Abgespeist mit niedrigen Renten und dem Verweis auf die Grundsicherung: Mütter, Kindererziehungszeiten und ein Ping-Pong-Spiel auf höchstrichterlicher Ebene

Wieder eine der so trocken daherkommenden Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes, hinter der sich hunderttausende Einzelschicksale verbergen: 1.059.000 Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Dezember 2017. Das waren 3,2 Prozent mehr Leistungsberechtigte als im Dezember 2016. Während rund 515.000 Menschen Grundsicherung wegen einer Erwerbsminderung und unterhalb der Bedarfsschwelle liegenden Einkünften auf diese Sozialhilfeleistung angewiesen waren, wurden gleichzeitig 544.000 Empfänger/innen von Grundsicherung im Rentenalter registriert. Die Entwicklung der Zahlen bezogen auf diese Teilgruppe der Grundsicherungsempfänger nach dem SGB XII seit ihrer Einführung im Jahr 2003 ist in der Abbildung dargestellt. Wobei gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden muss, dass es sich um eine ausgeprägte Unterschätzung der Sozialhilfebedürftigkeit unter den Senioren handelt, denn immer noch geht man von einer ausgeprägten Nicht-Inanspruchnahme eigentlich zustehender Sozialhilfeleistungen bei den älteren Menschen aus. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe wie Schamgefühle, zum „Amt“ gehen zu müssen, Ängste vor der Bedürftigkeitsprüfung im Sozialamt, aber immer wieder wird auch die Angst vorgetragen, die Wohnungen verlassen zu müssen, in denen die Betroffenen teilweise seit Jahrzehnten leben, denn bei der Grundsicherung gelten die gleichen Regeln wie bei den Unterkunftskosten der Hartz IV-Empfänger – die Kosten und damit die Wohnungen müssen „angemessen“ sein, neben der Miete bezieht sich das auch auf die Größe der Wohnungen und bei Überschreiten der Richtwerte werden die Betroffenen aufgefordert, sich eine „billigere“ Wohnung zu suchen (die sie in vielen Gegenden angesichts der Nachfrageverhältnisse in diesem Bereich kaum bis gar nicht finden können). Bei älteren Menschen kommt hinzu, dass die Wohnungsfrage und damit verbundenen die Einbettung in einen ganz bestimmten Raum von besonderer existenzieller Bedeutung ist. 

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Und noch einmal vom Bundessozialgericht für die Akten: Keine Beitragsentlastung für Eltern in der Rentenversicherung

Grundsätzliche Entscheidungen kommen trocken daher: »Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat heute entschieden, dass es nicht gegen die Verfassung verstößt, wenn von Eltern wegen ihrer Betreuungs- und Erziehungsleistungen keine niedrigeren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gefordert werden (Aktenzeichen B 12 KR 14/15 R).« Und damit es jeder, der nur Überschriften liest, auch versteht, haben die Bundessozialrichter ihre Pressemitteilung zur neuen Entscheidung so überschrieben: Fehlende Beitragsentlastung für Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht verfassungswidrig. Das war es dann in Kassel. Bleibt der klagenden Seite nur noch der Weg nach Karlsruhe. Die Kläger haben bereits angekündigt, sich auf diese Reise begeben zu wollen.  Dabei haben sie etliche Mitstreiter. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2015, in dem das BSG bereits das gleiche Anliegen verworfen hatte, strengten bereits fast 400 Familien Klage beim höchsten deutschen Gericht an (Az.: B 12 KR 13/15 R und B 12 KR 14/15 R). Zu der angesprochenen Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2015 vgl. auch den Beitrag Die Sozialversicherung und ihre Kinder. Zur Entscheidung des Bundessozialgerichts: Keine Beitragsentlastung für Eltern vom 6. Oktober 2015. In dem damaligen Verharren ging es darum, dass ein Ehepaar den Beitrag zur Renten-, Kranken- und Sozialversicherung ab dem dritten Kind halbiert sehen wollte.

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Diesseits und jenseits des Papierkorbs: Sozialwahl – die Wahl, die viele nicht kennen. Einige Anmerkungen zur „Selbstverwaltung“ in der Sozialversicherung

Wahlen sind oftmals ein Aufregerthema. Vor und nach den Wahlen gibt es aufgeheizte Debatten und manches Ergebnis hat ein folgenschwere Bedeutung. Das kann man derzeit besichtigen im Umfeld des Referendums in (und außerhalb) der Türkei über die Einführung eines „Präsidialsystems“. Oder am kommenden Sonntag bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Oder in ein paar Wochen angesichts der überraschend angesetzten Neuwahlen in Großbritannien.

Und dann gibt es Wahlen, von denen viele kaum was mitbekommen, auch viele Wahlberechtigte nicht. Das kann dann zu solchen Überschriften führen: Die Wahl, die keiner kennt: »Über 51 Millionen gesetzlich Versicherte können bis zum 31. Mai ihre VertreterInnen bei den Sozialkassen wählen. Bei der Sozialwahl wird darüber entschieden, wer bei der Deutschen Rentenversicherung im Bund, im Saarland und bei den Ersatzkassen der gesetzlichen Krankenversicherung in den Vertretersammlungen sitzt und dort die Entscheidungen trifft.« Es geht offensichtlich um die Sozialwahl 2017. Bis zum 11. Mai werden die Wahlunterlagen noch per Post verschickt – es handelt sich um eine reine Briefwahl. Und erneut ist zu erwarten, dass viele der Umschläge mit den Wahlunterlagen in den Papierkörben der Nation landen und im günstigsten Fall dem Recycling zugeführt werden. Die letzte Sozialwahl hat 2011 stattgefunden und hinsichtlich der damaligen Beteiligung wurde uns mitgeteilt: Wahlbeteiligung sinkt leicht auf 30 Prozent. Sechs Jahre vorher lag die Wahlbeteiligung noch bei 30,8 Prozent. Das ist eine überschaubare Beteiligung – mit Galgenhumor könnte man sich in die Relativierung retten, dass das immer noch ein höherer Wert sei als bei manchen Kommunalwahlen. 

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