Die Untiefen der großen kleinen Zahlen: Von mickrigen Renten, einer falschen Gleichsetzung mit Altersarmut sowie zugleich deren beharrliche Leugnung

Es ist ja nun wirklich eine Binsenweisheit, dass man bei Statistiken verdammt aufpassen muss. Gerade auch deshalb, weil sie gerne von den einen oder anderen für ihr jeweiligen Zwecke genutzt oder vernebelt werden. Besonders gefährlich wird es, wenn mit Durchschnittswerten gearbeitet wird. Ein Beispiel: »Dem Alterssicherungsbericht der Regierung zufolge lag das durchschnittliche Netto-Gesamteinkommen für Ehepaare im Jahr 2016 bei 2.543 Euro. Alleinstehende Männer über 64 kamen auf 1.614, alleinstehende Frauen auf 1.420 Euro.« Also wirklich, wird der eine oder andere denken, den Senioren geht es doch sehr gut, als Rentnerpaar netto mehr als 2.500 Euro im Monat – da kann man das Leben ordentlich genießen und das erklärt uns dann die vielen älteren Menschen auf den Kreuzfahrtschiffen dieser Welt. Nun sind aber solche Zahlen fragwürdig bzw. sogar kontraproduktiv, wenn man die Streuung der einzelnen tatsächlichen Einkommenswerte um diesen Mittelwert nicht kennt oder diese stark ausgeprägt ist. Genau das ist aber bei den Haushaltseinkommen der Fall, was auch erklärt, warum Millionen Rentner beim Lesen dieser Werte sicher mehr als erstaunt reagieren, wie weit weg davon doch ihr verfügbares Einkommen ist. Während einige andere über 2.500 Euro pro Monat und dann auch noch für zwei Personen nur müde lachen können.

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Abgespeist mit niedrigen Renten und dem Verweis auf die Grundsicherung: Mütter, Kindererziehungszeiten und ein Ping-Pong-Spiel auf höchstrichterlicher Ebene

Wieder eine der so trocken daherkommenden Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes, hinter der sich hunderttausende Einzelschicksale verbergen: 1.059.000 Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Dezember 2017. Das waren 3,2 Prozent mehr Leistungsberechtigte als im Dezember 2016. Während rund 515.000 Menschen Grundsicherung wegen einer Erwerbsminderung und unterhalb der Bedarfsschwelle liegenden Einkünften auf diese Sozialhilfeleistung angewiesen waren, wurden gleichzeitig 544.000 Empfänger/innen von Grundsicherung im Rentenalter registriert. Die Entwicklung der Zahlen bezogen auf diese Teilgruppe der Grundsicherungsempfänger nach dem SGB XII seit ihrer Einführung im Jahr 2003 ist in der Abbildung dargestellt. Wobei gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden muss, dass es sich um eine ausgeprägte Unterschätzung der Sozialhilfebedürftigkeit unter den Senioren handelt, denn immer noch geht man von einer ausgeprägten Nicht-Inanspruchnahme eigentlich zustehender Sozialhilfeleistungen bei den älteren Menschen aus. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe wie Schamgefühle, zum „Amt“ gehen zu müssen, Ängste vor der Bedürftigkeitsprüfung im Sozialamt, aber immer wieder wird auch die Angst vorgetragen, die Wohnungen verlassen zu müssen, in denen die Betroffenen teilweise seit Jahrzehnten leben, denn bei der Grundsicherung gelten die gleichen Regeln wie bei den Unterkunftskosten der Hartz IV-Empfänger – die Kosten und damit die Wohnungen müssen „angemessen“ sein, neben der Miete bezieht sich das auch auf die Größe der Wohnungen und bei Überschreiten der Richtwerte werden die Betroffenen aufgefordert, sich eine „billigere“ Wohnung zu suchen (die sie in vielen Gegenden angesichts der Nachfrageverhältnisse in diesem Bereich kaum bis gar nicht finden können). Bei älteren Menschen kommt hinzu, dass die Wohnungsfrage und damit verbundenen die Einbettung in einen ganz bestimmten Raum von besonderer existenzieller Bedeutung ist. 

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Verteilungskrämpfe ganz unten in der zunehmend normalisierten Welt der Zusätzlichkeit. Diesseits und jenseits der Essener Tafel

Jahrestage, vor allem im zweistelligen Bereich, werden gerne verwendet für einen Rückblick und eine umfassende Darstellung der eigenen Entwicklungsgeschichte und der Bedeutung des Tuns. Das ist bei Institutionen nicht anders als bei Menschen. Dann zieht man Bilanz. Beispielsweise wenn die Tafeln seit 25 Jahren auf der Bühne des öffentlichen Lebens agieren und für viele Menschen jeden Tag eine ganz handfeste Bedeutung haben. Im Jahr 2018 können wir auf ein Vierteljahrhundert „Tafel-Bewegung“ schauen. Verständlich, dass der Bundesverband Deutsche Tafel das nutzen will, um über die eigene Geschichte und Arbeit zu informieren. Die inzwischen 900 Tafeln in Deutschland seien nicht nur stille Ausgeber von Lebensmitteln, sondern sie legten auch „die Finger in die Wunde“, um auf Probleme aufmerksam zu machen, so die Positionierung von Jochen Brühl vom Bundesverband der Tafeln in diesem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Wir sind ein guter seismografischer Faktor, um zu erkennen, was schiefläuft“. Er geht über die Vorstellung, dass es sich um eine reine Verteilaktion von Lebensmitteln an Bedürftige handelt, deutlich hinaus: Für ihn sind die Tafeln eine „Bürgerbewegung, die Veränderungen einfordere“. 

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Ein problematisches Mischwesen mit Titelmissbrauch: Die Sondierungs-„Grundrente“ in der Kritik

Über ein Vorhaben im Bereich der Alterssicherung – folgt man dem Ergebnispapier der Sondierungsgespräche für eine mögliche neue Große Koalition – wurde hier bereits in dem Überblicksbeitrag Umrisse einer GroKo neu. Teil 2: Die Rente vom 14. Januar 2018 berichtet: »Die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, soll honoriert und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen 10 % oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs zugesichert werden. Berechtigt sind Versicherte, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der „Grundrente“ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. Dabei wollen wir klarstellen, dass die Bezieher von Grundsicherung im Alter in ihrem selbst genutzten Haus oder ihrer Wohnung im Regelfall weiterhin wohnen können. Die Abwicklung der „Grundrente“ erfolgt durch die Rentenversicherung. Bei der Bedürftigkeitsprüfung arbeitet die Rentenversicherung mit den Grundsicherungsämtern zusammen.« Die „Grundrente“ soll also mit einer GroKo neu kommen (jetzt aber wirklich, sie war als „solidarische Lebensleistungsrente“ bereits im Koalitionsvertrag vom Dezember 2013 enthalten und ist in der vergangenen Legislaturperiode schlichtweg nicht umgesetzt worden).

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Umrisse einer GroKo neu. Teil 2: Die Rente

Wie sieht es aus mit den Ergebnissen der Sondierung von Union und SPD vom 12.01.2018 zum großen Themenfeld der Alterssicherung, speziell der gesetzlichen Rente als der wichtigsten Form der Absicherung im Alter? Auch wenn es jetzt dem einen oder anderen weh tun mag – wir werden hier mit einem Fall der Rosstäuscherei konfrontiert, den man als solchen erkennen sollte. Als Rosstäuscherei bezeichnet man gemeinhin das Verhalten eines Händlers, der Kunden mit verschiedenen Tricks über den gesundheitlichen Zustand, Alter und Wert des Pferdes täuscht. Im Ergebnispapier der Sondierer findet man diese Verabredung: »Vertrauen in die langfristige Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein hohes Gut in unserem Sozialstaat. Deshalb werden wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 % bis zum Jahr 2025 gesetzlich absichern. Dafür werden wir in 2018 die Rentenformel ändern.« Da wird was angepackt, der vielbeschworene Sinkflug des Rentenniveaus wird endlich gestoppt. Eine gute Nachricht. Ein echter sozialpolitischer Hengst sozusagen. Schauen wir uns den Gaul mal etwas genauer an.

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