Blicken wir zurück in die Zeiten der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, konkret in das Jahr 2004. Zu Beginn dieses Jahres trat das „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ in Kraft. Seinerzeit waren die Sozialkassen klamm und die rot-grüne Bundesregierung suchte fieberhaft nach neuen Einnahmequellen. Unter der damals zuständigen Ministerin Ulla Schmidt (SPD) wurde auf der Suche nach zusätzlichen Geldern für die Gesetzliche Krankenversicherung die volle Beitragspflicht für Einkünfte aus der betrieblichen Altersvorsorge eingeführt – und das auch rückwirkend für alle Altverträge.
Dass das als ein massiver Vertrauensbruch von den dadurch Betroffenen wahrgenommen wurde und wird, überrascht jetzt nicht wirklich. Die von den Betroffenen als kalte Enteignung wahrgenommene Doppelverbeitragung wird von ihnen – und beispielsweise vom Verein Direktversicherungsgeschädigte – seit Jahren immer wieder kritisiert und eine Korrektur eingefordert.
»6,3 Millionen Bundesbürger (haben) den Rat der Politik befolgt und eine Direktversicherung oder andere Formen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen. Teile des Gehalts werden so fürs Alter angespart. Dass viele auf ihre Verträge auch noch den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abführen müssen, – also neben ihrem Anteil auch noch den des Arbeitgebers –, haben sie nicht gewusst. In aller Regel kommt das böse Erwachen erst bei Auszahlung des Kapitals.«
So Stefan Vetter in seinem Artikel „Das ist staatlich organisierter Raub“.
Bereits am 2. Februar 2018 wurde hier über das Thema berichtet: „Staatlich organisierter Raub“? Ein Teil der Betriebsrenten und das Problem ihrer doppelten Verbeitragung für die Kranken- und Pflegeversicherung, so ist der Beitrag überschrieben. Dort konnte berichtet werden, dass das nicht nur materiell einschneidende, sondern angesichts der damit verbundenen Gerechtigkeitsverletzungen auch hoch emotionalisierte Thema hinsichtlich einer Korrektur im Deutschen Bundestag aufgegriffen worden ist: Die Fraktion der Linken im Bundestag hat das Thema also aufgegriffen und einen Antrag eingebracht (Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Betriebsrenten – Doppelverbeitragung abschaffen, BT-Drs. 19/242 vom 12.12.2017), der am 1. Februar 2018 erstmals im Parlament diskutiert wurde.
Moment, wird jetzt der eine oder andere einwerfen, das Problem sollte doch gerade mit dem im vergangenen Jahr ins Leben gerufenem Betriebsrentenstärkungsgesetz aus der Welt geschaffen werden – nach dessen eigenen Anspruch »werden alle Formen der betrieblichen Altersversorgung insoweit gleich behandelt, als sie einheitlich nur einmal verbeitragt werden, d.h. entweder in der Einzahlungs- oder in der Auszahlungsphase«, so die Begründung zum Gesetz (BT-Drs. 18/11286 vom 22.02.2017, S. 52).
Wie so oft bei solchen Fragen kommt es auf das Kleingedruckte an. Schauen wir in den Antrag der Linken: Dort wird ausgeführt: »Die doppelte Verbeitragung wurde stattdessen jedoch ausschließlich für den Fall der wenig verbreiteten betrieblichen Riester-Versorgung abgeschafft: Vom 1. Januar 2018 an sind nur Auszahlungen aus der betrieblichen Riester-Rente beitragsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung. Für die anderen Konstellationen, die zu doppelter Verbeitragung führen, hat das Gesetz keine Verbesserungen vorgesehen«, beklagen die Antragsteller.
Aber die Antragsteller mäkeln nicht nur herum, sondern sie fordern eine verständliche Korrektur: »Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung darf bei Versorgungbezügen nur einmal anfallen. Demzufolge sollten entweder auf das Einkommen in der Ansparphase oder auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen Beiträge gezahlt werden. Wurden die Beiträge für die betriebliche Altersvorsorge aus nicht beitragspflichtigem Einkommen aufgebracht, dann sind in der Bezugsphase Beiträge zu zahlen. Wurden die Beiträge aus Einkommen gezahlt, für das bereits Krankenversicherungsbeiträge abgeführt wurden, darf die Versicherungsleistung nicht erneut verbeitragt werden. Hier muss die Bundesregierung endlich Gerechtigkeit herstellen.« Um das zu erreichen, solle die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.
Sowohl die Problemdiagnose (die übrigens von so gut wie allen geteilt wird) und auch die Lösungsvorschläge werden nun Thema einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages werden: Anhörung zu Krankenversicherungsbeiträgen für Betriebsrenten, so ist eine Ankündigung des Parlaments für den 25. April 2018 überschrieben.
Nun könnte man auf den naheliegenden Gedanken kommen, dass das ein Antrag der Linken ist und deshalb sowieso abgelehnt werden muss, man sich also damit nicht weiter auseinandersetzen muss. Aber schon in meinem Beitrag vom 02.02.2018 hatte ich darauf hingewiesen, dass das im vorliegenden Fall nicht ganz so einfach ist, denn die Problemdiagnose – deutlich auf den Punkt gebracht mit „staatlich organisierter Raub“ – wird auch in den Reihen derjenigen geteilt, die in der Regierung sitzen, also SPD und Union. So wurde beispielsweise der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, zitiert, der in einem Interview ausgeführt hatte, dass die doppelte Beitragszahlung bei Betriebsrenten „abgeschafft“ gehöre.
Und mit Blick auf die nun anstehende öffentliche Anhörung kann man diesem Bericht des VersicherungsJournal entnehmen: »Die SPD-Politikerin Sabine Dittmar sagte jetzt in einem Medieninterview, die SPD befürworte die Belastung der Betriebsrenten nur mit dem halben Beitragssatz.« Dazu auch dieser Artikel: Doppelverbeitragung: SPD will gegen doppelte Krankenkassen-Beiträge vorgehen. „Mir brennt das Thema auf der Seele“, so wird die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar zitiert. Leider habe es die Union abgelehnt, das Problem mit in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. „Aber ich glaube, die Union kann das Thema nicht komplett wegdrücken“, so die SPD-Politikerin. Man achte schon hier auf die Wortwahl – „nicht komplett wegdrücken“ könne die Union das Thema, nachdem sie wie nach Lehrbuch versucht hat, der Union die Schuld für die Nicht-Reparatur des Eingriffs zugeschoben hat. Und die Darstellung ihrer und damit der SPD-Position wird dann so zusammengefasst:
»Dittmar sagte, die SPD favorisiere, zur Belastung der Renten mit dem halben Beitragssatz zurückzukehren. Sie sprach von Einnahmeverlusten für die Krankenkassen von 2,6 Milliarden Euro. Es müsse eine Lösung gefunden werden, die allen Seiten gerecht werde, forderte sie.«
Das wäre sozusagen eine „Halbierung“ des Unrechts.
Wie das ausgehen wird? Prognosen sind bekanntlich immer dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber es gibt derzeit keine Hinweise, dass man die Einschätzung, die in dem letzten Beitrag zu diesem Thema am Ende zitiert wurde, verändern müsste: »Dem Vernehmen nach ist deshalb – wenn überhaupt – nur eine kostenschonende Teillösung politisch denkbar. So könnten zum Beispiel ausschließlich Altverträge aus der Zeit vor 2004 besser gestellt werden.«
Wie gesagt – wenn überhaupt. Auf Gerechtigkeit werden – wie in so vielen anderen Fällen auch – die Betroffenen wahrscheinlich noch lange, wenn nicht ewig warten müssen. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.