Ein paar Tage lang befand sich in der ersten Augusthälfte des Jahres 2025 die Republik oder zumindest Teile von ihr mit einer bestimmten kulinarischen Orientierung an der Grenze zur Schockstarre: Döner-Streik: Wird der Döner jetzt noch teurer?: »In einer Dönerfabrik wird gestreikt. Welche Auswirkungen hat das auf die Versorgung der Imbisse – und auf den Dönerpreis?« Wie das mit diesem Döner-Preis aussehen wird, das vor allem treibt die Berichterstattung um, weil es viele Menschen bewegt und wir hier offensichtlich über ein mittlerweile zum Grundnahrungsmittel transformiertes Gericht1 sprechen mit dem daraus resultierenden Aufmerksamkeitspotenzial.
Streik
Aus den Untiefen der Lieferbotengesellschaft: Lieferando lässt liefern und entlässt 2.000 eigene Fahrer. Das wird erst der Anfang sein und die „Schattenflotte“ wird weiter wachsen
Wie kommuniziert man als Unternehmen die Entlassung von 2.000 Beschäftigten? Man verschickt eine Pressemitteilung, die so überschrieben ist: Lieferando erweitert seinen Lieferservice um zusätzliche Flottenpartner und expandiert in weitere Städte. Alles klar?
Hier ist es wie bei Versicherungen. Man sollte sich nicht blenden lassen von den auf Hochglanz polierten Überschriften (wie beispielsweise „Premium“- oder „De luxe-Absicherung“ in allen Risikolagen und das auch noch sensationell günstig), sondern muss sich der Qual des genauen Hinschauens auf das Kleingedruckte aussetzen. Also lesen wir weiter (dabei vor allem zwischen den Zeilen), was uns der führende Lieferdienst mit auf den Weg gibt.
Die „Streikwelle“ ist vorbei? Aus der Welt der Arbeitskämpfe „unten“ und „oben“ auf der Schattenseite der öffentlichen Erregung
Was waren das für Wochen, als in diesem Land hochgradig erregt und nach wenigen Tagen am Rand eines hysterischen Nervenzusammenbruchs angekommen über Streiks und eine „Streikwelle“ berichtet, diskutiert und vor allem gestritten wurde. Wieder einmal war es der „Arbeiterführer“ Weselsky mit „seinen“ Lokführern gewesen, der das Land eine Zeit lang in Beschlag genommen hat. Wie nach dem Lehrbuch der Polit-Reflexe wurde sofort mit Hingabe über eine Begrenzung, Einschränkung bis hin zu einem Verbot von Streikaktionen in Bereichen der „kritischen Infrastruktur“ geraunt und entsprechende Maßnahmen wurden von interessierter Seite – nicht selten unter dem Applaus des entnervten Publikums – eingefordert.
Das war vor einigen Wochen – und jetzt? Ruhe im Schacht. Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich mit den Boni-versorgten Führungskräften des Deutsche Bahn-Konzerns geeinigt und selbst die Lufthansa hat mehrere Tarif-Baustellen unter ihrem Dach abgeräumt, so dass die vielen Menschen, die es möglichst kostengünstig in die Ferne zieht, keine Angst mehr haben müssen, dass die Kerosin-Vögel am Boden festgenagelt werden. Alles gut in Deutschland. Oder?
Gewerkschaften auf dem aufsteigenden Ast? Was es mit den Berichten über zunehmende Mitgliederzahlen (nicht) auf sich hat
In vielen Medienberichten ist derzeit von (wieder) steigenden Mitgliederzahlen in den DGB-Gewerkschaften die Rede. Was läuft da ab, wenn man solche Schlagzeilen serviert bekommt: Die Gewerkschaften in Berlin und Brandenburg melden „so viele neue Mitglieder wie seit Jahren nicht mehr“, kann man beispielsweise diesem Artikel entnehmen: Wie Gewerkschaften in der Krise an Bedeutung gewinnen. »Immer mehr Menschen in Berlin und Brandenburg engagieren sich selbst und treten einer Gewerkschaft bei. Damit wird ein Abwärtstrend der letzten Jahre bei den meisten Gewerkschaften gebrochen.« An anderer Stelle kann man lesen: Gewerkschaften boomen wieder – auch dank aggressiver Streiks: »Nach dem Streikjahr 2023 wächst die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland. Streikzeiten scheinen gute Zeiten zur Mitgliedergewinnung zu sein. Je härter der Arbeitskampf, desto größer die Nachfrage.« Und in dem Artikel findet man wahrlich beeindruckende Zahlen: In den DGB-Gewerkschaften »hat sich die Zahl der Neueintritte im vergangenen Jahr um 37 Prozent auf 437.000 erhöht.« Offensichtlich ist da richtig was los: »Gewerkschaften verzeichnen teils stark steigende Mitgliederzahlen – auch viele junge Menschen wollen sich gewerkschaftlich organisieren. Forscher beobachten ein neues Selbstbewusstsein bei Beschäftigten«, so dieser Beitrag: Warum Gewerkschaften wieder großen Zulauf haben.
Da muss man doch mal einen Blick auf die Zahlen werfen.

Und da ist der nächste Streik. Nach den Lokführern machen es die Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr. Bei denen geht es vor allem um Zeit
Die von vielen Menschen als eine „Streikwelle“ wahrgenommenen Arbeitskampfmaßnahmen in den vergangenen Wochen zeichnen sich dadurch aus, dass sie anders als viele deutlich größere Streikaktionen der Vergangenheit beispielsweise in der Industrie von Millionen Menschen unmittelbar als Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens erfahren werden, wenn wir beispielsweise an die vielen Pendler denken. Wenn in der Automobilindustrie oder anderen industriellen Produktionsstätten die Arbeit niedergelegt wird, dann bekommt der normale Bürger davon wenn überhaupt nur über die Nachrichten etwas mit. Persönlich ist man nicht tangiert.
Das ist anders gelagert, wenn Erzieherinnen in den Kitas die Arbeit niederlegen oder die Lokführer für mehrere Tage am Stück die Gleise im Personen- und Güterverkehr in Ruhezonen verwandeln. Und kaum war der lange Eisenbahner-Streik beendet, ging es weiter. Jetzt mit den Busfahrern. Die Tarifverhandlungen im kommunalen Nahverkehr waren bislang erfolglos. Deshalb hat die Gewerkschaft ver.di zum bundesweiten Streiktag im ÖPNV aufgerufen. Mehrere Tausend Beschäftigte waren auf der Straße und ließen viele Busse im Depot stehen.