Verschoben, aber nicht aufgehoben. Die Diskussion über eine Reform der Finanzierung der Pflege(versicherung) und die überaus komplexen Herausforderungen, wenn es nicht nur um die Kostenverteilung gehen soll

Bis zum Ausbruch der Corona-Krise gab es eine anschwellende Debatte über eine immer dringlicher werdende Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung, denn das bestehende fragmentierte System einer Teilleistungsversicherung läuft zunehmend „heiß“, wenn man das zum einen aus der Perspektive der betroffenen Pflegebedürftigen vor allem in der stationären Versorgung hinsichtlich der kontinuierlich steigenden Eigenanteile betrachtet, zum anderen aber auch mit Blick auf unbedingt erforderliche strukturelle Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals (sowohl im Sinne einer höheren Vergütung wie auch verbesserten Personalschlüsseln). Denn im bestehenden System einer gedeckelten Teilleistungsversicherung werden die zusätzlichen Kosten auf die Eigenanteile der Pflegebedürftigen abgewälzt, die steigen und steigen.

Und auch „neben“ oder inmitten der Corona-Krise beginnt nun wieder die Debatte an Fahrt aufzunehmen (vgl. dazu bereits die Beiträge Auch die Pflegeversicherung soll/muss an den Steuertropf gehängt werden. Vorerst nur ausnahmsweise. Zugleich wird die Vor-Corona-Debatte über eine Finanzierungsreform wiederbelebt vom 16. Juni 2020 sowie Die Eigenanteile in der stationären Pflege steigen weiter – und damit der Druck, eine Reform der Pflegefinanzierung endlich anzugehen vom 1. August 2020. Dort findet man auch eine Darstellung der Reformvorschläge, die derzeit (wieder) diskutiert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte ursprünglich im Sommer ein Reformkonzept vorlegen, dann kam die Corona-Krise und nunmehr will das Ministerium im Herbst eine Debatte führen, wie es weitergehen kann und soll.

mehr

Ein albtraumhaftes Dilemma in Zeiten von Corona: Menschen in Pflegeheimen

Wir werden uns alle an den März und April dieses Jahres erinnern, an die Bilder aus Bergamo und aus Spanien, die sicher ganz wesentlich mit dazu beigetragen haben, dass „damals“ so gut wie alle Menschen das Abwürgen weiter Teil des ökonomischen und sozialen Lebens akzeptiert haben, dass die Verhaltensauflagen angenommen und befolgt wurden. Und auch wenn man bekanntlich hinterher immer schlauer ist – „damals“ war die Angst vor einem Kollaps des Gesundheitssystems, hierbei vor allem der im Fokus stehenden Intensivstationen in den Krankenhäusern, real und beherrschend. Und neben den steigenden Fallzahlen insgesamt wurde auch über zahlreiche an oder mit Corona gestorbenen Menschen berichtet, wobei es oftmals um ältere Menschen ging.

»Aber nun wird immer deutlicher und schmerzhafter erkennbar, dass Einrichtungen und Dienste für die verletzlichsten „Risikogruppen“ in diesen Tagen der tödlichen Bedrohung durch das Coronavirus offen wie ein Scheunentor gegenüberstehen: die ambulanten Pflegedienste und die Pflegeheime«, so eine Situationsbeschreibung, die man in diesem Beitrag findet, der am 29. März 2020 veröffentlicht wurde: Aus den Untiefen der Verletzlichsten und zugleich weitgehend Schutzlos-Gelassenen: Pflegeheime und ambulante Pflegedienste inmitten der Coronavirus-Krise. Und dann folgte eine Aufzählung einiger Schreckensmeldungen aus deutschen Pflegeheimen. Und die wurden mit Bildern in die Wohnstuben der Bevölkerung getragen: »In einem Wolfsburger Pflegeheim sind 15 Menschen, in einem Würzburger Seniorenstift 13 Menschen am Corona-Virus gestorben. Die Mitarbeiter kämpfen gegen eine Zuspitzung der Lage, doch Alten- und Pflegeheime sind dem Virus oft fast schutzlos ausgeliefert«, so beispielsweise ein kurzer Beitrag in der ZDF-Nachrichtensendung „heute journal“ am 29. März 2020.

Foto: Screenshot aus dem Beitrag „Corona in Alten- und Pflegeheimen“, heute journal (ZDF) am 29.03.2020

mehr

Das kann es doch gar nicht geben: Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Pflegekräften. Anmerkungen zu einem scheinbaren Widerspruch – und zu den immer noch vielen Niedriglöhnern in den Pflegeberufen

Dass es in „der“ Pflege einen Fachkräfte- und sogar einen generellen Arbeitskräftemangel gibt, das würden sicher viele unterschreiben und als Tatbestand nicht in Zweifel ziehen. Zu lange schon gibt es zu viele Berichte über die vielfältigen Mangellagen in „der“ Pflege. Vor diesem generellen Hintergrund werden dann auch viele ungläubig auf solche Meldungen schauen: Arbeitslosigkeit steigt auch bei Pflegekräften: »In der Coronakrise ist auch die Arbeitslosigkeit von Pflegekräften gestiegen. In der Altenpflege erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen deutschen Beschäftigten seit dem Jahreswechsel bis Ende Juni um 27 Prozent auf etwa 27.700, bei den ausländischen um 37 Prozent auf rund 10.000, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte.«

Und Jochen Knoblach berichtet aus Berlin: Mehr als 800 Berliner Pflegekräfte haben ihren Job verloren: So »gab es in der Berliner Krankenpflege im Juli etwa 200 Arbeitslose mehr als im Juli vergangenen Jahres, was einem Anstieg um 27 Prozent entspricht. In der Altenpflege wurden 2.740 Arbeitslose gezählt. Das waren sogar über 600 mehr als im Juli 2019, ein Anstieg um 30 Prozent.«

Da werden sich viele fragen: Wie kann das denn sein?

mehr

Die Eigenanteile in der stationären Pflege steigen weiter – und damit der Druck, eine Reform der Pflegefinanzierung endlich anzugehen

»Bewohner von Pflegeheimen müssen einen immer höheren Eigenanteil aufbringen. Im Schnitt liegt er inzwischen bei über 2.000 Euro pro Monat. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß«, so eine der vielen Meldungen in diesen Tagen: Eigenanteil in der Pflege steigt weiter. Ganz korrekt müsste es heißen: Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen steigen weiter. Dazu bereits der Beitrag Die Eigenanteile der Pflegebedürftigen (nicht nur) in den Pflegeheimen steigen – und warum der Plural wichtig ist für die Diskussion über eine Begrenzung des Eigenanteils vom 20. Februar 2020. Die Abbildung über die Zusammensetzung der Finanzierungsanteile in der vollstationären Pflege verdeutlicht, warum man den Plural verwenden sollte:

mehr

Kann eine ungewöhnliche Allianz von Grünen, FDP und Linken das „Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz“ (IPReG) auf den letzten Metern noch aufhalten?

Der Deutsche Bundestag hat es auf seiner Seite bereits angekündigt: »Der Bundestag stimmt am Donnerstag, 2. Juli 2020, nach 30-minütiger Debatte über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz …) ab.« Das hört sich nach einer reinen Formsache an. Die Überschrift der Meldung des Parlaments klingt nach einer frohen Botschaft: Intensiv-Pflegebedürftige sollen künftig besser versorgt werden – und steht doch in einem ziemlichen Kontrast zu der seit Monaten immer wieder vorgetragenen massiven Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Haus des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung
(Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG), Bundestags-Drucksache 19/19368 vom 20.05.2020.

Warum die Kritik an dem Gesetzentwurf durchaus berechtigt ist, wurde hier in dem Beitrag Vom RISG zum GKV-IPReG: Außerklinische Intensivpflege und die Angst vor einer fremdbestimmten Abschiebung aus dem eigenen Haushalt vom 21. Juni 2020 ausführlich begründet. Es geht darum, dass die außerklinische Intensivpflege, fokussiert auf Beatmungspatienten, im Regelfall in „Beatmungs-WGs“ oder in Pflegeheimen stattfinden und die bislang oft gewählte Wunsch-Variante einer solchen Pflege im Haushalt des Pflegebedürftigen erheblich beeinträchtigt werden soll.

mehr