Aus dem Bürgergeld diesseits einer im luftleeren Raum eskalierenden „Arbeitspflicht“-Debatte: Immer weniger Möglichkeiten, einer geförderten Beschäftigung nachzugehen. Zur Entwicklung der Arbeitsgelegenheiten und der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“

Es ist zum Dauer-Kopfschütteln. Da wird das Land überzogen mit immer hysterischer daherkommenden Debatten über Bürgergeld-Bezieher, die angeblich alle nicht arbeiten wollen und lieber in der Transfer-Hängematte am Pool den Sommer genießen und das man die am besten alle zur Arbeit im Park verpflichten sollte.

Und auf der anderen, der stillen Seite des Bürgergeldes sehen wir einen kontinuierlichen Rückgang der geförderten Beschäftigung, sowohl bei den Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II wie auch bei dem erst seit 2019 existierenden höherwertigen, weil auf eine längerfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgerichteten Instrument der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II. Die Entwicklung der Eintritte in diese öffentlich geförderten Beschäftigungsmöglichkeiten wie auch der Teilnehmerzahlen im langjährigen Vergleich sprechen eine deutliche Sprache.

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Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche „Einsparungen“ mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II

Deutschland, am Jahresende 2023: Im Dezember 2023 lebten in 2.897.000 Bedarfsgemeinschaften 5.473.000 Personen, die einen Anspruch auf Regelleistungen nach dem SGB II hatten. Hinter dieser einen großen Zahl von fast 5,5 Millionen Menschen, die auf Leistungen aus dem Grundsicherungssystem (SGB II) angewiesen sind, verbergen sich nicht nur 5,5 Millionen Einzelschicksale, sondern auch extrem unterschiedliche Fallkonstellationen, die zu einer Hilfebedürftigkeit geführt haben. In der öffentlichen und diese formatierenden medialen Diskussion muss man als unbedarfter Beobachter aber den Eindruck bekommen, als sind alle Hartz IV- bzw. neudeutsch „Bürgergeld“-Empfänger Arbeitslose, genauer: Erwerbsarbeitslose und das Hauptproblem des „neuen“ Bürgergeldes besteht darin, dass es keine „Anreize“ geben würde, irgendeine Erwerbsarbeit aufzunehmen oder dass sogar Jobs hingeschmissen werden, weil man mit dem Bürgergeld angeblich besser, vor allem angenehmer leben könne. In diesem höchst selektiven Kontext, der viele Millionen Hilfebedürftige und deren Lebenslagen komplett ignoriert, passt dann die Forderung nach einer (Wieder-)Verschärfung der Sanktionen, also der Leistungsminderungen in der Grundsicherung. Besonders populär, weil auf den ersten Blick für viele nachvollziehbar ist die Forderung, dass die Ablehnung einer angebotenen Erwerbsarbeit und die damit einhergehende Verlängerung des steuerfinanzierten Leistungsbezugs zu einer „knallharten“ Sanktionierung führen müsse, damit man sich nicht von Faulenzern und den Sozialstaat missbrauchenden Menschen an der Nase durch den Ring ziehen lassen muss und damit die Solidargemeinschaft geschützt wird vor einer Über-Inanspruchnahme aus „niederen“ Beweggründen.

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Der Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung: Wenn Haushaltstrickser Luftbuchungen und einen nicht nur kosmetischen Schaden produzieren

Das kommt dabei heraus, wenn man über keinen sicherheitshalber ausgearbeiteten Plan B verfügt, sondern im Nachgang zu dem offensichtlich die amtierende Regierung völlig überraschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 und den daraus resultierenden handfesten Auswirkungen in Form fehlender Milliarden auf den Bundeshaushalt 2024 planlos und auf die Schnelle in Gestalt hektischer Nachtsitzungen in das Aufstellen von mehr oder weniger belastbaren Streichlisten bei den Ausgaben (und weitaus gewichtiger dem Verschieben von Finanzierungslasten auf Dritte wie Steuer- und Beitragszahler) reinschlittert. Da sind dann Sach- und Personenschäden vorprogrammiert.

Einen schon auf den ersten Blick perfiden „Sparbeitrag“ für den Bundeshaushalt muss das ausgabenträchtige Bundesministerium für Arbeit und Soziales leisten: »In der Pandemie zahlte die Bundesagentur für Arbeit massenhaft Kurzarbeitergeld und verbrauchte dabei sämtliche Reserven. Eigentlich sollten die Rücklagen nun wieder aufgebaut werden. Doch jetzt will die Ampel an das Geld«, so eine der Meldungen zu dem Griff in die Beitragskasse der Arbeitslosenversicherung, hier unter der Überschrift Ampel zapft Reserve der Bundesagentur an – Gewerkschaften und Arbeitgeber empört. Christina Ramb von der Arbeitgeberseite in der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit kritisiert, »Beitragsgelder seien kein Sparbuch zur Entlastung des Bundesetats.« Was ist da los?

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Die Jobcenter und das Geld von oben: Auf dem Papier werden 500 Millionen Euro für 2024 gestrichen, 2025 sollen es sogar 900 Millionen Euro sein. Das „Bürgergeld“-System in Theorie und (monetärer) Praxis

Seit dem 1. Januar 2023 ist das „Hartz IV“-System beseitigt. Also auf alle Fälle semantisch wurde es liquidiert. Es ist zum „Bürgergeld“ weiterentwickelt bzw. umetikettiert worden. Mit dem Umbau des alten Hartz IV- zum neuen Bürgergeld-System einher gingen keine fundamentalen Veränderungen bei den so oft im Mittelpunkt der öffentlichen Debatten stehenden Regelleistungen, also dem Geld, das die „Regelleistungsberechtigten“ monatlich ausgezahlt bekommen. Viele werden sich noch an den Jahresanfang erinnern: Mit der Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wurde der Regelsatz für eine alleinstehende Person auf 502 Euro angehoben, um 11,8 Prozent – um die hohen Inflationsraten auszugleichen. Und man erinnert sich vielleicht auch noch daran, dass nunmehr beispielsweise Inflationsentwicklungen, wie wir sie in den vergangenen Monaten haben erleben müssen, deutlich schneller berücksichtigt werden (was nach einem Urteil des BVerfG auch gemacht werden muss). Eine substanzielle Anhebung der Regelleistungen darüber hinaus, wie von vielen Sozialverbänden gefordert, hat es nicht gegeben und auch der (angebliche) Inflationsausgleich wurde als nicht ausreichend gelungen kritisiert (vgl. dazu den Beitrag Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem, der hier am 5. Januar 2023 veröffentlicht wurde.

Aber die Ausgaben für das nun „Bürgergeld“ zu nennende Hartz IV-System umfassen noch weitaus mehr als die Regelleistungen, die den Betroffenen monatlich ausgezahlt werden. So werden die angemessenen Kosten der Unterkunft übernommen, es werden Beiträge an Sozialversicherungsträger wie die Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt, hinzu kommen Gelder für Eingliederungsmaßnahmen. Wir sprechen hier mit Blick auf die Gesamtausgaben für Leistungen nach dem SGB II – also nicht nur das bisherige Arbeitslosengeld // bzw. Sozialgeld – von einer wirklich großen Hausnummer: Fast 50 Milliarden Euro fließen hier – pro Jahr. Und die Jobcenter als die letzen Außenposten des Sozialstaats müssen das organisieren und abwickeln.

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Beim Jobcenter raus, bei der Arbeitsagentur rein? Taschenspielertricks im haushaltspolitischen Verschiebebahnhof. Auf Kosten junger Menschen und mit einer absurden Verkomplizierung komplizierter Strukturen

Die älteren Semester werden sich an die vielen und in der jeweiligen Tagespolitik überaus beliebten haushalterischen Verschiebebahnhöfe zwischen Steuer- und Beitragstöpfen in den 1990er Jahren und danach erinnern. Ein munteres, kurzfristig die potemkinschen Zahlenfassaden aufhübschendes Hin- und Herschieben, wer denn die Rechnung zu begleichen hat. Am Ende war das volkswirtschaftlich nicht nur ein Nullsummenspiel (recht Tasche, linke Tasche), sondern je nach Dreistigkeit der finanzpolitischen Hütchenspielerei gab es dann auch substanzielle Schäden bei den „schwächeren“ Mitspielern, was in der Regel die Sozialversicherungen waren und sind, die nicht nur mehrere Wackersteine in die Tasche gesteckt bekommen (haben), sondern im Nachgang auch noch gescholten wurden angesichts ihrer hohen Ausgaben, die „der Beitragszahler“ zu stemmen habe, so dass man dort nun aber angesichts der „Belastungsgrenze“ dringend Einsparungen vornehmen müsse.

In diesen Sommertagen des Jahres 2023 werden wir nun erneut Zeugen der Fortschreibung dieser langen und unseligen Traditionslinie. Wenn es nur ein buchungstechnisches Hin- und Herschieben von Zahlen in Exceltabellen wäre – im vorliegenden Fall aber werden junge, hilfebedürftige Menschen wie Bauernfiguren auf einem Schachbrett mit ganz handfesten Folgen hin- und hergeschoben und gleichzeitig wird es im Ergebnis zu einer grotesken Verkomplizierung von sowieso schon komplizierten Strukturen der konkreten Arbeit mit den jungen Menschen kommen, abgesehen von dem damit einhergehenden Abräumen (angeblicher) sozialstaatlicher Grundprinzipien wie „Leistungen aus einer Hand“ und wie die Slogans aus den Sonntagsreden auch immer heißen.

Um was geht es genau?

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