Von einem „schlechten Tag für die Pflege“ über die absehbare Festschreibung eines weitgehend tariffreien Geländes bis hin zu den gefährlichen Untiefen „ortsüblicher Löhne“. Anmerkungen zum Arbeitsentwurf für ein Pflegereformgesetz

„Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, hat mit Enttäuschung auf die heutige Ent­­­scheidung der Caritas gegen einen Pflegetarifvertrag reagiert“, meldet das Ministerium am 25. Februar 2021 unter der Überschrift „Heute ist ein schlechter Tag für die Pflege“ und verlinkt dazu ein Video mit dem Statement des Ministers. Die Hintergründe dieser Entscheidung und die massive Kritik daran ist in diesem Beitrag vom 7. März 2021 ausführlich dargestellt worden: Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten. Seitdem erlebt vor allem die Caritas (die evangelische Diakonie hatte lediglich das „Glück“, dass sie einen Tag nach der Arbeitsrechtlichen Kommission der Katholiken hätte entscheiden und Farbe bekennen müssen, worauf sie dann wegen der Caritas-Ablehnung „verzichtet“ und sich in die Büsche geschlagen hat) einen heftigen Gegenwind, worüber man sich nun auf Seiten des Verbandes pikiert, „betroffen“ und „empört“ zeigt.

In den Argumentationsversuchen der Caritas-Spitze wird nun immer wieder ein Strang erkennbar, der auf das „Bedrohungspotenzial“ für die eigenen, (angeblich) doch viel besseren Löhne in den katholischen Pflegeeinrichtungen abstellt. Danach bestände die Gefahr, dass es irgendwann einmal seitens der „Kostenträger“, also konkret der Pflegekassen, in den Preisverhandlungen eine Bezugnahme auf den einen, dann allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geben würde, so dass dann die höheren Vergütungen in den anderen Einrichtungen nicht mehr gegenfinanziert werden (können).

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Die osteuropäischen Erntehelfer im Spannungsdreieck von aktueller Corona-Aufmerksamkeit, Zahnlosigkeit der EU und immer wieder das massive Kontrolldefizit des Staates

Die Corona-Krise hat so einige Tatbestände aus dem Schattenreich ans Tageslicht gefördert und einen Blick auf das eröffnet, was ansonsten im Unsichtbaren bleibt. Das gilt – gerade in der Anfangszeit der Pandemie – für die unzähligen Arbeitskräfte aus dem Osten Europas, die in Deutschland arbeiten und Wert schöpfen. So wurde in diesem Blog bereits am 6. April 2020, lange vor den vielen Corona-Infektionen in den Schlachthöfen des Landes, diese Zeilen veröffentlicht: »Zuweilen schafften es sogar die (wie wir jetzt lernen) „Systemrelevanten“ aus dem Dunkelfeld für einen Moment in die Randzonen der öffentlichen Aufmerksamkeit, man denke hier beispielsweise an die vielen osteuropäischen Leiharbeiter und Werkvertragsarbeitnehmer, mit denen man die deutschen Billig-Schlachthöfe bestückt und am Laufen hält. Dazu nur dieses Zitat: „Wenn unsere Osteuropäer auf Heimatbesuch fahren, dort aber zwei Wochen in Zwangsquarantäne müssen oder nicht mehr nach Deutschland einreisen dürften, dann stehen bei uns bald die Räder still“. Diese Worte stammen von Clemens Tönnies vom gleichnamigen Schlacht- und Fleischkonzern aus Ostwestfalen.«

In dem Beitrag Erntehelfer: Die Unverzichtbaren unter den bislang „unsichtbaren“ Systemrelevanten. Erst nicht mehr rein, jetzt doch (einige) rein. Und eine bemerkenswerte Doppelmoral ging es aber um andere Saisonarbeitern, die vor dem Hintergrund des enormen Wohlstandsgefälles innerhalb der heterogenen EU regelmäßig zu uns kommen: die Erntehelfer. Damals rückte diese Gruppe für einen Moment lang in das Schweinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit, weil die Bundesregierung Ende März einen Einreisestopp verhängt hatte, der aber schnell wieder korrigiert werden musste, als die landwirtschaftlichen Betriebe Land unter gemeldet hatten. Und das kurz vor der Spargel & Co.-Ernte.

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Jetzt aber: „Wir werden aufräumen mit diesen Verhältnissen“, sagt der Bundesarbeitsminister. Und meint die Zustände in der Fleischindustrie. Man darf gespannt sein

Es gibt Zufälle, die so konstruiert erscheinen, dass man den Kopf schütteln muss. Der 14. Mai ist ein Beispiel dafür. Es ist der Gedenktag der heiligen Corona. Ja, die gibt es wirklich. Und die ist nicht irgendeine Heilige, die man aus dem Frühchristentum in die Gegenwart zu retten versucht: Im katholischen Universum handelt es sich um die Patronin des Geldes, der Fleischer und Schatzgräber. Und eines muss man der katholischen Kirche ja lassen – sie sichert ihre Gläubigen gerne mehrfach ab und deshalb legt sie bei der heiligen Corona noch einen drauf: Die ist nämlich auch eine der zahlreichen Patrone gegen Pest und andere Seuchen. Wie passend. Manche andere hingegen würden in diesen Tagen von einem zynisch daherkommenden Humor sprechen.

Der Schutzheiligen des Geldes und der Fleischer werden in normalen Zeiten Wallfahrten dargebracht, vor allem in Österreich (möglicherweise auch in Ischgl). In diesem Jahr bewegt Corona, allerdings in viraler Form, den Globus und speziell am Gedenktag der Heiligen in Deutschland auch die Fleischindustrie und aufgrund der vielen Corona-Infektionsfälle in den Schlachthöfen der Republik auch Medien und Politik. Sogar bis in den Bundestag haben es die Vorgänge und damit (wieder einmal) der Blick auf die Zustände im Billigschlachthaus Deutschland geschafft. Und da geht es nicht nur um Fleischer, sondern eigentlich um viele Geld und um Unternehmen, die für sich einen Schaft gehoben haben – eine Schatzkiste voll mit billiger und gut ausbeutbarer Arbeit aus dem Osten.

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Keine Überraschung: Die Fleischfabriken werden zu Hotspots der Corona-Krise und die normalerweise unsichtbaren Menschen werden in Umrissen erkennbar

Große Aufregung in der Berichterstattung der letzten Tage: In der deutschen Fleischproduktion grassiert das Coronavirus unter den Beschäftigten. In Nordrhein-Westfalen sollen jetzt alle Arbeiter von Schlachthöfen getestet werden, so dieser Artikel: Mehr als 600 Corona-Fälle in Schlachtereien. »In den meisten Fällen hatten sich rumänische Werkvertragsarbeiter angesteckt, die oft in engen Gemeinschaftsunterkünften leben. Allein im Betrieb Müller Fleisch bei Pforzheim gab es in den vergangenen Wochen etwa 300 Infizierte … Bei Westfleisch haben sich nach Angaben der zuständigen Landkreise an den Standorten Oer-Erkenschwick und Coesfeld mehr als 200 Arbeiter infiziert … Das Unternehmen Vion hat seinen Schlachtbetrieb im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt nach einem Corona-Ausbruch ebenfalls geschlossen. Dort gibt es mehr als 100 Infizierte unter den Werkvertragsarbeitern, die meisten sind in Zweibettzimmern in einer ehemaligen Kaserne untergebracht und wurden gemeinsam per Bus zur Arbeit gefahren.«

»Die Branche steht wegen schlechter Arbeits- und Unterkunftsbedingungen seit vielen Jahren in der Kritik. Die prekären Verhältnisse sind ideal zur weiteren Verbreitung der Pandemie«, so der richtige Hinweis in diesem Artikel: Schlachthöfe entwickeln sich zu Corona-Brennpunkten. Seit vielen Jahren wird das kritisiert – das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die aktuellen Reaktionen auf die sich häufenden Katastrophen-Meldungen aus den Untiefen der deutschen Fleischindustrie zur Kenntnis nehmen muss:

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Ihr Fachkräfte kommet, aber möglichst günstig? Das Beispiel Österreich

Am 1. März ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Deutschland in Kraft getreten. Es »schafft den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern. Ziel ist, dass diejenigen Fachkräfte zu uns kommen können, die unsere Unternehmen vor dem Hintergrund des großen Personalbedarfs und leerer Bewerbermärkte dringend benötigen«, so das Bundesinnenministerium. Nun leben wir bekanntlich nicht auf einer Insel, sondern um uns herum gibt es zahlreiche andere Länder, die ebenfalls gerne Fachkräfte aus anderen Ländern hätten. Beispielsweise unsere Nachbarn in Österreich.

Und wie sich die Meldungen gleichen: »Der Fachkräftemangel entpuppe sich zusehends als Wachstumshemmnis, 88 Prozent der Betriebe spürten die Knappheit an Personal … 40 Prozent der Unternehmen beklagen demnach bereits Umsatzeinbußen, weil sie offene Stellen nicht besetzen können.« Das hätte auch in einem Artikel über Deutschland stehen können, bezieht sich aber auf Österreich. Die Zahlen wurden von der österreichischen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zitiert. Und dagegen muss man was machen: »Die Regierung will den Fachkräftemangel in Österreich lindern und hat dazu ein paar Maßnahmen ventiliert, um den Zuzug von Personen aus Drittstaaten in den heimischen Arbeitsmarkt zu erleichtern.«

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