Immer mehr Arbeitslose rutschen in die Langzeitarbeitslosigkeit – und das gibt Anlass zur Sorge

Das sind Meldungen, die man nur politisch verstehen kann: Der Bundesarbeitsminister wird mit den Worten zitiert, „die Pandemie hat den deutschen Arbeitsmarkt erschüttert. Aber das große Beben ist ausgeblieben.“ Und dann geht es weiter auf der positiven Rutschbahn: »Ein Jahr lang bestimmt die Corona-Krise nun schon, was in Deutschland geht und was nicht. Auch auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt das Spuren. Arbeitsminister Heil und Arbeitsagentur-Chef Scheele zeigen sich trotzdem zufrieden.« Dabei stellen sie vor allem ab auf den massiven Einsatz des Instrumentariums der Kurzarbeit, mit der ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit habe verhindert werden können: „Wir sehen, dass sich Kurzarbeit nicht in Arbeitslosigkeit niederschlägt, wenn sie ausläuft. Sondern wir sehen, dass die Unternehmen die Arbeitszeit wieder hochfahren“, so der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. Der zeichnet sich immer wieder aus durch positive Beschreibungen des Arbeitsmarktes, die in Berlin sicher gerne vernommen werden. Aber auch Scheele kann eine offene Wunde nicht unter den Teppich kehren, so offensichtlich ist die: Die Langzeitarbeitslosen. „Das sind wirklich die Verlierer und Opfer und Leidtragenden dieser Krise“, so wird der Mann aus Nürnberg zitiert. Da lohnt ein Blick auf die nackten Zahlen:

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Eine „beschäftigungssichernde Brücke in das Jahr 2022“: Die Sonderregelungen zur Kurzarbeit werden verlängert, mindestens ein Grundproblem dieses Instruments bleibt

Bereits in der letzten schweren Rezession im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde vor allem Jahr 2009 die Kurzarbeit als arbeitsmarktpolitisches Brückeninstrument intensiv eingesetzt – in der Spitze gab es im Frühjahr 2009 mehr als 1,4 Millionen Kurzarbeiter in Deutschland, im Jahresdurchschnitt 2009 waren es 1,1 Millionen. Damals wurde die Kurzarbeit vor allem in der Industrie genutzt, darunter vor allem in der Metallbranche, dem Maschinenbau und der Automobilbranche. Das ist aber kein Vergleich zum Einsatz dieses Instruments in der gegenwärtigen Corona-Krise. Für den April 2020, auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA) fast 6 Millionen Kurzarbeiter genannt, der durchschnittliche Arbeitszeitausfall lag bei 48 Prozent. Mittlerweile ist die Zahl der Kurzarbeiter nach Hochrechnungen der BA* wieder deutlich zurückgegangen.

*) Kurzarbeit gem. § 96 SGB III auf Basis der Betriebe-Abrechnungslisten. Kurzarbeiter (realisierte Kurzarbeit) für die letzten vier Monate vorläufige hochgerechnete Werte mit zwei Monaten Wartezeit.

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Wenn Arbeitgeber nach mehr Staat rufen: Mit Kurzarbeit wertvolle Arbeitskräfte in viralen Zeiten hamstern und die Unternehmen auch bei den Sozialbeiträgen entlasten?

Am 8. März 2020 hat das Robert Koch Institut (RKI) um 08:00 Uhr für Deutschland exakt 847 COVID-19-Fälle gemeldet. Und wir alle haben in den vergangenen Tagen – angefeuert durch eine hyperventilierende und pausenlose Berichterstattung – verfolgen können und müssen, wie nicht nur die eigenartigsten Verhaltensweisen unserer Mitmenschen zum Vorschein kommen, beispielsweise in Form teilweise skurrilster Hamsterkäufe von Hartweizen-Produkten bis hin zu im wahrsten Sinne des Wortes asozialen Beutezügen in Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, um Desinfektionsmittel und Mundschutzmasken zu klauen. Sondern man muss auch tagtäglich immense materielle Schäden verbuchen, wenn reihenweise Messen und andere Veranstaltungen abgesagt werden. Das wird in nicht wenigen Fällen den Ruin bestimmter Unternehmen zur Folge haben. Und in der Wirtschaftspresse häufen sich die Berichte über mögliche negative ökonomische Folgen aufgrund des viral bedingten Zusammenbruchs globaler Liefer- und Produktionsketten, dessen zeitversetzte Folgen in den kommenden Wochen und Monaten tiefe Spuren hinterlassen werden.

Natürlich häufen sich die Mahnungen vor schweren wirtschaftlichen Schäden und in diesem Kontext die Forderungen, der Staat möge doch nun irgendwas tun, um den Unternehmen zu helfen. Das hat natürlich auch die amtierende Bundesregierung gehört und am morgigen Sonntag Abend soll der Koalitionsausschuss medial möglichst gut transportierbare Aktivitäten auf den Weg bringen, mit denen man signalisieren kann: Wir tun was. Und für das Vorzeigbare, auf das dann alle warten, eignet sich die Kurzarbeit, bei der man an die große Erzählung nach dem Jahr 2009 anknüpfen kann, dass damals viele Jobs mit Hilfe dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments gerettet werden konnten. Und außerdem kommt das Geld für die mit Kurzarbeit verbundenen Leistungen aus der (gegenwärtig noch gut gefüllten) Kasse der Arbeitslosenversicherung, man muss also nicht etwa zusätzliche Milliarden aus dem Bundeshaushalt organisieren.

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