Kein Durchblick vom Amt. Die Kosten einer Brille bei Hartz IV und Sozialhilfe sowie „verfassungskonforme“ 2,70 Euro pro Monat, die im Sparschwein landen sollen

Das Instrument der „Kleinen Anfrage“ wird vor allem von den Parteien auf den Oppositionsbänken gerne genutzt, um der Regierung mehr oder weniger unangenehme Fragen zu stellen. Und man kann aus den Antworten immer auch viele nützliche Informationen herausziehen. Beispielsweise eine solche:

»Die Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe werden als pauschalierter Gesamtbetrag erbracht, dessen Ermittlung auf statistischen Methoden – basierend auf der jeweils aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes (EVS) – beruht. Die Aufwendungen für Gesundheit – worunter auch Sehhilfen fallen – sind in vollem Umfang und verfassungskonform berücksichtigt worden … Soweit die Krankenkassen Kosten für Sehhilfen nicht übernehmen, ist ein entsprechender Bedarf aus den pauschalierten Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zu bestreiten. Sollten die Eigenleistungen für Sehhilfen im Einzelfall hieraus nicht erbracht werden können und handelt es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf, kann der zuständige Träger der Grundsicherung gegebenenfalls ein zinsloses Darlehen erbringen.«

So antwortet die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag:
➔ Kosten für Brillen bei Hartz IV und Sozialhilfe, Bundestags-Drucksache 19/19519 vom 27.05.2020.

Wenn man sich die einführenden Worte der fragestellenden Fraktion anschaut, dann wird man sehr schnell ahnen, dass das als eine mehr als unbefriedigende Auskunft gewertet wird:

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Von einem Sozialgericht als Schutzinstanz für diejenigen, die selbst ganz unten von existenzsichernder Hilfe ausgeschlossen werden. Und das Bundesverfassungsgericht hat auch was gesagt

Wenn man zurückdenkt an die Zeit vor der Corona-Krise, dann wird dem einen oder anderen wieder einfallen, dass es neben den vielen anderen sozialpolitischen Baustellen eine gab und gibt, die seitens der Bundesregierung gesetzgeberisch geschlossen wurde: die Frage, wer unter welchen Umständen Anspruch auf Sozialleistungen hat, wenn er oder sie aus dem „EU-Ausland“ nach Deutschland gekommen ist. Ende 2016 hatte der Gesetzgeber den Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder für jene, die sich allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, weitgehend ausgeschlossen. Sozialhilfe gibt es dann allenfalls für einen Monat als Überbrückungsleistung, damit Betroffene – meist EU-Ausländer – in ihre Heimat zurückreisen können. Der Gesetzgeber hatte die Bestimmung eingeführt, nachdem das Bundessozialgericht in Kassel am 3. Dezember 2015 geurteilt hatte, dass nach den damaligen Bestimmungen arbeitsuchende EU-Bürger zur Deckung ihres menschenwürdigen Existenzminimums Sozialhilfe verlangen können.

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Aus den Tiefen und Untiefen der Bedürftigkeit: Ein Jobcenter verliert einen Prozess gegen eine wohnungs- und mittellose Frau. Und immer wieder wird Hartz IV verengt auf (registrierte) Arbeitslose

Permanent geistert das Schlossgespenst einer „zu locker“ gewährten und „zu großzügig“ dotierten Sozialhilfe durch die Medien und manche Politiker greifen die damit verbundenen Bilder und Vorurteile gerne auf, um große Teile der Bevölkerung in Stellung zu bringen gegen den (angeblichen oder tatsächlichen) „Missbrauch“, der da mit den von der Allgemeinheit finanzierten Sozialleistungen betrieben wird. Der große Resonanzboden erklärt sich auch durch die Vorgabe, dass Sozialhilfe bzw. Grundsicherung (Hartz IV) nur diejenigen bekommen (sollen), die „bedürftig“ sind und dann auch nur, wenn sie zugleich alles tun, um diesen Zustand zu beenden.

Und eine offensichtlich besonders erschreckende Vorstellung scheint für einige zu sein, wenn sich das Schlossgespenst zu einer sogar „bedingungslos“ gewährten Leistung auswächst (zugleich projizieren andere regelrechte Heilserwartungen in ein immer wieder in den Raum gestelltes „bedingungsloses Grundeinkommen“). Aber davon sind wir – das kann man begrüßen oder beklagen – weit weg. Denn gerade die Sozialhilfeleistung des SGB II, umgangssprachlich als Hartz IV bezeichnet, ist eine „bedürftigkeitsabhängige“ Sozialleistung und damit weit entfernt von einer Bedingungslosigkeit der Leistungsgewährung.

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