Das Corona-Virus als „Ungleichheitsvirus“: Die Umrisse werden deutlicher erkennbar. Und „Menschen mit Migrationshintergrund“ diesseits und jenseits der Statistik

Es häufen sich verständlicherweise die Beiträge, in denen diskutiert und nachgezeichnet wird, dass das Corona-Virus eben nicht als „großer Gleichmacher“ ohne Ansehen von Stand und Geld über den Globus und durch unsere Gesellschaften wabert, sondern dass man von einem „Ungleichheitsvirus“ in mehrfacher Hinsicht sprechen muss – vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass das Virus eben nicht gleichverteilt über uns gekommen ist und seine krankmachenden und teilweise tödlichen Schneisen schlägt, sondern dass es auf bereits vorher vorhandene soziale Ungleichheiten aufsetzt und diese verschärft oder gar potenziert. Dazu bereits die Ausführungen in diesem Beitrag vom 6. März 2021: Das Corona-Virus und die Ungleichheit: Vom anfänglichen „großen Gleichmacher“ zu einem in Umrissen immer deutlicher erkennbaren „Ungleichheitsvirus“. Darin findet man beispielsweise diesen Hinweis: In Großbritannien verknüpfen die Statistiker »den offiziellen Index of Multiple Deprivation, eine sozialgeographische Armutsstatistik, mit Daten über Corona-Todesfälle, was schon im Frühjahr 2020 fast in Echtzeit den Beweis erbrachte: Je ärmer die Gegend, desto höher die Mortalität.« Derartige Erkenntnisse sind übrigens nicht nur von akademischer Relevanz, jedenfalls im Vereinigten Königreich: »Jüngst wurde daraus die Forderung abgeleitet, deprivation und ethnicity als gleichberechtigte Risiko-Faktoren neben hohem Alter anzuerkennen – und betroffene Gruppen bevorzugt zu impfen.«

Auch in Deutschland hat man sich in der Forschung auf diesen wichtigen Weg einer differenzierten Analyse begeben, wenn auch mit Verzögerung und mit im Vergleich zu anderen Ländern teilweise erheblichen Datenrestriktionen. Aber wenn man denn auf die – mögliche – Verknüpfung von sozialer Lage und unterschiedlichen Graden der Betroffenheit von dem Corona-Virus schaut, dann ergeben sich ähnliche Befunde, wie sie bereits aus anderen Ländern berichtet werden. Stellvertretend dafür sei hier auf entsprechende Ergebnisse aus dem RKI hingewiesen:

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Das Corona-Virus und die Ungleichheit: Vom anfänglichen „großen Gleichmacher“ zu einem in Umrissen immer deutlicher erkennbaren „Ungleichheitsvirus“

»Das Coronavirus ist nicht der große Gleichmacher: Arme Menschen und prekär Beschäftigte sind deutlich häufiger betroffen. Doch es mangelt in den meisten Bundesländern an Daten und Lösungen«, so das ARD-Politikmagazin „Panorama“ am 4. März 2021 unter der Überschrift Corona: Höheres Risiko für Arme. Und dort werden Befunde präsentiert, die belegen, dass man mittlerweile auf eine Fragezeichen hinter dem höheren Risiko für Arme verzichten kann – und dennoch ist der Hinweis wichtig, dass es bei uns in Deutschland ganz erheblich an Daten mangelt, um eine genauere Einordnung präsentieren zu können.

Allerdings: Denken wir kurz zurück an den Anfang des vergangenen Jahres und an die Zeit, also die erste Corona-Welle über uns gekommen ist. Für einen Moment konnte man tatsächlich von dieser Diagnose ausgehen: Diesmal sind die Menschen alle gleich betroffen, egal ob oben oder unten.

Es war eine dieser vielen kleinen Meldungen und dann noch aus einem Land ganz weit weg von uns, die man wenn, dann nur mit einem Seitenblick zur Kenntnis nimmt und gleich wieder ausblendet: Unter der Überschrift Zentralchina meldet mysteriöse Lungenkrankheit wurde am 31.12.2019 auf Spiegel Online berichtet: »In der chinesischen Millionenstadt Wuhan sind knapp 30 Menschen an einem rätselhaften Lungenleiden erkrankt. Gerüchte schüren Angst vor dem gefährlichen Sars-Virus, doch die Behörden beschwichtigen.« Mittlerweile wissen wir alle zur Genüge, was daraus erwachsen ist. Das Virus hat seine Schneisen über den gesamten Globus geschlagen und es hält uns – verstärkt durch neue, nur schwer einzuschätzende Mutationen – weiterhin in Beschlag. Zumindest am Anfang der Pandemie konnte man den Eindruck bekommen, dass eine ihre Besonderheiten darin besteht, dass wir alle gleich betroffen waren und sind. Dem Virus scheint es egal zu sein, ob es auf einen reichen oder armen Menschen trifft – und wenn es bei dem einen oder anderen in schwerer, oftmals tödlicher Ausprägung zuschlägt, dann reißt es die Betroffenen ohne Ansehen der Person und ihres Standes mit. 

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„Generation Corona“? Auf alle Fälle ist man immer auch Gefangener seiner Kohorte, vor allem bei den Einstiegen und Übergängen in Ausbildung und Erwerbsarbeit

In den Medien wird seit längerem immer wieder diskutiert, ob man es mit einer „Generation Corona“ zu tun hat (bzw. haben wird). Gerade in diesen Tagen wird von ganz unterschiedlichen Seiten massiv auf angebliche oder tatsächliche Schäden für Kinder und Jugendliche berichtet aufgrund der Exklusion durch die Lockdowns, wobei große Teile der Debatte fokussiert sind auf die institutionelle Seite, also die (Nicht-)Öffnung der Kitas und der Schulen. Dabei erfahren viele junge Menschen erhebliche Beeinträchtigungen auch und gerade im außerschulischen Bereich, man denke hier an den Vereinssport und andere elementare soziale Aktivitäten, die teilweise seit einem Jahr brach liegen müssen.

Und ein Strang der „Generation Corona“-Debatte konzentriert sich auf die Folgen der Pandemie und des Umgangs mit ihr für das Ausbildungssystem, ob nun im dualen, fachschulischen oder im hochschulischen Bereich. Und auf die Frage, ob die davon betroffenen jungen Menschen nicht nur jetzt Schwierigkeiten haben, sondern man über die Krise hinaus mit Schäden an den Biografien rechnen muss. Mit diesem Thema beschäftigt sich die Sendung des Wirtschaftsmagazins „makro“ (3sat) am 2. März 2020, die den Titel trägt: Generation Corona – wie steht es um ihre Zukunft? »Verpasster Lernstoff, fehlende Praktika, weniger Ausbildungsplätze – viele Schüler und Azubis stehen vor großen Herausforderungen. Kurz vor dem Sprung „in den Ernst des Lebens“ wird die Generation Corona in ihrer Zukunftsplanung ausgebremst. „Je länger die Krise andauert, so gravierender sind ihre Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohlbefinden der Kinder. Die Zukunft einer ganzen Generation ist in Gefahr“, warnt UNICEF. Und das ifo-Institut rechnet aus, dass genau auf diese Generation 3,3 Billionen Euro Kosten durch den Schulausfall zurollen könnten. Eine einfache Rechnung: Bildungsausfall gleich Lohnausfall im späteren Berufsleben. Doch wie steht es wirklich um die Chancen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt starten. Schule fertig und dann?«

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