In „der“ Pflege wird jetzt überdurchschnittlich verdient. Ist das so? Ein Blick auf die Lohnentwicklung in der Kranken- und Altenpflege und was die Zahlen (nicht) aussagen

Bei den vielen negativen Schlagzeilen, die uns in dieser Zeit aus den einzelnen Bereichen der pflegerischen Versorgung erreichen, ist man dankbar für positive Nachrichten. Wie wäre es mit so einer? In der Pflege wird überdurchschnittlich verdient. Wir erfahren, dass der bpa, also der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Vergütung von Pflegekräften kommentiert. „In der Altenpflege wird überdurchschnittlich verdient. Diese gute Entwicklung haben Unternehmen und Träger in der Pflege in den vergangenen Jahren ganz ohne Eingriffe der Politik geschafft.“ Mit diesen Worten wird bpa-Präsident Bernd Meurer in dem Artikel zitiert.

Also funktioniert er doch, „der“ vielbeschworene Markt. Wenn flächendeckend über einen Mangel an Pflegekräften geklagt wird und wir gleichzeitig gerade in der Langzeitpflege eine steigende Nachfrage bei einem gleichbleibendem oder sogar abnehmenden Angebot haben, dann muss nach allen ökonomischen Grundregeln der Preis, in diesem Fall also der Lohn, nach oben gehen, wenn denn das Modell stimmt. Offensichtlich werden wir Zeugen, dass das auch funktioniert. Schauen wir aber sicherheitshalber einmal in die Originaldaten, die zu solchen frohen Botschaften geführt haben. Und dann ergibt sich wie so oft ein differenziertes Bild.

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Von Sackgassen, Sprungbrettern und einem vor allem im Osten guten Jahr 2019. Zur Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland

Seit vielen Jahren veröffentlicht das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen Zahlen über Umfang, Struktur und Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland. Nun wurden die Berechnungsergebnisse für das Jahr 2019 veröffentlicht:

➔ Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf (2021): Niedriglohnbeschäftigung 2019 – deutlicher Rückgang vor allem in Ostdeutschland. IAQ-Report 2021-06, Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), 2021

»Erstmals seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten im Jahr 2019 unter die 20 %-Marke (auf 19,9 %) gesunken«, kann man dieser Zusammenfassung entnehmen: Deutlicher Rückgang in Ostdeutschland. Niedriglohnbeschäftigung unter 20 Prozent. Der bisherige Höchststand der Niedriglohnbeschäftigung wurde im Jahr 2011 mit 24,1% ausgewiesen. 2019 arbeiteten noch 25,3 % der ostdeutschen und 18,9 % der westdeutschen Beschäftigten für weniger als 11,50 € brutto pro Stunde. Das waren rund 7,2 Millionen Beschäftigte, die mit einem Niedriglohnjob über die Runden kommen mussten.

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Im Januar 2021 soll es fast 20 Prozent mehr Kurzarbeiter gegeben haben. Vor allem in Branchen, in denen ein Mindestkurzarbeitergeld sinnvoll (gewesen) wäre

Im Frühjahr 2020 haben wir eine bis dato nie gekannte Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes zur Kenntnis nehmen müssen – so waren im April 6 Mio. Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Durch die Öffnung und das Wiederhochfahren der Wirtschaft, vor allem der Industrie, ist dann die Zahl der Betriebe mit Kurzarbeit und die der Kurzarbeiter kontinuierlich zurückgegangen:

Die Daten über die tatsächliche Inanspruchnahme dieses so bedeutsamen arbeitsmarktpolitischen Instruments liegen erst mit mehrmonatiger Verspätung vor, so dass man am aktuellen Rand der Zeitreihe nur auf die Anzeigen von Unternehmen die Kurzarbeit und die davon voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer und/oder Schätzungen wie die vom ifo Institut zurückgreifen kann.

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„Raise the Wage Act of 2021“: Und am Ende gibt es 15 Dollar Mindestlohn für alle in den USA. Wenn das Gesetz endlich verabschiedet wird

Möglicherweise kann demnächst eine im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung von unten in den USA einen großen Erfolg feiern – die von ihr geforderte Zahl, die sie in ihrem Namen trägt, soll per Gesetz Wirklichkeit werden, nicht nur für einige und an einigen Orten, sondern für alle Arbeitnehmer im US-amerikanischen Niedriglohnsektor: Einen Mindestlohn von 15 US-Dollar pro Stunde soll es nach einer mehrstufigen Anhebung ab dem Jahr 2025 für jeden Arbeitnehmer mindestens geben. Davon wären Millionen Beschäftigte betroffen. Aber der Reihe nach:

»Als im November 2012 rund hundert Beschäftigte von McDonald’s, KFC und Burger King in New York eine Schicht lang streikten, stieß ihre Forderung auf ungläubiges Staunen: ein Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde? Keine Chance, erklärten selbst wohlmeinende Beobachter. Schließlich war der gesetzliche Niedrigstlohn in der Stadt, die nie schläft, damals mit 7,25 Dollar nicht einmal halb so hoch«, so Ines Zöttl in ihrem am 5. Januar 2019 erschienenen Artikel Warum McDonald’s und Amazon plötzlich 15 Dollar pro Stunde zahlen. Sechs Jahre nach dem Streik der Burger-Brater »hat die Bewegung „Fight for $15“ ihr Ziel erreicht: Seit 1. Januar müssen die Fast-Food-Ketten der Stadt ihren Mitarbeitern mindestens 15 Dollar pro Stunde zahlen, und auch die rund 25.000 Flughafenarbeiter profitieren von der Regelung.« Und New York blieb keine Insel – in 19 Bundesstaaten und 21 Städten wurden zum Jahresanfang 2019 die Mindestverdienstgrenzen erhöht.

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(Nicht nur) „Corona-Helden“ sollen auch in Zukunft weiter abgehängt bleiben. Eine Studie warnt vor zunehmender Lohnungleichheit. Aber wegen der Arbeitsproduktivität? Kritische Anmerkungen zu einem fragwürdigen Konzept

Auf der einen Seite ist es in diesen Tagen, Wochen und Corona-Monaten verständlich, wenn man zum Narrativ der „Corona-Helden“ greift und immer wieder gerne das Applaus-Bild von einigen Balkonen und aus dem Plenum des Bundestag, das im Frühjahr des sich nun dem Ende zuneigenden Jahres 2020 gezeichnet wurde, wiederbelebt, wenn es um bestimmte Berufsgruppen und deren reale Situation geht, sei es in der ehrenvollen Absicht, auf die große Diskrepanz zwischen den Lobhudeleien über deren besondere Bedeutung für unser Gemeinwesen in der Krise zu dem, was sich eben nicht verbessert hat bei ihren Arbeitsbedingungen, hinzuweisen – oder aber schlichtweg, weil man glaubt, mit dem Gefühl des schlechten Gewissens Aufmerksamkeit für die eigene Botschaft zu bekommen.

Wie dem auch sei – man konnte davon ausgehen, dass so eine skandalisierende Botschaft in diesen Zeiten ankommt und erst einmal das generiert, was gewünscht ist: Aufmerksamkeit in medialen Zeiten, in denen die eine überaus knappe Ressource darstellt: Corona-Helden gehen leer aus: »Pfleger und Verkäuferinnen, für die im Frühjahr geklatscht wurde, fallen beim Gehalt zurück. Gerade alleinerziehende Mütter sind betroffen. Eine Studie warnt vor gesellschaftlichen Ungleichheiten«, so Alexander Hagelüken in seinem Artikel. Darin berichtet er über eine Studie, die von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht wurde. Und Hagelüken hat der entnommen, dass viele der Berufsgruppen, die als „Corona-Helden“ etikettiert werden, »auch in fünf Jahren weit unter dem Durchschnittslohn (liegen werden), sagt eine neue Studie voraus. Der Bertelsmann-Stiftung zufolge bleiben auch Alleinerziehende und generell viele Frauen beim Einkommen abgehängt.«

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