20 Jahre Pflegeversicherung. Eine – wie immer in der Sozialpolitik – unvollständige Erfolgsgeschichte jenseits der Festveranstaltungen

Im März 1994 wurde die Pflegeversicherung als vierte Säule der Sozialversicherung neben Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung politisch beschlossen und am 1. Januar 1995 wurde sie zum Leben erweckt. »Die Pflegeversicherung übernimmt seit 1995 ambulante und teilstationäre Kosten. Seit Mitte 1996 zahlt sie auch Leistungen für die damals rund 480.000 Alten- und Pflegeheimbewohner. Mittlerweile leben knapp 800.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen«, so die Bundesregierung in ihrer Mitteilung Meilenstein in der Sozialgeschichte, für die das eine „Erfolgsgeschichte“ ist. 1995 erhielten eine Million Pflegebedürftige Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung, heute sind es gut 2,6 Millionen Menschen. Zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen werden in aller Regel zu Hause durch Familienangehörige, teilweise unter Beteiligung ambulanter Dienste betreut, ein Drittel stationär in Heimen. Etwa eine Million Menschen sind beruflich in der Altenpflege tätig. Auf einem Festakt des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, würdigten am 13. Januar 2015 zahlreiche Gäste aus Politik, Gesundheitswirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die „Erfolgsgeschichte“ Pflegeversicherung. Staatssekretär Laumann wird mit den Worten zitiert: »Hatten Pflegebedürftige und ihre Familien zuvor kaum Unterstützung erhalten, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Strukturen und Angeboten zur Entlastung.«

Die Pflegeversicherung, wie wir sie heute vorfinden, ist wie alles in der Sozialpolitik das Ergebnis eines Kompromisses. Über viele Jahre im Vorfeld der dann gewählten Sozialversicherungslösung wurde teilweise erbittert darüber gestritten, wie man das Risiko der Pflegebedürftigkeit in unserem Sozialstaat „richtig“ absichert. Vereinfacht gesagt gab es neben der letztendlich dann auch gewählten Variante als beitragsfinanzierte Sozialversicherung immer auch den Vorschlag, ein steuerfinanziertes Leistungsgesetz einzuführen. Ein ganz wichtiger Aspekt, warum man überhaupt über eine andere Form der Finanzierung der Pflegekosten damals diskutiert und die Pflegeversicherung eingeführt hat, war der immer stärkere Anstieg der Sozialhilfe-Kosten bei den Kommunen, die mit den „Hilfe zur Pflege“-Leistungen nach dem damaligen BSHG als Ausfallbürge für Menschen, die nicht in der Lage waren, die Kosten beispielsweise einer Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung mit ihren vorhandenen Mitteln und ihrem Vermögen abdecken zu können, in Anspruch genommen wurden – und in den letzten Jahren in steigendem Maße wieder werden.

Schaut man sich einmal die lange Zeitreihe derjenigen an, die „Hilfe zur Pflege“-Leistungen nach dem BSHG bzw. mittlerweile SGB XII, also aus der Sozialhilfe, in Anspruch genommen haben, dann wird zum einen erkennbar, wie in den Jahren vor der Schaffung der Pflegeversicherung die kommunalen Ausgaben für die Pflege stetig angestiegen sind – und man erkennt auch den Effekt der Leistungen aus der Pflegeversicherung, die 1995 bzw. 1996 begannen, im Sinne stark sinkender kommunaler Sozialhilfeausgaben für den Pflegebereich. Man erkennt allerdings auch, dass seit Anfang des Jahrtausends die Zahl der Empfänger/innen von „Hilfe zur Pflege“-Leistungen wieder kontinuierlich ansteigt. Und dieser Prozess wird erwartbar anhalten und – ceteris paribus – den kommunalen Druck erneut ansteigen lassen.

Die sich in diesen Zahlen manifestierende Entwicklung wird auch in der Berichterstattung rund um die Festivitäten anlässlich des 20jährigen Bestehens der Pflegeversicherung aufgegriffen: Immer mehr Pflegebedürftige werden zum Sozialfall, um nur ein Beispiel zu zitieren. Im Jahr 2013 beliefen sich die staatlichen Nettoausgaben zur Finanzierung armutsgefährdeter Pflegebedürftiger bereits auf 3,34 Mrd. Euro, mit steigender Tendenz.

Bevor auf die wieder steigenden Ausgaben für die Kommunen eingegangen wird, muss aber mit Blick auf die Daten betont werden, dass der größte Teil der Ausgaben für Pflegebedürftigkeit von der Sozialen Pflegeversicherung sowie durch private Ausgaben der Betroffenen und ihrer Angehörigen gedeckt werden (müssen). Noch ist der Anteil der kommunal finanzierten Sozialhilfe kleiner als 10% – besonders erhöht haben sich in der Vergangenheit die privaten Ausgaben, die mittlerweile mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben umfassen. Dass die Kommunen ohne substantielle Veränderungen im Gesamtsystem der Finanzierung von Pflegeleistungen mit stetig steigenden Ausgaben konfrontiert sein werden, liegt auf der Hand: Zum einen muss man immer wieder darauf hinweisen, dass die Pflegeversicherung eine Teil-Kaskoversicherung ist, also eben nicht die gesamten Kosten beispielsweise der Pflege und Unterbringung in einem Pflegeheim abdecken, sondern „nur“ einen definierten Anteil, der sich vom Grad der festgestellten Pflegebedürftigkeit ableitet. Der restliche Anteil muss zum einen aus den laufenden Einnahmen der Pflegebedürftigen gedeckt werden, also im wesentlichen aus den Renten bzw. Pensionen und – wenn diese Beiträge nicht ausreichen – dann auch aus dem gegebenenfalls vorhandenen Vermögen des Betroffenen. Sollten auch diese Beträge nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, dann würde vor der Inanspruchnahme der kommunalen Sozialhilfeleistungen geprüft werden, ob die Kinder zur Mitfinanzierung herangezogen werden können.

Die großen Treiber der Ausgabensteigerungen im bestehenden System für die Kommunen sind offensichtlich: Zum einen steigt schlichtweg die Zahl der pflegebedürftigen Menschen aufgrund der demografischen Entwicklung erheblich an. Hinzu kommt, dass unter den zukünftigen Pflegebedürftigen zahlreiche Menschen sein werden, die zum einen mit Armutsrenten ausgestattet und kaum oder gar keinem Vermögen auf anteilig höhere Hilfeleistungen aus dem Sozialhilfe-System angewiesen sein werden. Viele von ihnen werden – wenn überhaupt – zudem Kinder haben, bei denen „nicht viel zu holen“ sein wird. Eine weitere Quelle steigender Hilfe zur Pflege-Ausgaben der Kommunen liegt innerhalb des Systems der Pflegeversicherung begründet bzw. des bisherigen Umgangs mit ihren Leistungen: Über Jahre hinweg wurden weder Beiträge noch Leistungen angepasst, so der Hinweis bei Stefan Vetter in seinem Artikel Der Preis der Würde. Das hat zu einer erheblichen Realwert-Senkung der Leistungen aus der Pflegeversicherung geführt, was natürlich nach dem Prinzip der kommunizieren den Röhren dazu führt, dass diese Anteile an anderer Stelle gegenfinanziert werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist die in vielen Sonntagsreden vielfach beschworene Verbesserung der Pflegelandschaft vor allem mit Blick auf die dort arbeitenden Menschen. Theoretisch sind sich alle einig, dass beispielsweise die Vergütung für die Pflegekräfte erhöht werden müssten. Auch die Personalschlüssel in den Pflegeeinrichtungen, vor allem in der stationären Pflege, die durch immer höhere Grade der Pflegeintensität charakterisiert sind, müssten verbessert werden, was allerdings zu erheblichen Mehrausgaben führen würde.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Finanzierungsfrage wird – neben den vielen Baustellen auf der Seite der Leistungen wie auch des Zugangs (Stichwort Pflegebedürftigkeitsbegriff) – zu einer zentralen Thematik werden (müssen). Hier erweist es sich als hoch problematisch, dass die Pflegeversicherung als beitragsfinanzierte Sozialversicherung konzeptualisiert worden ist mit all den Folgeproblemen, die wir auch von ihren großen Geschwistern wie der Rentenversicherung kennen, vor allem hinsichtlich der Begrenzung auf den Faktor sozialversicherungspflichtige Arbeit und dann auch noch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.

Entsprechend die Argumentation von Rothgang et al. im BARMER GEK Pflegereport 2014, die neben den unbestreitbaren Erfolgskomponenten von 20 Jahren Pflegeversicherung auch auf zentrale kritische Punkte hinweisen:

»Gleichzeitig enthält das Pflege-Versicherungsgesetz einige Geburtsfehler dieses neuen Sozialversicherungszweig, die bis heute nachwirken und aktuelle Reformvorhaben und -debatten prägen. Hierzu zählt der (zu) enge Pflegebedürftigkeitsbegriff, der im für 2017 geplanten zweiten Pflegestärkungsgesetz erweitert werden soll, die fatale Eingrenzung der Beitragspflicht auf Löhne, Gehälter und Lohnersatzleistungen ebenso wie das duale System von Sozialer Pflegeversicherung und Privater Pflegepflichtversicherung, das normativ nicht gerechtfertigt werden kann. Auch produziert das Nebeneinander von einer Krankenversicherung mit Kassenwettbewerb und einer Pflegeversicherung ohne Kassenwettbewerb Fehlanreize an den Schnittstellen.«

Trotz des unabweisbaren Weiterentwicklungsbedarfs angesichts zahlreicher kritischer Punkte muss aber fairerweise auch darauf hingewiesen werden, dass gerade mit Blick auf die Situation vor über 20 Jahren zahlreiche positive Bilanzpunkte auszuweisen wären (vgl. dazu Rothgang et al. 2014: 25 ff.): So waren vor Einführung der Pflegeversicherung etwa 80 % der Pflegeheimbewohner auf die bedürftigkeitsabhängige Hilfe zur Pflege angewiesen, heute sind es weniger als die Hälfte. Die Versorgungssituation war damals eine ganz andere und durch erhebliche Defizite, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Zahl der Einrichtungen, sondern auch im Hinblick auf das konkrete Leistungsangebot gekennzeichnet. Qualität war kein Thema. Hier hat es nach Einführung der Pflegeversicherung erhebliche Veränderungen gegeben: Im Bereich der Pflegeinfrastruktur kam es zu einer dramatischen Expansion des Angebots an formeller Pflege. Im Pflege-Versicherungsgesetz wurde erstmals die ganze Bevölkerung obligatorisch in eine gesetzliche Versicherung einbezogen. »Vor allem aber wurde das Pflegerisiko mit Einführung der Pflegeversicherung als allgemeines Lebensrisiko anerkannt, das einer sozialrechtlichen Bearbeitung bedarf. Damit wurde die deutsche Pflegeversicherung Vorbild für die Einführung der Pflegeversicherung in Luxemburg, Japan und Korea und für viele aktuelle Debatten zur Pflegesicherung in anderen Teilen der Welt« (Rothgang et al. 2014: 27). Das darf und muss zur Kenntnis genommen werden.

In den vor uns liegenden Jahren wird es – hier folge ich der Einschätzung von Rothgang et al. (2014: 29) – vor allem an drei Punkten dringenden Handlungsbedarf geben:
Zum einen der enge Pflegebedürftigkeitsbegriff, dann die anhaltende Debatte über Leistungsdynamisierung, da der § 30 SGB XI nur die Möglichkeit für diskretionäre Leistungsanpassungen, aber keine obligatorischen regelgebundenen Leistungsanpassungen vorsieht, sowie last but not least vor dem Hintergrund der Begrenzung der Beitragspflicht auf Einkommen aus unselbständiger Arbeit und Lohnersatzleistungen, die zur strukturellen Einnahmeschwäche auch der Pflegeversicherung führen, eine Weiterentwicklung der Finanzierungsgrundlagen.
Es gibt also – nicht wirklich überraschend – eine Menge zu tun. Und wir sind dann nur auf der Ebene der Pflegeversicherung, hinzu kommen weitere hoch relevante Felder der Pflegepolitik, vom Pflegepersonal angefangen über die kommunale Altenhilfe bis hin zu den osteuropäischen Pflegekräften, die im Regelfall in halb- oder illegalen Verhältnissen mit dafür sorgen, dass unser Pflegesystem nicht kollabiert ist.

Schulsozialarbeiter in Nordrhein-Westfalen vor der Abwicklung bewahrt. Für die nächsten drei Jahre

Es gibt in der Sozial- und Bildungspolitik so viele Baustellen, auf denen gar nicht (mehr) gearbeitet wird oder auf denen alles schief läuft oder die Löhne der zumeist osteuropäischen Bauarbeiter nicht ausgezahlt werden, um das mal bildhaft auszudrücken – da tut es richtig gut, wenn man mal Erfolgsmeldungen absetzen darf. Beispielsweise über die Schulsozialarbeit. Denn deren Weiterführung in Nordrhein-Westfalen ist gesichert worden. Jedenfalls für die nächstens drei Jahre und dafür nimmt das bekanntlich sehr klamme Land eine Menge Geld in die Hand: Land unterstützt Schulsozialarbeit in NRW-Kommunen mit 144 Millionen, so ist einer der vielen Artikel überschrieben.

Das Land übernimmt gut 70% der anfallenden Kosten für die Schulsozialarbeiter – für die kommenden drei Jahre. »Je nach Finanzstärke müssen die 53 kreisfreien Städte und Kreise aber einen Eigenanteil zwischen 20 und 50 Prozent der Kosten tragen. Darauf haben sich die rot-grünen Regierungsfraktionen und die kommunalen Spitzenverbände geeinigt.« Um diese Lösung war in den letzten Monaten heftig gerungen worden.

Hintergrund: Der Bund hat sich seit Jahresbeginn aus der Finanzierung von 1.500 Schulsozialarbeitern in NRW zurückgezogen, die seit 2011 aus den Mitteln des „Bildungs- und Teilhabepakets“ für Kinder aus armen Familien finanziert worden sind – mit der Begründung, die Kommunen seien zwischenzeitlich an anderer Stelle entlastet worden und die können das jetzt aus eigenen Mitteln stemmen. „Wir haben bis zum Schluss gehofft, dass der Bund das nicht sterben lässt“, wird die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zitiert. „Jetzt haben wir uns entschlossen, zu helfen.“ Wir sehen hier also erneut ein Beispiel für die vielen föderalen Finanzierungsverflechtungsfallen, mit denen man in der Praxis zunehmend konfrontiert wird.
Schulsozialarbeiter in Nordrhein-Westfalen »arbeiten überwiegend an Haupt,- Gesamt- und Ganztagsschulen. Neben den 1.500 bislang aus dem Bildungspaket des Bundes finanzierten Stellen gibt es 674, die aus dem Landeshaushalt bezahlt werden, sowie weitere kommunale Stellen. Die aus dem Landesetat bezahlten Sozialarbeiter waren aus den geschlossenen Schulkindergärten übernommen worden.«

Um welches Kostenvolumen es hier geht, verdeutlicht das folgende Rechnebeispiel: Eine Schulsozialarbeiter-Stelle ist mit 45.000 Euro im Jahr zu veranschlagen. Daraus ergibt sich ein Gesamtbudget von 67,5 Millionen Euro für 1.500 Stellen. Das Land werde 2015 bis 2017 rund 48 Millionen jährlich übernehmen, mithin also etwas mehr als 70% der anfallenden Kosten, den Rest müssen die Kommunen, differenziert nach ihrer Finanzkraft, mitfinanzieren. Während einige bis zu 50% der Kosten tragen müssen, kommen die meisten Ruhrgebietsstädte nur auf 20% Eigenanteil.

Die LAG Schulsozialarbeit NRW hat sich natürlich auch zu Wort gemeldet: Der Einsatz hat sich gelohnt: das Land NRW steigt in die Rettung der Schulsozialarbeit ein!, so hat sie ihre Pressemitteilung überschrieben. Mit der nunmehr vorliegenden Entscheidung finde »das unwürdige „Schwarze-Peter“-Spiel, mit dem sich die Kommunen, das Land und der Bund in den letzten Monaten gegenseitig die Verantwortung für die weitere Finanzierung der Fachstellen zugeschoben haben, endlich ein Ende«, so die LAG. »Nicht „entweder oder“ sondern „sowohl als auch“ lautet der Schlüssel zur Rettung!«

Allerdings: Das ist jetzt eine Rettung „In letzter Minute„, wie Wilfried Goebels seinen Kommentar überschrieben hat: »Die Entscheidung könnte für manchen Sozialarbeiter allerdings zu spät kommen, der sich wegen der unsicheren Perspektive längst eine berufliche Alternative gesucht hat.« Dass die nordrhein-westfälische Landesregierung trotz ihrer massiven Haushaltsprobleme kurz vor der Auslaufen der Sozialarbeiterstellen die Reißleine gezogen und eine finanzielle Rettungsaktion gestartet hat, ist inhaltlich richtig: »In kaum einem anderen Bundesland gibt es diese Ballung sozialer Brennpunkte wie in NRW. Sozialarbeiter aber dienen dazu, den Teufelskreis von Bildungsarmut und sozialer Ausgrenzung bedürftiger Menschen aufzubrechen. Lehrer benötigen qualifizierte Hilfe. Es wäre ein Skandal gewesen, wenn die Schulsozialarbeit ausgelaufen wäre.«

Aber Goebels gibt auch zu bedenken:

»Für die nächsten drei Jahre ist die Schulsozialarbeit gerettet. Als Pflichtaufgabe ins Schulgesetz will NRW die Leistung aber weiter nicht aufnehmen. Die Politik sollte frühzeitig eine Anschlussregelung aushandeln.«

Wer sich weiterführend zum Thema Schulsozialarbeit informieren möchte, dem seien hier noch einige Internet-Links zur Verfügung gestellt:

Bundesweite Informations- und Vernetzungsseite zur Schulsozialarbeit in Deutschland (leider im Jahr 2013 eingefroren)

International Network for School Social Work

Eine sehr gute und informative Seite über die Schulsozialarbeit in den USA:
SSWAA – School Social Work Association of America

Und im deutschsprachigen Ausland:

Schulsozialarbeit in der Schweiz

Schulsozialarbeit in Österreich 

Überforderte Kommunen, überbelegte Unterkünfte, ein Staat, der sich betroffen zeigt von den erwartbaren Folgen der eigenen Abmagerung, aber auch Beispiele, dass es anders gehen kann

Dass Schutzbefohlene unseres Staates systematisch misshandelt worden sind, ist beschämend in einem hoch entwickelten Land wie Deutschland, kommentiert Barbara Schmidt-Mattern. Die sadistischen Quälereien in gleich mehreren Notunterkünften sind kein Ausrutscher, sie sind Folge einer schlampigen, ignoranten Flüchtlingspolitik, bei der sich Land und Kommunen jetzt gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Übergriffe, wie sie in dem Beitrag Das Geschäft mit den Flüchtlingen des WDR-Politikmagazins Westpol der Öffentlichkeit präsentiert werden mussten (vgl. dazu auch den Blog-Beitrag Schutzlos gegenüber denen, die schützen sollen? Vorwürfe gegen private Flüchtlingsheimbetreiber. Und bodenloser Zynismus eines Bürokraten), haben neben ihren immer vorhandenen individuellen Abgründen auf Seiten der einzelnen Täter auch eine strukturelle Komponente.

Da sind beispielsweise Firmen wie European Homecare, für die Flüchtlingshilfe ein Geschäft mit Gewinnorientierung ist. Jetzt gerät das Essener Unternehmen wegen Misshandlungen in einer Unterkunft in Nordrhein-Westfalen in die Schlagzeilen. Es ist nicht das erste Mal, wie David Böcking in seinem Artikel „Schlagkräftiges Team“ für die Flüchtlingsbetreuung berichtet. Die Übergriffe auf Flüchtlinge wurden nun aber nicht direkt von Mitarbeitern des Unternehmens European Homecare verübt, sondern von Mitarbeitern der privaten Wachfirma SKI, die als Subunternehmen eingesetzt wurde. Doch European Homecare fällt nicht zum ersten Mal auf. Im Jahr 2003 geriet das Unternehmen in Österreich in die Schlagzeilen, durch Übergriffe im Flüchtlingslager Traiskirchen bei Wien. Der Traiskirchener Bürgermeister Fritz Knotzer kritisierte die Zustände in der Flüchtlingsunterkunft scharf: „Seit der Privatisierung der Flüchtlingsbetreuung im Lager sind Gewalt, Totschlag, Vergewaltigung und Korruption an der Tagesordnung. Es ist ein einziges Chaos.“ Deutlicher geht es nicht.

»Erhalten haben soll European Homecare den Auftrag wegen eines besonders günstigen Angebots. Pro Tag und Flüchtling wollte das Unternehmen mit 12,89 Euro auskommen – und unterbot damit offenbar alle anderen Bewerber. Der Kostenfaktor ist weiterhin das wichtigste Argument, mit dem European Homecare für seine Dienste wirbt: „Wir sind ein kleines schlagkräftiges Team mit großer Erfahrung und geringen Overheadkosten“, heißt es in bestem Managerdeutsch auf der Seite.«

Ein „schlagkräftiges Team“ – was für ein bitterer Zynismus angesichts der neuerlichen Vorfälle, nunmehr in Nordrhein-Westfalen. Die Geschichte des Unternehmens European Homecare passt irgendwie ins Bild: Der »Gründer Rudolf Korte betrieb in Essen eine Firma für Baubeschläge und Schlüsseldienste, bevor er nach der Wiedervereinigung die Flüchtlingshilfe zunächst in Ostdeutschland als Geschäftsmodell entdeckte.«

»Mittlerweile betreibt das Unternehmen in Deutschland 40 Einrichtungen für Asylbewerber und Flüchtlinge, wobei die Dienstleistungen von der Einrichtung über Mahlzeiten bis zur Beratung reichen … „Das sind nicht die Schlimmsten“, heißt es aus einer Nichtregierungsorganisation.« Das lässt tief blicken – hier aber interessiert besonders das Geschäftsmodell hinter dieser und anderer Firmen, die Teil einer regelrechten Flüchtlingsindustrie sind. Ihnen ist der „Gegenstand“ ihres Gewerbes egal, während sich traditionelle Hilfsorganisationen meist auch als Anwälte von Asylsuchenden verstehen und nicht gewinnorientiert arbeiten.

Insofern passen die privaten, gewinnorientierten Unternehmen in den allgemeinen Kontext der Ökonomisierung auch von Handlungsfeldern, wo der Staat eine besondere Verantwortung hat. Wenn man sich einmal auf diesen Pfad der Entstaatlichung einlässt und die outgesourcte Aufgabenerledigung dann auch noch einer ungebremsten Ökonomiserung ausgesetzt wird, dann muss es zu dem kommen, was man in vielen Handlungsfeldern des Sozial- und Gesundheitssystems studieren kann: eine immer stärkere Kostensenkungsfokussierung unter dem neutral daherkommenden Terminus der „Wirtschaftlichkeit“, diese faktisch aber kastriert im Sinne einer reinen Kosteneffizienzsteigerung. Die frisst dann nicht selten ihre Kinder, wie auch Böcking am Beispiel von European Homecare und deren Aktivitäten in Österreich aufzeigt:

»Im österreichischen Traiskirchen ist European Homecare inzwischen nicht mehr zuständig, sondern das ebenfalls umstrittene Schweizer Privatunternehmen ORS. „Sie wurden abermals unterboten“, vermutet Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der österreichischen Diakonie als Grund für den Wechsel. Seine eigene Organisation habe angesichts der Bedingungen in der Ausschreibung von vorneherein verzichtet. „So billig wollten wir uns erst gar nicht bewerben.“«

Diese Zusammenhänge sind wahrlich keine Neuigkeiten, sondern hinlänglich bekannt und erforscht. Insofern bringt es Barbara Schmidt-Mattern in ihrem Kommentar zu den aktuellen Vorfällen in Nordrhein-Westfalen auf den Punkt:

»Die Versorgung und der Schutz der oft traumatisierten Flüchtlinge sind Hoheits-Aufgaben unserer Behörden. Wie kann es da angehen, dass eine solche Verantwortung in die Hände privater Firmen gelegt wird – die selbstverständlich zuerst an ihren Profit denken? Die jetzt in Verruf geratene Essener Firma European Homecare – der Name klingt wie Hohn – kassiert für jeden betreuten Asylbewerber bis zu 1.000 Euro im Monat. Zugleich aber sind Heimbetreiber, zwielichtige Sicherheitsdienste und andere Subunternehmer nicht überprüft worden, obwohl jedem Bürgermeister und auch dem Innenministerium in Düsseldorf einleuchten dürfte, dass es eben nicht reicht, jemanden für fünf Euro pro Stunde an eine Tür zu stellen, nur weil er Muskeln hat.«

Und ergänzend dazu kann man dem Beitrag „Wir brauchen klare Standards“ entnehmen:

»Während renommierte Hilfsdienste wie das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser oder Johanniter wegen der steigenden Asylbewerber kaum noch personelle Ressourcen haben, übernahm European Homecare in den letzten Monaten immer mehr staatliche Betreuungsaufträge und avancierte zum größten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften in Deutschland … Bereits in den vergangenen Monaten soll European Homecare die vereinbarten Standards bei Unterbringung und Verpflegung kaum noch eingehalten haben. Statt Fachkräfte seien oft Ungelernte oder Berufsanfänger eingesetzt worden, klagen Flüchtlingsorganisationen … Eine Unternehmenssprecherin verwies im WDR auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen, die das Einhalten der üblichen Standards kaum noch möglich mache.

Tatsächlich sind die meisten der 14 Flüchtlingsunterkünfte in NRW derzeit mit 5.134 Menschen restlos überfüllt. Ausgelegt sind die Einrichtungen nur für 4.835 Menschen. Derzeit werden in NRW monatlich 3.400 bis 3.800 Asylanträge registriert.«

Die hier verhandelte Thematik steht nicht im luftleeren Raum, sondern sie ist eingebettet in eine sich zuspitzende Entwicklung hinsichtlich der Zuwanderung nach Deutschland mit all ihren Herausforderungen und Problemen: Kommunen überfordert, Unterkünfte überbelegt, so die Überschrift eines Artikels von Andrea Dernbach. »Es gibt nicht genug Unterkünfte, das erzeugt Frust – drinnen und draußen.« Wohl leider wahr. Dass die Kommunen angesichts des wachsenden Zustroms an Flüchtlingen zunehmend auf private Dienstleister zurück greifen, um den Betrieb der Unterkünfte zu sichern und dass damit Risiken verbunden sind, wirft ein Schlaglicht auf die Situation, leuchtet aber nicht das ganze Feld aus.

Dernbach beschreibt kompakt die Struktur:

»Während der ersten drei Monate sind alle Flüchtlinge verpflichtet, in einer sogenannten „Erstaufnahmeeinrichtung“ zu leben, die ihnen die Behörden zuweisen und für deren Kosten die Länder direkt aufkommen. Das gilt auch für Flüchtlinge, die in einer Stadt Verwandte oder Freunde haben, die sie – bei deutlich geringeren Kosten für die öffentlichen Haushalte – bei sich wohnen lassen und versorgen könnten. Aber auch nach Ablauf der drei Monate müssen sie, so heißt es im Asylverfahrensgesetz „in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften“ darauf warten, dass über ihren Antrag entschieden wird. Wohin sie kommen, entscheidet der „Königsteiner Schlüssel“, mit dessen Hilfe die möglichst gleichmäßige Verteilung auf alle Bundesländer berechnet wird. Dort sind dann meist die Kommunen oder Landkreise für sie verantwortlich, die Länder zahlen Pauschalen für die Unterbringungskosten der Flüchtlinge.«

Hier besonders relevant sind die Folgen:

»An Unterbringung und Verteilung gibt es seit vielen Jahren harte Kritik: Die Flüchtlinge sind kaserniert und praktisch ohne Kontakt zur Bevölkerung. Das monate-, manchmal jahrelange Warten, das sie zu Untätigkeit verdammt, macht viele depressiv, führt zu Konflikten auch unter Heimbewohnern.«

Wie immer stellt sich an solchen Punkten die Frage: Gibt es denn bessere Beispiele? Gute Ansätze? Auch dazu finden wir einen Hinweis in dem Artikel von Andrea Dernbach:

»Gari Pavkovic, langjähriger Leiter der städtischen Stabsstelle Integration in Stuttgart, sieht die Lösung in der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnerorganisationen. Das seien in Stuttgart die Migrationsdienste der freien Wohlfahrtspflege, etwa von Diakonie und Caritas: „Wir wollen die Leute kennen, die da arbeiten“, sagte Pavkovic … „Das Problem, auf private Dienste zurückgreifen zu müssen, haben wir nicht.“ Wenn mehr Menschen kämen, stellten die Wohlfahrtsorganisationen Personal ein.«

Und die Vertreter der Stadt Stuttgart heben hervor, dass eine lange gute Zusammenarbeit Kontrolle nicht ausschließt. In Stuttgart sind keine Subunternehmer erlaubt, man verlangt selbstverständlich polizeiliche Führungszeugnisse von den Beschäftigten und bezahlt werden muss nach Tarif. Leider nur scheinbare Selbstverständlichkeiten, wie man an vielen anderen Orten zur Kenntnis nehmen muss. Und natürlich spielt auch eine Rolle, ob die Kommunen ihre Planungsaufgaben erledigen:

»Geholfen habe auch, dass die Stadt vorzusorgen versuchte und bereits in den letzten Haushalt 20 Millionen mehr für die Versorgung von Flüchtlingen eingestellt hatte. Auch Unterkünfte, so Pavkovic, „waren da, bevor die Flüchtlinge kamen“.«

Und ein zweites Beispiel von der „guten“ Seite: Die Stadt Münster (in Nordrhein-Westfalen). Jochen Köhnke, der Dezernent für Migration und Interkulturelle Angelegenheiten der Stadt Münster, hat eine Paper mit dem Titel Kreative politische Konzepte der Flüchtlingsaufnahme in Münster geschrieben, das die Friedrich-Ebert-Stiftung in diesen Tagen veröffentlicht hat.

»Die Stadt Münster hat eine Konzeption entwickelt, die eine dezentrale Verteilung der Zuwanderinnen und Zuwanderer über das gesamte Stadtgebiet vorsieht. Die Unterbringung erfolgt in Einrichtungen für maximal 50 Personen. Die städtische Verwaltung und Organisationen der Zivilgesellschaft entwickelten gemeinsam dieses Konzept. Die Entscheidungen im Rat erfolgten einstimmig. Außerdem werden Maßnahmen zur Integration der Flüchtlinge angeboten. Ehrenamtliche Arbeit ist ein wichtiger Pfeiler dieses Betreuungskonzeptes.«

Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Aufregung über die aufgedeckten Missstände in den Flüchtlingsheimen zur einer strukturellen Diskussion über und vor allem zu echten Veränderungen  am bestehenden System führt und nicht das übliche Schicksal der medialen Erregungsökonomie erfahren muss. Denn es geht hier – um das noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen – um Menschen, die unseres Schutzes bedürfen, auch wenn sie nicht hier bleiben können oder dürfen. Es geht um Menschenrechte und die sind nicht verhandel- oder relativierbar.

Schutzlos gegenüber denen, die schützen sollen? Vorwürfe gegen private Flüchtlingsheimbetreiber. Und bodenloser Zynismus eines Bürokraten

Zahlreiche Kommunen stehen in diesen Tagen vor gewaltigen Herausforderungen, um die vielen Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, unterzubringen. Dafür notwendige Kapazitäten sind in den vergangenen Jahren – als die Zahl der Asylbewerber deutlich zurückgegangen ist – abgebaut worden. Das ist schon alles schwierig genug.

Es kann leider nicht überraschen, dass in einer solchen Situation auch Anbieter herangezogen werden, die versprechen, mit ihrem Personal den verantwortlichen Kommunen ein Problem vom Hals zu schaffen. In diesem Kontext muss man dann zur Kenntnis nehmen, dass zahlreiche Wohnheime für Flüchtlinge von privaten Firmen betrieben werden und auch private „Sicherheitsdienste“ zum Einsatz kommen. Man darf und muss an dieser Stelle darauf hinweisen, dass hier oftmals Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten und aus verschiedenen Kulturkreisen, teilweise schwer traumatisiert durch ihre Erfahrungen vor und während der Flucht, auf engstem Raum unter nicht selten desaströsen Bedingungen zusammen leben müssen. Sie brauchen nicht nur ein Dach über dem Kopf und Essen, sondern man muss sich um sie kümmern und sie auch schützen vor den Aggressionen, die eine solche Lage zwangsläufig auslösen. Dabei denkt man an mögliche Übergriffe von anderen Mitbewohnern. Aber richtig übel wird es, wenn die Menschen solchen Übergriffen ausgesetzt sind von denen, die sie eigentlich beschützen sollen – und denen sie in der lagerähnlichen Konstellation auch ausgeliefert sind, was eine besondere Verantwortung auf der anderen Seite zur Folge haben sollte.

Über Vorwürfe, dass es solche Übergriffe seitens derjenigen, die eigentlich zum Schutz der Menschen da sein sollen, gegeben hat, berichtet das Politikmagazin „WESTPOL“ (WDR-Fernsehen) in seinem Beitrag Misshandlungen und zu wenig Personal: Vorwürfe gegen privaten Flüchtlingsheimbetreiber in der Sendung am 28.09.2014. Zum Sachverhalt:

»In nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen soll es zu gewalttätigen Übergriffen des Wachdienstes gekommen sein. Asylbewerber aus einem Flüchtlingsheim in Essen berichten gegenüber WESTPOL von Prügelattacken und Demütigungen. WESTPOL liegt außerdem ein ärztliches Attest eines Flüchtlings vor, in dem Verletzungen dokumentiert werden. Auch in einer Unterkunft in Burbach soll es zu Übergriffen des Wachdienstes auf Flüchtlinge gekommen sein. Beide Flüchtlingsunterkünfte werden von der Firma European Homecare betrieben. Das Unternehmen ist einer der größten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften in Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen betreibt es sechs der zentralen landesweiten Erstaufnahmeeinrichtungen.«

Das Unternehmen European Homecare hat seinen Sitz in Essen und wurde 1989 für den Betrieb von Wohnheimen für Asylbewerber und Flüchtlinge gegründet. Der Website des Unternehmens kann man entnehmen: »Im Laufe der Zeit erweiterte sich unser Leistungsspektrum, so dass wir seit vielen Jahren die Unterbringung und soziale Betreuung samt Nebenleistungen von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen sozialen Randgruppen durchführen. Inzwischen sind wir nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit tätig.« Interessanterweise datiert der letzte Eintrag auf der Startseite des Unternehmens mit der Überschrift „Neuer Auftrag im Landkreis Gifhorn“ vom 16.07.2013.

Weiter zu den aktuellen Vorwürfen des Politikmagazins in seinem Beitrag:

European Homecare hält sich nach WESTPOL-Recherchen außerdem nicht an die vom Land geforderten und vertraglich vereinbarten Standards für den Betrieb von Flüchtlingswohnheimen. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Schöppingen gibt es zu wenig qualifiziertes Personal vor. Es fehlt an Psychologen, Erziehern und Sozialpädagogen. Das räumt European Homecare selbst gegenüber WESTPOL ein, und verweist auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen. Auf die Frage, ob European Homecare die vorgeschrieben Standards und den Personalschlüssel im Moment einhalten kann, antwortet Renate Walkenhorst, Pressesprecherin von European Homecare, gegenüber WESTPOL: „Nein, klares Nein. In dieser Notsituation können wir das nicht.“

Das ist an sich schon ein starkes Stück. Aber es kommt noch schlimmer. Denn es gibt doch eine Aufsicht über solche Einrichtungen, die sich an Recht und Gesetz halten wird, die muss doch eingreifen. Dazu das Politikmagazin WESTPOL:

Die Aufsicht über die landesweiten Flüchtlingsunterkünfte hat die Bezirksregierung Arnsberg. Der stellvertretende Behördenleiter Volker Milk räumt die Vertragsverletzungen durch European Homecare gegenüber WESTPOL ein. Dass das Land nicht einschreitet, begründet er so: „Wir sind im Moment sehr froh, dass uns alle Hilfsorganisationen und auch der private Betreiber European Homecare nach ihren besten Kräften unterstützen und es ermöglichen, dass die Menschen nicht in die Obdachlosigkeit geraten. Vor diesem Hintergrund bin ich nicht der Meinung, dass wir im Moment die Standards diskutieren sollten.“

Da bleibt einem doch die Spucke weg. Da gibt es offensichtlich erhebliche Probleme, Übergriffe und Misshandlungen von schutzbedürftigen Menschen stehen im Raum, und der Behördenvertreter erdreistet sich, mit fast schon kafkaesk anmutenden Zynismus zu sagen, er sei nicht der Meinung, »dass wir im Moment die Standards diskutieren sollten«. Geht’s noch? Das soll ein Vertreter der öffentlichen Ordnung sein? Da wird einem übel und man kann nur hoffen, das so eine offen ausgebreitete Einstellung Konsequenzen hat.

Ganz offensichtlich ist der private Betrieb von „Flüchtlingsunterkünften“ ein eigenes Geschäftsmodell, in dem sich die merkwürdigsten Gestalten tummeln. Vor kurzem konnte man dem Artikel Der Ex-Stasi-Offizier und seine Flüchtlingsheime den Hinweis auf ein anderes Privatunternehmen entnehmen, das hier offensichtlich „gutes“ Geld verdient. Zugleich eine „interessante“ Verbindung mit der deutschen Vergangenheit: »In der DDR jagte Wilfried Pohl Republikflüchtlinge. Heute betreibt er Heime für Asylbewerber … Seine Heime sorgen immer wieder mit menschenunwürdigen Bedingungen für Schlagzeilen.« Wilfried Pohl diente einst als hochrangiger Offizier dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Nach der Wiedervereinigung ist er nicht wie viele andere gestrandet, sondern hat eine zweite Karriere hingelegt – »allerdings nicht mehr im Dienst der Staatssicherheit, sondern im Dienste deutscher Kommunen. Mit seinen acht Großunterkünften für Flüchtlinge ist Pohl heute einer der größten privaten Betreiber von Asylbewerberheimen. Bis zu 1.500 Asylbewerber beherbergt er mit seinen Firmen ITB Dresden und S&L in Oberursel.«

Im „Heim-TÜV“, einem Vergleich der Flüchtlingsherbergen des sächsischen Ausländerbeauftragten, schneiden Pohls Herbergen schlecht ab. Der von Martin Gillo entwickelte „Heim-TÜV“ machte erstmals den Zustand von Heimen in einem Bundesland transparent und zeigte Defizite auf.  Die »Bestandsaufnahme von 40 Großunterkünften brachte ein erstaunliches Ergebnis hervor: Privat betriebene Heime schneiden – von Ausnahmen abgesehen – besonders schlecht ab. Und auf der Rangliste weit unten standen 2013 drei Heime mit einem bekannten Betreiber: Wilfried Pohl. Insgesamt sechs Heime hat der Unternehmer in Sachsen, ein weiteres in Thüringen und das in Oberursel.«

In dem Beitrag Das Getto im zweitreichsten Landkreis Deutschlands haben Ileana Grabitz und Lars-Marten Nagel über die „Asyl-Industrie“ geschrieben – am Beispiel eines Containerlagers für mehr als 220 Flüchtlinge in Oberursel – betrieben von Wilfried Pohl im Auftrag des Hochtaunuskreises, wo teilweise skandalöse Zustände vorherrschen sollen. Auf die Frage, wie es dazu kommen kann in diesem doch nun wirklich sensiblen Bereich, wo es um elementare Menschenrechte geht, wird eine simple und zugleich erschütternde Erklärung des sächsischen Ausländerbeauftragten Gillo zitiert: „schlechte Verträge und keine Kontrolle.“

„Über die Formulierung von Mindeststandards, etwa die minimal erforderliche Quadratmeterzahl pro Person, geht es meist nicht hinaus.“ Betreuungskonzepte würden bestenfalls grob gefordert. Ob und was davon umgesetzt werde, sei häufig Sache des Betreibers. Genauso schlecht ist es oft um die Aufsicht bestellt: „Kontrollen gibt es bei den Privaten noch weniger als bei den Heimen in kommunaler Hand“, beklagt Gillo. „Entsprechend fragwürdig sind dann dort oft die Bedingungen.“

In dem Artikel Der Ex-Stasi-Offizier und seine Flüchtlingsheime wird es von den Autoren auf den Punkt gebracht:

»Kaum Auflagen gibt es für die privaten Betreiber, wenig Kontrollen, kaum verbindliche Standards. Nur der Preis muss stimmen. Damit ist der Markt zum Tummelplatz für Leute geworden, die in ihren Methoden nicht gerade zimperlich sind – und die Gunst der Stunde schon früh erkannt haben.«

Und doch wäre es der verkehrte Ansatz, den Schwarzen Peter allein den privaten Betreibern zuzuschieben. Der Staat hat ihr eine ureigene Verantwortung und die muss er gefälligst wahrnehmen. Man kann die Aufgabenerlerdigung wegdelegieren, nicht aber seine Verantwortung dafür, was da passiert.

Was haben IT-Mitarbeiter, Ingenieure, Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst und Erzieher/innen gemeinsam? Sie sind potenziell reif für die kommunale Arbeitsmarktzulage. Nicht nur in München

Eigentlich ist es doch ganz einfach … wenn man einen Beitrag so beginnt, dann wird es schwierig, sonst müsste man nicht zum „eigentlich“ greifen.
Nehmen wir mal als Beispiel den real existierenden und teilweise immer heftiger werdenden Fachkräftemangel bei den pädagogischen Fachkräften, die in Kindertageseinrichtungen bilden, betreuen und erziehen sollen. Und das mit immer mehr und immer jüngeren Kindern aus tendenziell immer „schwierigeren“ Familienverhältnissen. Nun ist das nicht flächendeckend so, aber es gibt doch gerade in den Städten immer öfter mehr als Hinweise, dass man das dort aufgrund der auch noch überdurchschnittlich hohen Nachfrage erforderliche Personal nicht mehr in der notwendigen Quantität gewinnen kann (dem aufmerksamen Leser wird an dieser Stelle bereits aufgefallen sein, dass wir noch gar nicht von Qualität gesprochen haben und das auch nicht tun werden, denn die Quantität ist schon problematisch genug). Das gilt für eine Stadt wie München erst recht, denn hier prosperiert die Wirtschaft, die Leute haben Arbeit, brauchen dann auch Kinderbetreuung und es kommen gerade junge Menschen Jahr für Jahr in diese Stadt – also alles zusammen genommen gleichsam ideale Voraussetzungen für die, die Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege betreiben. Wofür man nun wieder Personal braucht, das aber gerade in einer solchen Stadt auch deshalb so vermisst wird, weil sie richtig teuer ist, wenn man dort lebt oder leben soll, vor allem für die Menschen, die nur über niedrige und auch ganz normale Einkommen verfügen.

Und schon sind wir wieder bei dem „Eigentlich ist es doch ganz einfach“ vom Anfang dieses Beitrags. Denn eigentlich gibt es ein paar Grundgesetze der Ökonomie, die relativ simpel daherkommen und gleichzeitig gerade aufgrund ihrer Schlichtheit zudem eine generelle Hilfestellung geben können für die Einordnung und Bewertung des großen Geredes vom angeblichen, aber eben auch tatsächlichen „Fachkräftemangel“ (vgl. zu diesem höchst strittigen Thema allgemein die Übersicht von Nina Neubecker: Die Debatte über den Fachkräftemangel, 2014).
Folgt man den basalen Regeln von Angebot und Nachfrage, die sich auf Märkten, z.B. auf dem Arbeitsmarkt, treffen und denkt man an die Preisbildung, über die „im Normalfall“ Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden (sollen), dann liegt es auf der Hand, dass dann, wenn das Arbeitsangebot knapp ist oder gar nicht mehr vorhanden ist für die Besetzung von auf der anderen Seite immer mehr werdenden offenen Stellen, der Preis für das Angebot steigen muss, was auf dem Arbeitsmarkt der Lohn ist. Auch wenn mittlerweile eine erhebliche Erschütterung der sich teilweise verselbständigten Berichte über einen massiven Fachkräftemangel eingetreten ist durch kritische Stellungnahmen und jetzt auch zunehmend durch Berichte in den Medien, die ein anderes Bild zeichnen (vgl. hierzu exemplarisch die allerdings teilweise arg einseitige ARD-Reportage Der Arbeitsmarktreport – das Märchen vom Fachkräftemangel vom 21.07.2014).

Nun könnte man auf den durchaus naheliegenden Gedanken kommen, dass man wohl kaum von einem eindeutigen Fachkräftemangel sprechen kann, wenn sich bei den Löhnen nichts tut, wenn vielleicht sogar die Arbeitsbedingungen noch schlechter werden, als sie es schon sind. Wenn man sich auf dieses Bewertungskriterium stützt, dann müsste man auch für die Bereiche Pflege und eben auch Bildung und Betreuung von kleinen Kindern Entwarnung signalisieren müssen, denn dort hat sich nicht viel getan bei der Vergütung der hier arbeitenden Menschen.

Aber wie so oft im Leben – so einfach ist es dann auch nicht. Denn die Arbeit der Erzieher/innen hängt fast ausschließlich am Infusionstropf des Staates, wenn wir von den Elternbeiträgen und den Trägeranteilen absehen. Ökonomen sprechen hier von so genannten „administrierten Preisen“, die eben nicht (nur bzw. sehr eingeschränkt) der normalen Marktlogik folgen (können). Das gleiche Problem sehen wir in der Pflege. Auch wenn ein Betreiber eines Altenheims oder eines ambulanten Pflegedienstes aufgrund der Tatsache, dass er kein Personal mehr findet, die Gehälter um 10% anheben möchte, dann wird er erhebliche Schwierigkeiten bekommen, das auch zu machen, denn die Refinanzierung hängt im Wesentlichen an der Pflegekasse und den mit dieser vereinbarten Pflegesätze. Diese werden aus Budgetgründen der Kasse oftmals aber nur maximal um die Steigerungsrate der Grundlohnsumme, aus der sich die Beiträge zur Pflegeversicherung speisen, angepasst. Bei dieser Konstellation können dann schon ganz normale Tariflohnsteigerungen zu einem echten Problem werden, da die Anbieter der Leistung nicht oder nur begrenzt in der Lage ist, die gestiegenen Kosten auf den Endabnehmer zu überwälzen. Vergleichbar ist die Lage im Bereich der Kindertageseinrichtungen.

Aber an der Frontspitze des real existierenden Fachkräftemangels gibt es Bewegung. Die Stadt München ist vorgeprescht: »Es war eine seiner ersten Amtshandlungen: Münchens OB Reiter hat mitgeteilt, das Kita-Personal der städtischen Einrichtungen besser zu bezahlen«, berichtet Melanie Staudinger in ihrem Artikel Erzieher-Bonus weckt Begehrlichkeiten. Der neue Oberbürgermeister will das mit Hilfe der Arbeitsmarktzulage erreichen, die in Berufen mit Fachkräftemangel gewährt werden kann. Diesem Ansinnen hat der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern (KAV) jetzt zugestimmt. Kommunen können ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen nun mehr zahlen, als der Tarifvertrag es vorsieht.

Bisher galt die Arbeitsmarktzulage in Bayern nur in drei Branchen, für IT-Mitarbeiter, Ingenieure und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, schreibt Staudinger. Nun können alle Kommunen ihren Mitarbeitern eine Zulage zahlen, allerdings nur, wenn sie den Personalbedarf sonst nicht decken könnten. In München sollen alle Erzieher/innen in den kommunalen Einrichtungen flächendeckend die Zulage bekommen.

Neben der Arbeitsmarktzulage gibt es ein zweites Instrument, mit dem man die Vergütungsbedingungen verbessern will: Die tarifliche Eingruppierung. Und auch die soll im Sinne einer Höhergruppierung genutzt werden. Dazu Staudinger: »Mitarbeiter, die jetzt in Stufe S 6 sind, können künftig nach S 8 bezahlt werden – sofern sie einer „besonders schwierigen fachlichen Tätigkeit“ nachgehen. Derzeit erarbeitet das Bildungsreferat die Kriterien. „In einigen Kitas gibt es einen erhöhten Aufwand, weil dort viele Kinder mit Migrationshintergrund betreut werden“, sagt Susanne Herrmann, Leiterin der Abteilung Kita. Diese Maßnahme soll bis Herbst umgesetzt werden.«

Das hört sich doch alles sehr erfreulich an, vor allem für die Erzieher/innen. Wie immer im Leben folgt das „ja, aber“ auf dem Fuße. Denn es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich dieser Vorstoß der Stadt München erst einmal „nur“ auf die Kindertageseinrichtungen bezieht, die sich in kommunaler Trägerschaft befinden, also von der Stadt selbst betrieben werden. Nun gibt es aber daneben bekanntlich viele andere, so genannte „freie“ Träger von Kitas, beispielsweise kirchlich gebundene Einrichtungen oder von der AWO, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband usw. Nach heftiger Kritik aus diesen Reihen signalisiert die Stadt hier Entgegenkommen:
»So soll mit freien Trägern – dazu können private Kitas oder auch gemeinnützige gehören – darüber gesprochen werden, ob sie ebenfalls Zulagen gewähren können und dabei von der Stadt finanziell unterstützt werden.« Aber das ist erst einmal nur eine Ankündigung.

Sofort öffnen sich wie bei jeder Sonderregelung zahlreiche Folgefragen und -probleme. Dafür sei hier stellvertretend Wolfgang Obermair, Vorstand im Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, nach dem Artikel von Staudinger zitiert:

»Die Arbeitsmarktzulage ist aus seiner Sicht der falsche Weg, vielmehr hätte es eine tarifrechtliche Einigung geben müssen. Sollte eine Zulage in Höhe von 200 bis 250 Euro kommen, würde eine Erzieherin mehr verdienen als eine Sozialpädagogin, die studiert habe. „Das ist nicht fair“, sagt Obermair. Benachteiligt würden auch Erzieher außerhalb von Kitas, die etwa mit Behinderten oder der stationären Jugendhilfe arbeiteten.
Auch Pflegepersonal ist derzeit vom Bonus ausgeschlossen. „Diese Verwerfungen im System hat keiner beachtet“, sagt Obermair. Die Grünen im Stadtrat, Verdi und der Personalrat der städtischen Kita-Mitarbeiter fordern daher eine Ausweitung: Zum einen müssten auch Kinderpflegerinnen sowie die Kita-Leitungen einbezogen werden, zum anderen auch weitere Berufsgruppen mit Fachkräftemangel.«

Auch hier wird übrigens wie so oft die Kindertagespflege vergessen, die ja auch in die öffentliche Förderung eingebettet ist.

Wilfried Schober, der Sprecher des Bayerischen Gemeindetags, weist auf ein weiteres mögliches Spannungsfeld hin: Die Gräben zwischen reichen und armen Gemeinden werden sich vertiefen, denn die Zulage muss man sich leisten können innerhalb des bestehenden Finanzsystems der Kommunen. »Allerdings verweist er auch darauf, dass die Freigabe der Arbeitsmarktzulage in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht zu großen Wanderungsbewegungen der Mitarbeiter geführt habe«, was auch nicht wirklich überrascht, wenn man weiß, wie ausgeprägt die regionale, teilweise lokale Immobilität der Erzieher/innen – zumeist aufgrund ihrer familiären Einbindung – ist.

Nun sieht man schon die Schwierigkeiten und Reibungspunkte, die sich ergeben, wenn man innerhalb des bestehenden Systems partielle Verbesserungen erreichen will. Und dabei bewegen wir uns im bestehenden System, was bekanntermaßen von vielen Betroffenen und Experten als völlig unterausgestattet mit Personal charakterisiert wird.

Das System steht aus Sicht einer Gesamtbilanzierung vor einer vierfachen Herausforderung:
Der „normale“ Nachwuchs für das bestehende System muss gewonnen werden, vor allem angesichts der anstehenden altersbedingten Abgänge. Gleichzeitig wächst der quantitative (und qualitative) Personalbedarf im System schlichtweg dadurch, dass deutlich mehr Fachkräfte benötigt werden, weil immer jüngere Kinder (mit einem daraus resultierenden höheren Personalschlüssel als bei den älteren Kindern) in den Einrichtungen aufgenommen werden und die Kinder immer länger in den Kitas bleiben und auch die pädagogischen Schwierigkeitsgrade in vielen Einrichtungen als Folge komplexer gesellschaftlicher Veränderungen steigen. Und drittens müsste über den „normalen“ Ersatz- und Wachstumsbedarf aufgrund der noch anhaltenden Expansion des bestehenden Systems eine erhebliche Anzahl an zusätzlichen Fachkräften gewonnen und damit natürlich auch finanziert werden, um die fachlichen Vorgaben einer ordentlichen Betreuung, Bildung und Erziehung vor allem der sehr kleinen Kinder gewährleisten zu können.

Hierzu hatte sich Ende Juli die Bertelsmann-Stiftung zu Wort gemeldet (vgl. dazu Zu wenig Erzieherinnen in Kitas. Qualität bleibt in der frühkindlichen Bildung oft auf der Strecke) und auf die gewaltige Dimension des eigentlich erforderlichen zusätzlichen Personals hingewiesen: »Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Deutschland verbindlich gelten, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich.« Und viertens müsste dann insgesamt – das wäre sicher eine bessere Lösung als mit einzelnen Zulagen herumzufummeln, die immer nur eine Not- oder Überbrückungslösung sein können – die Vergütungsstruktur der pädagogischen Fachkräfte vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklung auch nachvollziehbar nach oben gezogen werden.

Würde man das machen wollen – wofür es derzeit keine belastbaren Anzeichen gibt -, dann stellt sich das Problem, dass dafür erhebliche Finanzmittel zu mobilisieren wären. Womit wir wieder bei dem wären, was ich dazu in meinem Blog-Beitrag Von Quantitäten, Qualitäten und einem realen Fachkräftemangel: Die Kindertageseinrichtungen und das (fehlende) Personal. Und wieder einmal: Das Geld am 25. Juli 2014beschrieben habe: Ohne eine systematische Neuordnung und damit verbunden auch ohne eine Neuverteilung der Finanzierungslasten wird sich hier nichts bewegen. Aber wir werden ja im Herbst dieses Jahres laut Ankündigung aus dem Bundesfamilienministerium einen dieser ominösen „Gipfel“ in Berlin erleben dürfen, ein „Kita-Gipfel“ wurde uns in Aussicht gestellt. Hand aufs Herz – wir haben in diesem Politikfeld kein Erkenntnisproblem, sondern ein manifestes Umsetzungsproblem, gespeist nicht nur, aber auch aus einer föderalen Lähmung.
Da bleibt dann wie sie oft nur noch die Hoffnung.