Was für ein unheiliges Desaster: Die katholische Caritas blockiert den Weg zu einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die Altenpflege, die Verbände der privatgewerblichen Arbeitgeber freuen sich und die Pflegekräfte ganz unten bleiben unten

Am 1. Juli 2018 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Die einen wollen Tariflöhne in der Altenpflege, die anderen die Arbeitgeber genau davor bewahren. Der Weg wird kein einfacher sein. Darin und in Folgebeiträgen (beispielsweise am 19. Januar 2019: Ein flächendeckender Tarifvertrag für die stationäre und ambulante Altenpflege? Es ist und bleibt kompliziert) wurde beschrieben, wie schwierig die Umsetzung der lobenswerten Absicht sein wird, in der Altenpflege zu einem für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrag zu kommen. Das Feld der stationären und ambulanten Pflege ist tarifpolitisch besonders vermint, hier stehen sich im Grunde zwei Blöcke gegenüber, die gemeinnützigen Anbieter (mit einem besonderen Schwergewicht bei den katholischen und evangelischen Trägern) sowie die privatgewerblichen Anbieter (kommunale Träger sind nur noch in Spurenelementen) vorhanden. Fast die Hälfte der immer im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehenden Altenheime sind schon in privatgewerblicher Hand, bei den ambulanten Pflegediensten sind es zwei Drittel. Und mit Blick auf diese Seite des „Marktes“ müssen wir eine quasi tariffreie Zone konstatieren (die übrigens auf der Seite der Beschäftigten durch einen desaströs niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad komplettiert wird). Hinzu kommt, dass auf der Seite der gemeinnützigen Anbieter die beiden konfessionell gebundenen Schwergewichte, vertreten durch Caritas und Diakonie, in einer Sonderwelt leben dürfen, dem sogenannten „Dritten Weg“. Danach werden den Beschäftigten in konfessionell gebundenen Einrichtungen und Diensten elementare Arbeitnehmerrechte vorenthalten (beispielsweise das Streikrecht) und die Kirchen dürfen ihre Angelegenheiten weitgehend selbst und auch unter Ausschluss von Gewerkschaften regeln, selbst in den vielen Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens, die zu 100 Prozent aus Steuer- und Beitragsmitteln finanziert werden.

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Pflegereform 2021: Klappe, die nächste! Auf dem Weg zu einer deutlichen Entlastung der Pflegebedürftigen und der Sozialhilfeträger? Ein Auftragsgutachten gibt Schützenhilfe und ein anderes will den Steuerzahler beunruhigen

Anfang Oktober 2020 wurde berichtet, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plane eine Pflegereform, mit der die Eigenanteile, die von den Pflegebedürftigen gezahlt werden müssen, wenn sie in einem Pflegeheim leben, begrenzt werden sollen, denn bislang steigen und steigen sie und immer öfter wird in der Berichterstattung deutlich herausgestellt, dass das so nicht weitergehen kann bzw. darf. Eine mögliche Lösung wurde vom Minister sogleich in den öffentlichen Raum gestellt: „Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. Das hört sich vielversprechender an, als es nach einer genauen Prüfung ist bzw. sein könnte, darauf wurde hier schon am 6. Oktober 2020 in dem Beitrag Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen  hingewiesen – beispielsweise auf den Tatbestand, dass eben nicht „der“ Eigenanteil begrenzt werden soll, sondern einer der derzeit vorhandenen drei Eigenanteile, die in der Summe eine durchschnittliche Belastung der Pflegebedürftigen in Höhe von mehr als 2.000 Euro im Monat mit sich bringen.

Aber Spahn und sein Ministerium haben das knackig daherkommende „700-Euro-Modell“ mitsamt einiger Beigaben in ein „Eckpunktepapier“ gegossen und in den Ring geworfen:

➔ Bundesgesundheitsministerium (2020): Pflegeversicherung neu denken: Eckpunkte der Pflegereform 2021, Berlin, 04.11.2020

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Die Grundlinien der Pflegereform 2021 werden in Umrissen erkennbar. Man will die Pflegeversicherung „neu denken“

Anfang Oktober 2020 wurde berichtet, der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plane eine Pflegereform, mit der die Eigenanteile, die von den Pflegebedürftigen gezahlt werden müssen, wenn sie in einem Pflegeheim leben, begrenzt werden sollen, denn bislang steigen und steigen sie und immer öfter wird in der Berichterstattung deutlich herausgestellt, dass das so nicht weitergehen kann bzw. darf. Im Mittelpunkt stand vor wenigen Wochen diese Zielsetzung des Ministers: „Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. Wie heißt es so schön: In der Kürze liegt die Würze – aber eben auch, gerade in so komplexen Systemen wie der Sozialpolitik – die Quelle für zahlreiche Fehler und falsche Hoffnungen, die man den Menschen macht. Darauf wurde bereits ausführlich in dem hier am 6. Oktober 2020 veröffentlichten Beitrag Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen hingewiesen – beispielsweise auf den Tatbestand, dass eben nicht „der“ Eigenanteil begrenzt werden soll, sondern einer der derzeit vorhandenen drei Eigenanteile, die in der Summe eine durchschnittliche Belastung der Pflegebedürftigen in Höhe von mehr als 2.000 Euro im Monat mit sich bringen.

Aber zwischenzeitlich hat der Minister und sein Ministerium nachgelegt und Eckpunkte für eine „Pflegereform 2021“ unter die Leute gestreut, die weit über den einen Punkt mit den Eigenanteilen hinausgehen. Zu dem, was uns für das kommende Jahr an Veränderungen bzw. Erweiterungen in Aussicht gestellt wird, eine Übersicht:

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Pflegereform, die nächste: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will „den“ Eigenanteil in der stationären Pflege auf 700 Euro im Monat begrenzen. Da muss man wieder einmal genauer hinschauen

Bei den Eigenanteilen, die von den Pflegebedürftigen zugezahlt werden müssen, wenn sie in einem Pflegeheim leben, ist seit langem die Rede von ihrer Begrenzung, denn sie steigen und steigen und immer öfter wird in der Berichterstattung deutlich herausgestellt, dass das so nicht weitergehen kann bzw. darf. Der Anteil der Menschen, die mit ihren Renten (und dem zu verwertenden Vermögen) nicht mehr in der Lage sind, die steigenden Kosten zu decken, so dass die Sozialhilfe nach SGB XII einspringen muss, nimmt (wieder) zu – gerade die Entlastung der kommunalen Sozialhilfe war eines der wichtigsten Motive Anfang der 1990er Jahre gewesen, eine umlagefinanzierte Pflegeversicherung einzuführen.

Aber nun ist Erlösung in Sicht: »Die Kosten für Pflegebedürftige steigen immer weiter. Gesundheitsminister Spahn plant nun, den Eigenanteil für die stationäre Pflege zu begrenzen. Auch will er im Zuge der Pflegereform eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte durchsetzen.« Das kann man dieser Meldung entnehmen, die bereits in der Überschrift eine konkrete Euro-Summe in Aussicht stellt, wo zukünftig Schluss sein soll: Spahn will Eigenanteil auf 700 Euro begrenzen. „Mein Vorschlag ist, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen“, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“. „Das wären maximal 25.200 Euro. Zwar bleibt die Pflegeversicherung auch dann eine Teilkaskoversicherung. Aber der Eigenanteil wird berechenbar.“

Quelle: Screenshot Online-Ausgabe der Bild, 04.10.2020

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Verschoben, aber nicht aufgehoben. Die Diskussion über eine Reform der Finanzierung der Pflege(versicherung) und die überaus komplexen Herausforderungen, wenn es nicht nur um die Kostenverteilung gehen soll

Bis zum Ausbruch der Corona-Krise gab es eine anschwellende Debatte über eine immer dringlicher werdende Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung, denn das bestehende fragmentierte System einer Teilleistungsversicherung läuft zunehmend „heiß“, wenn man das zum einen aus der Perspektive der betroffenen Pflegebedürftigen vor allem in der stationären Versorgung hinsichtlich der kontinuierlich steigenden Eigenanteile betrachtet, zum anderen aber auch mit Blick auf unbedingt erforderliche strukturelle Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals (sowohl im Sinne einer höheren Vergütung wie auch verbesserten Personalschlüsseln). Denn im bestehenden System einer gedeckelten Teilleistungsversicherung werden die zusätzlichen Kosten auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen abgewälzt, die steigen und steigen.

Und auch „neben“ oder inmitten der Corona-Krise beginnt nun wieder die Debatte an Fahrt aufzunehmen (vgl. dazu bereits die Beiträge Auch die Pflegeversicherung soll/muss an den Steuertropf gehängt werden. Vorerst nur ausnahmsweise. Zugleich wird die Vor-Corona-Debatte über eine Finanzierungsreform wiederbelebt vom 16. Juni 2020 sowie Die Eigenanteile in der stationären Pflege steigen weiter – und damit der Druck, eine Reform der Pflegefinanzierung endlich anzugehen vom 1. August 2020. Dort findet man auch eine Darstellung der Reformvorschläge, die derzeit (wieder) diskutiert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte ursprünglich im Sommer ein Reformkonzept vorlegen, dann kam die Corona-Krise und nunmehr will das Ministerium im Herbst eine Debatte führen, wie es weitergehen kann und soll.

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