Tarifbindung erreicht – Tarifbindung verloren. Das tarifpolitische Hin und Her im Einzelhandel am Beispiel von Primark und Real

Es gibt sie auch, die guten Nachrichten: Wichtiges Signal für die Beschäftigten im Handel – Tarifbindung für Modekette Primark vereinbart, so ist eine Pressemitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di überschrieben. Primark – da war doch was, wird der eine oder andere an dieser Stelle einwerfen. Genau. Noch im Februar dieses Jahres konnte man in dem Blog-Beitrag Billiger, noch billiger. Wo soll man anfangen? Karstadt, Deutsche Post DHL, Commerzbank … und Primark treibt es besonders konsequent zu diesem Unternehmen lesen, dass man dort mit einem  besonders „konsequenten“ Beispiel für Lohndrückerei konfrontiert werde: »… besonders konsequent deshalb, weil dieses Unternehmen offensichtlich – folgt man der aktuellen Berichterstattung – nicht nur generell niedrige Löhne zahlt, sondern die kostensenkenden Effekte potenziert durch eine „eigenartige“ Arbeitszeitgestaltung und – um den ganzen die Krone aufzusetzen – mit tatkräftiger Unterstützung der örtlichen Arbeitsagenturen und Jobcenter einen Teil der  anfallenden betrieblichen Kosten auch noch sozialisiert zu Lasten des Steuerzahlers.«

Die Vorwürfe damals: Viele Mitarbeiter müssen auf der Basis befristeter Teilzeitverträge arbeiten, was dem Unternehmen Primark maximale Flexibilität bietet. Und der Staat greift Primark kräftig unter die Arme: bei der Personalrekrutierung. Wenn sich der Textilkonzern in einer neuen Stadt ansiedelt, arbeitet er oft mit den Jobcentern und den Arbeitsagenturen zusammen und nutzt nicht nur die kostenlose Personalvermittlung, sondern zusätzlich häufig Eingliederungszuschüsse für die Anstellung von Langzeitarbeitslosen. Und am Beispiel Köln wurde aufgezeigt,  dass von den 360 vermittelten Arbeitskräften 116 so wenig verdienen, dass sie zusätzlich aufstockende Leistungen vom Jobcenter erhalten. Und die haben das offensichtlich systematisch „professionalisiert“. Über das Beispiel Hannover berichtet der Artikel Primark entlässt 132 Mitarbeiter: »Die Modekette Primark soll 132 der gut 500 Beschäftigten ihrer Filiale in Hannover entlassen haben … Auffällig sei, dass genau die Verträge von denjenigen Mitarbeitern nicht verlängert worden seien, die nach einem Jahr Beschäftigung Anspruch auf eine unbefristete Stelle gehabt hätten, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Dagegen sollen die Verträge von den Mitarbeitern, die erst vier Monate für die Modekette gejobbt hätten, noch einmal um einige Monate verlängert worden seien.«

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Menschen ohne Bleibe haben ein Recht auf Unterbringung. Das scheint normal, ist es aber in der Wirklichkeit offensichtlich nicht. Deshalb gibt es dazu jetzt ein Rechtsgutachten

Jetzt ist sie wieder da, die kalte Jahreszeit. Und bei vielen Menschen wird in den kommenden Monaten wieder in Erinnerung gerufen werden, dass es Menschen gibt, die auf der Straße leben (müssen). Und wenn es schlimm kommt, dann wird wieder der eine oder andere Mensch erfrieren und für einen kurzen Moment wird es Betroffenheit geben. Zugleich wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass zum einen gerade in den Großstädten Notunterkünfte fehlen, um die Menschen wenigstens in der Nacht versorgen zu können, auf der anderen Seite wird man immer wieder hören oder lesen, dass solche Schlafplätze, wenn sie denn vorhanden sein sollten, nicht in Anspruch genommen werden – mit den dann Betroffenheit erzeugenden Folgen, aber auch der immer wieder mitschwingenden Frage, warum man denn dieses Risiko auf sich genommen hat. Dass nicht wenige Obdachlose Hunde haben, deren Mitnahme oftmals verboten ist, wissen dann nur wenige. Dass manche Obdachlose schlichtweg Angst haben, beklaut oder gar geschlagen zu werden in der Enge der Notunterkünfte, sei hier hier nur als weiterer Aspekt erwähnt.

Wie dem auch sei. Thema dieses Beitrags ist ein neues Rechtsgutachten, das Karl-Heinz Ruder anlässlich der der Bundestagung der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. in Berlin vom 9.-11. November 2015, „Solidarität statt Konkurrenz – entschlossen handeln gegen Wohnungslosigkeit und Armut“, vorgelegt hat. »Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) hat kürzlich einen Anstieg der Zahl der Obdachlosen von derzeit geschätzt 335.000 auf über eine halbe Million im Jahr 2018 prognostiziert. Betroffen sind immer häufiger auch Geflüchtete und Arbeitsuchende aus ärmeren EU-Staaten«, so Susan Bonath in ihrem Artikel Polizei gegenüber Obdachlosen in der Pflicht. »Muss Betroffenen geholfen werden, wenn sie Hilfe suchen? Ja, meint der Rechtsanwalt Karl-Heinz Ruder aus Emmendingen (Baden-Württemberg) in einem aktuellen Gutachten, das er für die BAG W erstellt hat …  Ruder sieht als letzte Instanz, an die sich Betroffene wenden können, die Polizei in der Pflicht.« 

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Ein Viertel Krankschreibung könnte doch auch mal gehen. Experten haben sich Gedanken über das Krankengeld gemacht

Entweder-oder. Alles-oder-nichts. 100 Prozent ja oder 100 Prozent nein. Das ist der Algorithmus, wenn es um die Arbeitsunfähigkeit in Deutschland geht. Und damit um ein Thema, das auf der einen Seite höchst elementar für die Arbeitnehmer ist, denn die meisten waren schon mal krank geschrieben – sei es wegen einer Grippe oder wegen komplizierter Erkrankungen. Und dann will man nicht wegen der Erkrankung ins materiell Bodenlose fallen müssen, sondern selbstverständlich braucht man eine Absicherung für das eigene und bei den meisten Arbeitnehmern auch das einzige Vermögen – die Einnahmen aus dem Verkauf der Arbeitskraft. Deshalb hat man in der Vergangenheit, also der Sozialstaat auf- und ausgebaut wurde, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durchgesetzt. Der Regelfall heute: 6 Wochen lang muss der Arbeitgeber die Bezüge weiterzahlen. Sollte dann die Arbeitsunfähigkeit weiter anhalten, dann rutschen die Betroffenen in den Krankengeldbezug (70 Prozent des letzten Bruttogehalts und damit schon deutlich weniger als vorher bei der Lohnfortzahlung). Die Krankenkassen wiederum müssen diese Leistung finanzieren aus ihren Beitragseinnahmen. Aber es gibt – das soll hier nicht verschwiegen werden – noch eine andere Dimension der Krankschreiben, die immer mehr oder weniger explizit mitschwingt, zuweilen auch mal die Oberhand zu gewinnen scheint: Gemeint ist der Vorwurf bis hin zur Tatsache, dass es Zeitgenossen gibt, die sich einen „blauen Montag“ machen oder auch zwei. Also Arbeitsunfähigkeit vortäuschen, um nicht arbeiten zu müssen. Sicher und bei weitem nicht die Mehrheit, aber es gibt auch diese Exemplare.

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