Das Kreuz mit den „Sonderrechten“. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts stärkt die Kirchen in ihrem Kampf gegen Kopftücher

Wieder einmal muss berichtet werden aus den Tiefen und Untiefen des deutschen Arbeitsrechts. Es geht nicht um Spartengewerkschaften und deren gesetzgeberische Behandlung, die immer noch unter dem Stichwort „Tarifeinheit“ vor sich hin gart, aber irgendwie schon um eine ganz besondere „Sparte“, in der sich allerdings sehr viele Menschen tummeln, als Arbeitnehmer eigener Art sozusagen. Reden wir also wieder einmal über die Kirchen und über die in konfessionell gebundenen Unternehmen arbeitenden Menschen, denn denen werden – immer noch – Grundrechte vorenthalten, die für „normale“ Arbeitnehmer normal sind. Im aktuellen Fall geht es aber nicht um die nicht nur fragwürdige, sondern skandalöse Ausschaltung des Streikrechts unter dem weiten Mantel des „dritten Wegs“, den man den Kirchen zugestanden hat, sondern um ein Kleidungsstück, das allerdings höchst aufgeladen daherkommt. Es geht um Kopftücher. Nicht die von Nonnen natürlich, sondern die von Frauen muslimischen Glaubens. Eine verkopfte Angelegenheit wurde nun mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts behandelt.

Zuerst einmal der Blick auf den Sachverhalt, der dem Bundesarbeitsgericht vorgelegt wurde und von diesem so beschrieben wird:

»Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei der beklagten Krankenanstalt – zuletzt als Krankenschwester – angestellt. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011.«

Man muss ergänzend wissen, dass die Klägerin erst im Laufe ihrer Beschäftigung zum Islam konvertiert ist, nicht also als Muslima eingestellt worden ist. Während die Betroffene vor dem Arbeitsgericht Bochum noch Recht bekommen hat, wurde das vom Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufung wieder verworfen. Nun hat sich das Bundesarbeitsgericht im Grunde der ablehnenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts angeschlossen. Entsprechend die Schlagzeilen nach Bekanntwerden des Urteils: Muslimische Krankenschwester darf kein Kopftuch tragen oder an anderer Stelle Kirchliche Arbeitgeber dürfen Kopftuch verbieten, um nur zwei zu zitieren.
In den dürren Worten des höchsten Arbeitsgerichts lautet die Entscheidung so:

»Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar.«

Warum dann die Formulierung „dem Grunde nach“? Weil das Bundesarbeitsgericht das Verfahren erneut zurückverwiesen hat an das Landesarbeitsgericht in Hamm, von der das gekommen ist, mit einer „interessanten“ Begründung:

»Zwar kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden, es ist aber nicht geklärt, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist.« Das ist bemerkenswert, es scheint gar nicht so einfach zu sein, die Frage zu beantworten evangelisch oder nicht?

Was ist also das Proprium der Entscheidung: »Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen seien zumindest zu neutralem Verhalten verpflichtet, erklärte eine Gerichtssprecherin. Damit sei das Kopftuch als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben nicht vereinbar«, erläutert uns einer der Artikel. Hier findet sich auch ein weiterer wichtiger Hinweis: »Das Gericht betone aber, dass in Einzelfällen eine Entscheidung je nach konkreter Tätigkeit auch anders ausfallen könnte, zum Beispiel wenn jemand in einem Labor arbeite und wenig Kontakt zu Menschen habe.«

Der Anwalt der Klägerin hatte auf ihre Glaubensfreiheit gepocht. „Die Religionsfreiheit überwiegt hier das Weisungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers“, so Abdullah Emili. Dem folgten die Richter aber nicht. Man muss sogar konzedieren, dass die Gegenseite durchaus Versuche gemacht hat, der Betroffenen „entgegenzukommen“, was sich teilweise schon skurril liest:

»Die Klinik hatte der Klägerin das Tragen alternativer Kopfbedeckungen angeboten, etwa eine Kappe oder die Haube einer Nonne. „Wir erwarten nicht, dass sie sich zum christlichen Glauben bekennen. Sie dürfen sich aber nicht offen zu einem anderen Glauben bekennen“, erklärt der Anwalt der Klinik, Sascha Leese.«

Wie dem auch sei – es ist die erste höchstrichterliche Entscheidung zur Koptuchfrage in konfessionell gebundenen Einrichtungen. Darüber hinaus gibt es schon Entscheidungen zum Umgang mit dem Kopftuch, allerdings nur zu Streitfällen in privaten und staatlichen Einrichtungen. Einer Verkäuferin darf das Kopftuch nicht verboten werden, einer Lehrerin an einer staatlichen Schule bei entsprechender Landesgesetzgebung dagegen schon.

Es ist schon ein Krampf mit der Kopftuchfrage – obgleich hier nicht verschwiegen werden soll, dass die Frage, ob man in seinem Unternehmen ein Kopftuch akzeptieren muss, nach meiner Perspektive deutlich weniger schwer wiegt als beispielsweise das Vorenthalten des Streikrechts für alle Beschäftigten in konfessionell gebundenen Einrichtungen.

Detlef Esslinger kommentiert allerdings – den Blick über den aktuellen Sachverhalt weitend – unter der Überschrift Die Debatte geht über Kopftücher hinaus: »Die Kirchen mögen sich freuen: Das Bundesarbeitsgericht gesteht ihnen zu, muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Doch sie sollten sich wappnen.« Wie das?

Er schreibt: »Es geht nie bloß darum, ob die muslimische Krankenschwester in einem evangelischen Krankenhaus in Bochum bei der Arbeit ein Kopftuch tragen darf. Das wurde am Mittwoch wieder deutlich, kaum dass in diesem Fall das Bundesarbeitsgericht der Krankenschwester unrecht gegeben hatte. Sofort nahm, beispielsweise, die Bundestagsfraktion der Linken Bezug aufs Große und Ganze: Die Entscheidung füge sich ein „in die gesellschaftliche Stigmatisierung von Musliminnen“, erklärte sie.« Geht’s einige Nummern kleiner, kommt da einem in den Sinn? Auch Esslinger kommentiert das kurz und bündig: »Diese Bewertung ist ebenso bezeichnend wie daneben.« Wohl wahr.
Das Problem liegt woanders, nicht in der grundsätzlichen Frage, ob man in einem Krankenhaus prinzipiell ein Kopftuch untersagen sollte, denn – so Esslinger – es mag »ein bisschen engherzig sein, dass ein evangelisches Krankenhaus ein Kopftuch verbietet – wo ist das Problem, solange der muslimische Glaube nicht dazu führt, dass die Krankenschwester sämtliche Betten Richtung Mekka dreht?«
Matthias Kaufmann hat in seinem – vor der Urteilsverkündigung verfassten – Artikel Christliche Leere so formuliert:

»Am Arbeitsplatz Krankenhaus entfaltet dieses Recht seine volle Absurdität: Wollen Sie das Blut gern katholisch abgenommen bekommen? Oder im konkreten Fall: Kann eine Muslimin die Bettpfannen glaubhaft auf evangelische Weise wechseln? Die wenigsten Patienten dürfte der christliche Überbau ihrer Behandlung interessieren, Hauptsache, alles steht auf einer seriösen medizinischen Basis.«

Das Bundesarbeitsgericht hat sich von einer ganz anderen Perspektive leiten lassen, auf die Esslinger hinweist wie man einen Finger in die eigentliche Wunde legt:

Die Bundesrichter »orientieren sich traditionell an der Bestimmung des Grundgesetzes, dass „jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und verwaltet“. Im Fall der Kirchen wollen die Erfurter Richter so gut wie nie bewerten, wie sie dieses oder jenes finden. Weil eben dieser Satz in der Verfassung steht und weil die Kirchen karitativ und nicht kommerziell arbeiten, billigen sie ihnen Freiheiten zu, die sie kommerziellen Arbeitgebern nicht zubilligen.«

Genau hier liegt der entscheidende Punkt: Die Frage, wie lange dieses Wegschauen aufgrund eines abstrakten Regelwerks noch Bestand haben kann in einer Gesellschaft, die sich zunehmend „entkonfessionalisiert“ und die immer weniger bereit ist, den Kirchen diese weiten Sonderrechte zuzugestehen. Vor allem nicht – Hand aufs Herz -, wenn es um Einrichtungen geht, die zu 100% aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund heißt es dazu: „Wenn die Kirchen im Durchschnitt noch fünf Prozent Eigenmittel beisteuern, muss man schon froh sein.“ Und gar nicht weiter vertieft werden soll hier die Aussage, „weil die Kirchen karitativ und nicht kommerziell arbeiten“, über die man in mehrfacher Hinsicht streiten kann.

Aber auch aus einer Binnensicht der betroffenen Kirche spricht einiges dafür, eine grundsätzliche Infragestellung der Sonderrechte zumindest in den Bereichen, die nicht wirklich – außer in Sonntagsreden – „verkündigungsnah“ sind, zuzulassen und das Feld endlich zu bereinigen. Denn die kirchlichen Einrichtungen geraten zunehmend in den Schraubstock eines „doppelten Fachkräftemangels“, also ein partiell immer gravierender werdender  Fachkräftemangel bei medizinischen, pflegerischen und sozialen Berufen, denn alle Unternehmen in diesem Bereich ausgesetzt sind, und einen „zusätzlichen“ aufgrund der Anforderungen an den „Lebenswandel“ der Mitarbeiter, die von immer weniger Menschen erfüllt werden (können bzw. die wollen das auch nicht). Insofern wird sich dieses Thema in den kommenden Jahren schon „von alleine“ lösen, dann aber sehr schmerzhaft. Aus eigenem Interesse sollten die Kirchen sich hier endlich mal substanziell bewegen.

Und wenn die sich nicht bewegen? Dann ist die Antwort klar: Ändern kann das nur der Gesetzgeber. Aber da sind noch einige Würdenträger vor.

Ein Urteil mit weitreichenden Folgen für eine alternde Arbeitswelt. Zugleich ein Lehrstück für das Spannungsdreieck von Einzelfallgerechtigkeit, Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und betriebliche Überforderung

Die Arbeitswelt in Deutschland wird – man kann es drehen und wenden wie man will – immer stärker von älteren Belegschaften gekennzeichnet sein. Liegt derzeit das Durchschnittsalter der Beschäftigten in vielen Unternehmen zwischen 45 und 50 Jahre, wird sich das in wenigen Jahren auf 55 Jahre und älter verschoben haben. Die Baby Boomer-Generation, dessen geburtenstärkster Jahrgang 1964 dieses Jahr die 50 vollendet, prägt quantitativ das Gesicht vieler Betriebe. Diese Entwicklung stellt vielfältige Anforderungen an die Unternehmen, der „Boom“ des betrieblichen Gesundheitsmanagements zumindest auf der Ebene seiner Thematisierung in den vergangenen Jahren ist ein Beispiel für die Suche nach Antworten, wie man mit den Herausforderungen umgehen kann.
Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es abweichend von der Normalitätsannahme einer Erwerbsarbeit, die am Tag zur jeweils gleichen Zeit von Montag bis Freitag verrichtet wird, zahlreiche Abweichungen hinsichtlich Länge und Verteilung der Arbeitszeit gibt. Man denke an die mit der Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel verbundene Zunahme der Arbeit in den Abendstunden, an die Wochenendarbeit oder auch an die unregelmäßige Arbeit auf Abruf, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine ganz besondere Bedeutung hat immer noch, in Teilbereichen sogar zunehmend, die immer wieder als besonders belastend herausgestellte Schichtarbeit. Und deren Organisation wird durch eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts massiv herausgefordert werden.

Und dieses Urteil des höchsten Arbeitsgerichts in Deutschland (10 AZR 637/13 ) hat es wahrlich in sich. Schon der erste Satz kommt wie in Stein gemeißelt daher und wird zahlreiche Folgefragen aufwerfen, die über den Einzelfall, der zur Entscheidung anstand, hinausreichen werden:

»Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden« (Bundesarbeitsgericht: Pressemitteilung Nr. 16/14).

Zum konkreten Sachverhalt erfahren wir: »Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus der sog. Vollversorgung mit etwa 2.000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.«

Der Pflegedirektor hatte sie nach einer betriebsärztlichen Untersuchung nach Hause geschickt, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung – mit Ausnahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an.

Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Wertung als Arbeitsunfähigkeit verworfen:

»Die Klägerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen.«

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat seine Stellungnahme zu der Entscheidung überschrieben mit „Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht!„. Der DBfK begrüßt die Entscheidung des BAG. „Das Urteil nimmt … pflegerische Einrichtungen in die Pflicht. Die Arbeitgeber haben eine Fürsorgeverpflichtung ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, die leider in den vergangenen Jahren allzu häufig ökonomischen Interessen untergeordnet wurde. Dem schiebt das Bundesarbeitsgericht nun einen Riegel vor und betont, dass dem Arbeitgeber Rücksichtnahme auf gesundheitliche Einschränkungen von Beschäftigten durchaus zuzumuten sei“. Mit diesen Worten wird Johanna Knüppel vom DBfK zitiert. Und weiter: „Nachtdienste sind aus vielen Gründen belastend. Die unzureichende Personalbemessung der letzten Jahre hat das noch verstärkt und bei vielen Pflegefachpersonen zu berufsbedingten gesundheitlichen Einschränkungen geführt. Nicht umsonst empfehlen Arbeitsmediziner seit Jahren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Alter von 50+ bzw. nach vielen Jahren Schichtdienst möglichst keinen Nachtdienst mehr leisten zu lassen. Bei einem guten Generationen-Mix und bedarfsgerechter Anzahl und Qualifikation des vorgehaltenen Personals wäre das auch umsetzbar …“.
Aber ist es wirklich so einfach?

Wir werden hier konfrontiert mit einer Entscheidung, der der richterlichen Logik einer Würdigung des Einzelfalls folgt und damit sicher seine Berechtigung hat, gerade für die Betroffene. Aber ein Krankenhaus ist ein Unternehmen mit vielen Beschäftigten und man muss sich auch mal die andere Seite mit ihren Problemen anschauen: Die Pflegekräfte bilden ein Kollektiv, aus dem heraus die Schichten abgedeckt werden müssen. Wenn man nun konfrontiert wird mit immer mehr Mitarbeitern, die ärztlich attestiert bekommen, dass sie zwar tagsüber, nicht aber nachts arbeiten können, dann schrumpft logischerweise die Grundgesamtheit an Pflegekräften, aus der heraus die Nachtschichten zu leisten sind. Wenn man gleichzeitig eine alternde Belegschaft hat, bei der es aufgrund der Alterskorrelation bestimmter Erkrankungen häufiger zu Schichtbefreiuungstatbeständen kommt, dann kann man sich vorstellen, unter welchen Druck die Belegschaft gesetzt wird, in diesem Fall die jüngeren Kräfte, die dann immer mehr Ausfälle kompensieren sollen/müssen. Gleichzeitig aber kann und soll sich der Arbeitgeber ja auch nicht von den älteren Beschäftigten trennen – eine wirklich schwierige Personalsteuerungsproblematik zeichnet sich hier ab.

Wenn der DBfK – für sich genommen sicher auch nachvollziehbar – fordert, dass »… Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Alter von 50+ bzw. nach vielen Jahren Schichtdienst möglichst keinen Nachtdienst mehr leisten zu lassen«, dann muss man sich die Konsequenzen einer solchen Forderung verdeutlichen, wenn man a) die älteren Beschäftigten nicht entlassen will/darf und b) gleichzeitig das Leistungsangebot rund um die Uhr sicherstellen muss. Eigentlich bräuchte man dann eine erhebliche Überdeckung an Personal (und das muss dann aus jüngeren Jahrgängen kommen), um Ausfälle kompensieren zu können.

Dieses Urteil wird weitreichende Folgen haben, denn die Wechselschichtarbeit ist in der Arbeitswelt verbreitet und die Entscheidung lässt sich auch auf andere Branchen und Unternehmen übertragen. Damit werden viele Betriebe aus der Industrie und den Dienstleistungen die Folgen dieser Entscheidungen zu spüren bekommen. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt diese Einordnung, so der Hinweis in einem FAZ-Artikel: »Das Urteil hat nach Angaben einer Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts eine „wegweisende Wirkung“ für alle Schichtarbeiter und ist nicht allein auf die Krankenpflege beschränkt.«

»Im Jahr 2011 arbeiteten 58 Prozent aller Erwerbstätigen mindestens gelegentlich in Abend- oder Nachtarbeit, in Wechselschicht oder auch zu sogenannten atypischen Arbeitszeiten, also samstags, sonntags oder feiertags. Die zweithäufigste Form der Schichtarbeit nach der Abendarbeit ist die Wechselschicht, der sich 14 Prozent der Erwerbstätigen zuordnen lassen«, so Carina Leser, Anita Tisch und Silke Tophoven: Schichtarbeit und Gesundheit. Beschäftigte an der Schwelle zum höheren Erwerbsalter (= IAB-Kurzbericht 21/2013).

Die meisten Beschäftigten in Wechselschicht arbeiten nach wie vor im produzierenden Gewerbe, beispielsweise in der Automobil- oder Elektroindustrie. Für die Bereiche „Öffentliche und private Dienstleistungen” sowie im „Handel und Gastgewerbe” wird eine Zunahme der Wechselschichtbeschäftigung festgestellt.

»Mit der Tertiarisierung der Schichtarbeit, also der Verschiebung hin zum Dienstleistungssektor, ist ein allmählicher Anstieg des Frauenanteils in Schichtarbeit verbunden. Hierfür dürften betriebliche Trends zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine Ausdehnung der Betriebsnutzungszeiten wie die längeren Ladenöffnungszeiten ebenso verantwortlich sein wie Änderungen in der Regulierung von Arbeit, etwa die Abschaffung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen im Jahr 1992« (Leser/Tisch/Tophoven 2013: 2).

Quelle: Leser/Tisch/Tohoven (2013: 2)

In Kontext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts interessant ist der Blick die Gruppe der Beschäftigten im Alter zwischen 50 bis 64 Jahre. Die Daten zeigen, dass 13 Prozent von ihnen ständig oder regelmäßig in Wechselschicht arbeiten.

Seit 1998 hat sich die Zahl der 50- bis unter 65-Jährigen in Wechselschicht mehr als verdoppelt, und zwar von 594.000 auf 1,29 Millionen, so die IAB-Studie.

Man kann es drehen und wenden wie man will – die aus Sicht des einzelnen Arbeitnehmers durchaus völlig nachvollziehbare Entscheidung, aus einem Teil des Wechselschichtsystems oder gar vollständig daraus befreit zu werden, wird in vielen Betrieben, deren gesamte Arbeitsorganisation auf dem Wechselschichtsystem basiert, zu erheblichen Personalplanungsproblemen führen, aber auch möglicherweise massive innerbetriebliche Spannungen zwischen den Beschäftigtengruppen auslösen.

Das Bundesarbeitsgericht verweigert sich. Definition und Sanktionierung einer nicht mehr „vorübergehenden“ Leiharbeit ist Aufgabe des Gesetzgebers. Jetzt bleibt – wie so oft – die Hoffnung

»Wie lange darf ein Unternehmen einen Leiharbeiter leihen? Dazu urteilt heute das Bundesarbeitsgericht. Von dem Urteil hängt eine Menge ab. Womöglich drohen Unternehmenspleiten.« Mit diesen düster daherkommenden Worten wurde man in dem Artikel „Gericht entscheidet über die Leiharbeit“ konfrontiert. Der Artikel orakelt weiter: »Für Leiharbeitnehmer im Dauereinsatz könnte an diesem Dienstag eine neue Ära in ihrem Arbeitsleben beginnen.« Könnte ist das Wort des Tages. Oder eben auch – vorerst – nicht. Denn das Gericht hat geurteilt. Und das eindeutig. Unter der auf den ersten Blick keine Richtung anzeigenden Überschrift „Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung“ berichtet das Bundesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung Nr. 73/13 mit harter Diktion:

»Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.«

Damit bleiben die weitreichenden Folgen eines von den einen erhofften und den anderen befürchteten Urteils des Bundesarbeitsgerichts aus: Hätte das BAG den Verstoß gegen die Norm einer nur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG so gewertet, dass dadurch aus der Beschäftigung beim Verleihunternehmen eine (unbefristete) Beschäftigung beim Entleihunternehmen wird, dann »könnten Tausende von Leiharbeitnehmer vor Gericht darauf pochen, dass sie auf die Gehaltsliste von Unternehmen kommen, die sie niemals einstellen wollten, sondern nur „eingekauft“ haben.« Falscher Alarm, wie man nun der neuen Entscheidung des BAG entnehmen kann. Denn die Bundesarbeitsrichter finden das scharfe Schwert des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleihunternehmen nur im § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, dort für den Fall, dass das verleihende Unternehmen keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat.

Das Gericht erläutert uns die Nicht-Übertragbarbeit auf den Fall, in dem der Verleiher über eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt:

»Der Gesetzgeber hat bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet. Das Unionsrecht gibt kein anderes Ergebnis vor. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sieht keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie überlässt die Festlegung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen bei Verstößen gegen Vorschriften des AÜG den Mitgliedstaaten. Angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen obliegt deren Auswahl dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen.«

Wer sich für den hinter dieser Entscheidung stehenden Sachverhalt interessiert, der wird in der Termin-Voranankündigung des BAG zum 10.12.2013 „Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung – Rechtsfolge dauerhafter Überlassung“ fündig:

»Die Beklagte zu 1. betreibt mehrere Krankenhäuser. Die Beklagte zu 2. ist eine hundertprozentige Tochter der Beklagten zu 1. Sie hat eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und beschäftigt ca. 450 Arbeitnehmer. Einen Teil ihrer Beschäftigten überlässt sie auf der Grundlage von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen der Beklagten zu 1. Der Kläger wurde 2008 von der Beklagten zu 2. als IT-Sachbearbeiter eingestellt und ausschließlich in Einrichtungen der Beklagten zu 1. eingesetzt. Die Beklagte zu 1. kündigte den auf den Kläger bezogenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit der Beklagten zu 2. zum 31. Oktober 2011. Die Beklagte zu 1. schaltete im November und Dezember 2011 mehrere Stellenangebote für IT-System-Administratoren für den Bereich EDV/IT in einem ihrer Krankenhäuser. Dabei wies sie darauf hin, dass die Einstellung bei der Beklagten zu 2. erfolge.
Der Kläger will festgestellt wissen, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis als IT-Sachbearbeiter besteht. Außerdem verlangt er Differenzvergütung für November 2011. Er meint, die Beklagte zu 2. betreibe verbotene Arbeitnehmerüberlassung und werde lediglich als „Strohfrau“ für die Beklagte zu 1. tätig. Sie sei nur Scheinverleiherin. Er sei nicht vorübergehend überlassen worden. Das habe zur Folge, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Die Beklagte zu 1. habe ihn nach Entgeltgruppe E 9 TVöD zu vergüten. Daraus ergebe sich sein Anspruch auf Differenzvergütung. Die Beklagten sind der Ansicht, zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. sei kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Überlassung des Klägers habe geltendem Recht entsprochen. Der Kläger sei nicht dauerhaft überlassen worden. Zudem sei auch eine dauerhafte Überlassung von der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gedeckt.«

Für alle, die eine Übersetzungshilfe brauchen, hier eine andere Darstellung: »Im aktuellen Fall hatten die Kreiskliniken im badischen Lörrach eine Tochterfirma gegründet, die 450 Beschäftigte deutlich unter Tarif bezahlte und viele von ihnen zum Dauereinsatz an die Kliniken auslieh. Der Kläger, ein IT-Sachbearbeiter, war bei der Verleihfirma angestellt und klagte nach rund dreijähriger Beschäftigung auf Festanstellung in der Klinik. Er begründete dies damit, dass die Klinik-Tochter eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung betreibe und als „Scheinverleiherin“ eine „Strohfrau“ der Klinik sei.«

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wissen, was ihnen nunmehr mit der Entscheidung des 9. Senats des BAG auch gelungen ist.

Warum der eine oder die andere eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat, wird von Corinna Burdas in ihrem Artikel angedeutet: »Schon im Juli sorgte das Bundesarbeitsgericht für einen Paukenschlag: Dort stellten die Erfurter Richter erstmals fest, dass Unternehmen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen, wenn sie Leiharbeitnehmer unbefristet in ihren Betrieben einsetzen. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung, die seit nunmehr zwei Jahren in Kraft ist und seither für viele Diskussionen gesorgt hat. Sie stellt klar, dass Leiharbeitnehmer nur noch „vorübergehend“ eingesetzt werden dürfen.«

In diese Entscheidung wurde aber mehr hineininterpretiert, als man aus ihr herausziehen kann. Dies wurde in diesem Blog bereits in einem ausführlichen Hintergrund-Beitrag zur Problematik der nur „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung am 12.09.2013 entfaltet: Da kann die vielbeschäftigte Kanzlerin auch schon mal durcheinander kommen: Zu den Untiefen der Leiharbeit und der anscheinend nicht eindeutigen Bedeutung des Wörtchens „vorübergehend“. Aber sie will sich ja „kümmern“: Seit dem 01.12.2011 sieht § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern „vorübergehend“ zu erfolgen hat. Leider hat der Gesetzgeber nicht näher definiert, was er unter „vorübergehend“ versteht – weswegen man sich auch prima darüber streiten kann. Der Gesetzgeber hat wieder mal zu einem unbestimmten Rechtsbegriff gegriffen, um eine Klarheit der Norm zu vermeiden. Man muss sehen, dass sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Juli dieses Jahres – Beschluss vom 10. Juli 2013 – 7 ABR 91/11 –   auf die besondere Frage des Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezog: »Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann seine Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese dort nicht nur vorübergehend eingesetzt werden sollen,« so das BAG in seiner damaligen Pressemitteilung „Einsatz von Leiharbeitnehmern – Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats“. Und dort findet man den entscheidenden Passus:

»Danach erfolgt die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“. Die Bestimmung enthält nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz, sondern untersagt die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Sie dient zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Zum andern soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann daher seine Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Entleiherbetrieb nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergeben.«

Aber der durchaus naheliegenden Aufgabe, das Wörtchen „vorübergehend“ zu definieren, hatte sich das Bundesarbeitsgericht elegant entzogen: »Der Streitfall verlangte keine genaue Abgrenzung des Begriffs „vorübergehend“. Der Arbeitgeber beabsichtigte, die Leiharbeitnehmerin ohne jegliche zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft einzusetzen. Das ist jedenfalls nicht mehr „vorübergehend“.«

Wie dem auch sei: Hier ging es um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Frage des Einsatzes von Leiharbeitern. Nicht um den unbestimmten Rechtsbegriff der „vorübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung. In der Kommentierung wurde in dem Blog-Beitrag ausgeführt: »… man (kann) die Richter aber auch verstehen, denn warum sollen sie wieder den Job machen, der gefälligst vom Gesetzgber zu erledigen ist.«

Und genau da stehen wir auch jetzt wieder. Der Ball wird zurückgeschossen in das Spielfeld der Politik und damit an die im Entstehen begriffene GroKo.

Also werfen wir einen Blick in den Koalitionsvertrag, der ja nun schon seit längerem vorliegt. Und wir werden fündig auf der Seite 69 unter der Überschrift „Arbeitnehmerüberlassung weiterentwickeln“:

»Wir präzisieren im AentG die Maßgabe, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher vorübergehend erfolgt, indem wir eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich festlegen.«

Das ist doch mal eine Präzisierung der Grenze, aber der ein Entleih nicht mehr vorübergehend wäre. Wenn da nicht wieder diese Folgesätze wären:

»Durch einen Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrags in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Stammbelegschaften abweichende Lösungen vereinbart werden.«

Nun, das schränkt das wieder ein, denn hier haben wir offensichtlich eine generelle Öffnungsklausel für die Tarifparteien, die die Unumstößlichkeit der 18 Monate wieder relativieren.
Übrigens sieht der Koalitionsvertrag eine zweite Zeitgrenze vor: »Die Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach 9 Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden« (S. 69). Bei dieser Grenze geht es um die Anwendung der „Equal Pay“-Regelung (dazu auch skeptisch das Interview „Karussell für Leiharbeiter“).

Nun wird man also abwarten müssen, wie der Gesetzgeber, wenn er sich dann mal konstituiert hat, dieses Versprechen einer klaren Zeitgrenze in das Gesetz einbauen wird. Er muss jetzt tätig werden.

Katharina Schneider bemerkt in ihrem Artikel „Arbeitsrichter enttäuschen Leiharbeiter“ zutreffend: »Bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen – das war heute wohl die Devise des Bundesarbeitsgerichts. Es hätte das System der Leiharbeit in Deutschland grundlegend verändern können, verwies aber an den Gesetzgeber.«

Man darf also weiter hoffen, wenn einem an der Begrenzung des Entleihs etwas liegt. Eine grundsätzliche, radikale Reform könnte hingegen an einem ganz anderen Tatbestand ansetzen: Eine echte Umsetzung von „equal pay“ – also ab dem ersten Tag des Entleihs – würde helfen, die Leiharbeit wieder auf ihre eigentliche Funktion zu reduzieren, vorübergehende Arbeitsausfälle mit flexiblen – und das muss heißen: teureren – Personal zu überbrücken. Dann würde man sich richtig aus dem Fenster lehnen.