Jenseits von „Le Streik, c’est moi!“: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Frage nach ihrer „Gegnerunabhängigkeit“

Längst ist die nur noch als Eintagsfliegerei zu bezeichnende mediale Berichterstattung zu den nächsten aktuellen Baustellen weitergezogen, nachdem für einen dieser kurzen Momente lang sämtliche noch vorhandenen und funktionsfähigen Scheinwerfer auf die (vorerst) letzte Streikaktion der wilden Lokführer-Gewerkschaft GDL gerichtet waren – eine Spartengewerkschaft, die übrigens nicht unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) segelt, sondern Unterschlupf beim Deutschen Beamtenbund (dbb beamtenbund und tarifunion) gefunden hat.

Nun haben wir in den vergangenen Jahren schon einige Streikaktionen der Lokführer erlebt – aber bislang noch nie in diesem Umfang im Hinblick auf zusammenhängende Streiktage: Der ursprünglich auf sechs Tage angelegte Ausstand wurde am Montagmorgen, 29. Januar 2024, einen Tag früher als geplant, beendet. Die GDL und die Deutsche Bahn verhandeln seit Anfang November 2023. Mit jeweils zwei Warnstreiks im Spätherbst 2023 und zwei Streiks im neuen Jahr hat die Lokführergewerkschaft seither insgesamt vier Mal den Fern-, Regional- und Güterverkehr in weiten Teilen lahmgelegt.

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„Damit ist der Rechtsweg endgültig ausgeschöpft“. Beamte dürfen es nicht machen. Der EGMR und das Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte in Deutschland

Man weiß, dass sich Verfahren vor den Gerichten lange, sehr lange hinziehen können. Bis etwas letztendlich vom höchsten deutschen Gericht, also dem Bundesverfassungsgericht, abschließend behandelt und entschieden wird, ziehen meistens viele Jahre an einem vorbei. Letztendlich und abschließend? Könnte man denken, wenn es um das Bundesverfassungsgericht geht. Aber tatsächlich geht es auf der juristischen Himmelsleiter noch weiter hinauf. Da ist dann der Europäische Gerichtshof (EuGH), dessen Entscheidungen auch durchaus mal anders ausfallen (können) als das, was das BVerfG geurteilt hat. Wenn wir in die vergangenen Jahre zurückschauen, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Rechtsprechung des EuGH in den hier besonders interessierenden arbeits- und sozialrechtlichen Fragen eine zunehmende Bedeutung erfahren hat.

Aber es gibt auf der europäischen Ebene neben dem EuGH auch noch den EGMR – das Kürzel steht für Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Der EGMR als Gerichtshof mit Sitz in Straßburg agiert auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der alle 46 Mitglieder des Europarats beigetreten sind. Und diese Institution war nun Schauplatz von seit Jahren vorangetriebenen Klagen, mit denen eine Grundsatzfrage aufgerufen und entschieden werden sollte: Dürfen Beamte in Deutschland streiken? Verstößt das Streikverbot für Beamte gegen die Menschenrechte?

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Die Big Three der US-amerikanischen Automobilindustrie sind mit der „Stand-up-strike“-Strategie der Gewerkschaft bearbeitet worden. Kommt jetzt Tesla an die Reihe?

Fast schon täglich wird man mit Meldungen über Arbeitskämpfe in den unterschiedlichsten Branchen aus den USA beliefert, dort läuft seit einiger Zeit eine bedeutsame Streikwelle. Und die hatte auch die Automobilindustrie erfasst. Die „Big Three“ der dortigen Automobilindustrie – also General Motos (GM), Ford und Stellantis – wurden von der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) bestreikt. Ursprünglich hatte die UAW eine Erhöhung der Einkommen um 40 Prozent über vier Jahre gefordert, denn um diesen Prozentsatz seien die Einkommen des Top-Managements gewachsen. Die Auto-Hersteller hingegen waren jedoch lediglich zu Zuwächsen von bis zu 20 Prozent über viereinhalb Jahre bereit. Daraufhin gab es Streikaktionen der UAW, die für gehörige Aufmerksamkeit gesorgt haben. Weniger, weil der US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung der streikenden Arbeitern zum Ausdruck gebracht hat, sondern vor allem wegen der Strategie des »Stand-up strike« der Gewerkschaft.

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In den USA rollt eine Streikwelle, mit durchaus beachtlichen Erfolgen auf Seiten der Gewerkschaften

Jahrelang wurde mit Blick auf die USA immer berichtet, dass dort die Gewerkschaften nur noch ein Schattendasein fristen und Streiks wurde als Thema des „alten Europa“ abgehandelt. Das hat sich in den vergangenen Monaten erkennbar geändert. Man kann sogar von einer Streikwelle sprechen, die sich durch ganz unterschiedliche Branchen zieht. Da sind die Drehbuchtautoren und (noch immer) die Schauspieler, die sich im Ausstand befanden bzw. befinden (vgl. dazu ausführlicher den Beitrag Arbeitskämpfe als historisches Moment. Zur fundamentalen Bedeutung der Streiks von Drehbuchautoren und Schauspielern in den USA diesseits von Glanz und Glamour, der hier am 15. September 2023 veröffentlicht wurde).

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Die Folge 2 der Streik-Staffel Gräfenhausen ist zu Ende. Vorerst. Die Lkw-Fahrer bekommen ihr Geld. Strukturelle Fragen bleiben weiter unbeantwortet

Am 23. August 2023 wurde hier über den erneuten wochenlangen Kampf von Lkw-Fahrern gegen den Lohnraub seitens einer polnischen Spedition auf einer hessischen Autobahnraststätte berichtet: Gräfenhausen in der Dauerschleife? Eine deutsche Autobahnraststätte als „symbolischer Ort“ für die ansonsten „Unsichtbaren“ auf unseren Straßen, so ist der Beitrag überschrieben. Die erste Folge der Streikstaffel lief im Frühjahr 2023 vor unseren Augen ab: Lkw-Fahrer, die zumeist aus Usbekistan, Georgien und anderen osteuropäischen Ländern stammen und die für die polnische Großspedition Mazur unterwegs waren, traten im März und April 2023 in einen wochenlangen Streik wegen fehlender Lohnzahlungen. Die Fahrer lebten in der Zeit ausschließlich in ihren Fahrzeugen auf Parkplätzen der Raststätte. Nach fast sechs Wochen hatten mehr als 60 Männer mit ihren Fahrzeugen die Raststätte wieder verlassen. Ihre Geldforderungen waren zuvor von der Spedition beglichen worden.

Ende Juli 2023 ging es dann erneut los – wieder waren es Menschen aus Ländern wie Georgien, Usbekistan, Tadschikistan, der Ukraine und Türkei, die ihre Trucks an der mittlerweile symbolträchtigen Autobahnraststätte Gräfenhausen-West an der A5 zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt abgestellt haben. Einige der Fahrer behaupteten, sie hätten seit fünf Monaten keinen Lohn ausgezahlt bekommen. Und wieder ging es um Beschäftigte von Tochterfirmen der polnischen Unternehmensgruppe Mazur.

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