Die Corona-Pandemie – das ist mittlerweile mehr als deutlich geworden – trifft die Menschen nicht gleichverteilt, sondern wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es eine sehr ungleiche Betroffenheit von Covid-19-Infektionen und -Erkrankungen gibt, wobei das zwei unterschiedliche Aspekte sind, denn eine Infektion bedeutet noch lange nicht, dass man auch wirklich erkrankt. Zudem wird nach den Erfahrungen der letzten Monate sichtbar, dass das Virus bereits bestehende soziale Ungleichheiten eher verstärkt und teilweise potenziert.
Das betrifft auch die gesundheitlichen Risiken, denen unterschiedliche Berufe ausgesetzt sind. Eine empirische Bestandsaufnahme dazu hat nun das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) vorgelegt: »Beschäftigte in Gesundheitsberufen waren von März bis Mai 2020 am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK-Mitglieder durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) zeigt, dass in diesem Zeitraum 1.283 je 100.000 Beschäftigte in der Altenpflege im Zusammenhang mit Covid-19 an ihrem Arbeitsplatz gefehlt haben. Damit liegt die Betroffenheit dieser Pflegekräfte mehr als das 2,5-fache über dem Durchschnittswert von 474 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte. Gleichzeitig gab es bei Beschäftigten in der Altenpflege auch häufiger Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang mit Covid-19: Je 100.000 Beschäftigte wurden 157 Personen mit dieser Diagnose in einer Klinik behandelt – der Vergleichswert aller AOK-Mitglieder liegt bei 91 je 100.000 Beschäftigen.« So das WIdO unter der Überschrift Krankschreibungen und Krankenhaus-Aufenthalte von Beschäftigten in der Lock-down-Phase: Gesundheitsberufe besonders stark von Covid-19 betroffen.
Arbeitsunfähigkeiten im Zusammenhang mit Covid-19
Insbesondere Beschäftigte aus den Gesundheitsberufen waren bis Mai 2020 vergleichsweise häufig von Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen. Die höchste Rate bei den Arbeitsunfähigkeitsmeldungen wurde mit 1.283 Betroffenen je 100.000 Beschäftigte in den Berufen der Altenpflege sowie in der Gesundheits- und Krankenpflege (1.237 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) erreicht.
➔ Tätigkeiten im Homeoffice oder im Freien seltener von Covid-19 betroffen: Es gibt natürlich auch Berufe, bei denen unterdurchschnittliche Werte registriert wurden. Die niedrigsten krankheitsbedingten Fehlzeiten im Zusammenhang mit Covid-19 zeigten sich bei den Berufen in der Hochschullehre und -forschung (110 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) und in der Landwirtschaft (121 Betroffene je 100.000 Beschäftigte). Dazu das WIdO: »Tätigkeiten, die eher im Homeoffice oder in der freien Natur ausgeübt werden, waren dagegen mit einem niedrigeren Infektionsrisiko verbunden. Berufe mit häufigen zwischenmenschlichen Kontakten, die aufgrund der präventiven Maßnahmen zu einer Reduzierung der Kontakte gezwungen waren oder ihren Beruf nicht ausüben konnten, hatten ein deutlich reduziertes Risiko zu erkranken. Hierzu zählen beispielsweise Berufe in der Gastronomie (208 Betroffene je 100.000 Beschäftigte) oder im Kosmetikgewerbe (177 Betroffene je 100.000 Beschäftigte).«
Insgesamt erhielten von den 11,6 Millionen AOK-versicherten Erwerbstätigen von März bis Mai 2020 circa 55.000 Beschäftigte von einem Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Zusammenhang mit einer Covid‑19-Diagnose. Das entspricht 474 je 100.000 AOK-versicherte Beschäftigte oder 0,5 % der AOK-versicherten Erwerbstätigen.
Das WIdO weist auch auf eine erhebliche regionale Streuung hin: »Besonders von der Ausbreitung des Virus betroffene Regionen wie der Landkreis Heinsberg, der Hohenlohekreis, Rosenheim oder der Kreis Rosenheim belegen erwartungsgemäß auch bei den AU-Quoten die Spitzenplätze. Im Kreis Heinsberg wurden 2,2 % und im Hohenlohekreis 2,1 % der AOK-versicherten Erwerbstätigen eine Arbeitsunfähigkeit im Zusammenhang mit Covid-19 bescheinigt. Regionen wie Cottbus mit einer AU-Quote von 0,03 % oder Dessau-Roßlau mit 0,06 % zeigten hingegen nur einen Bruchteil an Corona-bedingten Fehlzeiten im Vergleich zu den regionalen Hotspots.«
Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit Covid-19
»Insgesamt wurden von März bis Mai 2020 circa 10.500 AOK-versicherte Erwerbstätige im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 in einem Krankenhaus behandelt. Das entspricht 91 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherte Beschäftige. Die durchschnittliche Behandlungsdauer dieser hospitalisierten Beschäftigten lag bei etwa sieben Tagen. Die Daten zeigen, dass von einem möglichen schweren Covid-19-Verlauf eher die älteren Erwerbstätigen betroffen sind als die jüngeren: Von 100.000 Beschäftigten über 60 Jahren wurden 168 stationär behandelt, während der Vergleichswert der jüngeren Beschäftigten unter 20 Jahren bei weniger als einem Drittel liegt (51 je 100.000 Beschäftigte).«
Nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in den Schlachthöfen des Landes von Interesse sind die folgenden Angaben: Beschäftigte in der Fleischverarbeitung wurden mit 173 je 100.000 Beschäftigte am häufigsten im Zusammenhang mit Covid-19 in ein Krankenhaus eingewiesen. „Bestimmte Beschäftigtengruppen, die auch in Pandemiezeiten weiter zur Arbeit gegangen sind, scheinen stärker von Covid-19 betroffen zu sein. Dies sind vor allem Berufe mit Kontakt zu anderen Menschen. Aber auch Berufe in der Fleischverarbeitung oder der Lagerwirtschaft waren stark betroffen“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.
Covid-19 als Berufskrankheit? Ja für Gesundheitsberufe
COVID-19 als Berufskrankheit – für Angehörige der Gesundheitsberufe kommt das in Betracht. Ärzte, Medizinische Fachangestellte, Pflegekräfte – sie profitieren dabei von einem schnellen Prüfverfahren auf Anerkennung, berichtet Matthias Wallenfels unter der Überschrift Bisher 5700 COVID-19-Fälle als Berufskrankheit anerkannt. Mit Bezug auf Daten der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): »Zum Stichtag 3. Juli ist von den Unfallversicherungsträgern in Deutschland in 5.762 Fällen nach Verdachtsmeldung COVID-19 als Berufskrankheit (BK) anerkannt worden … Die betreffenden Personen stammten allesamt aus den Reihen der Gesundheitsberufe.«
➔ »COVID-19 wird unter der BK-Nummer 3101 (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war) subsumiert, in der laut Berufskrankheitenliste auch Infektionskrankheiten wie Hepatitis, Tuberkulose oder auch HIV/Aids verortet sind. „Da COVID-19 eine derartige Infektionskrankheit ist, kommt eine Anerkennung als Berufskrankheit unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht“, verdeutlicht die DGUV … Hier profitierten Ärzte, Medizinische Fachangestellte, Pfleger und andere Beschäftigte in stationären oder ambulanten medizinischen Einrichtungen und in Laboratorien von einem – bei berufsbedingten Infektionskrankheiten generell – relativ schnellen Prüfverfahren auf Anerkennung der BK-Nr. 3101. Das Ermittlungsverfahren sei in der Regel deutlich weniger komplex und aufwändig als beispielsweise bei Wirbelsäulen-, Krebs- oder Atemwegserkrankungen. „Insbesondere dann, wenn bei der Ermittlung der Exposition lange Zeiträume beruflicher Tätigkeit oder weiter zurückliegende Tätigkeiten zu berücksichtigen sind“, wie eine Sprecherin der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) der „Ärzte Zeitung“ bestätigt. Die BGW ist für die meisten der als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Fälle zuständig.«
Was bedeutet die Anerkennung als Berufskrankheit für die betroffenen Beschäftigten aus den Gesundheitsberufen?
Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt die Kosten der Heilbehandlung sowie der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation. Bei einer bleibenden Minderung der Erwerbsfähigkeit kann sie auch eine Rente zahlen. Im Todesfall können Hinterbliebene eine Hinterbliebenenrente erhalten.