Von einem Sozialgericht als Schutzinstanz für diejenigen, die selbst ganz unten von existenzsichernder Hilfe ausgeschlossen werden. Und das Bundesverfassungsgericht hat auch was gesagt

Wenn man zurückdenkt an die Zeit vor der Corona-Krise, dann wird dem einen oder anderen wieder einfallen, dass es neben den vielen anderen sozialpolitischen Baustellen eine gab und gibt, die seitens der Bundesregierung gesetzgeberisch geschlossen wurde: die Frage, wer unter welchen Umständen Anspruch auf Sozialleistungen hat, wenn er oder sie aus dem „EU-Ausland“ nach Deutschland gekommen ist. Ende 2016 hatte der Gesetzgeber den Anspruch auf Sozialhilfeleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder für jene, die sich allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, weitgehend ausgeschlossen. Sozialhilfe gibt es dann allenfalls für einen Monat als Überbrückungsleistung, damit Betroffene – meist EU-Ausländer – in ihre Heimat zurückreisen können. Der Gesetzgeber hatte die Bestimmung eingeführt, nachdem das Bundessozialgericht in Kassel am 3. Dezember 2015 geurteilt hatte, dass nach den damaligen Bestimmungen arbeitsuchende EU-Bürger zur Deckung ihres menschenwürdigen Existenzminimums Sozialhilfe verlangen können.

Mit dieser gesetzlichen Neuregelung will man, dass ist offensichtlich erkennbar, eine abschreckende Wirkung produzieren, es gar nicht erst zu versuchen. Nun gab und gibt es selbst innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit ganz unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Bestimmungen verfassungsgemäß sind. Das soll hier aber gar nicht weiter vertieft werden – die Frage wird wieder auftauchen bei der Behandlung aktueller (Nicht-)Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Denn derzeit befinden wir uns alle in einer absoluten Ausnahmesituation durch die Corona-Krise und damit natürlich auch die, die es trotz des Versuchs einer vollständigen Exklusion seitens des Gesetzgebers dennoch in unserem Land gibt, also „EU-Ausländer“ ohne Leistungsanspruch auf die existenzminimalen Hilfen der Grundsicherung. Und die stellen hier eine große Gruppe der obdachlosen Menschen. Die werden mehrfach getroffen in der aktuellen Krise, denn für die Obdachlosen ist es zusätzlich schwer, sich in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote und der damit einhergehenden Abnahme der Mobilität der Menschen gerade auch im öffentlichen Raum sowie der vielen geschlossenen Geschäfte auf der Straße über Wasser halten zu können.

In der jetzigen Extremsituation geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod – und ein Sozialgericht findet es „völlig unverständlich“, dann auch noch das Minimale an Leistungen zu verweigern

Es gibt nun offensichtlich auch auf der Ebene der Sozialgerichte Richter, die den besonderen Charakter der aktuellen Krise erkennen, durch die eine sowieso schon gegebene Existenzbedrohung bei den von Minimalleistungen ausgeschlossenen Menschen weiter eskaliert wird. Und die daraus eine wichtige Schlussfolgerung ziehen:

„Es ist dem Gericht, grade in der derzeitigen Extremsituation aufgrund der Pandemiesituation völlig unverständlich, wie die Antragsgegnerin [das Jobcenter] Leistungen verweigern kann. Ein ausländischer Obdachloser, der wegen geschlossenen Grenzen in Europa derzeit auch nicht in sein Heimatland zurückreisen kann, um, ggf. dort Sozialleistungen zu beantragen, ist nach Auffassung des Gerichts nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch hier von deutschen Behörden ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewähren, dass sein Überleben in dieser Zeit sichert, zumal aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens es derzeit für Obdachlose mehr als schwierig sein dürfte, auf der Straße Leistungen ggf. zu erbetteln. Zur Vermeidung existenzieller Nachteile für den Antragsteller […] ist hier die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlich“ (SG Düsseldorf, Beschluss vom 14.04.2020 – Aktz: S 25 AS 1118/20 ER; zitiert nach Thomé Newsletter 13/2020 vom 15.04.2020 von Harald Thomé)

Hier geht es also um eine Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf. Florian Diekmann hat das unter der Überschrift Jobcenter muss obdachlosem EU-Bürger Hartz IV zahlen aufgegriffen: »Viele, die von Sozialleistungen leben, kommen nun noch schwerer über die Runden, weil die Versorgung durch Tafeln eingeschränkt ist oder ihr kleiner Zuverdienst nun wegfällt. Im wahrsten Sinne um Leben oder Tod geht es aber bei einer Personengruppe, die schon in normalen Zeiten am untersten Rand der Gesellschaft lebt: obdachlose Ausländer, oft auch EU-Bürger, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe oder Hartz IV haben. Sie schlagen sich manchmal als Tagelöhner durch, manchmal auch durch Betteln. Beide Einnahmequellen sind nun durch die massiven Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie so gut wie versiegt.«

Und vor diesem Hintergrund verweist er dann auf den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf: »Das Sozialgericht Düsseldorf hat sich nun am Dienstag in der Begründung eines Beschlusses mit dieser Extremsituation in der Coronakrise befasst – und sieht den Staat ausdrücklich in der Pflicht, das Überleben dieser Menschen zu sichern.«

Diekmann verweist zum einen darauf, dass das Sozialgericht eine allgemeingültige Aussage zur Coronakrise gemacht hat: Es sei dem Gericht „gerade in der derzeitigen Extremsituation aufgrund der Pandemiesituation völlig unverständlich“, wie das Jobcenter die Leistung verweigern konnte. Und er zitiert den Sozialrechtsexperten Harald Thomé zur generellen Einordnung dieser Entscheidung: »Erstmals seien in der Coronakrise so klar von einem Gericht auch grundsätzlich nicht berechtigten EU-Bürgern Leistungen zuerkannt worden, die „natürlich auch die Pflichtversicherung in der Krankenkasse“ und damit den „Anspruch auf vollständige medizinische Versorgung“ beinhalten.« „Das Sozialgericht hat damit die überfällige Gewährleistungspflicht des Staates für ein menschenwürdiges Existenzminimum und somit dem Überleben in dieser Corona-Pandemie klargestellt“, so Harald Thomé. „Für diese Menschen ist der Düsseldorfer Beschluss ein Meilenstein.“

Allerdings muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass im konkreten Fall besondere Umstände vorlagen, die sicherlich die Entscheidung des Sozialgerichts „erleichtert“ haben (und die – möglicherweise? – die Übertragbarkeit auf andere Fälle erschweren könnten):

»Im konkreten Fall verpflichtete das Gericht das Jobcenter Wuppertal per einstweiliger Anordnung, einem obdachlosen Portugiesen vorerst Hartz IV zu zahlen. Der Fall ist zwar in vielerlei Hinsicht nicht einfach auf alle obdachlosen Ausländer anzuwenden und im Detail recht speziell – so lebt der Mann schon seit vielen Jahren in Deutschland und kann Rentenversicherungszeiten ab 1994 nachweisen. Bei ihm war auch weniger strittig, ob ihm überhaupt Sozialleistungen zustehen, sondern eher, welche.«

Insofern kann man vor diesem speziellen Hintergrund nicht automatisch einen automatischen Leistungsanspruch einfach auf alle sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen obdachloser EU-Bürger übertragen – es sei denn, man stellt auf den generellen Teil der Begründung mit der „derzeitigen Extremsituation aufgrund der Pandemiesituation“ (SG Düsseldorf) ab und leitet daraus einen solchen Anspruch ab. Darüber werden sich die Juristen sicher weiter streiten.

Wie dem auch sei: Das Sozialgericht Düsseldorf hat hier eine wegweisende und nunmehr im Raum stehende Entscheidung getroffen, an der sich auch andere werden messen lassen müssen.

Das Bundesverfassungsgericht schaut auch kritisch hin, wenn es um generelle Leistungsausschlüsse für EU-Bürger geht – und dann auch wieder nicht

Auch das höchste deutsche Gericht hat sich vor kurzem mehrfach mit der Problematik des Leistungsausschlusses bestimmter EU-Bürger in Deutschland – Ausländer, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben, sind nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen – beschäftigt.

»Ein arbeitsuchender Grieche hatte im Eilverfahren erfolglos Sozialhilfe beantragt. Auch sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgelehnt. So nicht, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Ohne Prozesskostenhilfe könne er sich nicht wehren«, kann man diesem Artikel entnehmen, der am 16. April 2020 veröffentlicht wurde: EU-Bürger müssen sich gegen Sozialhilfeausschluss wehren können. »In Deutschland lebende und arbeitsuchende EU-Bürger müssen sich laut Bundesverfassungsgericht gegen den gesetzlichen Ausschluss von Sozialhilfeleistungen vor Gericht effektiv wehren können. Inwieweit das entsprechende Gesetz verfassungswidrig sei, lasse sich wegen der schwierigen Rechtsfragen nicht einfach beantworten, erklärten die Karlsruher Richter in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Daher müssten die damit befassten Sozialgerichte den Betroffenen Prozesskostenhilfe gewähren.« Konkret geht es hier um diese Entscheidung aus Karlsruhe: BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 1 BvR 1246/19.

Dazu erfahren wir: »Im jetzt entschiedenen Fall hatte der griechische und in Deutschland lebende arbeitsuchende Beschwerdeführer im Eilverfahren erfolglos Sozialhilfe beantragt. Ohne die Hilfeleistung werde sein Recht auf sein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt, erklärte er. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg abgelehnt. Der gesetzliche Sozialhilfeausschluss für arbeitsuchende EU-Bürger sei nicht zu beanstanden, teilten die Richter mit. Doch damit mache es sich das Landessozialgericht zu leicht, befanden die Verfassungsrichter. Es handele sich hier um eine schwierige Rechtsfrage, für die es noch keine höchstrichterliche Entscheidung gebe. Diese Frage sei daher auch nicht im Eil- oder Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden. Dem mittellosen Beschwerdeführer müsse daher Prozesskostenhilfe gewährt werden, damit er seinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen abschließend prüfen lassen könne.«

Nun muss man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es bei dieser Entscheidung des BVerfG um die spezielle Frage ging, ob man Betroffenen den klassischen Weg der rechtlichen Überprüfung einer sie negativ betreffenden Entscheidung von vornherein verwehrt. Das verneint das Gericht – auch mit Verweis auf „schwierige Rechtsfragen“ mit Blick auf den vom Gesetzgeber vorgenommenen Ausschluss bestimmter EU-Bürger von jeglichen Sozialleistungsansprüchen, weil „noch keine höchstrichterliche Entscheidung“ dazu vorliegt.

Das bedeutet aber nicht, dass das BVerfG deshalb den weiterreichenden und grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom Gesetzgeber vorgenommene Exklusion zu folgen bereit ist. Das kann man an zwei anderen Entscheidungen aufzeigen:

Am 4. März 2020 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Pressemitteilung: Vorlage zum Ausschluss von Sozialleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht unzulässig. Folgender Sachverhalt war Gegenstand des Beschlusses:

»Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrt eine rumänische Familie im Wege des Eilrechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Ausländerbehörde hatte den Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern und die daraus folgende Ausreisepflicht festgestellt. Über die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.«

Daraufhin gab es die Vorlage eines Sozialgerichts beim BVerfG, das den Ausschluss von Leistungen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für unvereinbar hält, soweit Unionsbürger vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese Feststellung aber noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Aber: Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat diese Vorlage zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte wie so oft aus formalen Gründen:

»Die Vorlage des Sozialgerichts im Wege der konkreten Normenkontrolle ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Vorlage übergeht mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne deren Klärung das Bundesverfassungsgericht in diesem Verfahren nicht entscheiden kann. Das Sozialgericht legt nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht ausgeschlossen ist.«

Offensichtlich will das Verfassungsgericht grundsätzliche verfassungsrechtliche Infragestellung der Ausschluss-Regelung durch die gesetzlichen Änderungen aus dem Jahr 2016 nicht anerkennen (müssen). In die gleiche Richtung geht eine weitere Entscheidung des hohen Gerichts, bei dem es um einen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II geht:

Bereits am 6. Februar 2020 hat das BVerfG unter der Überschrift Vorlagen zum Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger und Auszubildender von bestimmten Sozialleistungen unzulässig mitgeteilt: »Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland nicht erwerbstätig sein dürfen, sind von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Gleiches gilt für Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) förderungsfähig ist. Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats zwei Vorlagen eines Sozialgerichts zurückgewiesen, das diese Regelungen mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für unvereinbar hielt. Das vorlegende Gericht hatte nicht erschöpfend dargelegt, dass die vorgelegten Normen in den jeweiligen Verfahren entscheidungserheblich seien, und sich insbesondere nicht mit der Möglichkeit befasst, sie verfassungskonform auszulegen.« Konkret geht es hier um BVerfG, Beschluss vom 04. Dezember 2019 – 1 BvL 4/16 sowie BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2019 – 1 BvL 6/16.

Immer wieder interessant mit Blick auf die Lebenswirklichkeit sind die konkreten Sachverhalte, um die es in den Verfahren ging:

➞ »Im Ausgangsverfahren zu 1 BvL 4/16 klagte eine Familie auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. November 2015. Sie sind usbekische Staatsangehörige und leben seit mehreren Jahren in Deutschland. Der Vater hat erfolgreich ein Studium abgeschlossen, mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), und war neben und nach dem Studium erwerbstätig. Danach hatte er eine bis Mai 2017 befristete Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche nach dem Studium, die ihm auch eine Erwerbstätigkeit gestattet. Die Mutter hatte eine befristete Aufenthaltserlaubnis wegen Ehegattennachzugs. Die gemeinsame Tochter besitzt eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund ihrer Geburt im Bundesgebiet. Die Familie erhob Klage, weil das Jobcenter die beantragten Leistungen abgelehnt hatte.«

➞ »Die Klägerin im Ausgangsverfahren zu 1 BvL 6/16 macht einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II geltend. Sie ist iranische Staatsangehörige, hat eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, und lebt mit ihrem Ehemann, ebenfalls Iraner mit Niederlassungserlaubnis, in einer gemeinsamen Mietwohnung. In der Vergangenheit bezogen sie teilweise ergänzend zum Erwerbseinkommen auch Arbeitslosengeld II. Die Klägerin erhielt einen nicht vergüteten Ausbildungsplatz zur Medizinisch-technischen Radiologieassistentin und beantragte weiter Arbeitslosengeld II. Ihr Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe wurde abgelehnt, da eine schulische Ausbildung nach § 57 Abs. 1 SGB III nicht förderungsfähig sei. Der Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde nach § 7 Abs. 5 und 6 SGB II abgelehnt, weil ihre Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei. Der Antrag auf Ausbildungsförderung wurde abgelehnt, da sie bei Beginn bereits das 30. Lebensjahr vollendet hatte. Darauf sah sie sich gezwungen, ihre Ausbildung abzubrechen, und erhob Klage zum Sozialgericht.«

Die Sozialgerichte haben sich in beiden Fällen an das BVerfG gewandt – und stellen auf eine grundsätzliche Verfassungswidrigkeit ab. Genau das ist das Einfallstor, mit dem das Verfassungsgericht dann aus formalen Gründen eine Nicht-Beschäftigung legitimieren kann (der eine oder andere wird sich daran erinnern, dass das auch bei der ersten Vorlage des Sozialgerichts Gotha hinsichtlich der dort postulierten Verfassungswidrigkeit von Sanktionen praktiziert wurde, die Jahre später nach einem weiteren, korrigierten Anlauf in einer Entscheidung des BVerfG gemündet ist): »Das Sozialgericht hat im Verfahren 1 BvL 4/16 zwar seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Leistungsausschlüsse dargelegt und Literatur und Rechtsprechung berücksichtigt. Doch übergeht die Vorlage mehrere Fragen zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Normen, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne deren Klärung das Bundesverfassungsgericht nicht entscheiden kann.«

Also leben wir weiter in der Zwischenwelt – einer Welt zwischen dem Ausschluss von Leistungen durch den Gesetzgeber, der 2016 in die Welt gesetzt wurde, und einer noch nicht vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidung über die für die Betroffenen wie auch einige Sozialgerichte höchst relevante Grundsatzfrage, ob das verfassungskonform oder aber (teilweise) verfassungswidrig ist. Man wird wie auch bei anderen Sachverhalten Geduld haben müssen.