Wachstumsmarkt Cyberkriminalität – nicht nur ein Wirtschaftsthema. Zur sozialpolitischen Bedeutung von Cyberangriffen

Es gibt so viele Dinge, die wir alle in unserem Alltag für derart selbstverständlich halten, dass keiner auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt. Beispielsweise dass man Licht hat, wenn man in der eigenen Wohnung den entsprechenden Schalter drückt. Oder dass beim Einkauf im Supermarkt die Kassiererin die Kasse öffnet, wenn man mit Bargeld bezahlt. Die völlige Selbstverständlichkeit wird einem erst dann als ein fragiles Konstrukt bewusst, wenn man auf einmal kein Licht mehr bekommt – oder wenn sich die Kassen in Supermärkten der Öffnung verweigern und einfach zu bleiben. Nichts geht mehr auf einmal.

Supermarkt-Kassen, die sich nicht mehr öffnen lassen, das ist nun keineswegs ein theoretisches Hirngespinst, sondern Millionen Schweden mussten genau diese Erfahrung machen. »Ein Hackerangriff auf US-Firmennetzwerke hat Auswirkungen bis nach Europa. Bei einer von Schwedens größten Supermarktketten funktionieren die Kassen nicht«, wurde Anfang Juli 2021 gemeldet: Cyberattacke trifft 800 Filialen einer schwedischen Supermarktkette. „Einer unserer Subunternehmer war Ziel eines digitalen Angriffs, und deshalb funktionieren unsere Kassen nicht mehr“, teilte Coop Schweden mit. Der Konzern hoffe, das Problem schnell in den Griff zu bekommen und die Filialen wieder öffnen zu können. Coop ist eine der größten Supermarktketten des Landes.

Aber es waren nicht nur Filialen einer Supermarkt-Kette betroffen: »In Schweden berichteten auch die staatlichen Eisenbahnen und eine Apothekenkette von Störungen. Verteidigungsminister Peter Hultqvist sprach von einem sehr gefährlichen Angriff. „In einer anderen geopolitischen Lage könnten uns staatliche Akteure auf diese Weise angreifen, um die Gesellschaft lahmzulegen und Chaos anzurichten“, sagte Hultqvist im Fernsehen.«

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Bundessozialgericht: Auch ein Minijob kann möglicherweise einen Hartz IV-Anspruch für nach Deutschland eingereiste EU-Bürger begründen

Der Leistungsausschluss von EU-BürgerInnen aus dem SGB II/SGB XII beschäftigt seit Jahren die Sozialgerichtsbarkeit. In kaum einer anderen Rechtsfrage gehen die Entscheidungen der Sozialgerichte so weit auseinander wie in den Entscheidungen zum Leistungsausschluss von EU-Bürgern. »Der Ausschluss bestimmter EU-BürgerInnen von Leistungen des SGB II/SGB XII wurde zuletzt mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch am 29.12.2016 geändert. Motiv der Änderung war, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 3. Dezember 2015 (BSG, B 4 AS 44/15 R) zu korrigieren«, so Bernd Eckhardt in seinem im Oktober 2019 veröffentlichten Beitrag Disparate Rechtsprechung bei den Leistungsausschlüssen von EU-BürgerInnen im SGB II/SGB XII. Das höchst umstrittene und politisch mehr als brisante Thema (dahinter steht letztendlich auch die Debatte über eine – angeblich – „Einwanderung in das deutsche Sozialsystem“) wurde auch hier schon behandelt, vgl. beispielsweise den Beitrag Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber: Der EuGH gegen Sozialleistungen für EU-Bürger in anderen EU-Staaten, das BSG teilweise dafür, andere Sozialgerichte gegen das BSG vom 25. Februar 2016. Nun kann von zwei neuen Entscheidungen des Bundessozialgerichts berichtet werden, die es durchaus in sich haben. Zur Einordnung muss man wissen, dass seit Januar dieses Jahres der gesetzliche Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen für EU-Bürger mit in Deutschland zur Schule gehenden Kindern weggefallen ist.

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Arbeitsuchende und Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland. Das Bundessozialgericht und nun der EuGH sehen das teilweise anders

Kinder können ein Anker sein für ihre Eltern, wenn die als EU-Bürger beispielsweise in Deutschland sind und man ihnen dort Sozialleistungen nicht gewähren will, weil man andere abschrecken möchte, es ihnen nachzumachen und die dann möglicherweise – so der immer mitlaufende Gedanke – nur deshalb hierher kommen, weil in Deutschland „großzügige“ Sozialleistungen wie Milch und Honig vom Himmel fließen. Angebliche und tatsächliche Beispiele für eine solche „Armutszuwanderung“ werden in regelmäßigen Abständen immer wieder durch die Medien getrieben und jeder einzelne Fall löst dann große Empörungswellen aus. Die Politik fordert dann reflexhaft gesetzliche Änderungen, um die die Daumenschrauben anzuziehen und die Menschen aus den Armenhäusern der EU davor zu „bewahren“, hierher zu kommen. Das hört sich klarer an als es sich dann wirklich darstellt, denn zugleich bewegen wir uns auf einem „schwierigen“ Terrain dergestalt, das eine der zentralen Grundfreiheiten in der EU die Personenfreizügigkeit ist. Und deren Gewährleistung wird vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überwacht.

Und seit vielen Jahren tobt nicht nur eine mediale und (partei)politische Schlacht um das Thema Zuwanderung und Sozialleistungsansprüche, sondern die Konflikte werden auch auf der offene Bühne der Rechtsprechung ausgetragen. Dabei sollte man nicht automatisch davon ausgehen, dass die „deutschen“ Gerichte gegen die Zuwanderer und der EuGH für sie votieren, die juristische Gefechtslage war in den vergangenen Jahren immer wieder mehr als unübersichtlich.

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Spanien: Ein „lebensnotwendiges Mindesteinkommen“ auf dem Papier und die Bedingungen als hohe Hürden

In Deutschland wird derzeit für einen Moment mal wieder über das bzw. ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ debattiert, ausgelöst durch eine geplante gemeinsame Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Vereins Mein Grundeinkommen, mit der 120 Probanden, die drei Jahre lang ein Grundeinkommen in Höhe von 1.200 Euro bekommen sollen, begleitet werden. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen aus anderen Ländern verwiesen, beispielsweise den Grundeinkommens-Versuch in Finnland. Und dass es auch in anderen Ländern angeblich Bestrebungen geben würde, ein Grundeinkommen einführen. Nur gibt es auf dieser Ebene nirgendwo ein bedingungslos ausgezahltes und wie hoch auch immer definiertes Existenzgeld, sondern es handelt sich – wenn überhaupt -, dann um Spielarten einer Grundsicherung aus dem Formenkreis dessen, was wir hier in Deutschland als Hartz IV kennen, bekanntlich eine überaus kontrovers diskutierte Variante einer eben nicht bedingungslosen, sondern an Bedürftigkeit und weitere Verhaltensvoraussetzungen geknüpften Mindestsicherung. Und gerade in der Corona-Krise wurde und wird immer wieder auf dieses letzte Netz der sozialen Sicherung hingewiesen.

Das vorangestellt soll hier der Beitrag Spanien führt ein „Grundeinkommen“ ein, aber nicht bedingungslos, eher eine Art Hartz IV vom 29. Mai 2020 erneut aufgerufen werden. Viele Menschen in Spanien sind hart getroffen von den ökonomischen und sozialen Verwüstungen im Gefolge der Corona-Krise: Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen die zweithöchste in Europa nach Griechenland. Angesichts der stark steigenden Arbeitslosigkeit und der Not vieler Selbstständiger und Kleinstunternehmer hat die spanische Regierung etwas vorgezogen, was bereits vor der Corona-Krise vereinbart wurde: »In Spanien wird es für arme Familien erstmals ein monatliches „Grundeinkommen“ geben. Das beschloss die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez unter dem Eindruck wachsender sozialer Not durch die Corona-Krise. Das Vorhaben war bereits Teil der Koalitionsvereinbarungen zwischen dem sozialistischen Regierungschef und seinem Partner Pablo Iglesias vom Linksbündnis Unidas Podemos.«

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Hartz IV als temporärer Rettungsanker für die in ihrer Existenz bedrohten Coronavirus-Krisenopfer? Und was für (andere) einkommensschwache Haushalte getan werden könnte bzw. müsste

In den nächsten Tagen wird die Bundesregierung eine ganze Reihe an gesetzgeberischen Maßnahmen auf den Weg bringen, bei denen es darum geht, wie den vielen Opfern der Coronavirus-Krise geholfen werden kann. Die Ausweitung der Kurzarbeitergeld-Regelung ist bereits in Windeseile in Kraft gesetzt worden. Was aber kann man für die unzähligen anderen Opfern der Stilllegung weiter Teile des sozialen und damit auch ökonomischen Lebens tun? Für die Solo-Selbstständigen, die von einem Tag auf den anderen überhaupt keine Einnahmen mehr haben? Für die anderen Kleinst- und Kleinunternehmer, die vor einem Alpengebirge an Fixkosten bei gleichzeitig wegbrechenden Einnahmen stehen?

Auch für diese Gruppen sollen – so heißt es aus der Regierung und den Bundesländern – umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Selbst wenn das so kommt, muss das auch an die Menschen gebracht werden.

Das gilt auch für das letzte Auffangnetz unseres Sozialstaats, also die Grundsicherung nach SGB II, umgangssprachlich als Hartz IV bezeichnet. Auch hier muss ein – wahrscheinlich erwartbarer enormer – Zustrom an Hilfebedürftigen bewältigt werden. Und das in einem System, das bereits unter Normalbedingungen als extrem kompliziert und mit langen Bearbeitungs- und Bewilligungszeiten versehen kritisiert wurde.

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