Wo gehobelt wird, da fallen Spähne. Zur Forderung nach höheren Beiträgen zur Pflegeversicherung für Kinderlose

Der Bundestag hat am 9. November 2018 das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz abschließend beraten und gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der AfD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung angenommen. »In der Schlussdebatte sprachen Redner von Union und SPD von der wichtigsten Pflegenovelle seit vielen Jahren. Auch die Opposition würdigte die in der Vorlage enthaltenen Verbesserungen, mahnte jedoch weitergehende Schritte an, um die Versorgung nachhaltig zu stärken und die Finanzierung der kostspieligen Pflege zu sichern«, berichtet der Bundestag selbst. Das neue Gesetz beinhaltet zahlreiche Regelungen und ist sowohl für die Altenpflege wie auch und gerade für die Krankenhauspflege von Bedeutung.  Insbesondere für die Krankenhäuser sei mit dem Gesetz ein Paradigmenwechsel verbunden, so wird der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zitiert.

Und der wird in diesen Tagen auch noch mit ganz anderen Aussagen in den Medien präsentiert: Jens Spahn fordert höhere Pflegebeiträge für Kinderlose, so ist einer der vielen Artikel dazu überschrieben: »Wer Kinder hat, zieht spätere Beitragszahler groß, argumentiert der Gesundheitsminister. Deshalb will er den Pflegebeitrag für Kinderlose weiter anheben.« Spahn wolle für die Pflegeversicherung über „eine angemessene Beteiligung von Kinderlosen“ diskutieren. Natürlich stellt sich immer die Frage, was genau denn angemessen ist – aber der eine oder andere wird an dieser Stelle daran denken, dass doch bereits heute in der Pflegeversicherung die „Kinderlosen“ stärker zur Kasse gebeten werden. 

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Von der Teilleistungs- über eine „echte“ Teilkasko- zu einer „Fast“-Pflegevollversicherung? Oder doch den Blick über den Beitragstopf hinaus richten?

Es geht um Geld, viel Geld. Wenn man in der Sozialen Pflegeversicherung die Beiträge um einen Beitragssatzpunkt erhöht, dann generiert das derzeit 14,8 Mrd. Euro Mehreinnahmen. Das fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern das generieren die Beitragszahler. Die Bundesregierung hat nun beschlossen, sich mit einem halben Beitragssatzpunkt mehr ab dem kommenden Jahr „zu begnügen“. Das spült immer noch mehr als 7 Mrd. Euro in die zunehmend klammen Kassen der Pflegeversicherung. Ausführlicher dazu der Beitrag Die „Beitragstreppe“ in der Pflegeversicherung wird steiler und die Systemfragen immer drängender. Diesseits und jenseits der nächsten Beitragssatzanhebung vom 13. Oktober 2018. Der Schluck aus der Beitragszahlerpulle wird notwendig, weil zum einen die Leistungsverbesserungen der letzten Legislaturperiode (in der es schon mal eine Beitragsanhebung gegeben hat) „überraschend“ teurer kommen als (angeblich) gedacht und zum anderen liegen große Aufgaben vor der Regierungshaustür, die der Bearbeitung harren. Mit den Mehreinnahmen sollen beispielsweise auch die Vergütungen in der Altenpflege angehoben werden.

Unabhängig von der Tatsache, dass bereits jetzt absehbar ist, dass wieder einmal zu tief gestapelt wird angesichts des faktischen Mehrbedarfs an Finanzmitteln für das, was angekündigt wird, stellt sich ein systematisches Problem, das aus dem Charakter der Pflegeversicherung als noch nicht einmal Teilkasko-, sondern Teilleistungsversicherung resultiert: Da die anteiligen Leistungsbeträge aus der Pflegeversicherung gedeckelt sind, werden die steigenden Kosten beispielsweise durch notwendig höhere Pflegesätze in der stationären Versorgung aufgrund einer besseren Vergütung der Pflegekräfte (sollte die denn kommen) im bestehenden System auf die anderen Finanzierungsquellen umgelegt, konkret steigen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen bzw. die Zahlbeträge der Ausfallbürgen wie der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialhilferecht. Vgl. dazu ausführlicher Eine teure Angelegenheit und eine mehr als problematische Lastenverteilung. Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen in der stationären Pflege und die Rolle der „Investitionskosten“ vom 18. Februar 2018.

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Die „Beitragstreppe“ in der Pflegeversicherung wird steiler und die Systemfragen immer drängender. Diesseits und jenseits der nächsten Beitragssatzanhebung

Alles wird teurer, manches noch teurer. Die Pflegeversicherung ist da ein Beispiel. Um es genauer und korrekter zu sagen: die Soziale Pflegeversicherung, in der die meisten Menschen abgesichert sind, denn es gibt auch die private Pflegepflichtversicherung, die aber erst einmal außen vor bleibt, was noch eine Rolle spielen wird. Und das mit dem teurer werden kann man diese Tage wieder studieren: »Der Beitragssatz der Pflegeversicherung wird um 0,5 Prozentpunkte angehoben, hat das Bundeskabinett beschlossen. 7,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen erwartet die Koalition durch die Erhöhung.« So beginnt der Artikel Pflege-Beiträge steigen von Anno Fricke und Florian Staeck. Und sie legen gleich einen Scheit rauf: Die Opposition bezweifelt, ob das reicht. Rufe nach einem Steuerzuschuss werden laut.

Das Bundesgesundheitsministerium hat nun den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch ‒ Beitragssatzanpassung am 10. Oktober 2018 durch das Kabinett gebracht, so dass man davon ausgehen kann und muss, dass es zum 1. Januar 2019 erneut eine Beitragsanhebung in der Sozialen Pflegeversicherung geben wird. Dabei ist die letzte Anhebung des Beitragssatzes noch gar nicht so lange her: Mit dem Pflegestärkungsgesetz II ist ab 2017 eine Erhöhung um 0,2 Prozentpunkte in Kraft getreten. Und nun schon wieder? Wie begründet das zuständige Bundesgesundheitsministerium diesen Schritt? 

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