Der „Prime Day“ schaufelt wie jedes Jahr Umsatz in die Kasse von Amazon und ein Teil der Beschäftigten streikt mal wieder. Ganz unten sind die Paketzusteller in einem „System der Ausbeutung“. Denen will der Bundesrat helfen

Und jährlich grüßt die (angebliche) Schnäppchenjagd beim „Prime Day“ von Amazon. Der erstreckt sich dieses Jahr vom 11. bis zum 12. Juli, der weltgrößte Online-Versandhändler bietet dann Rabatte auf viele Produkte. Der „Prime Day“ zählt neben dem Weihnachtsgeschäft und der „Cyber Week“ um den Black Friday zu den wichtigsten Verkaufstagen von Amazon. Im vergangenen Jahr setzte der E-Commerce-Gigant dabei binnen 48 Stunden über zwölf Milliarden Dollar um.

Kein Zufall, sondern Kalkül ist in diesem Kontext, dass die Gewerkschaft ver.di erneut zum Streik an den deutschen Verteilerzentren von Amazon aufruft. Warnstreiks gibt es in Bad Hersfeld (zwei Standorte), Leipzig, Werne, Graben, Rheinberg, Koblenz, Dortmund, Achim und Winsen, so diese Meldung: Warnstreiks bei Amazon am „Prime Day“. »Amazon habe zwar die Stundenlöhne in den vergangenen Jahren wiederholt erhöht und liege damit inzwischen über dem aktuellen Mindestlohn … Tatsächlich blieben die Einkommen der Beschäftigten durch längere Arbeitszeiten und niedrige oder fehlende Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oft um mehrere Hundert Euro unter denen der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen.«

Aber es gibt da noch ganz andere Beschäftigte, gleichsam in der abgedunkelten Kelleretage des Beschäftigungsssystems rund um den Giganten des Online-Handels: Die Paketzusteller, die an der Lieferfront auf der letzten Meile die Kunden bedienen müssen. Und denen geht es noch schlechter, wenn man schon eine Hierarchie der Ausbeutung bemühen muss.

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Die Subunternehmen im „System Amazon“ und der Ruf nach einer „Bändigung“ des Online-Handelsgiganten

In Deutschland kaufen viele Menschen bei Amazon ein, gerade in den zurückliegenden Monaten und derzeit boomt der Online-Versandhändler ohne Ende – der Umsatz von Amazon alleine ist im ersten Halbjahr 2020 global um 40 Prozent gestiegen.

Man kann ohne Umschweife sagen: Amazon ist einer der ganz großen „Pandemie-Gewinner“. Dazu bereits dieser Beitrag aus dem Frühjahr 2020: Vera Demary (2020): Onlinehandel: Warum Corona Amazon weiter stärkt. IW-Kurzbericht 32/2020, Köln: Institut der deutschen Wirtschaft (IW), 30. März 2020.

Und nicht nur der Umsatz dieses Giganten wächst und wächst – auch die Zahl der Beschäftigten: »In a year plagued by widespread layoffs, Amazon is bucking the trend. As of October, the company added 427,300 employees, increasing its workforce to 1.2 million … This year, Amazon added roughly 1,400 people a day. Currently listed as the world’s fifth largest employer in the Fortune 500, Amazon’s historic levels of hiring are likely to move it up to third. Walmart, the largest employer, currently employs 2.2 million workers. At Amazon’s current pace of hiring, it would be able to take the title in two years.« Das berichtet Amanda Shendruk in ihrem Artikel Amazon is leapfrogging the world’s largest employers.

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Vom Tauziehen um Werkverträge und Verantwortung für Menschen in der Fleischindustrie. Und von den Kriegsgewinnlern, die ihre Einkaufspreise optimieren

Eigentlich sollten Maßnahmen gegen die seit langem existierenden Missstände in der Fleischindustrie, die in diesen Tagen durch die zahlreichen Corona-Infektionen von osteuropäischen Werkvertragsarbeitnehmern für einen Moment lang an die Oberfläche der medialen und politischen Aufmerksamkeit geschwemmt worden sind, am Montag dieser Woche im „Corona-Kabinett“ der Bundesregierung beschlossen werden. So die Absicht des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD). Aber daraus wurde vorläufig erst einmal nichts. Entscheidung über Schlachthöfe verschoben, so ist einer der Meldungen dazu überschrieben: »Höhere Strafen bei Verstößen gegen Arbeitsschutzregeln – oder gar ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie? Angesichts der Corona-Fälle in Schlachtbetrieben ringt die Koalition um eine Linie – bislang offenbar erfolglos.«

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Gerichtstage: Das Bundesarbeitsgericht und das, was aus den Untiefen der Arbeitswelt nach oben gehievt wurde. Leiharbeiter bekommen das Mindeste, rumänische Bauarbeiter nichts

Diese Lebensweisheit kennen (fast) alle oder zumindest viele: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Dieser aus der Römerzeit stammende Stoßseufzer wird gern verwendet, um die scheinbare Hilflosigkeit im Umgang mit Recht und Gesetz auf den Punkt zu bringen. Den folgenden Sinnspruch kennen hier sicher deutlich weniger Menschen: „Vor Gericht braucht man drei Säcke, einen mit Papier, einen mit Geld und einen mit Geduld.“ Wobei der letztgenannte Aspekt, also die erforderliche Geduld, vor allem dann notwendig wird in Form eines sehr langen Atems, wenn ein strittiger Sachverhalt bis zur höchsten richterlichen Instanz getrieben wird.

Und dann geht das mal so oder eben anders aus. Nehmen wir als Beispiel das Bundesarbeitsgericht. Die haben zu Gericht gesessen und aus Sicht der Arbeitnehmer zwei ganz unterschiedliche Signal ausgesendet. In einer sehr verkürzten und zuspitzenden Variante geht das so: Leiharbeiter bekommen das Mindeste, was ihnen zusteht, ansonsten erheblich Mehr. Und rumänische Bauarbeiter bekommen Nichts, wenn sie in der Subunternehmerunterwelt gewerkelt haben.

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Mit dem „Paketboten-Schutz-Gesetz“ will der Bundesarbeitsminister den Wilden Westen der Paketzustellung einhegen. Die Nachunternehmerhaftung soll kommen. Aber das wird nicht reichen

Das muss man dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lassen – er verzichtet auf die emotionalisierende Ummäntelung eines seiner neuen Gesetze und hat sich nicht zu einem „Gute-Arbeit-für Paketboten-Gesetz“ verführen lassen. Aber selbst der nüchterner daherkommende Titel „Paketboten-Schutz-Gesetz“ atmet noch etwas von diesem Geist, denn die Botschaft ist klar und unmissverständlich: Endlich werden die schwächsten Glieder am Ende einer langen Meile unter die Schutzfittiche des Staates genommen: die Tag für Tag einer immer beschwerlicher werdenden Don Quichotterie gegen Verkehrschaos in den Straßen, nicht anwesenden Kunden und uneinlösbaren Mengen- und Zeitvorgaben kämpfenden Paketzusteller. Jeder kennt diese teilweise nur noch zu bedauernden Menschen, die einzigen lebenden Menschen, die man nach dem online getätigten Kaufakt zu Gesicht bekommt – wenn man denn zufällig da ist, wenn der Paketbote klingelt. Und die haben wahrlich viel zu tun – allein in diesem Jahr wird mit etwa 3,7 Milliarden Paketen in Deutschland gerechnet. Und wir sprechen von einer Branche, in der mehr als 200.000 Beschäftigte unterwegs sind.

„Es geht darum, dass wir fairen Wettbewerb wollen, dass anständige Unternehmen nicht die Dummen sein sollen“, sagte Heil. Die in der Branche arbeitenden Menschen bräuchten faire Arbeitsbedingungen. In vielen Bereichen werde mit „Konstruktionen von Sub-, Sub-, Subunternehmern gearbeitet“. Dort würden Löhne gedrückt und Sozialbeiträge hinterzogen: „Das werden wir nicht weiter zulassen.“ So wird der Minister in dem Beitrag Ein Gesetz gegen Ausbeutung von Sub-, Sub-, Subunternehmern zitiert. Selbst das Ministerium macht mit der Überschrift der eigenen Pressemitteilung eine klare Ansage, die jeder verstehen kann: „Ausbeutung einen Riegel vorschieben“. Und auch darin finden wir einen O-Ton des Ministers: „Die Entwicklung in Teilen der Paketbranche ist so schon länger nicht mehr akzeptabel. Arbeitende Menschen werden ausgebeutet, oft Menschen aus Mittel- und Osteuropa, die nur wenig Deutsch sprechen. Dieser üblen Praxis schieben wir mit dem Paketboten-Schutz-Gesetz einen Riegel vor, indem wir die Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge auch für die Paketbranche auf den Weg bringen.“ Na endlich, werden viele denken und zustimmend zur Kenntnis nehmen, dass nun etwas auf den konkreten gesetzgeberischen Weg gebracht wurde.

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