Die andere Seite der „Rente mit 63“: Während die einen wollen, müssen die anderen. Zwangsverrentung von Hartz IV-Empfängern

In den vergangenen Monaten wurde immer wieder überaus kontrovers über die „Rente mit 63“ diskutiert und oftmals auch polemisiert. Im Mittelpunkt der Argumentation vieler Kritiker steht dabei der Vorwurf, dass hier eine Rolle rückwärts gemacht werde angesichts der doch eigentlich auf den Weg gebrachten und aus dieser Perspektive auch als dringend erforderlich angesehenen Verlängerung des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Einige gehen sogar noch weiter, so beispielsweise Hans-Werner Sinn, der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Er plädiert für eine weitgehende Liberalisierung des Renteneintrittsalters (vgl. hierzu den Artikel Hans-Werner Sinn fordert Abschaffung des gesetzlichen Rentenalters). Er wird zitiert mit den Worten: »Die Politik sollte ernsthaft darüber nachdenken, die feste Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitslebens vollständig aufzuheben und gegenüber dem Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu gleichen Bedingungen zu ermöglichen.« In diesem Kontext erscheint es dann schon mehr als begründungspflichtig, wenn es gleichzeitig eine Diskussion gibt über „Zwangsverrentung“ von Hartz IV-Empfängern mit 63. Wie passt das zusammen?  

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Neue Zahlen zur Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit im Grundsicherungssystem. Und in der Arbeitsmarktpolitik wird das „Programmhopping“ für einige wenige fortgeschrieben

Wissenschaftler der Hochschule Koblenz haben eine neue Untersuchung vorgelegt – mit erschreckenden Zahlen zur Verfestigung und Verhärtung der Langzeitarbeitslosigkeit im Grundsicherungssystem, von der Hunderttausende Erwachsene (und Kinder) betroffen sind:

Obermeier, Tim; Sell, Stefan und Tiedemann, Birte: Es werden mehr. Aktualisierte Abschätzung der Zielgruppe für eine öffentlich geförderte Beschäftigung aus der sich verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit. Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 15-2014, Remagen, 2014

Mehr als 480.000 Menschen in Deutschland haben nahezu keine Chance am Arbeitsmarkt. Das ist das Ergebnis einer Studie der Hochschule Koblenz. Trotz guter Arbeitsmarktlage ist ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr noch gestiegen. In den Familien dieser Menschen leben über 340.000 Kinder unter 15 Jahren – ebenfalls deutlich mehr als noch im Vorjahr.

Der deutsche Arbeitsmarkt scheint besonders aufnahmefähig. Die Arbeitslosenzahlen sinken und die Zahl der Beschäftigten steigt kontinuierlich. Doch bietet der robuste Arbeitsmarkt allen eine Perspektive auf Beschäftigung? Eine Berechnung der Forscher von der Hochschule Koblenz auf Basis der aktuellen Daten des Panels Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung (PASS) 2012 zeigt: Nein! Denn mehr als 480.000 Menschen in Deutschland sind zwar erwerbsfähig, aber gleichzeitig so „arbeitsmarktfern“, dass ihre Chancen auf Arbeit gegen Null tendieren. Ebenfalls von der Lage ihrer Eltern betroffen sind 340.000 Kinder unter 15 Jahren, die in den Haushalten der besonders benachteiligten Arbeitslosen leben.

Besonders alarmierend: Die Lage der Arbeitsmarktfernen verschlechtert sich zusehends. Bereits im Vorjahr hatten die Wissenschaftler der Hochschule Koblenz ihre Zahl berechnet und waren noch zu deutlich geringeren Werten gekommen. Mit 435.000 Menschen gab es 2011 noch zehn Prozent weniger Betroffene. Und auch die Zahl der Kinder ist gestiegen. 2011 lebten 305.000 unter 15-Jährige in den Haushalten der Arbeitsmarktfernen, 11,5 Prozent weniger als 2012.

In Anlehnung an die sehr restriktive Bestimmung der Zielgruppe für eine öffentlich geförderte Beschäftigung durch den Gesetzgeber definieren die Wissenschaftler Personen als arbeitsmarktfern, wenn sie in den letzten drei Jahren nicht beschäftigt waren und mindestens vier Vermittlungshemmnisse aufweisen. Dazu gehören ein Alter über 50 Jahre, alleinerziehend zu sein, Angehörige zu pflegen, ein Migrationshintergrund, geringe Deutschkenntnisse, ein fehlender Schul- und/oder Ausbildungsabschluss, schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen und ein durchgängiger Arbeitslosengeld II-Bezug von mindestens 12 Monaten. Diese Merkmale führen vor allem in ihrer Kombination nachgewiesenermaßen dazu, dass Arbeitgeber die Betroffenen schlichtweg nicht mehr einstellen.

Die vorliegende Studie hat – im Wissen um die problematische Diskussionswürdigkeit des Begriffs „arbeitsmarktferne Personen“ – einen inhaltlich fundierten Ansatz vorgestellt, mit dem die Größenordnung einer restriktiv im Sinne von „arbeitsmarktfern“ abgegrenzten Personengruppe ermittelt werden kann, die als Grundgesamtheit für Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung zugrunde gelegt werden könnte – wenn man das will. Die quantitative Abschätzung bewegt sich in einem Bereich von mehr als 480.000 Menschen.

Immer offensichtlicher wird die Tatsache, dass die Politik diese Personengruppe in den vergangenen Jahren schlichtweg „vergessen“ bzw. bewusst in Kauf genommen hat, dass es zu einer dauerhaften Exklusion dieser Menschen aus dem Erwerbsleben kommt. Die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen im SGB II-Bereich sind erheblich reduziert worden und gleichzeitig hat der Gesetzgeber förderrechtlich die bestehende „Lebenslüge der öffentlich geförderten Beschäftigung“ sogar noch verschärft und damit die Möglichkeit für angemessene Angebote weiter eingeengt.  Im Ergebnis sehen wir eine massive „Verfestigung“ und „Verhärtung“ der Langzeitarbeitslosigkeit im Grundsicherungssystem – und das in Jahren, in denen wir mit positiven Rahmenbedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konfrontiert waren. Wie wird dann erst die Entwicklung sein, wenn wir wieder mit schlechteren Nachfragebedingungen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sein sollten?
Nun gibt es schon seit längerem zahlreiche Reformvorschläge für eine sinnvollere öffentlich geförderte Beschäftigung, die aus dem Fachdiskurs stammen und die mittlerweile auch in die politischen Konzeptionen eingeflossen sind und dort vor allem unter dem Begriff „Sozialer Abeitsmarkt“ thematisiert werden.

Es kann an dieser Stelle nur darauf hingewiesen werden, dass man die Begrifflichkeit „Sozialer Arbeitsmarkt“ auch sehr kritisch sehen kann und eigentlich wäre eine andere Terminologie erforderlich, denn sie verführt zu einer verengten und letztendlich kontraproduktiven Sichtweise auf das, was mit einer substanziell reformierten öffentlich geförderten Beschäftigung erreicht werden soll. Wenn man Menschen befragt, was sie sich vorstellen unter einem „sozialen Arbeitsmarkt“, dann werden oftmals Arbeiten genannt in sozialen Einrichtungen (wie Kitas oder Pflegeheimen) oder die Vorstellung geäußert, es handelt sich um irgendwelche „Schonarbeitsplätze“ ganz weit weg vom „normalen“ Arbeitsmarkt. Dabei geht es im Kern des echten Konzepts eines „sozialen Arbeitsmarktes“ gerade darum, die öffentlich geförderte Beschäftigung möglichst im oder am „ersten“, „normalen“ Arbeitsmarkt realisieren zu können, weshalb ja die Forderung nach Wegfall der Restriktionen wie Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität aufgestellt wird – zugleich kann man dann auch verstehen, warum man eine mögliche Zielgruppe für eine solche Subventionierung auch durchaus restriktiv abgrenzen muss hinsichtlich ihrer Förderbedürftigkeit.

Was man leider rückblickend konstatieren muss ist eine „Entleerung“ der Instrumente öffentlich geförderter Beschäftigung in dem Sinne, dass es immer weniger bis gar nicht mehr möglich ist, höherwertige Formen der Beschäftigung realisieren zu können, also in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. Zugespitzt formuliert: Die Optionen öffentlich geförderter Beschäftigung wurden eingedampft auf die Arbeitsgelegenheit nach der Mehraufwandsentschädigungsvariante, also dem, was umgangssprachlich als „Ein-Euro-Jobs“ bekannt ist. Diese Entwicklung ist zu kritisieren und zu beklagen – unabhängig davon hätte auch in einem neuen System der öffentlich geförderten Beschäftigung die Arbeitsgelegenheit nach der Mehraufwandsentschädigung ihren berechtigten Platz, nur eben nicht als der Regel- oder sogar ausschließliche Fall einer Förderung. Angesichts der erheblichen Heterogenität der Menschen im Grundsicherungssystem brauchen wir nicht ein Förderinstrument, sondern ein Spektrum an ineinander greifenden Förderoptionen, bei denen die AGH mit Mehraufwandsentschädigung durchaus ihren Platz hätten. Aber wir brauchen dann auch innerhalb eines profes-sionellen Settings an Beschäftigungsangeboten die Möglichkeit, die Betroffenen „aufsteigen“ zu lassen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Und auch für die Menschen, die über einen sehr langen Zeitraum in einer öffentlich geförderten Beschäftigung untergebracht werden (müssen), weil sie aus welchen einzelnen Gründen auch immer keinen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt finden (können), brauchen wir Beschäftigungsangebote, die sich in dem Normalitätsrahmen unseres Arbeitsmarktes bewegen. Aber um dahin zu kommen, muss eine Grundsatzentscheidung getroffen werden: Wollen wir eine teilhabeorientierte Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik oder wollen wir den „harten Kern“ der Langzeitarbeitslosen im passiven Transferleistungsbezug auf Dauer „stilllegen“. Denn genau das wäre die „Alternative“, die man offen aussprechen sollte.

Die Vorlage der neuen Zahlen „passt“ in die aktuelle arbeitsmarktpolitische Diskussion – denn gerade hat die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Vorschläge in die Öffentlichkeit gegeben, was sie gegen Langzeitarbeitslosigkeit machen möchte: Eine gute Übersicht dazu findet sich in dem Artikel Zuschüsse und öffentlich finanzierte Jobs als Hilfe von Karl Doemens. Darin findet sich eine Bewertung der Arbeitsmarktexpertin der Grünen im Bundestag, der viele Praktiker und Experten leider werden zustimmen müssen: „Das Programmhopping geht weiter“. 
Vielleicht können die nunmehr vorliegenden Zahlen über die Größenordnung der besonders betroffenen Langzeitarbeitslosen doch noch in der Politik das Nachdenken über Lösungen anregen, die nicht auf der kosmetischen Ebene der Aktivitätssimulation stehen bleiben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Wenn irgendjemand überlegt und auf der Suche ist, etwas gegen Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, dann ist das sinnvoll, diskussionswürdig und gehört unbedingt auf die Tagesordnung

Das ist wieder mal ein Beispiel für eine selten dämliche Überschrift, die man in der Zeitung, hinter der angeblich lauter kluge Köpfe stecken, lesen musste: Union schmiert Zuckerbrot für Arbeitslose, so ist ein Artikel in der FAZ überschrieben. Dabei geht es in Wirklichkeit um eine ernste und wichtige Angelegenheit, für hunderttausende Menschen, die teilweise seit vielen Jahren in der Langzeitarbeitslosigkeit einzementiert und damit oftmals gesellschaftlich exkludiert sind. Für viele wird es unter den herrschenden Rahmenbedingungen eines fatalen Zusammenspiels einer restriktiv ausgestalteten Arbeitsmarktpolitik vor allem im Förderrecht, einer seit 2011 auf dem Sinkflug befindlichen Ausstattung des Eingliederungstitels (also der für Förderaktivitäten zur Verfügung stehenden Geldmittel) und dies gerade im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung, einer teilweisen Ausrichtung des Vermittlungs- und Eingliederungshandelns auf „quick and dirty“-Aktivitäten, zugleich aber auch flächendeckend wegrationalisierten Einfacharbeitsplätzen und natürlich bei nicht wenigen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen auch individuelle Hemmnisse, die zu einem dauerhaften Ausschluss vom Arbeitsmarkt beitragen, so gut wie keine realistischen Perspektiven auf eine mittel- oder langfristige Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt geben.

Während wir auf der einen Seite gerade erst in diesen Tagen wieder über eine erneut gesunkene Arbeitslosigkeit – zumindest gemessen an der registrierten Arbeitslosigkeit – seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA) informiert wurden, muss man gleichzeitig feststellen, dass sich der so genannte „harte“ Kern der Langzeitarbeitslosen wie in den vergangenen Jahren kaum bis gar nicht bewegt. Diese Menschen profitieren in kleinster Art und Weise von der bislang positiven Arbeitsmarktentwicklung. Und es ist wie ein fataler Teufelskreislauf. Je länger die Menschen in der Langzeitarbeitslosigkeit verbringen, desto unwahrscheinlicher wird es, sie in irgendeine Beschäftigung integrieren zu können. Wir sind an dieser Stelle mit unglaublichen individuellen, aber eben auch gesellschaftlichen Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit konfrontiert. Vor diesem Hintergrund sind alle Aktivitäten, die in irgendeiner Form geeignet sein könnten, dass „Vergessen“ der Langzeitarbeitslosen aufzubrechen, begrüßenswert und diskussionswürdig.

Über einen solchen Versuch berichtet der bereits erwähnte FAZ-Artikel, man kann das, worum es hier geht, auch wesentlich neutraler unzutreffende ausdrücken, wie beispielsweise die Sächsische Zeitung, die ihren Beitrag überschrieben hat mit Koalition will mehr gegen Langzeitarbeitslosigkeit tun, wobei noch zu prüfen und zu beobachten sein wird, ob es wirklich die Koalition ist, die mehr gegen Langzeitarbeitslosigkeit tun möchte.

Also werfen wir einen Blick auf die Vorschläge, über die aktuell berichtet wird.
Es geht um Passagen eines Positionspapiers zu einer Weiterentwicklung des Hartz-IV-Systems, über das Vertreter des Sozial- und Wirtschaftsflügels der Union derzeit beraten. Das Papier ist – hier zumindest sehr ambitioniert – mit dem Titel „Arbeitsmarktpolitik 2020 – Schritt in die Zukunft“ versehen worden. Dem Artikel von Dietrich Creutzburg können wir entnehmen:

„Das Erreichen von Zielen oder Teilzielen, die (…) in Richtung Eingliederung in Arbeit führen, sollte durch konsequente Anreize gefördert werden“, heißt es darin. Solche Ziele könnten etwa erfolgreich absolvierte Fortbildungen oder Coachingeinheiten sein. In einem ersten Schritt solle in Modellprojekten praxisnah erprobt werden, inwieweit auch solche positiven Anreize „die Chancen auf einen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt erhöhen“, heißt es in dem Papier.

Das klingt jetzt nicht wirklich toll und sollte eigentlich – könnte man meinen –  eine Selbstverständlichkeit sein. Der Hinweis auf geplante Modellversuche lässt bei den Insidern nur den langjährig ausgebildeten Frustrationspegel steigen. Modellversuche an sich sind zu einem Ärgernis geworden, bei dem viel Lebenszeit verbraten wird, oftmals nur, um eine Angelegenheit in der „Wir tun doch was, aber es soll nicht wirklich was kosten“-Schleife zu parken. Dass so etwas als „Reformvorschlag“ präsentiert wird, zeigt lediglich, wie tief das ganze Handlungsfeld bereits abgerutscht ist.

Wesentlich interessanter und besonders hervorzuheben ist der folgende Hinweis auf einen Reformvorschlag in dem Positionspapier der Unions-Abgeordneten:

»Ein anderer zielt darauf, die sogenannten Arbeitsgelegenheiten („Ein-Euro-Jobs“) in der bisherigen Form abzuschaffen und durch einen neuen Förderansatz im Form sogenannter Integrationsbetriebe abzulösen.«

Hier nähern wir uns einem Kernproblem im arbeitsmarktpolitischen Teilbereich der gesamten öffentlich geförderten Beschäftigung, das zumindestens in Fachkreisen seit Jahren intensiv diskutiert und hin und her gewendet wird. Vereinfacht gesagt: Die öffentlich geförderte Beschäftigung befindet sich seit den 1990er Jahren auf eine Rutschbahn nach unten. So gut wie alle höherwertigen Formen der öffentlich geförderten Beschäftigung, also beispielsweise die klassischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wurden sukzessive beseitigt und im wesentlichen stehen heute gerade im Bereich des SGB II nur noch die Arbeitsgelegenheit nach Mehraufwandsentschädigungsvariante zur Verfügung.  Seit Jahren wird nun immer wieder und mit guten Argumenten eine Reform dieser desaströsen Entwicklung gefordert. Vor der letzten Bundestagswahl gab es eine breite Unterstützung für solche Reformschritte, die unter dem – allerdings hinsichtlich des eigentlichen Konzepts völlig ungeeigneten, weil den normalen Bürger auf Arbeitsplätze in sozialen Einrichtungen oder Schonarbeitsplätze lenkenden – Begriff eines „sozialen Arbeitsmarktes“ diskutiert wurden.

Im Grunde geht es hierbei um das Modell einer Lohnkostensubventionierung von besonders beeinträchtigten Arbeitslosen, die ansonsten keine oder nur eine erheblich geminderte Chance auf eine Beschäftigung hätten (vgl. hierzu grundlegend Sell, S.: Die öffentlich geförderte Beschäftigung vom Kopf auf die Füße stellen. Ein Vorschlag für die pragmatische Neuordnung eines wichtigen Teilbereichs der Arbeitsmarktpolitik. Remagener Beiträge zur Sozialpolitik 10-2010. Remagen, 2010) mit dem Ziel, dieser Förderung im bzw. am „ersten“, also dem normalen Arbeitsmarkt zu platzieren. Genau dieser Weg ist derzeit in der öffentlich geförderten Beschäftigung im SGB II-Bereich förderrechtlich  gerade bei dem verbliebenen Hauptinstrument, also den Arbeitsgelegenheiten (umgangssprachlich „Ein-Euro-Job“ genannt), gar nicht möglich, denn für diese Maßnahmeform hat der Gesetzgeber nicht nur ein öffentliches Interesse sowie die zusätzlich keine, sondern seit der letzten gesetzlichen Änderung sogar die Wettbewerbsneutralität fixiert, was in der Praxis dazu führen muss, dass die Tätigkeitsfelder, in den sich die Arbeitsgelegenheiten bewegen dürfen, möglichst weit weg sein müssen von dem, was auf dem „normalen“ Arbeitsmarkt abläuft.

Vor diesem hier nur grob skizzierten Grunddilemma der öffentlich geförderten Beschäftigung ist der Hinweis auf einen „neuen Fördersatz in Form so genannter Integrationsbetriebe“, der sich in dem neuen Positionspapier wieder findet, von so großer Bedeutung. Korrekterweise muss man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Unions-Abgeordneten  hier keineswegs etwas Neues erfunden haben, sondern die von ihnen nunmehr allerdings auch für bestimmte Langzeitarbeitslose im SGB II geforderten Integrationsbetriebe gibt es schon seit langem im SGB IX (§§ 132 ff.), also für die Beschäftigung von schwer behinderten Menschen in Integrationsunternehmen. Das Besondere an diesen Integrationsunternehmen ist, dass bei ihnen keine Zusätzlichkeit oder Wettbewerbsneutralität gefordert wird, ganz im Gegenteil: Diese Unternehmen operieren auf dem Markt, sie produzieren und erledigen für andere Unternehmen der Wirtschaft Aufträge. Sie müssen sogar einen ganz erheblichen Teil ihrer Kosten auf dem „ersten“ Arbeitsmarkt erwirtschaften. Die öffentlichen Mittel, die sie bekommen, speisen sich im wesentlichen aus der so genannten „Ausgleichsabgabe“, die Betriebe bezahlen müssen, die die gesetzlich vorgeschriebene Schwerbehindertenbeschäftigungsquote nicht einhalten. Hinzu kommen bestimmte Steuervergünstigungen, die sie dann erhalten können, wenn sie sich in einer gemeinnützigen Rechtsform bewegen, was bei etwa 80 % der bundesweit über 700 Integrationsunternehmen, in denen mehr als 21.000 Beschäftigte tätig sind, der Fall ist. Etwas mehr als 10.000 dieser Beschäftigten gehören zu der Personengruppe der schwer behinderten Menschen.

Die Differenz zwischen den beiden Zahlen verweist zugleich darauf, dass in diesen Integrationsunternehmen eben nicht nur schwerbehinderte Menschen arbeiten, sondern mindestens 50 % der Belegschaft „normale“ Arbeitnehmer sind und sogar sein müssen, damit eine betriebswirtschaftlich darstellbare Arbeit dieser Unternehmen überhaupt möglich wird, denn wie gesagt, die müssen einen großen Teil der Kosten am und auf dem Markt durch Erlöse erwirtschaften.
Ganz offensichtlich schwebt den Abgeordneten vor, das Modell der Integrationsunternehmen, das bislang hinsichtlich der  öffentlichen Förderung beschränkt war  auf schwerbehinderte Menschen, nun auch aufzubohren für langzeitarbeitslose Menschen aus dem SGB II. Grundsätzlich ist dies ein interessanter und vor dem Hintergrund der zahlreichen Widersprüche und Unsinnigkeit, die wir im derzeit bestehenden System der öffentlich geförderten Beschäftigung im Grundsicherungssystem haben, auch sinnvoller Ansatz. Allerdings muss man natürlich die völlig anderen Relation im Auge behalten, die sich bei einer Ausweitung auf das Harz IV-System ergeben würden.

Im jetzigen System der Integrationsunternehmen, also bei Beschränkung auf schwerbehinderte Menschen, geht es um insgesamt etwas mehr als 20.000 Beschäftigte, die in solchen Betrieben arbeiten. Würde man hingegen bei einer Übertragung auf das Grundsicherungssystem nur den wirklich „harten“ Kern der langzeitarbeitslosen Menschen nehmen, der in einer im vergangenen Jahr vorgelegten Studie des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) abgeschätzt wurde ausgehend von einer Begrenzung auf Menschen im SGB II-System, die seit mehr als drei Jahren keine Beschäftigung mehr nachgegangen sind und die mehr als vier so genannte Vermittlungshemmnisse  in der Abgrenzung der BA aufweisen, dann stehen wir einer Gruppe gegenüber, deren Größenordnung mit (mindestens) 435.000 Menschen berechnet wurde, in deren Haushalten übrigens mehr als 300.000 Kinder leben. Am 6.11. werden übrigens die aktualisierten Werte diesen „harten“ Kern betreffend der Öffentlichkeit vorgestellt. Auch wenn wir einmal annehmen, dass angesichts des unbedingt erforderlichen freiwilligen Angebots an öffentlich geförderte Beschäftigung für diese Menschen nur die Hälfte der potentiellen infrage kommenden Teilnehmer eine solche Beschäftigung wünschen würden, dann reden wir hier von einer Größenordnung von 200.000 aufwärts. Das wäre natürlich ganz andere Quantitäten, als das, was wir derzeit im System der Integrationsunternehmen mit ihrer Fokussierung auf schwer behinderte Menschen vorfinden.

Trotzdem geht dieser Vorschlag in eine Richtung, die von vielen Fachleuten mit Sicherheit begrüßt und unterstützt wird. Darüber hinaus ist zu hoffen, dass die nunmehr an Fahrt gewinnende Diskussion über eine Änderung des SGB II im Bereich des Förderrechts diesen Ansatz produktiv aufgreift und letztendlich das ermöglicht, was wir für die Praxis dringend benötigen: Die rechtliche Ermöglichung des gesamten Spektrums an sinnvollen Fördermaßnahmen in Abhängigkeit von der konkreten Lebenssituation der einzelnen Betroffenen. Um das in aller Deutlichkeit zu sagen: Das bedeutet eben nicht die Abschaffung der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, also der „Ein-Euro-Jobs“, denn die kann man sehr wohl gebrauchen beispielsweise für einen arbeitstherapeutischen Zugang bei Suchtkranken Menschen, die aus der medizinischen Rehabilitation kommen und ganz schrittweise wieder Fuß fassen müssen in der Arbeitswelt. Darüber hinaus brauchen wir aber mehrere unterschiedliche Formen der Förderung, so dass man – wenn das notwendig ist – eine fördertest konstruieren kann, die eine schrittweise Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt überhaupt erst möglich macht.

Sollte die nunmehr angestoßene Debatte über eine neue, diesmal hoffentlich aber wirklich sinnvolle und nicht die Situation noch verschlechternde „Instrumentenreform“ wie 2011 dazu führen, dass man endlich zumindestens auf der Seite der rechtlichen Regulierung der Arbeitsmarktpolitik die Freiheitsgrade erreichen kann, die die Praktiker im Interesse der betroffenen Menschen dringend benötigen, dann wäre viel gewonnen.

Das Potenzial, das in dem neuen Vorstoß zu finden ist, wird offensichtlich auch von anderen gesehen. So berichtet die Sächsische Zeitung in ihrem Artikel:

Bei Sozialverbänden und in der Opposition stießen die Vorstöße auf eine positive Resonanz. „In der Unionsfraktion scheint es Bewegung in die richtige Richtung zu geben“, sagte der Sozialexperte der Grünen im Bundestag, Wolfgang Strengmann-Kuhn. „Wir müssen weniger auf Bestrafung setzen und mehr auf Belohnung.“ Hartz-IV-Bezieher dürften nicht länger wie kleine Kinder behandelt werden.
Strengmann-Kuhn forderte zudem eine Umschichtung von Arbeitslosengeld II in einen Lohnzuschlag im Rahmen eines sozialen Arbeitsmarkts. Dies könne helfen, neue Chancen für eine begrenzte Gruppe schwer auf dem Markt vermittelbarer Menschen zu schaffen. Von Nahles forderte er Klartext: „Die Ministerin muss im Ausschuss über ihre bislang wolkigen Ankündigungen hinaus einen konkreten Plan vorlegen.“

Man könnte an dieser Stelle auf den Gedanken kommen, dass das jetzt die passende Stelle wäre für den Ausruf „Nahles, übernehmen Sie!“, denn immerhin handelt es sich ja a) um eine sozialdemokratische und b) um die Arbeitsministerin, so dass man c) vermuten könnte, dass es sich um „ihr“ Thema handelt muss. Tut es aber erkennbar nicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erweist sich derzeit als das große schwarze Loch, in dem Reformvorschläge verschwinden und von der dort offensichtlich recht frei vor sich hin agierenden Ministerialbürokratie schlichtweg geschreddert werden. Was die Frage nach der Führung aufwerfen könnte.

Aber nicht nur der politischen Führung, sondern auch die Frage nach den Inhalten. Wenn man denn welche hat. Zugespitzt formuliert könnte die Frage nach Inhalten auch so gestellt werden: Was wollt ihr denn mit den vielen hunderttausend Menschen machen, die offensichtlich auch von einem bislang noch in guter Verfassung befindlichen Arbeitsmarkt so nicht aufgenommen werden. Wenn wir kein vernünftiges Mehrstufensystem der Förderung und ggfs. auch der längeren subventionierten Beschäftigung finden, dann sollte man wenigstens so ehrlich sein zu sagen, dass man diese Menschen auf Dauer in ihrem Leistungsbezug stilllegt, bis sie dann irgendwann in die Grundsicherung für Ältere hinüberwechseln.

„Entschärfter“ sanktionieren beim Existenzminimum? Das Bundesarbeitsministerium streut ein „Diskussionspapier“ über mögliche Veränderungen bei den Hartz IV-Sanktionen

Es kommt Bewegung in die Debatte über ein hoch kontroverses Thema: Sanktionen im Grundsicherungssystem. Für die einen sind sie von zentraler Bedeutung für das „Fordern“ im Hartz IV-System, um Druck auszuüben und auch um zu „bestrafen“, wenn man sich nicht regelkonform verhält. Für die anderen gibt es nur den Weg einer Abschaffung der Sanktionen und sie argumentieren, es kann nicht sein, Menschen das Existenzminimum zu entziehen. Irgendwo dazwischen sind diejenigen, die zwar keine grundsätzliche Abschaffung von Sanktionen unterstützen, aber mit guten empirischen Argumenten darauf hinweisen, dass die Sanktionspraxis durch eine erhebliche Streuung zwischen den Jobcentern (und sogar innerhalb von Jobcentern) charakterisiert ist, die nicht durch entsprechende Unterschiede zwischen den Personengruppen erklärt werden kann und insofern deutliche Hinweise auf eine willkürliche Ausgestaltung vorliegen. Hinzu kommt: Zahlreiche Sanktionen werden von den Sozialgerichten wieder einkassiert und waren demnach offensichtlich rechtlich nicht fundiert (dazu Hohe Erfolgsquoten bei Klagen und Widersprüchen gegen Sanktionen). Um welche Dimension es hier geht, verdeutlicht ein Blick auf die Zahlen: »Gut eine Million Mal haben die Jobcenter im vergangenen Jahr Leistungen gekürzt, in mehr als zwei Dritteln aller Fälle, weil Arbeitslose Termine unentschuldigt platzen ließen. Im Durchschnitt wurden 2013 fast 9000 Personen pro Monat die Zahlung ganz gestrichen«, so Thomas Öchsner in seinem Artikel Nahles will Hartz-IV-Sanktionen entschärfen. Auch der von vielen Medien immer wieder aufgegriffene Zuwachs an Sanktionen in den vergangenen Jahren basiert fast ausschließlich auf so genannten Meldeversäumnissen (dazu Mehr Sanktionen gegen „Hartz IV“-Bezieher wegen Arbeitsverweigerung?). Auch hier wurde schon grundsätzlich über den Streit über den (Un-)Sinn der Sanktionen berichtet (Das große Durcheinander auf der Hartz IV-Baustelle).

Öchsner berichtet in seinem Artikel, dass die strengeren Sonderregeln für unter 25-Jährige besonders umstritten sind. Denn den Jüngeren dürfen die Vermittler schon nach dem ersten gravierenden Verstoß gegen die Auflagen das Arbeitslosengeld II komplett für drei Monate kappen. Nach der zweiten Pflichtverletzung kann es auch vorübergehend kein Geld mehr für Miete und Heizung geben – mit der Folge, dass durch solche Maßnahmen Wohnungs- und Obdachlosigkeit vorprogrammiert sind. Union und SPD haben deshalb in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, zumindest die Sanktionsregeln für unter 25-Jährige „auf ihre Wirkung und möglichen Anpassungsbedarf hin“ zu überprüfen.

Zu dieser Frage gibt es neben vielen normativen Stellungnahmen auf neuere Forschungsbefunde, von denen hier beispielhaft zwei zitiert werden sollen:

  • Zum einen die Expertise Sanktionen im SGB II. Verfassungsrechtliche Legitimität, ökonomische Wirkungsforschung und Handlungsoptionen von Oliver Ehrentraut et al. (2014). »Sie geben einen Überblick über den Umfang und die Entwicklung der Sanktionen im Bereich der Grundsicherung, über unterschied- liche Positionen und Standpunkte, über die zentralen Argumente in der juristischen Debatte sowie über die Wirkungen von Sanktionen und die Schwierigkeiten bei der Interpretation der Ergebnisse. So weisen beispielsweise eine Reihe von Untersuchungen nach, dass Sanktionen im SGB II Auswirkungen auf die Beschäftigungsaufnahme haben. Allerdings wäre es verkürzt, dies schon als Beleg für den „Erfolg“ von Sanktionen zu werten. Die vertiefte Analyse lässt nicht nur einen lückenhaften Forschungsstand zu bestimmten Fragen erkennen, sondern nicht selten zudem eine ausschließlich auf quantitative Wirkungen verengte Forschungsperspektive. Sogenannte „nicht-intendierte“ Effekte wie z.B. gesundheitliche Folgen, Verschuldung oder Rückzug vom Arbeitsmarkt werden eher selten in die Untersuchungen einbezogen. Diese verengte Perspektive schränkt nicht nur die Interpretationsmöglichkeiten, sondern auch die Ableitung von Konsequenzen für die Gesetzgebung und die Verwaltungspraxis erheblich ein. Über Alternativen zu Sanktionen – so der Eindruck aus den vorliegenden Befunden – wird kaum nachgedacht«, so Ruth Brandherd im Vorwort zu der Expertise (Ehrentraut et al. 2014: 5).
  • Anlässlich einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags von Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2014 hat sich auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit zu dem Thema geäußert: Joachim Wolff: Sanktionen im SGB II und ihre Wirkungen, Nürnberg 2014. Erkennbar ist eine „Sowohl-als-auch“-Positionierung des BA-eigenen Instituts: »Die Befunde einiger quantitativer Studien weisen darauf hin, dass Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II aufgrund einer Leistungsminderung verstärkt in Beschäftigung übergehen. Eine Befragung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Nordrhein-Westfalen liefert ferner Anhaltspunkte dafür, dass ein Teil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den im Sozialgesetzbuch II festgelegten gesetzlichen Pflichten ohne die Sanktionsmöglichkeit nicht nachkommen würde. Verschiedene Befragungsstudien verdeutlichen allerdings, dass sehr hohe Leistungsminderungen in Höhe von 60 Prozent des Regelsatzes, Wegfall des Regelsatzes bis hin zur „Totalsanktion“ besondere Einschränkungen der Lebensbedingungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit sich bringen können. Darunter fallen unter anderem verschärfte seelische Probleme, eingeschränkte Ernährung, Sperren der Energieversorgung und in Einzelfällen Obdachlosigkeit. Die Erkenntnisse sprechen nicht für ein generelles Aussetzen der Sanktionen im ALG-II-Bezug. Bei einer Reform der Sanktionsregeln sollte es vielmehr darum gehen, sehr starke Einschränkungen der Lebensbedingungen durch Sanktionen zu vermeiden und gleichzeitig eine Anreizwirkung der Sanktionen im Blick zu behalten« (Wolff 2014: 4). 

Und was tut sich nun aktuell auf der Ebene der Regierungspolitik? »Das von Andrea Nahles (SPD) geführte Bundesarbeitsministerium will … in Zukunft unnötige Härten vermeiden, das Strafsystem vereinfachen und die Sanktionen teilweise lockern. Dies geht aus dem Konzept des Ministeriums „zur Weiterentwicklung des Sanktionenrechts“ in der staatlichen Grundsicherung hervor«, so Öchsner in seinem Artikel. Und konkretisierend erfahren wir:

»Bislang wird den Hartz-IV-Empfängern der Regelsatz von derzeit 391 Euro für einen Alleinstehenden nach einem bestimmten Prozentsatz gekürzt, beim ersten Meldeversäumnis zum Beispiel um zehn Prozent. Dies hält das Ministerium für „verwaltungsaufwendig“ und „fehleranfällig“. Künftig sollen die Mitarbeiter in den Jobcentern den Hartz-IV-Satz pauschal um zum Beispiel 50 oder 100 Euro mindern können. Die strengeren Sonderregeln für unter 25-Jährige sollen ganz entfallen. Es wird also nicht mehr nach Lebensalter entschieden, was einige Verfassungsrechtler schon lange als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kritisieren. Rechte und Pflichte sollen künftig „für alle Leistungsberechtigten in gleicher Weise“ gelten, heißt es in dem Regierungspapier …«.

Also das bedeutet vor allem eine „Entschärfung“ des Verwaltungsaufwandes für die Jobcenter, die offensichtlich davon entlastet werden sollen, einen bestimmten Prozentsatz von einem konkreten Leistungsbetrag ausrechnen zu müssen. „Entschärfter“ sanktionieren mit einer Pauschale, so muss man das wohl zusammenfassen. Der Wegfall der Sonderregelungen für Jugendliche und junge Erwachsene wäre allein rechtssystematisch längst überfällig.
Aber es geht weiter – mit einer wichtigen „guten“ Botschaft für die Betroffenen und einer erneuten Verwaltungsentlastungsinaussichtstellung für die Jobcenter aus dem Hause Nahles:

»Das Arbeitsministerium will künftig auch vermeiden, dass Hartz-IV-Empfänger auf Grund von Sanktionen auf der Straße landen können. Die staatliche Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung werde „nicht mehr von den Sanktionen erfasst“, schreiben Nahles‘ Beamte. „Damit wird auch die Gefahr von Wohnungsverlusten auf Grund von Sanktionen vermieden.“ Weiterer Vorteil: Die Mitarbeiter in den Jobcentern müssen weniger rechnen, weil in einem Hartz-IV-Haushalt mit mehr als einer Person die nach einer Kürzung übrig gebliebenen Ausgaben für die Miete und Heizung nicht mehr auf die übrigen Bewohner aufzuteilen sind. Am Prinzip der Lebensmittelgutscheine, die es nach Sanktionen auf Antrag im Wert von maximal 196 Euro pro Monat gibt, will das Ministerium aber offensichtlich festhalten: Auch künftig seien „zur Sicherung des Existenzminimums Sachleistungen zu erbringen, deren Höhe angemessen sein muss“, heißt es in dem Papier.«

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich um ein „Diskussionspapier“ handelt, erst im Herbst dieses Jahres soll ein Referentenentwurf vorgelegt werden. Wie sich die Union dazu positioniert, ist noch nicht bekannt.

Aus der Opposition kommt bedenkenswerte Kritik, aber zugleich auch ein Hinweis, warum die Bundesregierung offenbar bereit ist, die schärferen Sonderregelungen für junge Menschen abzuschaffen – wieder einmal wohl weniger aufgrund von Einsicht, als denn aus Angst vor den Männern und Frauen aus Karlsruhe:

„Der Grundbedarf muss immer gesichert sein. Das ist auch in dem Konzept des Bundesarbeitsministeriums nicht der Fall“, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Das Bundesarbeitsministerium wolle nur einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Sondersanktionen für unter 25-Jährige zuvorkommen, die verfassungsrechtlich fragwürdig seien. Der Grünen-Politiker fordert, die Sanktionen grundsätzlich zu überprüfen und sie vorerst durch ein Moratorium außer Kraft zu setzen.

Das Bundesverfassungsgericht grummelt, beißt aber (noch) nicht. Zur Entscheidung über die Bestimmung der Höhe der Regelbedarfsleistungen im Grundsicherungssystem

Sicher hatten manche die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung mal wieder eine Entscheidung präsentiert, nach der eine bestehende Regelung verfassungswidrig sei und korrigiert werden müsse. Und bei dem hier anzusprechenden Sachverhalt geht es immerhin um die Höhe einer existenziellen Leistung für mehrere Millionen Menschen, konkret wurde vor dem Gericht die Bestimmung der Höhe der Regelleistungen im Grundsicherungssystem beklagt, umgangssprachlich als Hartz IV-System bekannt. Immerhin viereinhalb Jahre nach dem letzten großen Hartz IV-Urteil – das Gericht hatte im Februar 2010 ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert, das die physische Existenz wie auch die „Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ umfasst (BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010) – war das BVerfG wieder mit diesem wichtigen Thema befasst. Und die Hoffnung vieler Kritiker an einer möglichen Verfassungswidrigkeitsfeststellung basiert auf den mehr als fragwürdigen „Modifikationen“ bei der Ermittlung der konkreten Höhe der Regelleistungen, manche werden das auch deutlicher „Manipulationen“ nennen.
Aber die Überschrift der Pressemitteilung des höchsten Gerichts verdeutlicht bereits, dass diese Hoffnung nicht erfüllt wird: Sozialrechtliche Regelbedarfsleistungen derzeit noch verfassungsgemäß.

Das BVerfG schreibt zu dem heutigen Beschluss:

»Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, werden im Ergebnis nicht verfehlt. Insgesamt ist die vom Gesetzgeber festgelegte Höhe der existenzsichernden Leistungen tragfähig begründbar.«

Wie immer bei der richterlichen Sprache achte man aber genau auf die konkrete Wortwahl.
Die ersten Berichte in den Online-Ausgaben der Zeitungen bringen das auf den Punkt:
Hartz-IV-Sätze „noch“ hoch genug, so die FAZ. Und die Süddeutsche Zeitung wird noch deutlicher:
Verfassungsrichter geben Hartz IV die Note Vier.
Wie so oft betont das BVerfG bei sozialpolitisch konkreten Fragen den zumeist sehr weit ausgelegten Ermessensspielraum des Gesetzgebers, so auch im vorliegenden Fall: Das BVerfG spricht von einem »Entscheidungsspielraum sowohl bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse als auch bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs«. Und das Gericht liefert auch gleich eine Zuständigkeitsabgrenzung mit:

»Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber … nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen; darum zu ringen ist vielmehr Sache der Politik.«

Und an anderer Stelle schreiben die Verfassungshüter:

»Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht; es setzt sich bei seiner Prüfung nicht an die Stelle des Gesetzgebers. Das Grundgesetz selbst gibt keinen exakt bezifferten Anspruch auf Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz vor.«

Wie ist es denn nun aber mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, von dem das Gericht im Jahr 2010 in seiner Entscheidung gesprochen hat? Nun, wie meistens mit den Grundrechten:

»Entscheidend ist aber, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt werden.«

Also „im Ergebnis“ darf die Sorge für eine menschenwürdige Existenz „nicht verfehlt“ werden. Das lädt zur Exegese und Interpretation ein, neue Promotionsthemen tun sich hier auf.

Aber schauen wir einmal genauer hin, was genau denn das BVerfG nun entschieden hat. Dazu erst einmal der Hinweis auf die zentralen Kritikpunkte an der von der Bundesregierung im Nachgang zum Hartz IV-Urteil aus dem Februar 2010 vorgenommenen „Modifikationen“ am Berechnungsverfahren zur Bestimmung der konkreten Höhe der Regelleistungen (vgl. dazu ausführlicher aus der Vielzahl an Stellungnahmen, die dem Gericht zugeleitet worden sind: Deutscher Caritasverband: Regelbedarfe müssen erhöht werden):

  • Früher wurden als Referenzgruppe für die Regelbedarfsstufe 1 (alleinstehende Erwachsene) die unteren 20% der nach ihrem Einkommen geschichteten Ein-Personen-Haushalte (ohne Empfänger/-innen von Leistungen des SGB II und SGB XII) herangezogen, nach der Neuregelung des Verfahrens sind es nur noch die untersten 15%.
  • Kritker bemängeln, dass die verdeckt armen Menschen (also Menschen, die ihren Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nicht wahrnehmen und somit mit einem Einkommen unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums leben, aus der Referenzgruppe nicht herausgenommen werden.
  • Auch Haushalte, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen, also Studierende, sind in der Referenzgruppe enthalten, sollten aber herausgenommen werden, denn sie haben aufgrund ihrer Lebenssituation und vielfältiger Vergünstigungen spezifische Bedarfe und Ausgaben, die in der Regelbedarfsbemessung nicht als repräsentativ gelten können.
  • Die Kritiker stellen darauf ab, dass der Anteil für Strom im Regelbedarf zu niedrig bemessen ist. Er muss auf Grundlage des tatsächlichen Stromverbrauchs von Grundsicherungsempfängern ermittelt werden. Legt man der Berechnung des Stromanteils im Regelbedarf den tatsächlichen durchschnittlichen Verbrauch der Referenzgruppe zugrunde, muss der Regelbedarf in der Stufe 1 deutlich erhöht werden, so der Deutsche Caritasverband.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit diesen und weiteren Kritikpunkten auseinandergesetzt und kommt in seiner Entscheidungen zu folgenden Ergebnissen – die zugleich verdeutlichen, wie unsicher das Gericht ist:

»Entscheidet sich der Gesetzgeber bei der Berechnung des Regelbedarfs für ein Statistikmodell, das Leistungen nach Mittelwerten bestimmter Ausgaben bemisst, muss er Vorkehrungen gegen mit dieser Methode verbundene Risiken einer Unterdeckung treffen. Fügt er Elemente aus dem Warenkorbmodell in diese statistische Berechnung ein, muss er sicherstellen, dass der existenzsichernde Bedarf tatsächlich gedeckt ist. Als Pauschalbetrag gewährte Leistungen müssen entweder insgesamt den finanziellen Spielraum sichern, um entstehende Unterdeckungen bei einzelnen Bedarfspositionen intern ausgleichen oder Mittel für unterschiedliche Bedarfe eigenverantwortlich ansparen und so decken zu können, oder es muss ein Anspruch auf anderweitigen Ausgleich solcher Unterdeckungen bestehen. Für einen internen Ausgleich darf nicht pauschal darauf verwiesen werden, dass Leistungen zur Deckung soziokultureller Bedarfe als Ausgleichsmasse eingesetzt werden könnten, denn diese gehören zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum.«

Und – tut der Gesetzgeber das? Nach Auffassung des BVerfG ja, aber:
»Nach diesen Maßstäben genügen die vorgelegten Vorschriften für den  entscheidungserheblichen Zeitraum in der erforderlichen Gesamtschau noch den Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.« Also noch ist das vereinbar, denn: »Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lässt nicht  erkennen, dass der existenzsichernde Bedarf evident nicht gedeckt wäre.  Der Gesetzgeber berücksichtigt nun für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.« Mit dem letzteren sind die Leistungen aus dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ gemeint, die man nach dem letzten Urteil des BVerfG eingeführt hat.

Hinsichtlich der erwähnten zentralen Kritik an der Zusammensetzung der Referenzgruppe ist das Ergebnis in der Entscheidung des BVerfG für die Kritiker sicher frustrierend:

»Die Entscheidung, bei der EVS 2008 nur noch die einkommensschwächsten 15% der Haushalte als Bezugsgröße heranzuziehen (statt wie bei der EVS 2003 die unteren 20%), ist sachlich vertretbar. Der Gesetzgeber hat auch diejenigen Haushalte aus der Berechnung herausgenommen, deren Berücksichtigung zu Zirkelschlüssen führen würde, weil sie ihrerseits fürsorgebedürftig sind. Dass er die sogenannten „Aufstocker“, die neben den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über weiteres Einkommen verfügen, nicht herausgenommen hat, hält sich im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums. Der Gesetzgeber ist auch nicht dazu gezwungen, Haushalte in verdeckter Armut, die trotz Anspruchs keine Sozialleistungen beziehen, herauszurechnen, da sich ihre Zahl nur annähernd beziffern lässt. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass es die Höhe des Regelbedarfs erheblich verzerrt hätte, in die Berechnung Personen einzubeziehen, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten.«

Ein weiterer häufig kritisierter Punkt ist, dass der Gesetzgeber nicht ausschließlich auf das Statistikmodell abstellt (also eine Ableitung aus den Verbrauchsausgaben der Haushalte in den unteren Einkommensgruppen), sondern zugleich wird auf das Warenkorbmodell dann zurückgegriffen, wenn man es braucht, um die Ausgaben runterzurechnen. Denn derzeit ist es so, dass der Gesetzgeber hingegangen ist und nicht die Verbrauchsausgaben der unteren Einkommensgruppen zu 100% zugrundelegt, sondern das auf 72 bis 78% eindampft. Auch hier wieder seitens des Gerichts eine „noch“-Bewertung:

»Soweit der Gesetzgeber in einzelnen Punkten vom Statistikmodell abweicht, lässt sich die Höhe des Regelbedarfs nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung für den entscheidungserheblichen Zeitraum noch tragfähig begründen.«

Und etwas genauer:

»Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, aus der Verbrauchsstatistik nachträglich einzelne Positionen – in Orientierung an einem Warenkorbmodell – wieder herauszunehmen. Die Modifikationen des Statistikmodells dürfen allerdings insgesamt kein Ausmaß erreichen, das seine Tauglichkeit für die Ermittlung der Höhe existenzsichernder Regelbedarfe in Frage stellt; hier hat der Gesetzgeber die finanziellen Spielräume für einen internen Ausgleich zu sichern. Derzeit ist die monatliche Regelleistung allerdings so berechnet, dass nicht alle, sondern zwischen 132 € und 69 € weniger und damit lediglich 72 % bis 78 % der in der EVS erfassten Konsumausgaben als existenzsichernd anerkannt werden. Ergeben sich erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Deckung existenzieller Bedarfe, liegt es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, geeignete Nacherhebungen vorzunehmen, Leistungen auf der Grundlage eines eigenen Index zu erhöhen oder Unterdeckungen in sonstiger Weise aufzufangen.«

An dieser Stelle kommen dann wenigstens eine wenige Änderungsaufforderungshäppchen an die Politik:
  • Beim Haushaltsstrom (der derzeit als Pauschale in den Regelleistungen enthalten ist), ist der Gesetzgeber im Falle außergewöhnlicher Preissteigerungen bei dieser gewichtigen Ausgabeposition verpflichtet, die Berechnung schon vor der regelmäßigen Fortschreibung anzupassen.
  • Das gilt auch für den Mobilitätsbedarf, wo der Gesetzgeber Ausgaben für ein Kraftfahrzeug nicht als existenznotwendig berücksichtigen muss, aber sicherzustellen hat, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf künftig tatsächlich gedeckt werden kann. Was immer das konkret bedeuten mag.
  • Das BVerfG hat sich offensichtlich auch mit den Niederungen der Haushaltsgeräte befasst: »Zudem muss eine Unterdeckung beim Bedarf an langlebigen Gütern (wie Kühlschrank oder Waschmaschine), für die derzeit nur ein geringer monatlicher Betrag eingestellt wird, durch die Sozialgerichte verhindert werden, indem sie die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform auslegen. Fehlt diese Möglichkeit, muss der Gesetzgeber einen existenzsichernden Anspruch schaffen.«

Und dann war da doch noch die Kritik an den Leistungen für Kinder und Jugendlichen. Auch hier gilt: Das BVerfG hat „keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken“:

»Gegen die Festsetzung der Regelbedarfe für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres und Jugendliche zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr mit Hilfe von Verteilungsschlüsseln bestehen keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken. Die Höhe der Leistungen ist nach der verfassungsrechtlich gebotenen Gesamtschau derzeit nicht zu beanstanden … Die teilweise gesonderte Deckung von existenzsichernden Bedarfen, insbesondere über das Bildungspaket und das Schulbasispaket, ist tragfähig begründet. Es liegt im Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers, solche Leistungen teilweise in Form von Gutscheinen zu erbringen. Allerdings müssen die damit abgedeckten Bildungs- und Teilhabeangebote für die Bedürftigen auch tatsächlich ohne weitere Kosten erreichbar sein; daher ist die neu geschaffene Ermessensregelung zur Erstattung von Aufwendungen für Fahrkosten als Anspruch auszulegen.«

Das war’s. Wie man auf der Basis dieser Entscheidung zu der folgenden Schlussfolgerung kommen kann, bleibt wohl das Geheimnis des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bzw. seines Hauptgeschäftsführers Ulrich Schneider, der laut einer Presseerklärung ausführt:

»Das BVG hat heute die rigorose Pauschalierung der Regelsätze gekippt. Damit ist die seit Rot-Grün verfolgte Philosophie des Vorrangs der absoluten Massenverwaltungstauglichkeit vor der Lebensrealität der Menschen und ihren individuellen Bedarfen endlich juristisch beendet. In zentralen Punkten wie bei der Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter, den Kosten für Mobilität oder den Preissprüngen bei den Energiekosten ist das Bundesverfassungsgericht der Kritik des Paritätischen gefolgt und hat das derzeitige Modell der Regelsatzbemessung an diesen Punkten für untauglich erklärt. Stattdessen ist den tatsächlichen individuellen Bedarfen wieder Rechnung zu tragen.«

Man kann sich aber auch alles irgendwie so hinbiegen, dass es zu passen scheint. Aber diese Bewertung ist nun im Lichte dessen, was das BVerfG entschieden hat, mehr als euphemistisch. Hier ist wohl der Wunsch nach einer anderen Welt Vater des Gedankens.