Arme werden ärmer, so der Paritätische Armutsbericht 2025

Seit 1989 veröffentlicht der Paritätische Gesamtverband regelmäßig seine „Paritätischen Armutsberichte“. In den vergangenen Jahren war die Präsentation der dort aufbereiteten Daten immer verbunden mit den wortgewaltigen Statements von Ulrich Schneider, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, der nun aber – wie viele andere der Boomer-Generation auch – in den Ruhestand gegangen ist. Und zurückblickend kann man sagen, dass sowohl die Präsentation der Armutsberichte wie auch die reflexhafte ablehnenden Reaktionen bei einem Teil der Medien und der Wissenschaft (das sei doch gar keine Armut, die da als solche „skandalisiert“ werde, sondern höchstens Ungleichheit, und der Schneider mache das als wortmächtiger „Soziallobbyist“, um die eigenen Verbandsinteressen zu bedienen) in einem fast schon rituellen Modus gelandet sind.

Wie dem auch sei, der neue Armutsbericht des Paritätischen mit Daten für das Jahr 2024 wurde nun – ohne die Begleitmusik von Ulrich Schneider – der Öffentlichkeit vorgestellt. Die dazu gehörende Pressemitteilung steht unter der Überschrift Paritätischer Armutsbericht: Arme werden ärmer. »Einkommensarme Menschen haben in den vergangenen Jahren an Kaufkraft verloren. Insgesamt ist fast jede sechste Person in Deutschland von Armut betroffen.«

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Obadachlose in Berlin und ihre (Nicht-)Gesundheit: Eine Studie der Charité zeigt dringenden Handlungsbedarf bei der medizinischen Versorgung von Menschen ohne Wohnraum

In den zurückliegenden Jahren wurde zumindest in den kalten Wintermonaten immer wieder mal berichtet über die Situation obdachloser Menschen. Der Eindruck aus der gerade vergangenen kalten Jahreszeit geht eher in die Richtung, dass die mediale Aufmerksamkeit tendenziell abgenommen hat – zu viele andere krisenhaften Themen der Mehrheitsgesellschaft beschäftigten Medien und Politik. Dabei ist die Lage der obdachlosen Menschen (und darüber hinaus der weitaus größeren Gruppe der wohnungslosen Menschen, von denen aber viele nicht auf der Straße leben, sondern in Notunterkünften oder in ihren persönlichen Netzwerken mehr oder weniger behelfsmäßig aufgefangen werden)* weiterhin mehr als prekär.

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Wohnen macht (mehr) arm. Zur Berücksichtigung der Wohnkosten bei der Bestimmung der Armutsquote

»Viele Menschen müssen … heute mehr als ein Drittel fürs Wohnen ausgeben – manche sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens. Viele können nicht billiger wohnen, weil sie nicht die einzigen sind, die nach einer billigeren Wohnung suchen oder weil es da, wo sie arbeiten, keine billigeren Wohnungen gibt. Infolgedessen müssen sie einfach mit weniger Geld im Monat auskommen. Basierend auf den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden die Einkommen um die Wohnkosten bereinigt und so eine Wohnarmuts-Grenze ermittelt.«

Durch die Berücksichtigung von Wohnkosten wird eine bislang unsichtbare Gruppe von 5,4 Millionen
Menschen sichtbar, die an und unter der Armutsgrenze lebt. Nicht 12,1 Millionen, sondern 17,5 Millionen Menschen müssen demnach als arm gelten. Die „konventionelle“ Armutsquote wurde für 2023 mit 14,4 Prozent ausgewiesen – die wohnkostenbereinigte Armutsquote hingegen wird nun auf 21,2 Prozent angehoben.

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Ungleichheit zwischen den Regionen: Die „Lebenserwartungslücke“ ist größer geworden

Im März 2025 fand der mittlerweile 30. Kongress Armut und Gesundheit an der Freien Universität Berlin statt. Der Kongress ist die Public Health-Veranstaltung in Deutschland. Auf dem diesjährigen Kongress unter der Überschrift „Gesundheit fördern, heißt Demokratie fördern“ wurden auch neue Daten zur gesundheitlichen Ungleichheit aus dem Robert Koch-Institut (RKI) vorgestellt.

Dazu heißt es seitens des RKI: »Auch in einem wohlhabenden Land wie Deutschland hängen die Gesundheits- und Lebenschancen eng mit der sozialen Lage zusammen. Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status haben höhere Erkrankungsrisiken und versterben durchschnittlich früher als jene mit hohem sozioökonomischem Status. Die Datenlage zu dieser gesundheitlichen Ungleichheit hat sich über die letzten Jahrzehnte deutlich verbessert. Während es in den 1990er Jahren in Deutschland noch darum ging, die gesundheitliche Ungleichheit mit repräsentativen Daten nachzuweisen sowie in Art und Ausmaß zu beschreiben, stellen sich in der Gesundheits­bericht­erstattung heute stärker Fragen zu ihrer zeitlichen Entwicklung: Hat sich die gesundheitliche Ungleichheit über die letzten Jahrzehnte verringert oder weiter verstärkt?« Konkret wurde über die zeitliche Entwicklung der „Lebenserwartungslücke“ in Deutschland und das mit einem Fokus auf die Unterschiede zwischen den Regionen berichtet.

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Über würdige und unwürdige Arme: „Seine Kleidung soll schäbig, aber sauber, er selbst frei von Schuld an seinem Mißgeschick sein“. 1961, München

Nach Monaten des intensiven medialen Dauerfeuers auf das „Bürgergeld“ und der dabei oftmals mitlaufenden oder im Kern stehenden Infragestellung der Grundsicherung sowie einer fast schon Sehnsucht nach der harten Hand der Sanktionierung könnte ein unbefangener Beobachter der Szenerie zu dem Eindruck gelangen, dass das Deutschland des Jahres 2025 ein Hort der unberechtigt Sozialleistungen beziehenden und sich in der sozialen Hängematte ausruhenden nicht wirklich bedürftigen Menschen geworden ist, bei denen man verständlicherweise die sanktionsstaatlichen Daumenschrauben anziehen muss, um wieder Ordnung zu schaffen.

In solchen Situationen hilft zuweilen der lange Blick zurück. War das nicht schon mal alles so, wie es jetzt diskutiert wird? Ist es wirklich so, dass es früher alles besser war, selbst mit diesen „vermeintlich“ Armen? Zuweilen ist das Stöbern im Archiv durchaus erhellend. Nehmen wir als ein Beispiel das Jahr 1961. Und eine Stadt wie München.

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