Der erste Branchenmindestlohn soll der erste sein, der von den Arbeitgebern beerdigt wird. Die Arbeitgeber der Baubranche haben die Lohnuntergrenze gekippt

Früher war wahrlich nicht alles besser, aber manches wurde gemeinsam klarer gesehen: »Der Branchenmindestlohn in der Bauwirtschaft wurde vor 25 Jahren eingeführt – er war der erste seiner Art in Deutschland. Seinerzeit waren sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch einig, dass es angesichts der oftmals harten Arbeit am Bau bei Wind und Wetter eine attraktive Bezahlung braucht, um Fachkräfte zu gewinnen«, berichtet Frank-Thomas Wenzel unter der dann allerdings ernüchternden Überschrift Baubranche: Arbeitgeber kippen Branchenmindestlohn. Robert Feiger, der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), äußert sich dazu so: „Dies hat sich über die Jahrzehnte bewährt, ich kann nicht verstehen, dass die Arbeitgeber dieses System jetzt zerschlagen wollen. Nach meinem Kenntnisstand sind es die Arbeitgeber selbst, die immer wieder nach Fachkräften und Auszubildenden rufen“.

Die Bundesagentur für Arbeit berichtet in ihrer im Dezember 2021 veröffentlichten Fachkräfteengpassanalyse 2020: »In den Berufen des Hochbaus und des Tiefbaus, aber auch in der Bodenverlegung, im Bereich der Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klimatechnik, aber auch in Teilen im Aus- und Trockenbau zeigte sich 2020 ein bundesweiter Engpass.« (S. 21)

Und in so einer einer Situation will man eine über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende branchenbezogene Lohnuntergrenze streichen? Was ist da los?

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Fragile Selbstverständlichkeiten oder: Stell Dir vor es brennt, aber keiner kann kommen. Und der Notarzt braucht auch immer länger, wenn es denn noch einen gibt

Gerade in diesen Tagen wird einem zwangsweise erneut bewusst, wie zerbrechlich scheinbar unerschütterliche Selbstverständlichkeiten des alltäglichen Lebens werden können. Man nehme dafür die Diskussion über die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Zumindest kurzfristig würde ein sofortiger Stopp der Gaslieferungen aus dem kriegführenden Russland zu massiven, nicht nur für viele Unternehmen existenziellen Verwerfungen führen. Auch die Tatsache, dass viele Häuser und Wohnungen mit Gas versorgt werden müssen und dass der russische Anteil daran eben nicht von heute auf morgen (oder übermorgen?) ersetzt werden kann, steht im Raum und muss mitbedacht werden bei den anstehenden Entscheidungen.

Es ist sicher unbestreitbar, dass die Energieversorgung, ein beheizbare Wohnung und warmes Wasser zu dem gehört, was unter dem scheinbar angegrauten Begriff der „Daseinsvorsorge“ eingeordnet werden muss. Darunter versteht man die staatliche Aufgabe, Güter und Leistungen bereitzustellen, die für ein menschliches Dasein notwendig sind. Dies umfasst beispielsweise die Energie- und Wasserversorgung, Verkehrsleistungen, Telekommunikation, Rundfunk, Straßenreinigung sowie Abwasser- und Müllentsorgung. Und sicher werden alle zustimmen, wenn wir in die Liste mit den Beispielen für Daseinsvorsorge auch den Rettungsdienst und die Feuerwehr aufnehmen. Selbstverständlich erwartet jeder von uns, dass professionelle Hilfe kommt, wenn unser Haus in Flammen steht oder wenn ein Familienmitglied mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen ist. Aber was ist schon selbstverständlich?

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Was ist (k)eine „vorübergehende Überlassung“ von arbeitenden Menschen? Der Europäische Gerichtshof fällt ein „erfreuliches“ bzw. „enttäuschendes“ Urteil zur Leiharbeit

Die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland ist in den vergangenen Jahren bis kurz vor Beginn der Corona-Pandemie gestiegen. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gab es 2013 rund 865.000 Menschen in Leiharbeit, im Jahresschnitt 2018 waren es schon mehr als eine Million. 2020 – im ersten Jahr der Pandemie – sank die Zahl zwischenzeitlich auf gut 740.000, lag aber Mitte 2021 wieder bei mehr als 830.000. Aktuellere Zahlen der Bundesagentur liegen derzeit nicht vor, aus der Branche werden aber weiter steigende Zahlen seit dem Sommer des vergangenen Jahres berichtet.

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Ukrainer, die schon da waren. Viele neue werden kommen (müssen). Und Georgier waren auch schon da und wollen nicht wiederkommen. Hier geht es um Erntehelfer

Sie ist atemberaubend, die Fluchtwelle aus der Ukraine, die sich vor unseren Augen in wenigen Tagen aufgebaut hat. Stündlich steigt die Zahl der Menschen, darunter sehr viele Frauen und Kinder, die aus ihrem Heimatland vertrieben wurden. Wir sind nun schon offiziell geschätzt bei 1,7 Millionen Menschen angekommen, eine Zahl, die sich beim Schreiben schon wieder verflüchtigt und nach oben korrigiert werden muss.

Die meisten versuchen noch, in unmittelbarer Nähe zur Ukraine zu bleiben und abzuwarten. Aber immer mehr verteilen sich auch auf die anderen europäischen Länder. Einer der Hotspots für in Deutschland ankommende Menschen aus der Ukraine ist Berlin, aber schon am 6. März wurde diese Meldung verbreitet: »Täglich kommen Tausende Menschen aus der Ukraine in Berlin an. Doch die Strukturen in der Hauptstadt sind mittlerweile überlastet. Vom Bund kommt deshalb Unterstützung: Geflüchtete werden in andere Bundesländer gebracht.« Und mit Blick auf den gestrigen Montag erreichen uns solche Zahlen: Berlin: Erneut 13.000 Ukraine-Flüchtlinge eingetroffen. An den folgenden Zahlen kann man die gewaltigen Herausforderungen in Umrissen erkennen, die sich hinsichtlich der Versorgung dieser vielen Menschen stellen: »Auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine sind nach Angaben des Berliner Senats am Montag erneut mehr als 13.000 Menschen nach Berlin gekommen. Der Krisenstab habe 800 Menschen unterbringen können, teilte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am Dienstag mit.« Viele Menschen kommen auch privat in Berlin unter. Noch. Denn man rechnet mit noch größeren Zahlen in den Tagen, die vor uns liegen. Das wird nur zu stemmen ein, wenn die vielen Betroffenen verteilt werden in der ganzen Bundesrepublik, denn bisher sind viele gekommen, die familiäre oder persönliche Verbindungen haben in einem der europäischen Länder, aber es ist zu erwarten, das jetzt immer mehr Menschen kommen, die hier überhaupt keinen Bezugspunkt haben und die untergebracht und versorgt werden müssen.

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Pralinen und (angeblich) die weltbesten Fritten. Nun liefert Belgien auch noch (scheinbar) die Blaupause für eine Vier-Tage-Woche, die viele auf den ersten Blick gerne hätten

»In Belgien können Arbeitnehmer künftig zwischen Vier- und Fünf-Tage-Woche wählen. Ihre Arbeitszeit bleibt bei beiden Optionen gleich. Auch in Deutschland spricht sich eine Mehrheit dafür aus. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv würden es 71 Prozent der Befragten begrüßen, wenn Deutschland dieses Modell übernehmen würde«, kann man beispielsweise dieser Meldung entnehmen: Mehrheit der Deutschen für Einführung der Vier-Tage-Woche. Interessant auch dieser differenzierender Hinweis: »Auf Zustimmung stoße das „Belgische Modell“ vor allem bei den 30- bis 44-Jährigen (81 Prozent) und den Befragten mit höherem Bildungsabschluss (Abitur, Studium: 75 Prozent).«

Was ist der Hintergrund für solche Begeisterungsstürme? Um was geht es überhaupt bei diesem „belgischen Modell“?

»Arbeitnehmer in Belgien sollen ihre Arbeit künftig flexibel an vier statt fünf Tagen verrichten können. Die belgische Regierung einigte sich auf eine entsprechende Arbeitsmarktreform, wie Premierminister Alexander De Croo … mitteilte. „Der erste Pfeiler ist, den Arbeitern mehr Flexibilität, mehr Freiheit zu geben“, sagte De Croo. Vollzeit-Arbeitnehmer sollen am Tag länger arbeiten dürfen, damit alle erforderlichen Stunden in vier Tagen geleistet werden können. Das solle etwa der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zugutekommen, so De Croo. Zu der Arbeitsmarktreform gehöre auch ein gesetzlich geregelter Zugang zu Weiterbildungen für Arbeitnehmer, sagte De Croo. Außerdem werde es mehr Flexibilität bei den Nachtdienstregeln geben, um vor allem den Onlinehandel anzukurbeln«, so dieser Beitrag: Belgien will Viertagewoche bei gleicher Arbeitszeit einführen.

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