Kinder statt Inder? Lange ist es her. Wie geht es den Indern, die nach Deutschland gekommen sind (auf dem Arbeitsmarkt)?

Die älteren Semester werden sich noch erinnern, an das Kopfschütteln bis hin zu einer neudeutsch wohl Shitstorm genannten Welle der Empörung über die Äußerung eines Politikers im Jahr 2000. Die ist als „Kinder statt Inder“ etwas verkürzt in die Annalen der bundesdeutschen Geschichte eingegangen, aber ein kurzer Blick auf die damalige Gefechtslage ist aus heutiger Sicht durchaus aufschlussreich, denn rückblickend kommt einem vieles höchst aktuell vor.

Ausgangspunkt im Jahr 2000 war der Vorschlag des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) auf der Computermesse CEBIT gewesen, zur Linderung des schlimmsten Personalmangels in Zukunftsbranchen 20.000 Computerexperten aus dem Ausland – etwa aus Indien – nach Deutschland zu holen. Die Industrie war begeistert, seit Beginn der 1990er Jahre beklagte die Computerindustrie Nachwuchsmangel, verzweifelt gesucht wurden Computerexperten. In einem Beitrag des ARD-Politikmagazins „Panorama“ aus dem März 2000 unter dem Titel Kinder statt Inder – Die Parolen eines gescheiterten Zukunftsministers hieß es: »Manche Unternehmen gaben schon damals auf und begannen ganze Betriebsteile ins Ausland zu verlegen. Die Lufthansa etwa lässt seit 1992 ihre elektronische Ticketverarbeitung in Indien erledigen. Auch SAP und die Deutsche Bank haben dorthin ausgelagert.«

mehr

Der deutsche Mindestlohn und ein vergleichender Blick über den nationalen Tellerrand am Anfang des Jahres 2024

Regelmäßig veröffentlicht das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung einen Mindestlohnbericht, in dem nicht nur die Entwicklung der allgemeinen Lohnuntergrenze in Deutschland betrachtet wird. Auch die Entwicklung in anderen Ländern wird unter die Lupe genommen. Dabei ist natürlich das, was in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) passiert, von besonderem Interesse.

»Zum Jahreswechsel sind die gesetzlichen Mindestlöhne in der Europäischen Union kräftig gestiegen: Die 22 EU-Staaten mit einem allgemeinen Mindestlohn erhöhten diesen vor dem Hintergrund hoher Inflationsraten im Mittel (Median) um 9,7 Prozent. Besonders stark fielen die nominalen Zuwächse in vielen osteuropäischen Ländern aus, aber auch die Niederlande (+12,9%) und Irland (+12,4%) haben ihren jeweiligen Mindestlohn deutlich angehoben.«

Und was ist in Deutschland passiert? »In Deutschland fiel die Anhebung zum Jahreswechsel mit einem nominalen Plus von nur 3,4 Prozent auf nun 12,41 Euro hingegen deutlich kleiner aus; EU-weit stieg der Mindestlohn nur in Belgien (+2,0%) noch langsamer.« So die Ausführungen der Hans-Böckler-Stiftung unter der Überschrift Mindestlohn: Deutliche Anhebungen in den meisten EU-Ländern – Deutschland mit Mini-Zuwachs weit hinten. Da hat man eine zentrale Botschaft schon im Titel untergebracht – also die von dem nur geringen Zuwachs, den der deutsche gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2024 verbuchen konnte.

mehr

Er ist geschrumpft. Der Niedriglohnsektor in Deutschland

16 Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland haben im April 2023 im Niedriglohnsektor gearbeitet. Anders ausgedrückt: Der Verdienst von rund 6,4 Millionen Jobs lag unterhalb der Niedriglohnschwelle von 13,04 Euro brutto je Stunde. Das waren 1,1 Millionen Niedriglohnjobs weniger als im April 2022 (7,5 Millionen), so das Statistische Bundesamt: 1,1 Millionen weniger Niedriglohnjobs im April 2023 gegenüber April 2022. Der Anteil dieser Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen sank innerhalb eines Jahres bundesweit von 19 Prozent auf 16 Prozent. Und wie ist es dazu kommen? Dazu schreiben die Bundesstatistiker: »Eine Erklärung für diese Entwicklung ist der zwischen Januar und Oktober 2022 von 9,82 Euro auf 12,00 Euro gestiegene Mindestlohn.«

Nun sind die Anteilswerte und damit die Bedeutung der Niedriglohnjobs zwischen den Branchen wie fast alles auf dieser Welt ungleich verteilt, in diesem Fall höchst ungleich: In der öffentlichen Verwaltung (4 Prozent), in der Finanz- und Versicherungsbranche (6 Prozent) und in der Informations- und Kommunikationsbranche (7 Prozent) waren und sind Niedriglöhner eine Ausnahmeerscheinung. Ganz anders in diesen Branchen: Gut jedes zweite Beschäftigungsverhältnis im Gastgewerbe (51 Prozent) lag im April 2023 im Niedriglohnsektor. In der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft (43 Prozent) und im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (36 Prozent) war der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ebenfalls überdurchschnittlich hoch.

mehr

Ab 30 geht es bergab und die Corona-Pandemie war doch nicht so schlimm? Der Gender Pay Gap und das erste Kind als Konstante

Jedes Jahr wird diese eine Zahl berichtet, so auch für das vergangene: »Frauen haben im Jahr 2023 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer.« Das berichtet das Statistische Bundesamt. Danach erhielten Frauen mit durchschnittlich 20,84 Euro einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (25,30 Euro). Das wird dann überall abgeschrieben und bei nicht wenigen bleibt der Eindruck hängen, dass es diesen erheblichen Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern für die gleiche Arbeit gibt. Vor diesem Hintergrund sollte man die Mitteilung der Bundesstatistiker genauer lesen.

Wenn aus 18 Prozent 6 werden: »Bereinigter Gender Pay Gap: Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer verdienten im Schnitt 6 % weniger pro Stunde.« Die zitierten 18 Prozent sind also die „unbereinigte“ Lohnlücke. Nach einer Bereinigung werden daraus „nur“ noch 6 Prozent. Was muss man sich darunter vorstellen?

mehr

(Monetäre) Anreize für berufliche Qualifizierung: Kaum eingeführt, schon ist er wieder weg. Der „Bürgergeldbonus“. Und Österreich macht es anders

Als das „Bürgergeld“ Anfang 2023 den ungeliebten Namens-Vorgänger Hartz IV wenigstens semantisch ersetzen sollte, ging es auch um inhaltliche Veränderung im System der Grundsicherung nach SGB II. Durch gesetzgeberische Korrekturen wollte man arbeitsmarktpolitisch neue Impulse setzen, neben „mehr Augenhöhe“ zwischen den „Kunden“ und den Jobcentern ging es auch um eine – seit langem im Fachdiskurs angemahnte – Stärkung des Qualifizierungsgedankens. So wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass zahlreiche erwerbsfähige und als arbeitslos registrierte Leistungsbezieher – die übrigens die Minderheit derjenigen, die auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen sind, darstellen – erhebliche „Vermittlungsprobleme“ haben, weil viele von ihnen beispielsweise keine berufliche Ausbildung haben und fehlende Qualifikationen eine Integration auf der Erwerbsarbeitsmarkt erschweren oder gar verunmöglichen. Mit dem Bürgergeld hat man den „Vermittlunsgvorrang“ (so schnell wie möglich in irgendeinen Job vermitteln) abgeschafft und die Teilnahme an der beruflichen Qualifizierung alternativ platziert. Vor diesem Hintergrund war die angestrebte Stärkung der beruflichen Weiterbildungsförderung ein wichtiger Ansatz. Und den wollte man u.a. auch durch monetäre Anreize, an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen, fördern.

mehr