Auf der Grundlage von AOK-Versichertendaten wurde dann einige Monate später eine Folge-Auswertung präsentiert, deren Ergebnisse in dem Beitrag Erziehungs- und Gesundheitsberufe ganz oben im Ranking. Bei den Krankschreibungen wegen Covid-19 vom 21. Dezember 2021 aufbereitet wurden.
»Berufe in der Betreuung und Erziehung von Kindern waren von März bis Oktober 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 2.672 je 100.000 Beschäftigte in dieser Berufsgruppe krankheitsbedingt im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt deren Betroffenheit mehr als das 2,2-fache über dem Durchschnittswert von 1.183 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Auch Gesundheitsberufe waren überdurchschnittlich oft im Zusammenhang mit Covid-19 arbeitsunfähig«, berichtet das WIdO über die neuen Befunde einer Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten der erwerbstätigen AOK-Versicherten. Das Institut weist darauf hin, dass Gesundheitsberufe aber nicht mehr an der Spitze des Rankings stehen.
Auch aus Schweden wird eine überdurchschnittliche Erkrankungshäufigkeit berichtet – bei Lehrern
»Die Entscheidung, den Lehrbetrieb in den Schulen mit Ausnahme der Oberstufe fortzusetzen, hat in Schweden im letzten Frühjahr zu einer Verdopplung der COVID-19-Fälle unter den exponierten Pädagogen geführt. Auch bei deren Lebenspartnern war ein Anstieg erkennbar. Unter den Eltern der Schüler kam es dagegen nur zu einer geringen Zunahme der PCR-bestätigten Erkrankungen«, so eine neue Studie, über die in diesem Artikel berichtet wird: SARS-CoV-2: An schwedischen Schulen erkrankten vor allem die Lehrer. Aufgrund der Rahmenbedingungen in Schweden sind die Studienergebnisse höchst interessant:
»In Schweden wechselten am 18. März 2020, eine Woche nach dem ersten Todesfall, die Oberstufenschüler (17 bis 19 Jahre) in den Online-Unterricht. Die anderen Klassen wurden weiter in den Schulen von den Lehrern unterrichtet. Es gab zwar eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen – von der Händedesinfektion über Abstandsregeln und die Vermeidung von größeren Versammlungen – im Grunde genommen wurde der Schulbetrieb für die Klassen bis zum Alter von 16 Jahren aufrechterhalten.
Da in Schweden alle Einwohner eine persönliche Identifikationsnummer haben, die in verschiedenen Registern geführt wird, konnte ein Team um Helena Svaleryd von der Universität Uppsala ermitteln, ob es bei den Lehrern der Mittelstufen, die weiter in der Schule unterrichteten, häufiger zu Infektionen kam als bei den Lehrern der Oberstufe, die von zuhause aus unterrichteten.
Dies war tatsächlich der Fall. Bei Lehrern der Mittelstufe kam es doppelt so häufig wie in der Oberstufe zu Infektionen. Svaleryd ermittelt eine Odds Ratio von 2,01, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,52 bis 2,67 signifikant war. Die Lehrer der Mittelstufe infizierten auch häufiger ihre Lebenspartner als die Lehrer der Oberstufen (Odds Ratio 1,29; 1,00 bis 1,67) … Svaleryd konnte auch ermitteln, ob die Eltern der Mittelstufler häufiger erkrankten. Die Odds Ratio von 1,17 (1,03 bis 1,32) weist auf ein leicht um 17 % erhöhtes Risiko hin. Da es aber bedeutend mehr Eltern gibt als Lehrer, wären die Auswirkungen auf die Epidemie größer.«
Nicht nur häufiger, sondern auch schwerer und dann auch noch die Zeit „danach“
Mit Blick auf die Monate des vergangenen Corona-Jahres musste dann zwischenzeitlich auch berichtet werden, dass nicht nur die Häufigkeit der Covid 19-Erkrankungen deutlich höher ausgeprägt ist bei den Sozial- und Gesundheitsberufen, sondern auch die Schwere der Erkrankungen. Beispiel: Die Gefahr, einen schweren Verlauf zu erleiden, sei für Ärzte, Pflegekräfte und Rettungssanitäter siebenmal größer als für Menschen in sogenannten nicht-essenziellen Berufsgruppen, stellten Epidemiologen der Universität von Glasgow fest. Mehr dazu in diesem Beitrag vom 15. Dezember 2020: Viel mehr und oft schwerer im Verlauf: Covid-19 bei Ärzten, Pflegekräften und Rettungspersonal. Und die Frage nach der Zeit „danach“ sowie nach der Einstufung als Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit. Die Befunde aus der britischen Studie passen leider auch zu diesen Werten: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte im September berichtet, dass 14 Prozent aller weltweit gemeldeten Corona-Infektionen auf Menschen in Gesundheitsberufen entfielen. In manchen Ländern liege die Quote gar bei 35 Prozent, obwohl deren Anteil an der Bevölkerung insgesamt in den meisten Ländern bei unter drei Prozent liege.
Auch aus Deutschland liegen mittlerweile erste Studienergebnisse vor: »Über mehrere Monate hinweg hat das Robert Koch-Institut (RKI) die Ausbreitung und Auswirkungen von SARS-CoV-2 per Antikörper-Nachweis bei Klinikpersonal erforscht, unter anderem am Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Dort wurden bis zum Ende der Untersuchung 300 COVID-19-Fälle stationär, davon 125 Patienten sogar intensivmedizinisch behandelt. Die insgesamt 2500 Mitarbeiter des ukb, von denen 1500 an der Erhebung teilgenommen haben, hatten demnach über einen längeren Zeitraum Kontakt mit SARS-CoV-2-Infizierten. Die meisten Teilnehmer kamen aus dem Pflegedienst«, so dieser Beitrag: Corona-Risiko bei Ärzten und Pflegern deutlich erhöht. Die Studie endete am 16. Dezember, also vor dem Start der der bundesweiten COVID-19-Impfungen. Der Nachweis von Antikörpern ist demzufolge lediglich auf eine durchgemachte Infektion zurückzuführen und nicht auf eine Impfung.
Ergebnisse: »Im Vergleich zur Berliner Bevölkerung wurden unter den Studienteilnehmern 2,4 mal mehr SARS-CoV-2-Infektionen bekannt. Bei Studienende im Dezember hatten 5,3 Prozent der Teilnehmer eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht, in der Berliner Bevölkerung dagegen nur 2,2 Prozent … Im Frühjahr lag … der Anteil positiver Antikörpertests beim ärztlichen Personal höher als beim Pflegepersonal, dies änderte sich allerdings bis zur Dezember-Auswertung. Zu diesem Zeitpunkt wurden die meisten Antikörper-Nachweise beim Pflegepersonal festgestellt (6,7 Prozent), unter Ärzten betrug die Quote 5,5 Prozent.«
Und nicht nur das: Selbst wenn man als „geheilt“ in die Statistik entlassen wird, bedeutet das noch lange nicht, dass man Covid-19 „überstanden“ hat. Je länger wir mit dem Virus leben und Erfahrungen über die unterschiedlichen Verläufe sammeln, umso deutlicher wird, dass es leider auch ein Schattenreich der sich einer akuten Erkrankung anschließenden und lange andauernden Phase der Einschränkungen und Folgeschäden geben kann. Sollten sich die ersten empirischen Befunde über teilweise mehrmonatige Einschränkungen und Folgebeeinträchtigungen bei einem Teil der Covid-19-Patienten verfestigen, dann muss man das im Zusammenspiel mit den mehrfach höheren Risikowerten für Infektionen, Erkrankungen und vor allem schweren Verläufen beim Sozial- und Gesundheitspersonal berücksichtigen.
Neue Daten zur überdurchschnittlichen Betroffenheit bestimmter Berufe bei den coronabedingten Erkrankungen
Nun hat sich auch die BARMER-Krankenkasse zu Wort gemeldet mit einer Auswertung ihrer Versichertendaten nach Branchen bzw. Berufen für das 4. Quartal 2020, also die Monate Oktober bis Dezember 2020.
»In keiner anderen Berufsgruppe Deutschlands sind so viele Beschäftigte am Coronavirus erkrankt wie in der Altenpflege. Dies geht aus einem aktuellen Branchenvergleich der BARMER hervor. Dabei wurden die 20 Berufsgruppen mit den anteilig meisten Covid-19-Erkrankten ermittelt. So waren im vierten Quartal vergangenen Jahres 7,6 je 1.000 BARMER-versicherten Erwerbstätigen in der Altenpflege wegen einer Covid-19-Infektion krankgeschrieben. Nur knapp dahinter folgen Beschäftigte in Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe sowie Erwerbstätige in Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege mit jeweils 7,3 je 1.000 Betroffenen«, kann man dieser Mitteilung entnehmen: BARMER-Branchenauswertung – Corona grassiert vor allem in Sozialberufen.
Quelle der Abbildung: Barmer (2021): BARMER-Branchenauswertung – Corona grassiert vor allem in Sozialberufen, 15.02.2021
Interessant ist der Aspekt, dass es auch noch hinsichtlich einer anderen Dimension erhebliche Berufs- bzw. Branchenunterschiede gibt:
»Massive Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsbranchen gebe es aber nicht nur bei der Zahl der BARMER-versicherten am Coronavirus Erkrankten, sondern auch bei der Dauer der Krankschreibungen. So seien im vierten Quartal des vergangenen Jahres an Covid-19 erkrankte Fahrzeugführer im Schnitt 17,8 Tage arbeitsunfähig gewesen. Bei Beschäftigten in Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe seien es 15,0 Tage gewesen und in der Altenpflege 14,9 Tage. Die geringsten Fehlzeiten hätten Covid-19-erkrankte Beschäftigte in Werbung und Marketing mit 12,7 Tagen sowie in Arztpraxen mit 12,1 Tagen. „Die Beschäftigten sind tendenziell in den Branchen länger wegen Covid-19 krankgeschrieben, in denen Homeoffice kaum oder gar nicht möglich ist“ … Bemerkenswert gering sei die durchschnittliche Krankheitsdauer in Arztpraxen, aber auch in den Pflegeberufen. Eine mögliche Ursache könne darin liegen, dass sie im Kampf gegen das Coronavirus an vorderster Front stünden und die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen schnellstmöglich wieder unterstützen wollten.«