Vom „Fallbeil“ für Mütter, den Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen und dem Rollenmodell des Sozialstaates in Deutschland

Im März 2019 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: Der jährliche K(r)ampf um die Anteilswerte: Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern und das große Fallbeil für viele Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dort wurde auf eine Studie hingewiesen, in der verglichen wurde, wie sich die Gehälter von Frauen und Männern nach der Geburt des ersten Kindes in verschiedenen Ländern entwickeln. Die Studienautoren haben dafür Daten aus Österreich, Deutschland, Schweden, Dänemark, Großbritannien und den USA analysiert. Eine Geburt bedeutet in jedem dieser Länder für Frauen, dass sie in den Folgejahren weniger verdienen. Wobei es enorme Unterschiede gibt.

Interessant ist die Langzeitbetrachtung. Selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes liegt das Erwerbseinkommen von Frauen in Österreich im Schnitt um 51 Prozent unter dem Wert ein Jahr vor der Geburt. In Deutschland beträgt die Differenz 61 Prozent. In beiden Ländern erleiden dagegen Männer gar keine Einbußen.

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Von einem Rechtsanspruch (auf dem Papier) und einem Mangel an Plätzen und Fachkräften. Eine neue Studie über die Kita-Landschaft in West- und Ostdeutschland

»Der Ausbau der Kindertagesstätten hält mit dem Bedarf nicht Schritt. Größtes Hemmnis ist, dass nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen«, so Edeltraud Rattenhuber in ihrem Artikel unter der bezeichnenden Überschrift Viele Familien werden leer ausgehen. Es geht mal wieder um den wohlfeilen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. »Zumindest in westdeutschen Kitas steht … auf lange Sicht zu wenig qualifiziertes Personal zur Verfügung, um mit den Wünschen der Eltern nach einem Kita-Platz Schritt halten zu können. Das liegt vor allem daran, dass die Schere zwischen Platzangebot und Nachfrage in den westdeutschen Ländern weiter auseinandergegangen ist.«

Der eine oder andere wird sich erinnern – als der damals vor allem ideologisch heftig umstrittene, schon ein vielen Jahren verabschiedete Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für die unter dreijährigen Kinder zum August 2013 scharf gestellt wurde, da gab es eine aufgeheizte Debatte über ein drohendes „Kita-Chaos“ aufgrund fehlender Angebote (vor allem in Westdeutschland). Dabei ging man damals von einer „bedarfsdeckenden Quote“ in der Größenordnung von 35 Prozent aus.

Mittlerweile wünschen sich 50 Prozent der Eltern einen Kita-Platz für ihre unter dreijährigen Kinder, berichtet Rattenhuber in ihrem Artikel. Sie stützt sich dabei auf eine neue Studie, die ein Forschungsverbund des Deutschen Jugendinstituts und der TU Dortmund dazu veröffentlicht hat:

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Diesseits des formalen Rechtsanspruchs. Jetzt sind es schon mehr als 340.000 Kita-Plätze für unter dreijährige Kinder, die fehlen. Also möglicherweise

Es wurde hier schon seit Jahren und mit Blick auf ganz unterschiedliche Themen darauf hingewiesen, dass es in der öffentlichen Berichterstattung geradezu eine Sucht gibt nach der einen (möglichst großen) Zahl, mit der (ebenfalls möglichst, wegen der erwarteten Resonanz) ein Problem auf den Punkt gebracht werden kann. Dieser Mechanismus lässt sich in der Pflege beobachten – wie viele Pflegekräfte fehlen in Deutschland? Oder hinsichtlich der Wohnungen und des Mangels an Wohnraum. Und auch in der Kindertagesbetreuung finden wir dieses Muster. Wie viele Erzieherinnen und Erzieher fehlen für die kleinen Staatsbürger? Oder wie an diesem Tag: Wie viele Kita-Plätze für die unter dreijährigen Kinder in unserem Land fehlen?

Darauf wird uns nun (erneut) eine (scheinbar) klare Antwort geliefert: »Der Ausbau neuer Betreuungsangebote für Kleinkinder geht in Deutschland zu langsam voran. Zwar wurden seit 2015 mehr als 135.000 zusätzliche Plätze in Kitas und bei Tageseltern geschaffen, allerdings wollen auch viel mehr Eltern als früher ihr Kind betreuen lassen. So fehlen 2020 in Deutschland mehr als 340.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren, wie Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen.« Das findet man in dieser Meldung: In Deutschland fehlen immer mehr Betreuungsplätze. Und ergänzend erläutert das Institut der deutschen Wirtschaft als Urheber der Botschaft: »Obwohl die Zahl der Kinder unter drei Jahren in öffentlich geförderter Betreuung zwischen den Jahren 2015 und 2020 von 693.000 auf 829.000 gestiegen ist, hat die Betreuungslücke von 215.000 auf 342.000 zugenommen. Grund hierfür sind neben den sich sukzessive verändernden Betreuungswünschen der Eltern auch die gestiegenen Kinderzahlen, die ihren Höchststand inzwischen jedoch überschritten haben dürften.«

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