Fast schon täglich wird man mit Meldungen über Arbeitskämpfe in den unterschiedlichsten Branchen aus den USA beliefert, dort läuft seit einiger Zeit eine bedeutsame Streikwelle. Und die hatte auch die Automobilindustrie erfasst. Die „Big Three“ der dortigen Automobilindustrie – also General Motos (GM), Ford und Stellantis – wurden von der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) bestreikt. Ursprünglich hatte die UAW eine Erhöhung der Einkommen um 40 Prozent über vier Jahre gefordert, denn um diesen Prozentsatz seien die Einkommen des Top-Managements gewachsen. Die Auto-Hersteller hingegen waren jedoch lediglich zu Zuwächsen von bis zu 20 Prozent über viereinhalb Jahre bereit. Daraufhin gab es Streikaktionen der UAW, die für gehörige Aufmerksamkeit gesorgt haben. Weniger, weil der US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung der streikenden Arbeitern zum Ausdruck gebracht hat, sondern vor allem wegen der Strategie des »Stand-up strike« der Gewerkschaft.
Arbeitsmarkt
In den USA rollt eine Streikwelle, mit durchaus beachtlichen Erfolgen auf Seiten der Gewerkschaften
Jahrelang wurde mit Blick auf die USA immer berichtet, dass dort die Gewerkschaften nur noch ein Schattendasein fristen und Streiks wurde als Thema des „alten Europa“ abgehandelt. Das hat sich in den vergangenen Monaten erkennbar geändert. Man kann sogar von einer Streikwelle sprechen, die sich durch ganz unterschiedliche Branchen zieht. Da sind die Drehbuchtautoren und (noch immer) die Schauspieler, die sich im Ausstand befanden bzw. befinden (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Arbeitskämpfe als historisches Moment. Zur fundamentalen Bedeutung der Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern in den USA diesseits von Glanz und Glamour, der hier am 15. September 2023 veröffentlicht wurde).
Arbeitskämpfe als historisches Moment. Zur fundamentalen Bedeutung der Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern in den USA diesseits von Glanz und Glamour
Deutschland liegt nach wie vor – folgt man der Rechenweise des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) – im unteren Mittelfeld hinsichtlich der Streikintensität im internationalen Vergleich. Gemessen an den arbeitskampfbedingten Ausfalltagen pro 1.000 Beschäftigte gibt es eine Spitzengruppe bestehend aus Belgien, Frankreich und Kanada, gefolgt von einem oberen Mittelfeld, das von Dänemark, Finnland und Spanien bis Norwegen reicht. Das untere Mittelfeld wird aktuell von den Nieder- landen angeführt und umfasst neben Deutschland auch Irland, Polen sowie Portugal (vgl. Dribbusch et al.: WSI-Arbeitskampfbilanz 2022. Streiks als normales Instrument der Konfliktregulierung bei Tarifauseinandersetzungen, April 2023).
Wenn denn aber mal gestreikt wird, dann wird man in den vergangenen Jahren zunehmend mit einer deutschen Besonderheit konfrontiert: Bereits nach einem Tag wird eine hyperventilierende Berichterstattung an den Tag gelegt, nach der unzumutbare Belastungen mit den Arbeitsniederlegungen verbunden seien und reflexhaft werden Einschränkungen des Streikrechts diskutiert, als ob wir massiven Streikwellen ausgesetzt wären.
Erwerbstätigkeit und Löhne von Flüchtlingen steigen deutlich, so eine neue Studie. Aber …
Erst vor kurzem wurde hier ein Blick geworfen auf die vielen Menschen, die seit 2015 als schutzsuchende Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind – dabei ging es um die Menschen aus den Ländern Afghanistan, Eritrea, Iran, Irak, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien, die als „Asylherkunftsländer“ bezeichnet werden und damit die Länder umfassen, aus denen die meisten Asylbewerber stammen. Die über eine Million Menschen, die als Kriegsflüchtlinge seit dem Frühjahr 2022 aus der Ukraine zu uns gekommen sind, wurden dabei ausgeklammert: Es geht voran mit der Integration der Geflüchteten aus den „Asylherkunftsländern“ in den Arbeitsmarkt. Wie immer lohnt ein etwas genauerer Blick auf die Zahlen, so ist der Beitrag überschrieben, der hier am 10. Juli 2023 veröffentlicht wurde. Zu dem, was wir über die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (nicht) wissen, vgl. diesen Beitrag vom 16. Juli 2023: Gekommen, um (nicht) zu bleiben. Was wir über die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (nicht) wissen.
In dem Beitrag über die Integration der Geflüchteten aus den „Asylherkunftsländern“ in den Arbeitsmarkt wurde u.a. mit Bezug auf aktuelle Daten des IAB ausgeführt, »dass noch eine Menge zu tun ist hinsichtlich einer (erfolgreichen) Integration in den Arbeitsmarkt: Die Beschäftigungsquote der Menschen aus den Asylherkunftsländern liegt bei 41,4 Prozent … Die „SGB II-Hilfequote“ wird mit 45,5 Prozent ausgewiesen und liegt damit erheblich höher als bei den Ausländern insgesamt (21,3 Prozent) oder gar den Deutschen (mit 8,6 Prozent).«
Gekommen, um (nicht) zu bleiben. Was wir über die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (nicht) wissen
Ende Februar 2022, als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, lebten nach Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) etwa 155.000 Staatsangehörige aus der Ukraine in Deutschland. Das war zu dem Zeitpunkt eine relativ stabile Größe, in den Jahren vor 2022 lag die Zahl der Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Deutschland immer um die 140.000. Das hat sich nach dem 24. Februar 2022 massiv verändert. Im Mai 2022 – wenige Wochen nach dem Kriegsausbruch – waren bereits fast eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer im AZR erfasst. Bis Ende Dezember 2022 wurden rund 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland gezählt – wobei man berücksichtigen muss, dass die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln sind. Denn für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wurde in der EU erstmals die Richtlinie 2001/55/EG aktiviert – die sogenannte Massenzustromrichtlie – und damit gehen erhebliche Unschärfen bei der Erfassung der geflüchteten Menschen einher.

Quelle: Stefan Sell (2023): Geflüchtete aus der Ukraine auf dem deutschen Arbeitsmarkt, in: Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales, Heft 7/2023, S.267