Absenkung der Leistungen und weniger Rechtsschutz für Asylbewerber? Der Bundesinnenminister schielt politisch nach rechts – und „übersieht“ das Bundesverfassungsgericht?

Mit dem Hinweis darauf, dass wir in zwei Wochen die Bundestagswahl haben und nunmehr in die „heiße“ Phase des Wahlkampfs eingetreten sind, in dem noch mal überall versucht wird, potenzielle Wählerstimmen anzugraben, könnte man sich bei der folgenden Meldung zurücklehnen und diese zu ignorieren versuchen: De Maizière will Leistungen für Asylbewerber kürzen. »Bundesinnenminister de Maizière fordert eine europaweite Angleichung bei Flüchtlingen. Die deutschen Leistungen seien „im EU-Vergleich ziemlich hoch“«, wird da berichtet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will eine Angleichung der Leistungen für Asylbewerber in Europa. In Deutschland seien diese Leistungen „im EU-Vergleich ziemlich hoch“, wird der Minister mit Bezug auf diesen Artikel zitiert: De Maizière für niedrigere Asylbewerberleistungen. „Das ist Teil des Sogeffekts nach Deutschland.“ Der Innenminister »räumte ein, dass auch die Lebenshaltungskosten in Deutschland höher seien als in anderen EU-Ländern wie beispielsweise in Rumänien. Im Rahmen einer EU-weiten Angleichung der staatlichen Leistungen für Asylbewerber halte er „entsprechende Kaufkraftzuschläge für einzelne Staaten“ für denkbar.« Aber eben weniger als die heute bekommen. Und noch eine zweite Schneise wird von ihm geschlagen: Er fordert » eine EU-weite Angleichung der Asylverfahren und einen einheitlichen Rechtsschutz.« Die Richtung, die hier eingeschlagen werden soll, ist klar: De Maizière beklagte, dass in Deutschland besonders viele abgelehnte Asylbewerber gegen die Entscheidung Klage vor Gericht einlegten. „Bei uns können abgelehnte Asylbewerber über diverse rechtliche Klagewege ihre Abschiebung hinauszögern, deutlich mehr als anderswo.“

Nun könnte man sich der Einschätzung unterwerfen, dass das alles ein mehr als durchsichtiges Wahlkampfmanöver sei, mit dem der Bundesinnenminister potenzielle Wähler aus der AfD-Ecke ködern will nach dem Motto: Seht ihr, auch die Union wird die Daumenschrauben gegenüber den Asylbewerbern anziehen, ihr müsst nicht die AfD wählen.

Man könnte sich aber auch aufregen und die Frage aufwerfen, was sich ein Bundesinnenminister, der ja der Verfassung und der Verfassungsrechtsprechung verpflichtet ist, erlaubt. Hat er nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu befolgen? Oder hat er die in diesem Fall vielleicht „übersehen“, was allerdings erhebliche Zweifel an seiner Kompetenz aufwerfen würde.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat der Politik und damit auch dem Bundesinnenminister bereits im Jahr 2012 eine klare Ansage über das verfassungsrechtlich Gebotene ins Stammbuch geschrieben. Und die treuen Leser dieses Blogs werden sich dunkel erinnern, dass hier schon mal mit Blick auf einen Bundesminister angemahnt wurde, doch bitte die Rechtsprechung zu berücksichtigen, bevor man mit populistischen Forderungen an die Öffentlichkeit geht: Am 13. Oktober 2015 wurde dieser Beitrag veröffentlicht: Schäuble allein zu Haus? Hartz IV für Flüchtlinge absenken, fordert der Bundesfinanzminister. Oder plaudert er nur ein wenig? Darin findet man diesen Passus, den man auch mit dem aktuellen Blick auf den Bundesinnenminister erneut wieder aufrufen muss:

»(Man hätte) von einem Bundesminister schon erwartet, dass er die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts kennt und berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der hier interessierenden Causa mit einem wegweisenden Urteil bereits zu Wort gemeldet und vor allem dieser eine Satz aus der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2012 sollte auch dem Bundesfinanzminister bzw. seinen Zuarbeitern bekannt sein und seine Zitation könnte die weitere Auseinandersetzung mit den Gedankenspielereien des Ministers beenden:
»Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.« (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, Randziffer 121).«

Und was damals für Schäuble galt, gilt für den Bundesinnenminister heute genau so. Die klare Botschaft der damaligen Entscheidung des BVerfG (vgl. dazu auch Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig): Es gibt die Verpflichtung zur Sicherstellung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Und das Gericht spricht hier von Existenzminimum im Singular, keineswegs im Plural. Die Vorstellung unterschiedlich abgestufter Existenzminima wird von den Verfassungsrichtern verworfen.

Und sie haben bereits damals das, was der Bundesinnenminister als (angeblichen) „Sogeffekt“ nach Deutschland bezeichnet, klar angesprochen – und als mögliche Legitimation einer Absenkung der Leistungen verworfen. In den Leitsätzen des BVerfG-Urteils aus dem Jahr 2012 finden sich diese eindeutigen Ausführungen:

»Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums … Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht. Er umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.«

Und dann wird in der Entscheidung diese klar Ansage gemacht: »Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen … Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.«

Fazit: Das, was der Bundesinnenminister (wieder und aus durchschaubaren Gründen) von sich gibt, ist durch die Rechtsprechung des BVerfG in keiner Weise gedeckt und auch nicht zulässig.

Und da hilft dann auch nicht der mögliche Hinweis, dass es doch eine neue Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) gibt, über die das Gericht unter so einer eindeutig daherkommenden Überschrift informiert hat: Kürzung von Asylbewerberleistungen auf das „unabweisbar Gebotene“ verfassungsrechtlich unbedenklich. Also doch? Wie immer muss man genau hinschauen (vgl. dazu auch den Beitrag Ein vor Jahren abgelehnter Asylbewerber wird vom Bundessozialgericht auf das „unabweisbar Gebotene“ begrenzt – und was das mit anderen Menschen zu tun haben könnte vom 14. Mai 2017):

»Eine Behörde darf einem Ausländer Leistungen kürzen, wenn er nicht bei seiner Abschiebung mitwirkt: Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat am Freitag eine entsprechende Klage eines 49-Jährigen aus Kamerun abgewiesen. Die einschlägige Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sei verfassungsrechtlich unbedenklich, so das Gericht. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hindere den Gesetzgeber nicht daran, die Leistungen an eine Mitwirkungspflicht zu knüpfen (Urt. v. 12.05.2017, Az. B7 AY 1/16R)«, so der Bericht in dem Artikel Aus­länder muss bei Abschiebung koope­rieren.

Konkret ging es um den folgenden Sachverhalt: Der Asylantrag eines Kameruners war 2004 abgelehnt worden, eine Abschiebung scheiterte allein an seinem fehlenden Pass. Seine Hilfe bei der Beschaffung eines neuen Ausweises verweigerte der 49-Jährige aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz, obwohl die Ausländerbehörde ihn 19-mal dazu aufforderte. Sie beschränkte ihre Leistungen deswegen auf das Bereitstellen einer Unterkunft sowie Gutscheine für Kleidung und Essen. Eine Bargeld-Zahlung in Höhe von knapp 130 Euro monatlich strich sie aber. Vor dem Sozialgericht (SG) Cottbus war der Mann gescheitert. Das BSG hat dann zur Entscheidung ausgeführt:

»Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hindere den Gesetzgeber nicht daran, die Leistungen an eine Mitwirkungspflicht zu knüpfen, so die Kasseler Richter. § 1a Abs. 2 Satz 2 AsylbLG knüpfe die Absenkung der Leistungen an ein Verhalten, das der Betreffende jederzeit ändern könne.

Auch dass der Kameruner über Jahre nur abgesenkte Leistungen erhalten hatte, sei verfassungsrechtlich unbedenklich, da er sich sich stets darüber bewusst gewesen sei, wie er die Leistungsabsenkung hätte verhindern beziehungsweise beenden können. Er sei regelmäßig und unter Hinweis auf zumutbare Handlungsmöglichkeiten zur Mitwirkung aufgefordert und auch mehrfach der kamerunischen Botschaft vorgeführt worden.«

Angesichts der Tatsache, dass der Mann bereits 2002 nach Deutschland gekommen ist und sich über Jahre seiner Mitwirkungspflicht entzogen hat, werden viele die Entscheidung des BSG nachvollziehen und begrüßen. Aber wie so oft im Leben ist es eben nicht immer so klar und eindeutig, wie man die Sympathien verteilt. Es kommt eben und er Regel immer auch auf den Einzelfall an – und da kann es Fälle geben, wo man zumindest ins Grübeln kommt, wenn man über die erforderlichen Mitwirkungspflichten nachdenkt. Schauen wir uns beispielsweise diesen aktuellen Fall an, der zugleich ein bezeichnendes Licht wirft auf das asylrechtliche Durcheinander, über das von vor Ort berichtet wird:

»Die Wismarer Bauunion ist stolz auf ihren Lehrling Reza Rezai. Doch der 30-Jährige soll nach Afghanistan abgeschoben werden«, kann man diesem Artikel entnehmen: Einser-Azubi auf der Abschiebeliste. Er wurde in Afghanistan geboren. »Nur einen Monat später gehen seine Eltern mit ihm in den Iran. Dort lebt Reza als Flüchtling, bis er 2014 über die Türkei nach Deutschland kommt. Sein Antrag auf Asyl wird damals abgelehnt. Auch der Gang vors Gericht blieb erfolglos.« Aber der Mann versucht sich zu integrieren – und macht eine Lehre zum Facharbeiter für Hochbau. Zwischenzeitlich hat er sein Facharbeiterzeugnis abgeliefert: sieben Einser und fünf Zweier. In einem Leistungswettbewerb holt er in seinem Ausbildungsjahrgang den ersten Platz. Eigentlich ein Vorzeigebeispiel, wie es laufen sollte und auch laufen kann. Und da gibt es doch die „3+2“-Regelung, wird der eine oder andere anmerken.

Diese Regelung besagt, dass ein Flüchtling, der eine Ausbildung in Deutschland begonnen hat und die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, auch dann die Ausbildung abschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung ausüben kann, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist ein Ausbildungsvertrag, erfahren wir beispielsweise in diesen Erläuterungen. Dort findet man dann auch diesen Hinweis: »Für die Prüfung, ob die 3+2-Regelung zum Tragen kommt, sind die Ausländerbehörden zuständig.« Was aber in der Realität bedeutet, dass das ganz unterschiedlich geprüft und entschieden werden kann, je nach Ausländerbehörde. Was immer wieder beklagt wird.

Der Fall von Reza Rezai gestaltet sich kompliziert, folgt man der zitierten Berichterstattung. Hätte Reza seinen Antrag auf Ausbildungsduldung vor Beginn der Lehre zum Facharbeiter für Hochbau gestellt, sähe Rezas Welt heute anders aus – vielleicht.  Weil man das auch nicht vorhersagen kann. Aber der eigentliche Punkt ist ein Konstrukt, dem wir schon bei der neuen Entscheidung des Bundessozialgerichts begegnet sind im Fall des Kameruners: die (nicht erfüllte) Mitwirkungspflicht. Denn der eigentliche Asylantrag ist ja abgelehnt worden und Reza Rezai müsste zurück nach Afghanistan – und noch gilt das als „sicheres Herkunftsland“. »Die Abschiebungen – sie sind nur ausgesetzt. Denn Attentat folgt derzeit auf Attentat. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres sind bei Anschlägen nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 1.660 Menschen ums Leben gekommen, rund 3.600 wurden verletzt.«

Davon abgesehen, dass derzeit gar nicht abgeschoben wird, argumentiert der Landkreis anders: Reza Rezai sei angeblich seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung seiner Papiere nicht nachgekommen.

»In der von der Botschaft erstellten Bescheinigung sei weder zu erkennen, ob Reza Dokumente beantragt habe noch ob für ihn eine Möglichkeit bestehe, einen Pass zu erhalten. Deshalb dürfe eine Ausbildungsduldung nicht erteilt werden – „die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen können aus Gründen, die Reza selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden.“ Übersetzt heißt das: Reza kann nicht abgeschoben werden, weil er keine Papiere hat.«

Auf der anderen Seite: »Wegen seiner Integrationsbemühungen sei indes von der Aussprache eines sonst erforderlichen Beschäftigungsverbotes zunächst abgesehen worden.« Und nun hat er sich nicht nur bemüht, sondern tatsächlich auch nachweisbar geliefert. Sogar mit hervorragenden Ergebnissen.

Was mit diesem Beispiel – und man könnte viele weitere, von denen berichtet wird, hinzufügen – erkennen kann: So einfach ist das gar nicht mit den Regelungen und auch die „Mitwirkungspflicht“ kann mal in dem einen oder anderen Licht erscheinen, wenn man genauer hinschaut. Wie dem auch immer sei – bei der Frage der Abschiebungen hat man es mit einem höchst explosiven Thema zu tun. Auf der einen Seite wird immer wieder berichtet über Fälle, bei denen nicht abgeschoben wird oder werden kann, auch wenn es sich um Kriminelle handelt, auf der anderen Seite werden gefühlt oftmals die wirklich abgeschoben, die man leicht erwischen kann und die dann auch oft noch mittlerweile gut integriert sind, was auch wieder großes Unverständnis bei vielen Bürgern hervorruft.

Man muss also, auch wenn das unangenehm ist, genau und differenziert hinschauen. Zugleich zeigt sich an diesem Beispiel, wie wichtig einfache und klare und eindeutige rechtliche Regelungen sind und vor allem wären, weil es sie derzeit nicht gibt bzw. den Behörden vor Ort sehr weite Auslegungsspielräume eröffnen, die mal so, mal anders genutzt werden.

Abschließend wieder zurück zu dem primär wahlkampfbezogenen Vorstoß des Bundesinnenministers hinsichtlich einer Absenkung der Leistungen (und einer Ausdünnung des Rechtsschutzes) für alle Asylbewerber. Das wird es der bestehenden Rechtsprechung nicht geben können – aber der Minister steht auch international gesehen nicht allein mit dem grundsätzlichen Absicht, die Leistungen für bestimmte Personengruppen gezeigt abzusenken, um darüber Abschreckungseffekte zu erzielen. Man sollte sich aber immer darüber bewusst sein, dass man in der Regel „ganz unten“ anfängt, um sich dann „nach oben“ vorzuarbeiten.

Ein Beispiel für diese Diskussion kann man derzeit in Österreich besichtigen, wo ja auch demnächst gewählt wird und wo mit Sebastian Kurz ein Politiker die ÖVP gekapert und zu einem auf sich bezogenen Wahlverein transformiert hat, der zugleich durch Forderungen auffällt, die in dem hier interessierenden Kontext passen: Kurz will auch EU-Ausländern Sozialleistungen streichen, so ist einer der vielen Artikel überschrieben: »Zuwanderer sollen erst nach fünf Jahren Zugang zum Sozialsystem erhalten, Flüchtlingen soll die Mindestsicherung gekürzt werden«, so kann man das zusammenfassen, was dem noch jungen Mann da vorschwebt.
Er plädiert für eine österreichweit einheitliche Regelung der Mindestsicherung – die bislang übrigens am Widerstand der ÖVP-regierten Bundesländer gescheitert ist, also aus seiner eigenen Partei heraus. »Die Mindestsicherung für eine Bedarfsgemeinschaft soll dabei auf maximal 1.500 Euro begrenzt werden. So weit wie möglich soll der Fokus bei der Mindestsicherung auf Sachleistungen liegen. Bei Arbeitsverweigerung oder Schwarzarbeit sieht das ÖVP-Wahlprogramm erst ein intensives Coaching und dann signifikante Kürzungen der Sozialleistungen vor.«

Und auch die Zuwanderung von EU-Bürgern ist im Visier des Kandidaten: »Radikal ist das Programm in Bezug auf EU-Ausländer: Für Zuwanderer aus der Europäischen Union ist eine Streichung von Sozialleistungen vorgesehen, damit soll die Zuwanderung ins Sozialsystem gestoppt werden. Für Ausländer soll der Zugang zu Sozialleistungen in Österreich grundsätzlich erst nach fünf Jahren Aufenthalt möglich sein.«

Mit Blick auf die Asylbewerber kann man dem Wahlprogramm entnehmen:

»Für Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigte soll es in den ersten fünf Jahren eine „Mindestsicherung light“ geben, diese beträgt 560 Euro pro Einzelperson und setzt sich aus 365 Euro Grundversorgung, 155 Euro Integrationsbonus und 40 Euro Taschengeld zusammen – geknüpft ist der Bezug allerdings an das Erreichen von Integrationszielen. Einen Übergang in die reguläre Mindestsicherung soll es nur geben, wenn in den ersten fünf Jahren eine reguläre Vollzeitbeschäftigung für mindestens zwölf Monate nachgewiesen werden kann.«

Man kann sich vorstellen, wie man die Sozialleistungen weiter differenzieren und kleinhäckseln könnte, wenn man mit so einem Ansatz wirklich weiterkommt.

Für Deutschland kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur festhalten, dass es die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt, die einem solchen Ansinnen – noch – Widerstand entgegensetzen würde. Aber was ist schon sicher in den heutigen Zeiten?

Das Bundessozialgericht und die „Rente mit 63“

Gerade in unserer aktualitätsfixierten Zeit ist es immer wieder interessant, wenn man mal nachschaut, was aus einem Vorstoß geworden ist. Beispielsweise aus einer bestimmten Kritik an der „Rente mit 63“, die neben der „Mütterrente“ 2014 am Anfang der jetzt (vorerst) auslaufenden Großen Koalition ins Leben gerufen wurde.

Die abschlagfreie Rente ab dem 63. Lebensjahr trat zum 1. Juli 2014 in Kraft. Nach dieser – zeitlich befristeten, weil gleichzeitig die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre beibehalten wurde – Regelung können Versicherte, die mindestens 45 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, ohne Abschläge bereits mit 63 Jahren in den Rentenbezug gehen. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass diese Regelung, von der vor allem (überwiegend männliche) langjährig beschäftigte Arbeitnehmer und damit typische Gewerkschaftsmitglieder profitieren, auf Bestreben vor allem der Industrie-Gewerkschaften über die SPD in den Koalitionsvertrag und dann in die gesetzgeberische Umsetzung eingeflossen sind.

Vor diesem Hintergrund mag es den einen oder anderen überrascht haben, als am 9. Januar 2015 in diesem Blog davon berichtet wurde: Die Rentendiskussion ist sicher: Die IG Metall will gegen die „Rente mit 63“ klagen. Warum waren gerade die auf einmal unzufrieden mit „ihrem Geschenk“?

Dazu muss man einen genaueren Blick werfen auf die gesetzgeberische Konkretisierung: Wie so oft ging und geht es um die in gesetzlichen Bestimmungen notwendigerweise vorzunehmenden Abgrenzungen, die in bestimmten Fallkonstellationen als „Ungerechtigkeit“ wahrgenommen werden (können). Und genau um ein solche Unwucht bei der Operationalisierung der zu erfüllenden Zugangskriterien geht es im nun wieder aufzurufenden Fall:
Die IG Metall sah in einem Teil des Gesetzes eine willkürliche Ungleichbehandlung von Arbeitslosen und hatte damals angekündigt, Musterverfahren gegen die Rente mit 63 vorzubereiten. Es geht um Ausnahmeregelungen, die im letzten Moment in das Gesetz aufgenommen wurden, um die Union zu besänftigen. Wo genau lag und liegt das Problem?

Die Rente ab 63 ohne Abzüge vom Altersgeld erhält, wer 45 Beitragsjahre in der Rentenversicherung nachweisen kann. Dabei werden auch Zeiten anerkannt, in denen Arbeitslosengeld I (nicht Hartz IV) bezogen wurde. So weit, so scheinbar eindeutig. Damals gab es seitens der Kritiker aber die Befürchtung, dass diese Regelung eine neue Frühverrentungswelle auslösen können, da bei einer Nicht-Begrenzung der Arbeitslosengeld I-Berücksichtung faktisch eine „Rente mit 61“ realisiert werden können, also dadurch, dass die Arbeitnehmer, die abschlagsfrei mit 63 in Rente gehen wollen,  schon vorher in den Arbeitslosengeld I-Bezug gehen, da der ja anerkannt wird bei den Zugangsvoraussetzungen.
Folglich hat der Gesetzgeber eine Ausnahme in die Zugangsvoraussetzungen eingebaut: Bei den letzten zwei Jahren vor dem jeweiligen Rentenbeginn werden Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht angerechnet, um Frühverrentungen mit 61 zu vermeiden. Problem gelöst – oder doch nicht?

In meinem Blog-Beitrag vom 9. Januar 2015 kann man dazu diesen Passus finden:

»Durch die Ausnahmeregelung die letzten beiden Jahre vor Eintritt in die abschlagsfreie Rente bei der Anrechnungsmöglichkeit von Arbeitslosengeld I-Bezug schien man das „Problem“ beseitigt zu haben – und hatte gleichzeitig ein neues zum Leben erweckt, denn die Regelung mag das Ausgangsproblem einer bewusst herbeigeführten Frühverrentung blockieren, aber was ist mit den Fällen, in dem der betroffenen Arbeitnehmer gegen seinen Willen den Arbeitsplatz verloren hat, also unfreiwillig? Und dem beispielsweise gerade ein oder zwei Jahre fehlen, um die 45 Beitragsjahre erfüllen zu können, die ihm einen Zugang zum abschlagsfreien Bezug der Altersrente ermöglichen würde?«

Natürlich wurde dieses Problem erkannt und man versuchte, dem mit einer neuen Sonderregelung innerhalb der Sonderregelung zu begegnen. Für die erste Ausnahmeregelung wurde eine zweite Ausnahme ins Gesetz geschrieben: Ist die Arbeitslosigkeit vor Rentenantritt durch die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers – etwa wegen einer Insolvenz – bedingt, so ist die Zeit der Arbeitslosigkeit bis zu zwei Jahre vor Rentenantritt doch anzurechnen. Damit sollte Arbeitnehmern Gerechtigkeit widerfahren, die ohne eigenes Verschulden ihren Job verlieren.

Nun aber alles in Ordnung – oder?

Natürlich nicht, wenn man weiß, dass in der Juristerei der Teufel seine Heimat gefunden hat. In den jeweiligen Tiefen und Untiefen der semantischen Detaillierung. Die Rentenversicherung musste die gesetzgeberische Vorgabe der Ausnahme konkretisieren und hat das dann in den Arbeitsanweisungen so gemacht: Eine „vollständige Geschäftsaufgabe“ ist danach nur gegeben, wenn Unternehmen „ihre gesamte Betriebstätigkeit auf Dauer einstellen“, nicht aber, wenn lediglich einzelne Unternehmensteile stillgelegt werden.

In der damaligen Zeit war gerade die mittlerweile vollzogene Schließung des Opel-Werks in Bochum auf der Tagesordnung (die Produktion im Werk Bochum wurde im Dezember 2014 nach 52 Jahren Fahrzeugproduktion eingestellt, vgl. hierzu Opel beendet Autoproduktion in Bochum). Und an dem Beispiel kann man das Problem mit der (eingeschränkten) Ausnahmeregelung illustrieren, was Stefan Sauer in seinem Artikel Gewerkschaften bereiten Klage gegen Rente mit 63 vor gemacht hat:

»Opel-Mitarbeiter, die mit der Schließung des Werks in Bochum ihre Stellen verloren, würden bei der Beitragszeitanrechnung benachteiligt, weil zwar ihr Werk, aber nicht Opel als ganzes Unternehmen dicht gemacht wurde. Dabei ist unstrittig, dass die Bochumer Opelaner den Jobverlust gewiss nicht willentlich herbeiführen oder auch nur beeinflussen konnten. Sie sind ebenso schuldlos an ihrer Arbeitslosigkeit wie zum Beispiel Kollegen eines Zuliefererbetriebs, die aufgrund der Opel-Werksschließung ihren Job verlieren. Ginge ihr Betrieb pleite,  würde ihnen aber die Arbeitslosigkeit vor Rentenantritt angerechnet. Plausibel ist das nicht.«

Fakt ist: Arbeitnehmer, die ihren Job nicht freiwillig verlieren, werden höchst unterschiedlich behandelt, weil die Deutsche Rentenversicherung in ihren Arbeitsanweisungen den Willen des Gesetzgebers dergestalt konkretisiert, dass der Begriff der vollständigen Geschäftsaufgabe „eng auszulegen“ sei.

Zurück in die Gegenwart: In dem Beitrag Bundessozialgericht billigt Regelung für Rente ab 63 berichtet Thorsten Blaufelder über eine neue Entscheidung des BSG:

»Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat gegen die abschlagfreie Rente ab 63 für besonders langjährige Versicherte keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass für den Rentenanspruch Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur ausnahmsweise bei Insolvenz oder Geschäftsaufgabe berücksichtigt werden, urteilte am Donnerstag, 17.08.2017, der 12. BSG-Senat (AZ: B 5 R 8/16 R und B 5 R 16/16 R).« (Anmerkung: Nach den Angaben des BSG handelt es sich tatsächlich nicht um den 12., sondern um den 5. Senat, so zumindest BSG, Terminbericht Nr. 39/17 vom 17.08.2017).

Konkret ging es um zwei Fälle, über die die Bundessozialrichter zu entscheiden hatten. Schauen wir uns die Sachverhalte aus dem realen Arbeits- und Versichertenleben einmal genauer an, man kann auch wieder viel lernen, wie komplex die sozialrechtliche Wirklichkeit sein kann. Dazu wieder ein Blick in den Beitrag von Thorsten Blaufelder:

Fall 1: »Im ersten vom BSG entschiedenen Fall ging es um einen Versicherten aus Niedersachsen, der im Alter von 62 Jahren die Kündigung erhielt. Der Arbeitgeber hatte diese mit einer drohenden Insolvenz begründet. Nur zwei Monate nach der Kündigung ging das Unternehmen auch tatsächlich pleite. Der Mann meldete sich arbeitslos und wollte nach Inkrafttreten der neuen Altersrente für besonders langjährige Versicherte mit 63 Jahren abschlagfrei in Rente gehen.

Der Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag ab. Der Versicherte habe die 45 Beitragsjahre nicht erreicht. Die Arbeitslosigkeitszeit kurz vor Rentenbeginn könne nicht berücksichtigt werden. Ihm sei bereits vor Stellung des Insolvenzantrags gekündigt worden, so die Begründung. Damit fehlten ihm für die abschlagfreie Rente noch sieben Beitragsmonate.

Ohne Erfolg verwies der Kläger darauf, dass doch die Insolvenz gedroht habe und diese kurze Zeit später auch tatsächlich eingetreten war.«

Fall 2: »Auch im zweiten Fall wurde dem Kläger die abschlagfreie Rente ab 63 verwehrt, da Zeiten der Arbeitslosigkeit kurz vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt wurden. Hier hatte der Kläger, ein früherer Autoverkäufer der Daimler AG, mit seinem Arbeitgeber aus gesundheitlichen Gründen einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und war damit arbeitslos geworden.

Solch ein Grund der Arbeitslosigkeit müsse ebenfalls ausreichen, um bei den 45 Beitragsjahren berücksichtigt zu werden, so der Kläger. Er habe ja nicht freiwillig, sondern aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitsverhältnis beendet. Dass nur Zeiten der Arbeitslosigkeit nach Insolvenz oder Geschäftsaufgabe, nicht aber vergleichbare Gründe berücksichtigt werden, sei willkürlich und stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes dar. Der Gesetzgeber dürfe nicht Gleiches ungleich behandeln, betonte der vom Sozialverband VdK vertretene Kläger.«

Aber auch dieses Begehren wurde vom BSG zurückgewiesen. Nur bei Arbeitslosigkeit bedingt durch eine Insolvenz oder Geschäftsaufgabe sei eine Anrechnung auf die 45 zu erfüllenden Beitragsjahre möglich. »Maßgeblich sei hier die Stellung eines Insolvenzantrags. Allein eine drohende Insolvenz reiche nicht aus. Anderenfalls bestehe eine Missbrauchsgefahr. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten die Insolvenzgefahr für eine abschlagsfreie Rente vortäuschen«, so der Hinweis bei Blaufelder.

Aber auch zur Frage nach einer – möglichen – Verfassungswidrigkeit äußern sich die Bundessozialrichter. Ausweislich BSG, Terminbericht Nr. 39/17 vom 17.08.2017 haben sie diese Position bezogen:

»Ein erweiterndes Verständnis der Norm in dem Sinn, dass jede unfreiwillige und unverschuldete Beendigung der Beschäftigung ausreichen könnte, ist mit deren Wortlaut und ihrem engen Ausnahmecharakter als Regelung allein aus der Sphäre des Arbeitgebers stammender bestimmter Gründe im Rahmen der Missbrauchsabwehr unvereinbar. Gegen dieses Verständnis bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Dem Gesetzgeber, dem es im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit frei stand, bestimmte Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen auf die 45‑jährige Wartezeit anzurechnen, war es ‑ vergleichbar der Rechtslage bei Stichtagsregelungen ‑ nicht verwehrt, von dieser Grundregel zur Verhinderung einer missbräuchlichen Frühverrentung für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn Ausnahmen zu machen.«

Der unterlegene Kläger im Fall 2 hat bereits angekündigt, vor das Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Er wird sich bestimmt motiviert fühlen zu diesem über Kassel und das BSG hinausreichenden Schritt aufgrund der Diskussionen über eine (mögliche) Verfassungswidrigkeit der Zugangsregelungen zur Rente mit 63, an der sich in der Vergangenheit auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages beteiligt haben.

Bereits 2014 hat der Wissenschaftliche Dienst diese Ausarbeitung veröffentlicht:

Die rollierende Stichtagsregelung für die Altersrente an besonders langjährig Versicherte. Zulässigkeit der Privilegierung der durch Insolvenz und vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Arbeitslosigkeit, WD 6 – 3000 – 133/14, 3. Juli 2014.

Darin findet man auf Seite 11 dieses Fazit:

»Die unterschiedliche Behandlung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor dem Beginn einer Altersrente an besonders langjährig Versicherte bei Insolvenz oder vollständiger Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers einerseits und anderen zur Arbeitslosigkeit führenden Gründen andererseits gemäß § 51 Abs. 3a SGB VI dürfte wohl gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, da sie zwar aus anderen Gründen, aber ebenfalls unfreiwillig, beispielsweise aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung, arbeitslos gewordene Personen unverhältnismäßig stark benachteiligt. Eine abschließende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bleibt dessen ungeachtet dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.«

Und 2016 meldete sich der Wissenschaftliche Dienst noch mal zu Wort:

Vollständige und teilweise Geschäftsaufgabe im Zusammenhang mit der Altersrente für besonders langjährig Versicherte, WD 6 – 3000 – 028/16, 11. Februar 2016

Darin ging es um den Prüfauftrag, ob die unterschiedliche Behandlung von vollständiger und teilweiser Geschäftsaufgabe im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für eine Altersrente an besonders langjährig Versicherte – der sogenannten Rente mit 63 – verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt. Das Fazit dazu findet man auf der Seite 6 der Ausarbeitung:

»Wenn … bereits die unterschiedliche Behandlung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bei Insolvenz oder vollständiger Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers einerseits und anderen zur Arbeitslosigkeit führenden Gründen andererseits als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG angesehen und damit für verfassungswidrig gehalten wird, muss dies folgerichtig auch für den Fall einer nur teilweisen Geschäftsaufgabe gelten.

Aufgrund einer nur teilweisen Geschäftsaufgabe arbeitslos gewordener Personen werden durch die eine volle Geschäftsaufgabe voraussetzende gesetzliche Regelung unverhältnismäßig stark benachteiligt. Eine abschließende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit muss dessen ungeachtet dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleiben.«

Wie immer auf hoher See und vor Gericht bedeutet die beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erkennbare Positionierung der Regelung als verfassungswidrig nicht zugleich, dass das Bundesverfassungsgericht das auch so sehen wird. Kann sein, muss aber nicht. Das Bundessozialgericht zumindest kann eine Verfassungswidrigkeit nicht erkennen, gesteht dem Gesetzgeber mal wieder einen weiten Gestaltungsspielraum zu – aber richtig überzeugend, warum das denn nun kein Verstoß ist gegen die Verfassung erschließt sich dem Leser nicht auf den ersten Blick. Also muss dann doch in Karlsruhe mal eine Entscheidung getroffen werden.

Wie gesagt – wie das ausgeht, steht in den Sternen. Es gibt allerdings durchaus skeptische Stimmen beim Blick nach Karlsruhe: Kaum Chancen für die Kläger, so ziemlich eindeutig hat Markus Grabitz bereits im Januar 2015 seinen Artikel dazu überschrieben. Darin führte er aus: »Beobachter gehen davon aus, dass eine Klage in Karlsruhe wenig Aussichten auf Erfolg hat. So hätten die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber im Sozialrecht traditionell einen hohen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Es gebe so gut wie keine rentenpolitische Entscheidung, die jemals vom höchsten deutschen Gericht wieder gekippt worden sei. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass es für einige wenige Jahrgänge schon einmal die Möglichkeit gab, mit 63 abschlagsfrei in Rente zu gehen. Dies war Anfang der 2000er Jahre. Seinerzeit habe es dagegen auch Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe gegeben. Bezeichnenderweise habe sich das höchste deutsche Gericht damals sogar geweigert, die Verfassungsbeschwerde auch nur anzunehmen.«

Warten wir also ab.

Foto: © Stefan Sell

Und noch einmal vom Bundessozialgericht für die Akten: Keine Beitragsentlastung für Eltern in der Rentenversicherung

Grundsätzliche Entscheidungen kommen trocken daher: »Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat heute entschieden, dass es nicht gegen die Verfassung verstößt, wenn von Eltern wegen ihrer Betreuungs- und Erziehungsleistungen keine niedrigeren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gefordert werden (Aktenzeichen B 12 KR 14/15 R).« Und damit es jeder, der nur Überschriften liest, auch versteht, haben die Bundessozialrichter ihre Pressemitteilung zur neuen Entscheidung so überschrieben: Fehlende Beitragsentlastung für Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht verfassungswidrig. Das war es dann in Kassel. Bleibt der klagenden Seite nur noch der Weg nach Karlsruhe. Die Kläger haben bereits angekündigt, sich auf diese Reise begeben zu wollen.  Dabei haben sie etliche Mitstreiter. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2015, in dem das BSG bereits das gleiche Anliegen verworfen hatte, strengten bereits fast 400 Familien Klage beim höchsten deutschen Gericht an (Az.: B 12 KR 13/15 R und B 12 KR 14/15 R). Zu der angesprochenen Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2015 vgl. auch den Beitrag Die Sozialversicherung und ihre Kinder. Zur Entscheidung des Bundessozialgerichts: Keine Beitragsentlastung für Eltern vom 6. Oktober 2015. In dem damaligen Verharren ging es darum, dass ein Ehepaar den Beitrag zur Renten-, Kranken- und Sozialversicherung ab dem dritten Kind halbiert sehen wollte.

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