Rechtsanwälte müssen vom Jobcenter ihr Geld bekommen. Das Bundessozialgericht beendet eine umstrittene Praxis – zum Schutz der „typischerweise unbemittelten“ Hartz IV-Bezieher

Bezieher von Hartz IV-Leistungen haben die Möglichkeit, gegen Entscheidungen ihres zuständigen Jobcenters Widerspruch einzulegen oder zu klagen. Im Jahr 2019 gab es mehr als 577.000 neue Widersprüche und über 95.000 Klagen vor den Sozialgerichten des Landes. Und wenn die Betroffenen Widerspruch einlegen oder gar klagen, dann haben sie nicht selten Erfolg gegenüber der Behörde. 2019 wurde über einem Drittel aller Widersprüche (teilweise) stattgegeben.

mehr

„Kinderarmut ist und bleibt ein nicht hinnehmbarer Skandal“ – sagt (nicht nur) der DGB. Und belegt das mit Zahlen, die groß daherkommen und doch noch zu klein sind

»Der Gewerkschaftsbund fordert ein Aktionsbündnis gegen Kinderarmut – weil die Zahl der auf Hartz IV angewiesenen Kinder und Jugendlichen seit Jahren kaum gesunken ist«, so diese Meldung: Zahl der auf Hartz IV angewiesenen Kinder sinkt nur leicht. Und die Zahl wird dann auch in vielen anderen Meldungen konkretisiert: Mehr als 1,5 Millionen Kinder sind auf Hartz IV angewiesen. Oder: »Im September 2019 lag deren Zahl bei rund 1,51 Millionen, wie aus einer Auswertung des Deutsche Gewerkschaftsbundes (DGB) von Daten der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht«, so dieser Bericht: Rund 1,5 Millionen Kinder auf Hartz IV angewiesen. Alle beziehen sich auf diese Veröffentlichung des DGB-Bundesvorstandes:

➔ DGB (2020): Weiterhin 1,5 Millionen Kinder im Hartz-IV-Bezug, Berlin, 23.01.2020

Der DGB erläutert: »Nach wie vor leben 1,5 Millionen Kinder in Deutschland von Hartz IV, kaum weniger als vor drei Jahren. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des DGB. Danach sind Haushalte mit Kindern von der ansonsten relativ günstigen Entwicklung bei der Anzahl der Hartz-IV-Bezieher weitgehend abgekoppelt: Die wirtschaftlich gute Lage und die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt haben nicht dazu geführt, dass sich die Zahl von Kindern im Hartz-IV-Bezug spürbar reduziert hat.« Wie immer muss man hier einmal genauer hinschauen.

mehr

Manche wollen es nicht lassen: Sie sollen wieder auferstehen, die 100-Prozent-Sanktionen im Hartz IV-System. Aber hatte nicht das Bundesverfassungsgericht …? Hat es nicht

Erinnern wir uns an den 5. November 2019. Ein wichtiger Tag nicht nur für viele Betroffene, sondern auch für das Verfassungs- und Sozialrecht insgesamt. Denn an diesem Tag verkündete das Bundesverfassungsgericht eine seit Jahren erwartete Entscheidung zu der Frage, ob Sanktionen im Hartz IV-System verfassungsrechtlich zulässig sind oder eben nicht. Immerhin ging es hier um nichts anderes als um die Frage, ob man das Unterste, also das staatlich definierte Existenzminimum, unterschreiten kann – bis hin zum völligen Wegfall. Bekanntlich fiel die Antwort aus Karlsruhe zwiespältig aus, was man schon der Überschrift der Pressemitteilung des hohen Gerichts entnehmen konnte: Sanktionen zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten bei Bezug von Arbeitslosengeld II teilweise verfassungswidrig. Also ein großer Erfolg der Sanktionsgegner, so scheint es. Wenn da nicht dieses eingeschobene Wort „teilweise“ wäre. Und das hat im vorliegenden Fall eine ganz besondere Bedeutung.

Nach der Urteilsverkündung konnte man überall lesen, dass es in Zukunft keine Sanktionen mehr geben darf, die eine Absenkung des Existenzminimums um mehr als 30 Prozent überschreiten. Und dass die Betroffenen auch nicht mehr schematisch für drei Monate bestraft werden dürfen. Auch müssen die Jobcenter „Härtefälle“ berücksichtigen.

Und jetzt wird man mit solchen Meldungen konfrontiert: »Hartz-IV-Beziehern sollte nach Auffassung mehrerer Arbeitsminister der Union auch künftig die Unterstützung komplett entzogen werden können, wenn sie nicht kooperieren.«

mehr

Aus den Tiefen und Untiefen der Bedürftigkeit: Ein Jobcenter verliert einen Prozess gegen eine wohnungs- und mittellose Frau. Und immer wieder wird Hartz IV verengt auf (registrierte) Arbeitslose

Permanent geistert das Schlossgespenst einer „zu locker“ gewährten und „zu großzügig“ dotierten Sozialhilfe durch die Medien und manche Politiker greifen die damit verbundenen Bilder und Vorurteile gerne auf, um große Teile der Bevölkerung in Stellung zu bringen gegen den (angeblichen oder tatsächlichen) „Missbrauch“, der da mit den von der Allgemeinheit finanzierten Sozialleistungen betrieben wird. Der große Resonanzboden erklärt sich auch durch die Vorgabe, dass Sozialhilfe bzw. Grundsicherung (Hartz IV) nur diejenigen bekommen (sollen), die „bedürftig“ sind und dann auch nur, wenn sie zugleich alles tun, um diesen Zustand zu beenden.

Und eine offensichtlich besonders erschreckende Vorstellung scheint für einige zu sein, wenn sich das Schlossgespenst zu einer sogar „bedingungslos“ gewährten Leistung auswächst (zugleich projizieren andere regelrechte Heilserwartungen in ein immer wieder in den Raum gestelltes „bedingungsloses Grundeinkommen“). Aber davon sind wir – das kann man begrüßen oder beklagen – weit weg. Denn gerade die Sozialhilfeleistung des SGB II, umgangssprachlich als Hartz IV bezeichnet, ist eine „bedürftigkeitsabhängige“ Sozialleistung und damit weit entfernt von einer Bedingungslosigkeit der Leistungsgewährung.

mehr

Nach dem Urteil des BVerfG ist Hartz IV eine „bedingungslose Grundsicherung“ geworden? Was für ein Unsinn

Das nunmehr vergangene Jahr war im Bereich der Grundsicherung vor allem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. November 2019 geprägt ( BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 – 1 BvL 7/16), bei dem es um einen Teil der Sanktionen innerhalb des Hartz IV-Regimes ging. Dazu ausführlicher der Beitrag Ein Sowohl-als-auch-Urteil. Das Bundesverfassungsgericht, die Begrenzung der bislang möglichen Sanktionierung und eine 70prozentige minimale Existenz im Hartz IV-System vom 6. November 2019. Darin wurde nicht nur auf die argumentativen Widersprüchlichkeiten in der Entscheidung hingewiesen, sondern vor allem auf den Tatbestand, dass die Sanktionen gerade nicht generell verboten, sondern „lediglich“ eine Begrenzung der besonders harten Formen der Sanktionierung vorgenommen wurde.

Die fundamentale Bedeutung dieses Urteils, auf das man jahrelang warten musste, nachdem Sozialrichter aus Gotha durch einen Vorlagenbeschluss das Verfahren ausgelöst hatten, steht im Kontext mit der Tatsache, dass es hier um nichts weniger als um das Existenzminimum ging – und um eine Antwort auf die Frage, ob das unantastbar ist oder nicht.

mehr