Der föderale Flickenteppich und die Flüchtlinge: Die einen kriegen eine Chipkarte, die anderen müssen zum Amt. Am Gelde hängt’s

Bei welchem Asylpaket sind wir eigentlich mittlerweile angekommen? Auf alle Fälle gab es das Paket I, dessen asylrechtlichen Änderungen seit dem 23.10.2015 in Kraft sind.  Mit dem Asylpaket I wurde Ende 2015 die Möglichkeit eröffnet, für Asylsuchende eine Gesundheitskarte mit eingeschränktem Leistungsanspruch einzuführen.  Die Verantwortung für die Umsetzung wurde in die Hände der Bundesländer gelegt – man ahnt schon, was jetzt kommen muss. Flickenteppich bei Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden – so hat die Bertelsmann-Stiftung eine Bestandsaufnahme der Umsetzung des Ansatzes überschrieben. Bis Ende Februar 2016 wurde die Gesundheitskarte für Asylsuchende in Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingeführt (in NRW allerdings nicht flächendeckend im Land, bislang haben lediglich 20 Kommunen ihre Beteiligung zugesagt). Brandenburg plant die landesweite Implementierung zum 1. April 2016. In den beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg gibt es die Gesundheitskarte schon seit einigen Jahren.

Entstanden ist eine unübersichtliche Landschaft hinsichtlich der Art und Weise, wie die gesundheitliche Versorgung der Asylsuchenden organisiert wird.

Die Erfahrungen in Bremen und Hamburg mit der Gesundheitskarte für Asylbewerber sind nach offiziellen Verlautbarungen positiv. Verwaltungskosten wurden eingespart. Sozial- und Gesundheitsämter seien entlastet worden. Das hat sicher auch die Empfehlung aus Fachkreisen beeinflusst, diesen Ansatz bundesweit einzuführen, so auch die Forderung einer Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung (vgl. Themendossier Zugang zu Gesundheitsleistungen und Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber). Allerdings handelt es sich bei den beiden Erfolgsmodellen nicht ohne Grund um zwei Stadtstaaten und nicht um Flächenländer, denn in den Stadtstaaten fällt die kommunale und die Landesebene zusammen. Das ist bei den Flächenländern nicht der Fall und hier schlägt jetzt wieder das föderale Finanzierungsdurcheinander zu, das wir auch aus so vielen anderen Bereichen kennen.

Es geht mal wieder um das liebe Geld. Zur Einordnung: Die Kommunen tragen die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in den ersten 15 Monaten bzw. bis zu deren Anerkennung. Allerdings dürfen wir uns das nicht so vorstellen, dass das mit dem vergleichbar ist, was „normale“Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Asylbewerber sind über die Sozialhilfeverwaltung krankenversichert. Vor einem Arztbesuch müssen sie sich vielerorts beim Sozialamt einen Krankenschein abholen. Die Kosten werden nur bei eindeutigen Notversorgungen geleistet.

»Der Krankenschein wird durch das Sozialamt mit Anmerkungen für die ÄrztInnen versehen, dabei werden mitunter äußerst restriktive Auslegungen von § 4 AsylblG abgedruckt. Viele ÄrztInnen zeigen sich in der Praxis angesichts der Gesetzeslage überfordert und verweigern manchmal selbst die Notversorgung oder entscheiden sich bei Zahnschmerzen zur Ziehung des Zahns statt zu einer kostenintensiveren Wurzelbehandlung«, so eine kritische Darstellung von ProAsyl.

Die Begrenzung auf eine Notversorgung ist gesundheitspolitisch problematisch, denn sie führt unter anderem dazu, dass präventive Impfungen wie gegen Tuberkulose oft erst nach Monaten durchgeführt würden – in Gemeinschaftsunterkünften steige so die Ansteckungsgefahr.

Auch die Gesundheitskarte beinhaltet einen eingeschränktem Leistungsanspruch. Flüchtlinge haben bis zu ihrer Anerkennung nur ein Anrecht auf Versorgung im Notfall. Vorsorgeuntersuchungen können nur Schwangere erhalten.

Ursache für die schleppende Einführung ist vor allem der Streit um die Finanzierung. Für die Kosten der Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern müssen die Kommunen aufkommen. Wie bereits erwähnt, eröffnete das Asylpaket I zwar die Möglichkeit, die Gesundheitskarte einzuführen, die Umsetzung wurde aber den Bundesländern übertragen – und der Bund übernahm auch keine Finanzverantwortung. »Der Bund hat es abgelehnt, die Gesundheitskosten für Flüchtlinge komplett zu übernehmen, und auch die Länder belassen die Kosten in der Regel bei den Kommunen«, kann man dem Artikel Gesundheitskarte für Flüchtlinge kommt kaum voran entnehmen.

»Die meisten Länder arbeiten noch an der Umsetzung. Dazu stehen die Länder in Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen, um die Kostenaufteilung und den Leistungsrahmen der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden zu definieren. Die im Gesetz auf Bundesebene vorgesehene Rahmenvereinbarung zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den kommunalen Spitzenverbänden wird ebenfalls noch verhandelt«, so die Bertelsmann-Stiftung.

Da der Bund sich einer Finanzierung verweigert, bleibt die Zuständigkeit bei den Kommunen und die Bundesländer haben sicher kein Interesse, durch eine Übernahme der Kosten die Kommunen zu entlasten. Die Kommunen hingegen stehen vor der Situation, dass ihnen einerseits Kostenersparnisse in ihren Verwaltungen in Aussicht gestellt werden, weil die Betroffenen nicht mehr wegen jeder Einzelleistung im Amt vorstellig werden müssen. Aber das kostet natürlich, denn die Krankenkassen lassen sich das natürlich vergüten, wenn sie das für die Kommunen abwickeln. Eine Richtgröße in diesem Kontext sind (mindestens) zehn Euro Verwaltungsgebühr oder deren Ausgestaltung als prozentualer Abzug, z.B. 8 Prozent.

Im Saarland will die Regierung die Karte ermöglichen, „aber sämtliche Landkreise weigern sich, sie einzuführen“, heißt es. Und in Rheinland-Pfalz ist man schon weiter (das Gesundheitsministerium des Landes hatte Mitte Januar mit den gesetzlichen Krankenkassen eine Rahmenvereinbarung zur Einführung einer Gesundheitskarte abgeschlossen), aber auch hier verweigert sich die kommunale Ebene: »Der Plan der rot-grünen Landesregierung für eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist offenbar gescheitert. Nach SWR-Recherchen hat bis jetzt keine einzige Kommune die Karte eingeführt. Der Grund sind die hohen Verwaltungskosten«, heißt es in dem Artikel Wohl keine Gesundheitskarte für Flüchtlinge des SWR.

Dabei geht es ja nicht nur um die Gesundheitskarte (und damit verbunden die Abwicklung über die Krankenkassen), sondern es sollte auch darum gehen, was da drin steckt. Die Kommission der Robert Bosch Stiftung hat für eine bundeseinheitliche Grundversorgung der Flüchtlinge plädiert. Das würde dann aber auch ein Bundesfinanzierung konsequenterweise zur Folge haben, was eine erhebliche Entlastung der Kommunen zur Folge hätte.

Darüber hinaus haben Sozialverbände zudem wiederholt gefordert, auch Asylsuchenden das Leistungsspektrum regulär Krankenversicherter zu eröffnen. Das wurde von der Politik bislang mehrheitlich abgelehnt, wobei schnell klar wird, dass es hier nicht nur um die Abwehr höherer Ausgaben geht, die mit einem solchen Vorschlag verbunden wären, sondern wie bei so vielen anderen Fragen hat das eine normative Dimension:

»So erklärten Bayern und Sachsen, keine Gesundheitskarte einzuführen, auch weil sie darin einen Anreiz für die Flucht nach Deutschland sehen.«

Hier geht es also wieder um die abschreckende Wirkung einer möglichst restriktiven Ausgestaltung der Leistungen, ein Gedanke, der für das deutsche Asylrecht seit langem prägend war. Aber ob Menschen über das Mittelmeer kommen, weil es in Deutschland die Gesundheitskarte gibt, nun ja.

Erzieherinnen als „Müllmänner 2.0“? Der Kita-Streik stellt mehrere Systemfragen gleichzeitig

Auch wenn es übertrieben formuliert erscheint: Wir stehen vor einem historischen Moment. Weit über 90 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder von ver.di und GEW und auch denjenigen, die im Deutschen Beamtenbund organisiert sind, haben sich für einen unbefristeten Arbeitskampf ausgesprochen. Wir sprechen hier von Erzieher/innen und anderen Beschäftigten der kommunalen Kindertageseinrichtungen. Die Medienmaschinerie läuft an und produziert überall solche Meldungen: Ab Freitag bleiben viele Kitas zu: »Rund 150 Kitas werden am Freitag in Rheinland-Pfalz geschlossen bleiben. Schwerpunkte sind die Regionen Koblenz, Rheinhessen mit Mainz und die Pfalz.« Die Streiks in Rheinland-Pfalz sollen nach und nach ausgeweitet werden. Am Dienstag, dem 12. Mai, wird es einen landesweiten Streiktag geben, zu dem alle Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bei den Kommunen aufgerufen werden. So oder ähnlich kann man es aus vielen Regionen Deutschlands hören und lesen. Der Streik ist unbefristet und kann nach Angaben der Gewerkschaften mehrere Wochen dauern. Sie fordern eine finanzielle Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe unter anderem durch eine deutlich höhere Eingruppierung. Der nun anlaufende Kita-Streik ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil mit ihm mehrere „Systemfragen“ verbunden sind.

Den Gewerkschaften geht es um eine deutliche Anhebung der Vergütungen für die Fachkräfte in den kommunalen Kindertageseinrichtungen, wobei das Besondere darin besteht, dass nicht eine prozentuale Erhöhung der gegebenen tariflichen Vergütung gefordert wird, sondern die Fachkräfte sollen um mehrere Stufen nach oben gehoben werden. In der Gesamtschau würde das Vergütungsniveau um 10 % ansteigen müssen, die betroffenen Kommunen bzw. ihre Spitzenverbände geben an, dass dies Mehrkosten in einer Bandbreite von 500 Mio. bis 1,2 Milliarden € zur Folge hätte.

Zur Begründung für diesen erheblichen Vergütungssprung wird vor allem auf zwei Aspekte verwiesen: Zum einen sei das Aufgabenprofil der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet wie auch vom Anspruch her gesehen angehoben worden. Dies stellt vor allem auf die Tatsache ab, dass die Kindertageseinrichtungen in den vergangenen Jahren, vor allem seit der Rezeption der Pisa-Ergebnisse, zu Bildungseinrichtungen deklariert worden sind (die sie auf dem Papier schon immer waren, denn das Kinder- und Jugendhilfegesetz, also das SGB VIII, spricht seit jeher von dem frühpädagogischen Dreiklang aus Bildung-Betreuung und Erziehung). Aber unbestreitbar ist, dass sich seit dem vergangenen Jahrzehnt sowohl die Erwartungen der Politik an die Kindertageseinrichtungen hinsichtlich des Bildungsauftrags nach oben verschoben haben (so gibt es in allen Bundesländern so genannte Bildungspläne bzw. Bildungsempfehlungen für die Kitas), wie aber auch auf Seiten eines (wachsenden) Teils der Eltern, die sehr viel Wert legen auf die Bildungselemente in der frühpädagogischen Arbeit. Diese Entwicklung korrespondiert mit einer intensiven Auseinandersetzung über die Bedeutung der ersten Lebensjahre vor dem Schuleintritt für die weitere Bildungslaufbahn der Kinder und in jeder Sonntagsrede zu diesem Thema wird das besonders hervorgehoben.

Hinzukommt unbestreitbar eine erhebliche Veränderung der Belastungsprofile der Arbeit der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen. Dies zum einen dadurch, dass in den vergangenen Jahren, vor allem in Westdeutschland, immer mehr jüngere Kinder in die Kindertageseinrichtungen aufgenommen werden (müssen), die ganz andere Anforderungen an die Arbeit der Fachkräfte stellen hinsichtlich der Betreuungsintensität wie auch der Bildungsaufgaben, die dieser Altersgruppe angemessen sind. Hinzu kommt eine deutliche Zunahme der Ganztägigkeit, also immer mehr Kinder, die anders als früher nicht nur vier oder fünf Stunden in der Einrichtung verbleiben, sondern teilweise sieben Stunden oder noch länger.

Vor diesem Hintergrund wird derzeit argumentiert, dass das Niveau der Vergütung der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen, das tatsächlich im Vergleich über alle Bildungsstufen derzeit am niedrigsten ist, eigentlich auf das Niveau der Grundschullehrer angehoben werden müsste. An dieser Stelle ist eine erste „Systemfrage“ zu diagnostizieren: Eine Umsetzung dieser Forderung würde unweigerlich zu einem Konflikt innerhalb der bestehenden Hierarchie der gegebenen Ausbildungssysteme führen, denn die Kritiker dieser Forderung verweisen sofort darauf, dass die – sicherlich sehr anspruchsvolle und teilweise bis zu fünf Jahre umfassende – Ausbildung der Erzieherinnen als eine fachschulische Ausbildung nicht vergleichbar sei mit dem Studium, dass Grundschullehrer zu absolvieren haben. Die überaus ausgeprägte Hierarchie unseres Ausbildungssystems wird dann daran erkennbar, dass die im Vergleich geringere Vergütung der Grundschullehrer gegenüber den Lehrern an weiterführenden Schulen ebenfalls damit begründet wird, dass sie nicht das gleiche Studium wie beispielsweise ein Gymnasiallehrer absolviert haben. Insofern wird hier zum einen grundsätzlich die Ausbildungsfrage aufgeworfen, zum anderen bekommen wir hier ein wenig Licht in das „Schattendasein“ der fachschulischen Ausbildung in Deutschland, die neben der üblicherweise im Mittelpunkt der Diskussion stehenden „dualen Ausbildung“ sowie der an Hochschulen steht. Die fachschulische Berufsausbildung, zu der beispielsweise auch die meisten Gesundheitsberufe gehören, ist eine Domäne der Frauen.
Insofern wird hier auch als eine weitere „Systemfrage“ die Diskussion über den Stellenwert und die Ausgestaltung „typischer“ Frauenberufe aufgeworfen.

Aber damit noch lange nicht genug. Der nun anlaufende unbefristete Kita-Streik wirft zugleich eine fundamentale „Systemfrage“ auf, die sich zugleich als zentrale „Achillesferse“ des Kita-Streiks erweisen könnte, wenn man sie nicht mitdenkt bzw. parallel adressiert: die Finanzierungsfrage der – teilweise völlig unterschiedlich ausgestalteten – Kita-Finanzierungssysteme in den Bundesländern.

Vereinfachend und zuspitzend formuliert: Die derzeit bestehenden Finanzierungssysteme der Kindertageseinrichtungen in den einzelnen Bundesländern weisen trotz aller Unterschiede Zwei zentrale Schwachstellen auf. Zum einen müssen wir von einer erheblichen Unterfinanzierung des Kita-Systems ausgehen. Schon vor vielen Jahren hat die Wirtschaftsorganisation OECD als Soll-Vorgabe für eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Elementarbereichs einen Wert in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes der jeweiligen Volkswirtschaft vorgegeben, in Deutschland kommen wir derzeit auf etwa 0,6 %. Dabei handelt es sich keineswegs um eine „Wünsch dir was“-Größe, sondern skandinavische Länder erreichen diese Größenordnung und auch unser Nachbarland Frankreich kommt in die Nähe dieses Werts. Anders ausgedrückt: In Deutschland müssten mehrere Milliarden Euro zusätzlich zu den bereits getätigten Ausgaben aufgewendet werden, um nach diesen Maßstäben eine angemessene Finanzausstattung erreichen zu können.

Neben der Unterfinanzierung von besonderer Bedeutung gerade auch mit Blick auf den nun anlaufenden großen Kita-Streik ist die eklatante Fehlfinanzierung des Systems der Kindertagesbetreuung in Deutschland.  Diese Finanzierung lässt sich vereinfachend so beschreiben: Über alle Bundesländer hinweg tragen die Kommunen mindestens 60 % der Kosten der Kindertagesbetreuung. Betrachtet man nun auf der anderen Seite die monetär bezifferbaren Nutzen aus der Kindertagesbetreuung, vor allem in Form der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die nicht nur von den Beschäftigten im Kita-System generiert werden, sondern vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Eltern, vor allem die Mütter, durch die Bereitstellung dieser Infrastruktur überhaupt erst in die Lage versetzt werden, einer Teilzeit- oder gar Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können, aus der wiederum Steuern und Sozialversicherungsbeiträge generiert werden,  dann wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Hauptnutznießer auf der Ebene des Bundes und vor allem der Sozialversicherungen zu verrotten sind. Würde man nun ein rationales Finanzierungskonzept zugrundelegen, dann müssten diese Hauptnutznießer auch entsprechend an der Regelfinanzierung der Kindertageseinrichtungen (sowie der Kindertagespflege, die in der Diskussion oftmals vergessen wird) beteiligt werden. Das ist heute aber keineswegs der Fall, der Bund ist erst seit einigen Jahren an der Finanzierung vor allem des Ausbaus der Betreuungsangebote für die unter dreijährigen Kinder beteiligt. Die Sozialversicherungen überhaupt nicht. Seit Jahren wird vor diesem Hintergrund eine regelgebundene anteilige Finanzierung der Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen (sowie der Ausgaben für die Kindertagespflege) seitens des Bundes gefordert. Entsprechende Modelle, wie man das umsetzen kann, beispielsweise in Form eines Kita-Fonds  sind in den vergangenen Jahren ausgearbeitet worden. Es fehlt schlichtweg der politische Wille, diesen Ansatz umzusetzen.

Vor dem Hintergrund der Forderung der Gewerkschaften und der Lage vieler Kommunen in Deutschland, die sich beispielsweise unter der Haushaltssicherung befinden und mit einer enormen Verschuldung konfrontiert sind, wird schnell erkennbar, das die zentralen und durchaus berechtigten Forderungen der Gewerkschaften, die Vergütungen deutlich anzuheben, in diesem Bereich nur dann wirklich eine Chance auf Umsetzung gekommen werden, wenn die Finanzierungsfrage im Sinne einer Entlastung der Kommunen gelöst wird.

Eine weitere „Systemfrage“ berührt die Gewerkschaften und ihre Strategie als solches. Die älteren Semester werden sich an die 70er und teilweise 80er Jahre erinnern, in denen die damalige Gewerkschaft ÖTV bei Tarifauseinandersetzungen gerne auf die berühmten Müllmänner zurückgegriffen hat, wenn es um die Demonstration der möglichen bzw. tatsächlichen Folgen eines Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst ging. Die Nachfolgegewerkschaft Verdi steht heute vor dem Problem, dass die meisten Müllmänner privatisiert worden sind und als Speerspitze eines Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst schlichtweg nicht mehr zur Verfügung stehen (können). Es gibt durchaus Strategen im Gewerkschaftslager, die den Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen angesichts ihrer enorm gewachsenen Bedeutung im gesellschaftlichen Gefüge unseres Landes eine vergleichbare Funktionalität zu schreiben, wie sie früher die Müllmänner im öffentlichen Dienst eingenommen hatten. Die konnten durch einen Arbeitskampf innerhalb einer sehr überschaubaren Frist weite Teile der Bevölkerung empfindlich treffen und damit einen entsprechenden Druck aufbauen, dass die öffentlichen Arbeitgeber in einer Tarifauseinandersetzung einlenken. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass man angesichts der die enormen Bedeutung, die die Kindertagesbetreuung heute angesichts der gestiegenen Erwerbstätigkeit der Mütter in unserer Gesellschaft hat, davon ausgehen kann und muss, das Streikaktionen in diesem Bereich zu empfindlichen Einschränkungen führen können und müssen. Vor diesem Hintergrund kann es durchaus Sinn machen, perspektivisch die Erzieherinnen gleichsam zu einer Speerspitze zukünftiger Arbeitskämpfe zu machen, also gleichsam zu „Müllmänner 2.0“.

Auf der anderen Seite kann und darf man nicht übersehen, dass wir gerade in diesem Bereich nicht nur aus gewerkschaftlicher Sicht mit zahlreichen Besonderheiten konfrontiert sind: Zum einen gibt es nicht „die“ Gewerkschaft, die in diesem Bereich alleine für die Interessen der Beschäftigten kämpft, sondern mit Verdi und der GEW zwei DGB-Gewerkschaften und auch der Deutsche Beamtenbund mischt teilweise mit seinen Mitgliedern mit., vor allem hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden DGB-Gewerkschaften Verdi und GEW. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit, die auch in den vor uns liegenden Tagen deutlich erkennbar werden wird: Viele Bürger werden aus ihrer Perspektive mehr oder weniger erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass eben nicht „die“ Kitas streiken bzw. gestreikt werden, sondern nur ein Teil der kommunalen Kitas. Man wird dann ebenfalls zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Mehrheit der Kindertageseinrichtungen nicht in kommunaler Trägerschaft betrieben werden, sondern von den so genannten freien Trägern, insbesondere handelt es sich hierbei um konfessionell gebundene Einrichtungen der evangelischen und der katholischen Kirche. In diesen Einrichtungen arbeitet die Mehrzahl der Erzieherinnen, die haben aber aufgrund der Sonderrechte der Kirchen kein Streikrecht. Sie werden in der nun anlaufenden großen Auseinandersetzung lediglich als Zaungäste die Entwicklung begleiten und beobachten können.

Darüber hinaus den Blick wieder gerichtet auf die nun vor einem unbefristeten Streik stehenden Erzieherinnen in den kommunalen Kindertageseinrichtungen: Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um ein „Experiment“, denn so eine Arbeitskampfmaßnahme hat es in der bisherigen Geschichte im Bereich der pädagogischen Fachkräfte von Kindertageseinrichtungen noch nicht gegeben. Im Jahr 2009 gab es bereits über einen längeren Zeitraum zahlreiche Warnstreikaktionen in Kindertageseinrichtungen, die allerdings begrenzt waren auf in der Regel ein bis zwei Tage. Es wird spannend sein, zu verfolgen, wie die Erzieherinnen auf einen längeren Ausstand reagieren werden, vor allem dann, wenn nach ein bis zwei Tagen die am Anfang sicher vorhandene breite Sympathie vor allem bei den Eltern einer heftigen Kritik an den Streikaktionen weichen wird. Es gibt zahlreiche Skeptiker, die befürchten, dass die Erzieherinnen gerade aufgrund ihrer hohen intrinsischen Motivation erhebliche Probleme haben werden, einen längeren Arbeitskampf auch durchzuhalten. Dem wird entgegengehalten, dass es in den vergangenen Jahren eine erhebliche Politisierung vieler Erzieherinnen gegeben hat, dass also die Haltung und die Verfassung vieler betroffener Fachkräfte heute eine andere sei als noch vor ein paar Jahren und man deshalb diesen Schritt wagen könne.

Über all diese inneren Fragen den Kita-Streik betreffend weit hinausreichend ist als eine weitere „Systemfrage“ der Hinweis erlaubt, dass es bekanntlich das so genannte „Lernen am Modell“ gibt. Damit soll an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht werden, dass wenn die Erzieherinnen erfolgreich bzw. halbwegs erfolgreich sein sollten mit ihrer unbefristeten Streikaktion, dann wird das auf andere Bereiche ausstrahlen, wo sich mittlerweile ein erheblicher und überaus nachvollziehbarer Druck aufgebaut hat: gemeint ist an dieser Stelle vor allem der ganze Bereich der Pflege, also die Pflegekräfte und ihre wachsende Unzufriedenheit angesichts der teilweise wirklich desaströsen Arbeitsbedingungen, denen sie ausgesetzt sind. Die werden sich dann in absehbarer Zeit auch der Entscheidung ausgesetzt sehen, ob sie in den großen Konflikt gehen werden bzw. wollen bzw. können.

20 Jahre Pflegeversicherung. Eine – wie immer in der Sozialpolitik – unvollständige Erfolgsgeschichte jenseits der Festveranstaltungen

Im März 1994 wurde die Pflegeversicherung als vierte Säule der Sozialversicherung neben Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung politisch beschlossen und am 1. Januar 1995 wurde sie zum Leben erweckt. »Die Pflegeversicherung übernimmt seit 1995 ambulante und teilstationäre Kosten. Seit Mitte 1996 zahlt sie auch Leistungen für die damals rund 480.000 Alten- und Pflegeheimbewohner. Mittlerweile leben knapp 800.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen«, so die Bundesregierung in ihrer Mitteilung Meilenstein in der Sozialgeschichte, für die das eine „Erfolgsgeschichte“ ist. 1995 erhielten eine Million Pflegebedürftige Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung, heute sind es gut 2,6 Millionen Menschen. Zwei Drittel der pflegebedürftigen Menschen werden in aller Regel zu Hause durch Familienangehörige, teilweise unter Beteiligung ambulanter Dienste betreut, ein Drittel stationär in Heimen. Etwa eine Million Menschen sind beruflich in der Altenpflege tätig. Auf einem Festakt des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, würdigten am 13. Januar 2015 zahlreiche Gäste aus Politik, Gesundheitswirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die „Erfolgsgeschichte“ Pflegeversicherung. Staatssekretär Laumann wird mit den Worten zitiert: »Hatten Pflegebedürftige und ihre Familien zuvor kaum Unterstützung erhalten, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Strukturen und Angeboten zur Entlastung.«

Die Pflegeversicherung, wie wir sie heute vorfinden, ist wie alles in der Sozialpolitik das Ergebnis eines Kompromisses. Über viele Jahre im Vorfeld der dann gewählten Sozialversicherungslösung wurde teilweise erbittert darüber gestritten, wie man das Risiko der Pflegebedürftigkeit in unserem Sozialstaat „richtig“ absichert. Vereinfacht gesagt gab es neben der letztendlich dann auch gewählten Variante als beitragsfinanzierte Sozialversicherung immer auch den Vorschlag, ein steuerfinanziertes Leistungsgesetz einzuführen. Ein ganz wichtiger Aspekt, warum man überhaupt über eine andere Form der Finanzierung der Pflegekosten damals diskutiert und die Pflegeversicherung eingeführt hat, war der immer stärkere Anstieg der Sozialhilfe-Kosten bei den Kommunen, die mit den „Hilfe zur Pflege“-Leistungen nach dem damaligen BSHG als Ausfallbürge für Menschen, die nicht in der Lage waren, die Kosten beispielsweise einer Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung mit ihren vorhandenen Mitteln und ihrem Vermögen abdecken zu können, in Anspruch genommen wurden – und in den letzten Jahren in steigendem Maße wieder werden.

Schaut man sich einmal die lange Zeitreihe derjenigen an, die „Hilfe zur Pflege“-Leistungen nach dem BSHG bzw. mittlerweile SGB XII, also aus der Sozialhilfe, in Anspruch genommen haben, dann wird zum einen erkennbar, wie in den Jahren vor der Schaffung der Pflegeversicherung die kommunalen Ausgaben für die Pflege stetig angestiegen sind – und man erkennt auch den Effekt der Leistungen aus der Pflegeversicherung, die 1995 bzw. 1996 begannen, im Sinne stark sinkender kommunaler Sozialhilfeausgaben für den Pflegebereich. Man erkennt allerdings auch, dass seit Anfang des Jahrtausends die Zahl der Empfänger/innen von „Hilfe zur Pflege“-Leistungen wieder kontinuierlich ansteigt. Und dieser Prozess wird erwartbar anhalten und – ceteris paribus – den kommunalen Druck erneut ansteigen lassen.

Die sich in diesen Zahlen manifestierende Entwicklung wird auch in der Berichterstattung rund um die Festivitäten anlässlich des 20jährigen Bestehens der Pflegeversicherung aufgegriffen: Immer mehr Pflegebedürftige werden zum Sozialfall, um nur ein Beispiel zu zitieren. Im Jahr 2013 beliefen sich die staatlichen Nettoausgaben zur Finanzierung armutsgefährdeter Pflegebedürftiger bereits auf 3,34 Mrd. Euro, mit steigender Tendenz.

Bevor auf die wieder steigenden Ausgaben für die Kommunen eingegangen wird, muss aber mit Blick auf die Daten betont werden, dass der größte Teil der Ausgaben für Pflegebedürftigkeit von der Sozialen Pflegeversicherung sowie durch private Ausgaben der Betroffenen und ihrer Angehörigen gedeckt werden (müssen). Noch ist der Anteil der kommunal finanzierten Sozialhilfe kleiner als 10% – besonders erhöht haben sich in der Vergangenheit die privaten Ausgaben, die mittlerweile mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben umfassen. Dass die Kommunen ohne substantielle Veränderungen im Gesamtsystem der Finanzierung von Pflegeleistungen mit stetig steigenden Ausgaben konfrontiert sein werden, liegt auf der Hand: Zum einen muss man immer wieder darauf hinweisen, dass die Pflegeversicherung eine Teil-Kaskoversicherung ist, also eben nicht die gesamten Kosten beispielsweise der Pflege und Unterbringung in einem Pflegeheim abdecken, sondern „nur“ einen definierten Anteil, der sich vom Grad der festgestellten Pflegebedürftigkeit ableitet. Der restliche Anteil muss zum einen aus den laufenden Einnahmen der Pflegebedürftigen gedeckt werden, also im wesentlichen aus den Renten bzw. Pensionen und – wenn diese Beiträge nicht ausreichen – dann auch aus dem gegebenenfalls vorhandenen Vermögen des Betroffenen. Sollten auch diese Beträge nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, dann würde vor der Inanspruchnahme der kommunalen Sozialhilfeleistungen geprüft werden, ob die Kinder zur Mitfinanzierung herangezogen werden können.

Die großen Treiber der Ausgabensteigerungen im bestehenden System für die Kommunen sind offensichtlich: Zum einen steigt schlichtweg die Zahl der pflegebedürftigen Menschen aufgrund der demografischen Entwicklung erheblich an. Hinzu kommt, dass unter den zukünftigen Pflegebedürftigen zahlreiche Menschen sein werden, die zum einen mit Armutsrenten ausgestattet und kaum oder gar keinem Vermögen auf anteilig höhere Hilfeleistungen aus dem Sozialhilfe-System angewiesen sein werden. Viele von ihnen werden – wenn überhaupt – zudem Kinder haben, bei denen „nicht viel zu holen“ sein wird. Eine weitere Quelle steigender Hilfe zur Pflege-Ausgaben der Kommunen liegt innerhalb des Systems der Pflegeversicherung begründet bzw. des bisherigen Umgangs mit ihren Leistungen: Über Jahre hinweg wurden weder Beiträge noch Leistungen angepasst, so der Hinweis bei Stefan Vetter in seinem Artikel Der Preis der Würde. Das hat zu einer erheblichen Realwert-Senkung der Leistungen aus der Pflegeversicherung geführt, was natürlich nach dem Prinzip der kommunizieren den Röhren dazu führt, dass diese Anteile an anderer Stelle gegenfinanziert werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist die in vielen Sonntagsreden vielfach beschworene Verbesserung der Pflegelandschaft vor allem mit Blick auf die dort arbeitenden Menschen. Theoretisch sind sich alle einig, dass beispielsweise die Vergütung für die Pflegekräfte erhöht werden müssten. Auch die Personalschlüssel in den Pflegeeinrichtungen, vor allem in der stationären Pflege, die durch immer höhere Grade der Pflegeintensität charakterisiert sind, müssten verbessert werden, was allerdings zu erheblichen Mehrausgaben führen würde.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Die Finanzierungsfrage wird – neben den vielen Baustellen auf der Seite der Leistungen wie auch des Zugangs (Stichwort Pflegebedürftigkeitsbegriff) – zu einer zentralen Thematik werden (müssen). Hier erweist es sich als hoch problematisch, dass die Pflegeversicherung als beitragsfinanzierte Sozialversicherung konzeptualisiert worden ist mit all den Folgeproblemen, die wir auch von ihren großen Geschwistern wie der Rentenversicherung kennen, vor allem hinsichtlich der Begrenzung auf den Faktor sozialversicherungspflichtige Arbeit und dann auch noch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.

Entsprechend die Argumentation von Rothgang et al. im BARMER GEK Pflegereport 2014, die neben den unbestreitbaren Erfolgskomponenten von 20 Jahren Pflegeversicherung auch auf zentrale kritische Punkte hinweisen:

»Gleichzeitig enthält das Pflege-Versicherungsgesetz einige Geburtsfehler dieses neuen Sozialversicherungszweig, die bis heute nachwirken und aktuelle Reformvorhaben und -debatten prägen. Hierzu zählt der (zu) enge Pflegebedürftigkeitsbegriff, der im für 2017 geplanten zweiten Pflegestärkungsgesetz erweitert werden soll, die fatale Eingrenzung der Beitragspflicht auf Löhne, Gehälter und Lohnersatzleistungen ebenso wie das duale System von Sozialer Pflegeversicherung und Privater Pflegepflichtversicherung, das normativ nicht gerechtfertigt werden kann. Auch produziert das Nebeneinander von einer Krankenversicherung mit Kassenwettbewerb und einer Pflegeversicherung ohne Kassenwettbewerb Fehlanreize an den Schnittstellen.«

Trotz des unabweisbaren Weiterentwicklungsbedarfs angesichts zahlreicher kritischer Punkte muss aber fairerweise auch darauf hingewiesen werden, dass gerade mit Blick auf die Situation vor über 20 Jahren zahlreiche positive Bilanzpunkte auszuweisen wären (vgl. dazu Rothgang et al. 2014: 25 ff.): So waren vor Einführung der Pflegeversicherung etwa 80 % der Pflegeheimbewohner auf die bedürftigkeitsabhängige Hilfe zur Pflege angewiesen, heute sind es weniger als die Hälfte. Die Versorgungssituation war damals eine ganz andere und durch erhebliche Defizite, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Zahl der Einrichtungen, sondern auch im Hinblick auf das konkrete Leistungsangebot gekennzeichnet. Qualität war kein Thema. Hier hat es nach Einführung der Pflegeversicherung erhebliche Veränderungen gegeben: Im Bereich der Pflegeinfrastruktur kam es zu einer dramatischen Expansion des Angebots an formeller Pflege. Im Pflege-Versicherungsgesetz wurde erstmals die ganze Bevölkerung obligatorisch in eine gesetzliche Versicherung einbezogen. »Vor allem aber wurde das Pflegerisiko mit Einführung der Pflegeversicherung als allgemeines Lebensrisiko anerkannt, das einer sozialrechtlichen Bearbeitung bedarf. Damit wurde die deutsche Pflegeversicherung Vorbild für die Einführung der Pflegeversicherung in Luxemburg, Japan und Korea und für viele aktuelle Debatten zur Pflegesicherung in anderen Teilen der Welt« (Rothgang et al. 2014: 27). Das darf und muss zur Kenntnis genommen werden.

In den vor uns liegenden Jahren wird es – hier folge ich der Einschätzung von Rothgang et al. (2014: 29) – vor allem an drei Punkten dringenden Handlungsbedarf geben:
Zum einen der enge Pflegebedürftigkeitsbegriff, dann die anhaltende Debatte über Leistungsdynamisierung, da der § 30 SGB XI nur die Möglichkeit für diskretionäre Leistungsanpassungen, aber keine obligatorischen regelgebundenen Leistungsanpassungen vorsieht, sowie last but not least vor dem Hintergrund der Begrenzung der Beitragspflicht auf Einkommen aus unselbständiger Arbeit und Lohnersatzleistungen, die zur strukturellen Einnahmeschwäche auch der Pflegeversicherung führen, eine Weiterentwicklung der Finanzierungsgrundlagen.
Es gibt also – nicht wirklich überraschend – eine Menge zu tun. Und wir sind dann nur auf der Ebene der Pflegeversicherung, hinzu kommen weitere hoch relevante Felder der Pflegepolitik, vom Pflegepersonal angefangen über die kommunale Altenhilfe bis hin zu den osteuropäischen Pflegekräften, die im Regelfall in halb- oder illegalen Verhältnissen mit dafür sorgen, dass unser Pflegesystem nicht kollabiert ist.