Jedes Jahr wird diese eine Zahl berichtet, so auch für das vergangene: »Frauen haben im Jahr 2023 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer.« Das berichtet das Statistische Bundesamt. Danach erhielten Frauen mit durchschnittlich 20,84 Euro einen um 4,46 Euro geringeren Bruttostundenverdienst als Männer (25,30 Euro). Das wird dann überall abgeschrieben und bei nicht wenigen bleibt der Eindruck hängen, dass es diesen erheblichen Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern für die gleiche Arbeit gibt. Vor diesem Hintergrund sollte man die Mitteilung der Bundesstatistiker genauer lesen.
Wenn aus 18 Prozent 6 werden: »Bereinigter Gender Pay Gap: Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer verdienten im Schnitt 6 % weniger pro Stunde.« Die zitierten 18 Prozent sind also die „unbereinigte“ Lohnlücke. Nach einer Bereinigung werden daraus „nur“ noch 6 Prozent. Was muss man sich darunter vorstellen?
Ausgehend vom unbereinigten Gender Pay Gap lassen sich rund 64 % der Verdienstlücke durch bestimmte Merkmale erklären. Zu diesen Merkmalen schreibt das Statistische Bundesamt:
»Demnach ist ein Großteil der Verdienstlücke darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. Außerdem sind sie häufiger in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt als Männer, was ebenfalls mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einhergeht.
Die verbliebenen 36 % des Verdienstunterschieds können nicht durch die im Schätzmodell verfügbaren Merkmale erklärt werden. Dieser unerklärte Teil entspricht dem bereinigten Gender Pay Gap von 6 %.«
»Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie im Berichtsjahr 2023 pro Stunde 6 % weniger als ihre männlichen Kollegen.«
Aber selbst diese 6 Prozent sind noch nicht das Ergebnis einer vollständigen Bereinigung, um zu vergleichbaren Werten kommen zu können. Die Statistiker schreiben dazu selbst:
»Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analyse zur Verfügung stünden, etwa Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, der Geburt von Kindern oder der Pflege von Angehörigen. Der bereinigte Gender Pay Gap ist daher als „Obergrenze“ für Verdienstdiskriminierung durch den Arbeitgeber zu verstehen.«
Es gibt also mehrere Merkmale, deren unterschiedliche Ausprägungen zwischen den Geschlechtern die als Gender Pay Gap berichtete Verdienstlücke erklären kann, was nicht bedeutet, dass man damit beispielsweise die strukturellen Lohnunterschiede zwischen männer- und frauendominierten Branchen und Berufen rechtfertigt.
Aber seit Jahren bekannt und auch aktuell weiter gültig ist eine „Konstante“, wenn es um das Auseinanderlaufen der Verdienste zwischen den Geschlechtern geht, die man mit den erwähnten Merkmalen sicher besser einordnen kann, die aber eher als Folgen zu verstehen sind: Folgen dessen, was hier bereits vor Jahren als „Fallbeil für Frauen auf dem Arbeitsmarkt“ beschrieben wurde. Dazu: Der jährliche K(r)ampf um die Anteilswerte: Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern und das große Fallbeil für viele Frauen auf dem Arbeitsmarkt, so die Überschrift eines Beitrags, der hier am 19. März 2019 veröffentlicht wurde.
Ab 30 geht es bergab – nicht für alle Frauen, aber für viele. Vor allem nach der Geburt des ersten Kindes
»Frauen in Deutschland sind bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich rund 30 Jahre alt. Ab diesem Alter stagniert ihr durchschnittlicher Bruttostundenverdienst nahezu, während er bei den Männern mit zunehmendem Alter fast stetig ansteigt«, so das Statistische Bundesamt. Und die Statistiker vermuten: »Das könnte daran liegen, dass Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens familienbedingt häufiger ihre Karriere unterbrechen und in Teilzeit arbeiten. Karrieresprünge und Lohnerhöhungen werden für Frauen somit seltener.«
Man beachte, dass in der Zeit vor der Geburt des ersten Kindes die Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern marginal sind (und vermutlich vor allem einen Brancheneffekt spiegeln), der Gender Pay Gap dann Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre, also wenn ein Teil der Frauen Mütter wird, so richtig an Fahrt aufnimmt, weil dann unterschiedliche Auswirkungen als Folge der Familiengründung kumulativ im Regelfall bei den Müttern zur Entfaltung kommen, während die Männer und darunter die Väter keine Brüche in ihrer Erwerbsbiografie erfahren müssen. Die negativen Auswirkungen auf die Erwerbsbiografien der Mütter kann man auch erkennen, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die Abkopplungsprozesse lebenslang und kumulativ wirken: »Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt bei den 30-Jährigen noch bei 8 %. Am höchsten fällt er bei Beschäftigten im Alter zwischen 57 und 61 Jahren mit 27 % aus.«
2019 wurde hier eine Bilanzierung formuliert, die man sicher auch für die Gegenwart weiter vortragen kann und muss: »Der größte Teil der Einbußen entsteht, weil die Mütter die Arbeitszeit reduzieren. Viele Frauen kehren nur in Teilzeit auf den Arbeitsmarkt zurück, manche gar nicht. Weitere Faktoren kommen hinzu: So verschlechtern sich die Aufstiegschancen für Frauen in Unternehmen nach einer Geburt. Das hat wie alles andere auch nie nur einen Grund, aber letztlich ist das vor allem dann zwangsläufig, wenn es Möglichkeiten, Anreize und auch gesellschaftliche Erwartungen gibt, für ein Kind als Mutter eine teilweise lange Zeit die Erwerbsarbeit zu unterbrechen, denn in der Zwischenzeit ziehen die Männer (darunter auch die Väter, für die übrigens keine Einbußen beobachtet werden konnten) und die kinderlosen Frauen, die dem „männlichen“ Vollzeiterwerbsarbeitsmodell folgen, karrieretechnisch vorbei. Da kann man noch so viel über die Bedeutung der „Skills“ diskutieren, die man bei der Kindererziehung und der Organisation des Familienalltags erwirbt und einfordern, diese auch im Berufsleben, beispielsweise beim Wiedereinstieg zu berücksichtigen. Die Karriereentwicklung hat zwischenzeitlich die ins Visier genommen, die eben nicht „ausgefallen“ sind aus der immer engen einzelbetrieblichen Perspektive des jeweiligen Unternehmens.«
➔ Überaus passend zur Auseinandersetzung über den Gender Pay Gap ist die Verleihung des wirtschaftswissenschaftlichen Nobelpreises 2023 an Claudia Goldin für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Vgl. dazu den Beitrag Der wirtschaftswissenschaftliche „Nobelpreis“ 2023 für die Aufdeckung der „wichtigsten Faktoren geschlechtsspezifischer Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt“ vom 15. November 2023. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass die Löhne von Frauen nach dem ersten Kind stark sinken, während die Einkommen von Männern relativ stabil bleiben. Man spricht hier auch von der sogenannten „Motherhood Penalty“. Immer wieder wird die Effektstärke dieses Tatbestandes herausgestellt, für die USA wird darauf hingewiesen, dass mehr als zwei Drittel der Unterschiede auf die Mutterschaft zurückzuführen sei: »We document that, in the United States, more than two-thirds of the overall gender earnings gap can be accounted for by the differential impacts of children on women and men«, so Patricia Cortés and Jessica Pan in ihrem Beitrag Children and the Remaining Gender Gaps in the Labor Market, der im Dezember 2023 im Journal of Economic Literature veröffentlicht wurde. Für eine Meta-Analyse vorliegender Studien dazu vgl. beispielsweise die 2020 veröffentlichte Arbeit von Ewa Cukrowska-Torzewska und Anna Matysiak: The motherhood wage penalty: A meta-analysis. Mit Blick auf Deutschland liegen ebenfalls zahlreiche Befunde vor, daraus nur ein Beispie, zugleichl mit einer interessanten Relativierung: »Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass es keine generelle und dauerhafte „motherhood wage penalty“ gibt, sondern dass vor allem Unterbrechungen, die über die gesetzlich vorgesehene Phase hinaus gehen, zu niedrigeren Löhnen führen, da sie wahrscheinlich als Signal für eine niedrige Karriereorientierung der Mütter fungieren. Außerdem spielt Bildung eine entscheidende Rolle: Vor allem Frauen mit Hauptschulabschluss und beruflicher Ausbildung scheinen bei langen Unterbrechungen mit großen, dauerhaften Lohneinbußen, andere Mütter jedoch nur mit geringen, vorübergehenden oder keinen Einbußen rechnen zu müssen.« So Paul Schmelzer, Karin Kurz und Kerstin Schulze in ihrem 2015 veröffentlichten Beitrag „Einkommensnachteile von Müttern im Vergleich zu kinderlosen Frauen in Deutschland“, der in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie publiziert wurde.
Interessant mit Blick auf die Frage, was den bereinigten Gender Pay Gap erklären kann, ist der Blick auf mögliche Geschlechtsunterschiede im Bewerbungsverhalten. Dazu wurden 2023 diese Forschungsergebnisse veröffentlicht: Benjamin Lochner und Christian Merkl (2023): Wie Männer und Frauen sich bei der Jobsuche unterscheiden: Bewerbungsverhalten kann die Hälfte der bereinigten Verdienstlücke erklären. Zu welchen Befunden kommen die Wissenschaftler? »Betriebsdaten aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zeigen, dass die Bewerbungsquote von Frauen – also ihr Anteil im Bewerbungspool für eine Stelle – bei Hochlohnfirmen um mehr als 25 Prozentpunkte niedriger ist als die von Männern. Neueingestellte Frauen verdienen im Durchschnitt 23 Prozent weniger als Männer. Vergleicht
man Frauen und Männer, die den gleichen Beruf ausüben und sich in vielen Merkmalen wie etwa dem Alter ähneln, liegt der „bereinigte“ Unterschied bei 14 bis 15 Prozent. Bezieht man das geschlechterspezifische Bewerbungsverhalten in die Analyse der Verdienstunterschiede
ein, reduziert sich die bereinigte Verdienstlücke um mehr als die Hälfte.« Bei Stellen, die eine hohe berufliche Mobilität und Flexibilität erfordern, liegt der Anteil von Frauen unter den Bewerbern nur bei 36 Prozent. „Was wir auch beobachten konnten: Wird eine Frau mit Kind für einen solchen Job eingestellt, verdient sie bei dem gleichen Profil bis zu 25 Prozent weniger als ein Mann in vergleichbarer Position“, wird Christian Merkel zitiert.
Gibt es Unterschiede … ?
Zunächst muss man mit Blick auf den unbereinigten Gender Pay Gap auf einen erheblichen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland hinweisen, so lag der 2023 im früheren Bundesgebiet bei 19 Prozent, während es in Ostdeutschland (ohne Berlin) lediglich 7 Prozent waren. Diese Niveauunterschiede sind seit vielen Jahren stabil. Interessant hingegen ist die Betrachtung des bereinigten Gender Pay Gap, denn der reduziert sich in Westdeutschland 2023 auf 6 Prozent, während der entsprechende Wert in Ostdeutschland 7 Prozent beträgt.
Als Erklärungsansätze für die erhebliche Diskrepanz zwischen West- und Ostdeutschland beim unbereinigten Gender Pay Gap wird immer wieder zum einen darauf hingewiesen, dass das Kleinkinderbetreuungsangebot im Osten wesentlich größer ist, was bedeutet, dass Frauen, die schnell zurück in den Beruf wollen, auch die Möglichkeit dazu haben. Zum anderen unterscheiden sich die relevanten Arbeitsmarktstrukturen: Viele der männerdominierten, hoch bezahlten Flexibilitätsjobs gibt es dort gar nicht.
… und Lichtblicke? Was die Pandemie mit einer Verringerung der Verdienstlücke für viele (nicht für alle) zu tun hat
Zumindest in Westdeutschland hat der unbereinigte Gender Pay Gap von Mitte der 2000er Jahre bis 2023 um 20 Prozent abgenommen – von 24 Prozent Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern auf nunmehr „nur“ noch 19 Prozent.
Das ist auch deshalb interessant, weil am Anfang der Corona-Pandemie Befürchtungen vorgetragen wurden, dass der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen pandemiebedingt größer wird. »Es waren düstere Prognosen, die Ökonomen und Sozialwissenschaftler im ersten Jahr der Pandemie da aufgestellt haben. Mütter könnten in überholte Rollenmuster zurückfallen, fürchteten etwa Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitsteilung in Partnerschaften tendiere zu einer „Retraditionalisierung“, stellten sie im August 2020 nach einer Befragung fest. Frauen übernähmen häufiger unbezahlte Zusatzaufgaben im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung. Sie befürchteten deshalb ein „weiteres Auseinanderdriften der Einkommen zwischen den Geschlechtern“,« so Celine Schäfer in ihrem Beitrag Womit keiner rechnet. In den USA etablierte sich gar der Begriff „Shecession“, einer Rezession, die vor allem Frauen trifft (vgl. dazu nur als ein Beispiel mit Blick auf die USA: Stefania Fabrizio et al. (2021): COVID-19 She-Cession: The Employment Penalty of Taking Care of Young Children. Die Autoren kamen damals zu folgendem Befund: Das wichtigste Ergebnis ist, dass Frauen mit einem niedrigen formalen Bildungsniveau und kleinen Kindern in den ersten neun Monaten der Krise am stärksten betroffen waren. 45 Prozent des Anstiegs des geschlechtsspezifischen Beschäftigungsgefälles sind Schätzungen zufolge auf den Verlust der Beschäftigung von Frauen mit kleinen Kindern aufgrund der zusätzlichen Kinderbetreuung zurückzuführen.
»Jetzt aber zeigen neue Daten: So schlimm ist es nicht gekommen. Zumindest nicht in Deutschland. Der Gender-Pay-Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, hat sich während der Pandemie nicht wie befürchtet vergrößert – sondern verkleinert.« So Celine Schäfer. Da muss man doch genauer hinschauen. Sie bezieht sich auf eine neue Veröffentlichung aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Und das man genauer hinschauen muss, darauf verweist bereits der Titel der Veröffentlichung:
➔ Bernd Fitzenberger et al. (2024): Unterschiede in den Jahresverdiensten zwischen Männern und Frauen Der Gender Pay Gap wurde in der Coronakrise kleiner – außer bei niedrigen Verdiensten. IAB-Kurzbericht Nr. 1/2024, Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Januar 2024
»Die Geschlechterunterschiede in den Jahresverdiensten (Gender Pay Gap) spiegeln Unterschiede sowohl im Stundenlohn als auch in der Arbeitszeit und der Beschäftigungswahrscheinlichkeit wider. Je nach Verdienstniveau vor der Coronakrise waren Männer und Frauen von der Krise unterschiedlich betroffen: Während die Frauen mit mittleren und hohen Jahresverdiensten im Vergleich zu den Männern zwischen 2019 und 2021 aufholten, erfuhren die 10 Prozent der Frauen mit den niedrigsten Verdiensten deutlich stärkere Verluste als die Männer.«
Auf der einen Seite – bei den Frauen mit mittleren und hohen Jahresverdiensten – haben wir also als einen Pandemie-Effekt eine Verringerung der Lohnlücke zu den Männern, während diese gleichzeitig für die Frauen, die im untersten Verdienstbereich angesiedelt waren, zugenommen hat. Fitzenberger et al. (2024: 8) erläutern die Zusammenhänge:
»In der Coronakrise stieg die Übergangsrate in Nichtbeschäftigung für Frauen und Männer mit mittleren und höheren Verdiensten kaum und für vollzeitbeschäftigte Frauen entwickelten sich die Verdienste etwas günstiger als für Männer. Dies dürfte mit der Stabilisierung der Beschäftigung und der Arbeitseinkommen durch Kurzarbeit zusammenhängen. Gleichzeitig fielen in der Coronakrise jedoch Überstunden und zusätzliche Einkommensbestandteile weg, von denen tendenziell Männer stärker profitieren als Frauen. Anders gestaltete sich die Situation für Beschäftigte mit sehr niedrigen Verdiensten, die häufiger als vor der Coronakrise ihre Beschäftigung verloren und die im Fall von Minijobs nicht von der Absicherung durch Kurzarbeit profitieren konnten. Dies führte dazu, dass die 10 Prozent der Frauen mit den niedrigsten Verdiensten besonders stark negativ von der Coronakrise betroffen waren und der Gender Pay Gap für diese Gruppe deutlich anstieg. Abschließend ist festzuhalten, dass die Coronakrise für die allermeisten Beschäftigten keine Shecession war, denn die Jahresverdienste der Männer entwickelten sich etwas schlechter als die der Frauen. Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass Frauen mit sehr niedrigen Verdiensten einem höheren Beschäftigungsrisiko ausgesetzt waren und deshalb der Geschlechterunterschied bei geringen Jahresverdiensten zunahm. Beschäftigte mit mittleren und hohen Verdiensten wurden in der Krise durch Kurzarbeit vor einem Arbeitsplatzrisiko weitestgehend geschützt.«
Für den Ausblick heißt das im Umkehrschluss: Jetzt, wo es wieder Boni, bezahlte Überstunden und bessere Chancen auf gut bezahlte Jobs gibt, könnte die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern erneut wachsen. „Ich vermute, dass der Gender-Pay-Gap in 2022 und 2023 wieder leicht angestiegen ist, da sich mit der konjunkturellen Erholung die Verdienstchancen für Männer stärker verbessern“, wird Bernd Fitzenberger zitiert. Und die Dinge hängen miteinander zusammen: Im Niedriglohnsektor dürfte sich Fitzenberger zufolge der „starke Anstieg des Mindestlohns in 2022 zugunsten der Frauen ausgewirkt haben“, was dann wieder eine dämpfende Wirkung haben könnte. Möglicherweise.
Was aber auch Anfang 2024 festgehalten werden kann und muss: Das „Fallbeil“ Geburt eines ersten Kindes (und dann möglicherweise noch weiterer Kinder), so viel individuelles und auch (demografisch betrachtet) kollektives Glück das bedeutet, für die erwerbsbiografische Entwicklung vieler Mütter bleibt weiter als Konstante im Raum. Und schaut man sich parallel die zunehmenden Probleme im Bereich der außerfamilialen Kinderbetreuung an, vor allem im Kontext eines massiven und sich verstärkenden Personalmangels in den Einrichtungen, dann kann man die Bremswirkung, die davon für viele (und immer besser qualifizierte) Mütter auf dem Erwerbsarbeitsmarkt ausgeht, nicht überschätzen. Die Dinge hängen halt zusammen.