Teilkasko-Dilemmata: Die Pflege zwischen steigenden Heimkosten und Eltern, die ihre Kinder brauchen bzw. die von den Sozialämtern gebraucht werden

Bewohner von Pflegeheimen müssen immer mehr selbst zahlen, so Timot Szent-Ivanyi in seinem Artikel Kosten für Pflegeheime steigen deutlich. Dabei sind die Leistungen aus der Pflegeversicherung doch erst zum 1. Januar 2015 angehoben worden. Aber die Heimbewohner  müssen mehr aus der eigenen Tasche bezahlen als vor dem Inkrafttreten der Reform. Das zumindest zeigen Berechnungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV). Die Zahlen aus der PKV-Pflegedatenbank gelten für alle Versicherten, da die private und die gesetzliche Pflegeversicherung die gleichen Leistungen haben. Szent-Ivanyi berichtet über die Situation am Beispiel der rund 380 Pflegeheime, wobei die Daten auch zeigen, dass die durchschnittlichen Heimkosten in der Hauptstadt über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen. Die Ursache für die steigenden Eigenbeträge der Pflegebedürftigen ist einfach: Die Kosten für einen Heimplatz steigen stärker als die Leistungen aus der Pflegeversicherung. »Die wachsenden Eigenanteile bestätigen einen längerfristigen Trend: Die Leistungen der Pflegeversicherung werden schleichend entwertet, weil die Kosten stärker steigen als die Zuweisungen aus der Pflegeversicherung. Berechnungen haben ergeben, dass die Leistungen seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 mehr als 25 Prozent an Wert verloren haben. Auch die zum 1. Januar diesen Jahres erfolgte Erhöhung der Zahlungen um vier Prozent hat den Wertverfall nicht stoppen können«, bilanziert Timot Szent-Ivanyi.

Man kann das angesprochene Auseinanderlaufen von Heimkosten und Leistungen aus der Pflegeversicherung am Beispiel von Berlin verdeutlichen:

»Zum 1. Januar 2015 wurden mit der Pflegereform die Zuweisungen für einen Heimplatz je nach Pflegestufe zwischen 41 und 62 Euro angehoben. In der höchsten Pflegestufe III werden derzeit beispielsweise 1.612 Euro gezahlt. Die durchschnittlichen Heimkosten kletterten jedoch stärker, und zwar abhängig vom Pflegebedarf zwischen 56 und 77 Euro. Wer die Pflege nach der Stufe I benötigt, muss derzeit in Berlin für einen Heimplatz im Schnitt 2.756 Euro zahlen. In Stufe II sind 3.336 Euro fällig, in Stufe III 3.750 Euro. Im Bundes-Schnitt sind die Heime jeweils rund 300 Euro billiger.
Damit steigen die Anteile, die die Hilfebedürftigen in Berlin selbst aufbringen müssen, trotz verbesserter Pflegeleistungen an. Der Eigenanteil in Pflegestufe I wächst um rund 15 Euro auf 1.692 Euro, in der Stufe II um 18 Euro auf 2.006 Euro und um 15 Euro auf 2.138 Euro in der Stufe III.«

Das sind erhebliche Beträge, die natürlich bei vielen Menschen weit über dem liegen, was sie an Renten haben. Kann ein Pflegebedürftiger diese Beträge nicht aus seinen Alterseinkünften und/oder seinem Vermögen zahlen, ist er auf Sozialhilfe angewiesen. Die Sozialämter können sich das Geld bei den Kindern zurückholen, womit wir schon bei der nächsten großen Baustelle wären.

Kathrin Gotthold greift dieses in den vor uns liegenden Jahren mit Sicherheit an individueller Betroffenheit und gesellschaftlicher Brisanz gewinnende Thema in ihrem – etwas reißerisch überschriebenen – Artikel So riskieren Eltern die Existenz ihrer Kinder ausführlich auf.

»2,63 Millionen pflegebedürftige Mitmenschen gab es bereits Ende 2013 in Deutschland. Das sind 125.000 mehr als 2011 – ein Anstieg um fünf Prozent. Im Jahr 1999 zählte Deutschland noch rund zwei Millionen Pflegebedürftige. Prognosen zufolge steigt ihre Zahl bis 2050 um weitere rund zwei Millionen.«

Gotthold bezieht sich dabei auf die aktuellsten Daten der Pflegestatistik 2013, deren Deutschlandergebnisse vom Statistischen Bundesamt vor kurzem veröffentlicht worden sind. Für das Thema hier besonders relevant: 764.000 Pflegebedürftige, das sind 29% aller Pflegebedürftigen, wurden vollstationär in 13.000 Pflegeheimen mit 675.000 Beschäftigten betreut.

Können Eltern im Alter die Kosten für die Pflege oder die Heimunterbringung nicht mehr aufbringen, wendet sich das Sozialamt an die Kinder. Und dann merken erst viele, dass es nicht nur eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihren Kindern gab, sondern es gibt auch den umgekehrten Weg, den „Elternunterhalt“ nach § 1601 BGB – und immer mehr Sozialämter gehen konsequent diesen Weg, um sich ein Teil der steigenden Ausgaben für die Hilfe zur Pflege von den Kindern wieder zurückzuholen und diese an der Finanzierung vor allem der teuren Heimkosten zu beteiligen. Dabei kann nicht nur auf das Einkommen der Kinder zurückgegriffen werden, sondern abzüglich bestimmter Schonwerte auch auf deren Vermögen. So kann das Sozialamt verlangen, dass Kinder ein Ferienhaus oder auch ein unbebautes Grundstück verkaufen. Sicher geschützt ist hingegen das selbst genutzte Familienheim. Unterhaltspflichtig sind nur die Kinder des Berechtigten. Schwiegerkinder sind davon nicht betroffen (BGH, Urteil vom 14.01.2004, Az. XII ZR 69/01). Aber das ist dem Grunde nach nicht begrenzt auf die eigenen Eltern: Grundsätzlich besteht nach dem Gesetz auch eine Unterhaltspflicht der Enkel gegenüber ihren Großeltern. Weil die näheren Verwandten gemäß § 1606 Abs. 2 BGB vor den entfernteren Verwandten haften, müssen Enkelkinder für den Unterhalt der Großeltern aber nur dann zahlen, wenn deren Kinder selbst nicht verpflichtet sind, weil ihr Einkommen und Vermögen zu gering sind.

»Ein im Pflegeheim untergebrachter Elternteil hat Anspruch auf Unterhalt in Höhe der notwendigen Heimkosten zuzüglich eines Barbetrags für die Bedürfnisse des täglichen Lebens (BGH, Urteil vom 19.02.2003, Az. XII ZR 67/00). Letzterer beläuft sich nach § 27b Abs. 2 S. 2 SGB XII derzeit auf mindestens 107,73 Euro im Monat. Die Summe soll die Aufwendungen für Körper- und Kleiderpflege, Zeitschriften, Schreibmaterial und den sonstigen Bedarf des täglichen Lebens decken. Häufig geht der Sozialhilfeträger zunächst in Vorleistung und holt sich das Geld dann von den Kindern zurück. Die zuständige kommunale Behörde macht laut § 94 SGB XII den Anspruch des Heimbewohners seinen Kindern gegenüber geltend und hat auch das Recht, von diesen Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verlangen«, so Britta Beate Schön in ihrem Beitrag Unterhalt von Kindern für ihre Eltern. In einem ersten Schritt wird das bereinigte Nettoeinkommen der Kinder berechnet und davon dann der Selbstbehalt abgezogen nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle. »Dem Unterhaltspflichtigen steht seit dem 1. Januar 2015 ein Selbstbehalt von 1.800 Euro und für den Ehepartner von 1.440 Euro pro Monat zu. Der Familienselbstbehalt beläuft sich damit derzeit monatlich auf 3.240 Euro. Hinzu kommen Freibeträge für eigene Kinder, die sich ebenfalls nach der Düsseldorfer Tabelle richten.« Und dann kommt die entscheidende Vorschrift: »Tatsächlich an Unterhalt zahlen müssen Kinder von diesem bereinigten und um den Selbstbehalt verminderten Nettoeinkommen die Hälfte.« Beispiel: »Bei einem bereinigten Nettoeinkommen von 2.000 Euro und einem Selbstbehalt von 1.800 Euro ergibt sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 50 Prozent von 200 Euro, also 100 Euro im Monat.«

Kathrin Gotthold befürchtet in ihrem Artikel eine „Welle von Pflegeverweigerern“ auf die deutschen Gerichte zurollen. Dabei ist eine grundsätzliche Verweigerung des Elternunterhalts nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung nur auf wenige, sehr eng abgegrenzte Fallkonstellationen beschränkt. Dazu Britta Beate Schön in ihrem Beitrag: »Elternunterhalt kann nur durch schwere Verfehlungen gegen das Kind nach § 1611 BGB verwirkt werden. Das ist jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt (BGH, Urteil vom 15.09.2010, Az. XII ZR 148/09). Eine schwere Verfehlung liegt selbst dann nicht vor, wenn der Vater den Kontakt zu seinem Kind seit 40 Jahren abgebrochen hat und ihn durch Testament bis auf den gesetzlichen Pflichtteil enterbt hat (BGH, Urteil vom 12.02.2014, Az. XII ZB 607/12). Das Kind musste trotzdem zahlen.«

Wenn man sich vor Augen führt, in welchem Ausmaß in den vor uns liegenden Jahren die Zahl der Pflegebedürftigen ansteigen wird und wie viele Menschen darunter sein werden, bei denen die Lücke zwischen dem, was sie aus der eigenen Rente, geringem bis gar nicht vorhandenen Vermögen und den Leistungen aus der Pflegeversicherung zur Abdeckung der Pflegekosten beitragen könnten, und den erwartbar weiter stark ansteigenden Pflegekosten erheblich sein wird, dann muss man keine Studie machen, um zu erkennen, dass die Inanspruchnahme der Kinder über den Elternunterhalt erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Und damit zwangsläufig auch die Konfliktintensität, die hier grundsätzlich begründet liegt. Wenn es auch – wie bereits dargelegt – nur sehr wenige Möglichkeiten gibt, sich dem Elternunterhalt zu entziehen, werden dennoch die Gerichtsverfahren deutlich zunehmen, da die Betroffenen mit den Sozialämtern über die konkrete Festlegung der Unterhaltsverpflichtung streiten werden. Dafür werden alleine die vielen Rechtsanwälte sorgen, die sich auf dieses Themenfeld bereit spezialisiert haben bzw. das tun werden. Allerdings gibt es auch Möglichkeiten, wenn man denn zahlen muss, den Staat an den dann zu übernehmenden Pflegekosten zu beteiligen, in dem man diese steuerlich geltend macht (vgl. hierzu den Beitrag So beteiligen Sie den Staat an den Pflegekosten von Barbara Brandstetter).

Darüber hinaus ist das Thema von einer grundsätzlichen sozialpolitischen Bedeutung, zeigt sich an dieser Stelle doch erneut, was es bedeutet, dass die Pflegeversicherung eine Teilkaskoversicherung ist, also eben gerade nicht die gesamten Kosten der Pflegebedürftigkeit, sondern diese nur anteilig abdeckt.

Die scheinbar einfachste Möglichkeit des Umgangs mit dem erwartbar ansteigenden Problemdruck wäre eine Dynamisierung der Leistungen aus der beitragsfinanzierten Pflegeversicherung an die Entwicklung der Pflegekosten, vor allem der Heimkosten. Eine solche Regelung ist nicht nur aus Gründen der Budgetbegrenzung relativ unwahrscheinlich. Sie würde auch zu nicht-trivialen Verteilungseffekten führen, denn von einer Anhebung der Leistungen der Pflegeversicherung würden eben auch und gerade diejenigen profitieren, die über höhere Einkommen und Vermögen verfügen, die sie dann nicht mehr zur Gegenfinanzierung der Pflegekosten einbringen müssten.
Wieder einmal zeigt sich an diesem Beispiel die gleichsam doppelte Bedeutung der Kinder: Zum einen stellen sie die Beitragszahler in der umlagefinanzierten Pflegeversicherung und sorgen damit auch für die Aufbringung der Mittel für die Kinderlosen. Und dann werden sie im Bedarfsfall und bei Erfüllung der Voraussetzungen auch noch ergänzend zum Unterhalt der eigenen Eltern in Anspruch genommen.

Abbildung: Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV): Lücken der Pflegepflichtversicherung (25.04.2015)

Pflege-TÜV: Die Pflegenoten werden abgeschafft. Gut. Und jetzt?

Es war tatsächlich kein Aprilscherz, als der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, am 1. April mitteilen ließ: »Die Pflegenoten werden durch eine gesetzliche Regelung zum 1. Januar 2016 ausgesetzt, da sie keinen echten Qualitätsvergleich zwischen Einrichtungen ermöglichen.« Weg damit. Angesichts der Tatsache, dass die bundesdeutsche Durchschnittsnote über alle Einrichtungen mit hervorragenden 1,3 ausgewiesen wird, bekommt dieses Vorhaben den Charakter einer konsequenten Entscheidung, denn was sagt denn so etwas noch wirklich aus? Haben wir wirklich paradiesische Qualitätszustände in den Pflegeeinrichtungen, was diese Bewertung nahelegt? Was ist dann mit den unzähligen Berichten über teilweise eklatante Pflegemissstände? Alles nur Ausnahmen? Wohl kaum.

Vor diesem Hintergrund wurde die Ankündigung von vielen begrüßt: Notensystem ist am Ende, so ist ein Bericht dazu in der Ärzte Zeitung überschrieben. Zugleich findet man da aber auch den Hinweis: »Das umstrittene Notensystem soll nächstes Jahr abgeschafft werden, ein neues Bewertungssystem kommt aber nicht vor 2018.« Als „Übergangslösung“ wird eine gesetzliche Regelung in Aussicht gestellt, nach der Kassen und Pflegeeinrichtungen die Prüfergebnisse des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen in der bisherigen Form weiterhin veröffentlichen sollen, allerdings ohne die viel kritisierte Durchschnittsnote. Man kann an dieser Stelle schon die Frage aufwerfen, warum das Notensystem erst zum 1. Januar 2016 eingestellt und nicht sofort suspendiert wird.

2009 wurde das Notensystem eingeführt. Und steht seitdem in der Kritik. »Das System ermöglicht  selbst Heimen mit erheblichen Mängeln, eine gute Gesamtnote zu erzielen. Denn die Dutzenden Kriterien zur Notenvergabe sind untereinander nicht gewichtet«, so Berit Uhlmann in ihrem Artikel Pflegenoten werden wieder abgeschafft. Es geht immerhin um 77 Einzelwerte, die in einen Topf geworfen werden. »Die Spitzennoten kommen zustande, weil pflegerische Mängel zum Beispiel durch gute Küche und Freizeitangebote ausgeglichen werden können. Erst im Februar war in Bonn ein Pflegeheim wegen unhaltbarer Pflegemängel geschlossen worden, das mit einer Einser-Note für sich werben konnte«, so Anno Fricke in seinem Artikel. Ein anderes Bild: »Es wirkt so, als hätte der Bundestag vor mehr als 50 Jahren die Stiftung Warentest mit der Vorgabe aus der Taufe gehoben, nie ein Produkt schlechter als gut zu bewerten«, verdeutlicht Anno Fricke in dem Artikel Eine Ad hoc-Reform überfordert das System.
Aber was soll an die Stelle dessen gesetzt werden, was bislang über den Pflege-TÜV mit Notensystem erreicht werden sollte?

Eine der Lebensweisheitsempfehlungen lautet: Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gründet man einen Arbeitskreis. Offenbar will man diesem Motto auch diesmal eine Bühne geben:

»Zum 1. Januar 2016 soll ein „Pflegequalitätsausschuss“ gegründet werden, der Kriterien für künftige Heim-Prüfungen erarbeitet. In diesem Ausschuss sollen auch die Verbände der Pflegebedürftigen und der Pflegeberufe gleichberechtigt vertreten sein … Das Gremium wird bei seiner Arbeit durch ein neu zu gründendes „Pflegequalitätsinstitut“ mit unabhängigen Wissenschaftlern unterstützt. Bis Ende 2017 soll der Ausschuss seine Vorschläge vorlegen«, so Uhlmann in ihrem Artikel.

Zu dem angekündigten neuen „Pflegequalitätsinstitut“ kann man beim Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung lesen: »Das Institut muss schlank sein und aus bereits vorhandenen Mitteln finanziert werden.«

Der Pflegebeauftragte skizziert den zu gründenden Arbeitskreis so: »Zum 1. Januar 2016 wollen wir deshalb einen Pflegequalitätsausschuss errichten, der ein neues Qualitätsprüfungs- und Veröffentlichungssystem für Pflegeeinrichtungen berät und als Richtlinie beschließt. In diesem Ausschuss müssen neben den Einrichtungs- und Kostenträgern künftig auch die Verbände der Pflegebedürftigen und der Pflegeberufe gleichberechtigt mit Stimmrecht vertreten sein.« Es geht also primär um eine institutionelle Veränderung, inhaltliche Fragen sollen an das zu schaffende Gremium delegiert werden. Aber die kurze Beschreibung offenbart natürlich auch schon eine erwartbare und aus der Vergangenheit bekannte Schwachstelle dieses Ansatzes, denn es sind vorrangig Interessenvertreter, die in dem Gremium platziert werden und dort natürlich versuchen müssen, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Wozu das bereits in der Vergangenheit geführt hat, wird an dem folgenden Zitat erkennbar, entnommen dem Beitrag „Ungenügend“ von Udo Ludwig et al. aus der Print-Ausgabe des SPIEGEL (Heft 15/2015, S. 46):

»Der CDU-Sozialexperte Willi Zylajew plädiert dafür, beide Seiten, Kassen wie Heime, aus der Überprüfung herauszuhalten. Die Politik solle über ein neues Bewertungssystem bestimmen, „die Selbstverwaltung ist gescheitert“. Zylajew, früher in der Caritas zuständig für mehrere Pflegeheime, hatte im Jahr 2008 für die Union den Pflege-TÜV mit ausgehandelt. Vernünftige Vorschläge seien damals untergegangen, etwa die Forderung nach unangekündigten Kontrollen abends und an den Wochenenden.«

Steht so etwas wieder vor der Tür? Überraschend wäre das nicht. Ein Teil der Akteure beginnt sich bereits zu positionieren: »Der GKV-Spitzenverband will die Entwicklung eines neuen Pflege-TÜVs dominieren«, meldet die Ärzte Zeitung in einem Artikel. Ganz unbescheiden plädiert man dafür, dass »dem GKV-Spitzenverband … im Rahmen einer Richtlinienkompetenz der Auftrag erteilt werden (sollte), für die Pflegetransparenz die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik zu entwickeln.« Gegen dieses Dominanzstreben regt sich natürlich sofort der Widerstand der Anbieter von Pflegeleistungen, die aus ihrer Sicht verständlich an der Entwicklung und gesetzgeberischen Definition von messbaren Qualitätskriterien beteiligt werden wollen.
Insofern überraschen solche Frontstellungen nicht, von denen der SPIEGEL berichtet:

»Interessenvertreter haben ihre Wünsche bereits formuliert. Die Pflegekassen wollen, dass der Einfluss der Heimträger beschnitten wird: Es gebe keine objektiven Noten, wenn die Kontrollierten mitentscheiden dürfen, wie und was kontrolliert wird. Die Vertreter der Pflegeheime dagegen möchten die Macht der Kassen beschneiden: Die Prüfer des Medizinischen Dienstes der Pflegekassen seien schon mächtig genug – und denen gehe es nicht um Qualität, sondern um Kostensenkung.«

Bereits im Jahr 2008 wurde der Wissenschaftler Klaus Wingenfeld von der Universität Bielefeld beauftragt, ein alternatives Bewertungsmodell zu entwerfen. 250 Pflegeheime in Deutschland wenden es heute an. »„Wir beurteilen nicht die Dokumentationsarbeit der Mitarbeiter, sondern das Ergeb- nis der Pflege, indem wir uns alle sechs Monate die Akten der Pflegeheimbewohner ansehen“, sagt Wingenfeld. Auch die Statistiken jeder Einrichtung würden ausgewertet, etwa über Stürze und Druckgeschwüre, ganz wichtig sei zudem, wie sich die Mobilität der Bewohner entwickelt habe. Am Ende stehe eine von drei Bewertungen: unterdurchschnittlich, durchschnittlich, überdurchschnittlich.« Er könne sich vorstellen, »dieses System durch Sterne zu ersetzen, wie bei Hotels. In den USA habe sich ein Fünfsternesystem bewährt.«

Wie dem auch sei und was immer als neues System auf die Welt gebracht wird – man muss sich wohl eingestehen, dass eine wirkliche Qualitätssicherung nur von innen durch eine Internalisierung bem Personal und in der Unternehmenskultur sowie zugleich durch permanente Begleitung von außen, also vor allem durch Angehörige und durch kommunale „Kümmerer“, erreicht werden kann.

Pflegende Angehörige … und Hartz IV

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die Pflege wird immer wieder die bedeutsame Rolle der pflegenden Angehörigen hervorgehoben – denn mehr als 70% der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause versorgt, viele von ihnen ausschließlich durch pflegende Angehörige. Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die diese oftmals schwierige und kräftezehrende Arbeit übernommen haben. Letztendlich sind sowohl die Pflegebedürftigen wie auch die sie pflegenden Menschen Unikate. Einzigartig eben. Aber natürlich gibt es auffällige Strukturmuster, die man erkennen kann und muss. Nicht überraschend ist die Tatsache, dass es oftmals Frauen sind, die pflegen. Nach wie vor stellen Frauen in Deutschland – Ehefrauen, Töchter, Schwieger- oder Enkeltöchter – 70 Prozent der Hauptpflegepersonen. Man kann es aber auch so sagen: Immerhin (schon) 30 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Männer, die meistens ihre Partnerinnen versorgen (vgl. dazu beispielsweise die Porträtierungen in BMFSF: Auf fremden Terrain – Wenn Männer pflegen, Berlin 2012). Angesichts der Veröffentlichung der neuen Pflegestatistik 2013 durch das Statistische Bundesamt wurde erneut auf den Stellenwert der Pflege durch Angehörige hingewiesen (dazu auch der Blog-Beitrag Der Dauerlauf im Hamsterrad des Unzulänglichen und Ungeklärten: Pflege und Pflegekräfte in Bewegung. Nicht zu vergessen die pflegenden Angehörigen und wieder werden politische Forderungen hinsichtlich dieser Gruppe vorgetragen, dazu beispielsweise Mehr Hilfe für pflegende Angehörige gefordert). Ergänzend dazu hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit eine neue Studie veröffentlicht, in der es um pflegende Hartz IV-Empfänger geht. 

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Der Dauerlauf im Hamsterrad des Unzulänglichen und Ungeklärten: Pflege und Pflegekräfte in Bewegung. Nicht zu vergessen die pflegenden Angehörigen

Über 3.000 Menschen besuchen derzeit den Deutschen Pflegetag 2015 in Berlin. Solche Kongresse sind neben vielen fachlichen Impulsen und Diskussionen natürlich immer auch ein Schaulaufen der pflegepolitisch wichtigen Größen sowie der proklamatorischen Selbstvergewisserungen einer Profession. So kann es nicht überraschen, dass den Pflegekräften im Plenum viel Lob und Anerkennung dessen, was sie tagtäglich tun, mit auf den Weg gegeben wird. Aber auch die vielen warmen Worte können – wenn man sich ehrlich macht – nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pflege als Berufs- und Tätigkeitsfeld insgesamt in einer – zuweilen irritierend daherkommenden – nebulösen Sowohl-als-auch-Debatte festzuhängen scheint.

Auf der einen Seite gibt es durchaus einige und darunter sehr gewichtige pflegepolitische Entwicklungen, die ein hohes Aktivitätsniveau anzeigen. Das Bundesgesundheitsministerium beschreibt das so: »Durch zwei Pflegestärkungsgesetze will das Bundesgesundheitsministerium in dieser Wahlperiode deutliche Verbesserungen in der pflegerischen Versorgung umsetzen.« Mit dem ersten der beiden Gesetze wurden zum 1. Januar 2015 Leistungen erhöht, mehr Betreuungskräfte für stationäre Einrichtungen ermöglicht und ein – zu Recht sehr umstrittener – „Pflegevorsorgefonds“ installiert. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll am Ende dieser Wahlperiode ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden. Damit nicht genug: Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hat auf dem Pflegetag angekündigt, im Sommer einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert werden soll. Auf der anderen Seite leiden alle Bereiche der Pflege unter einer sich seit langem kontinuierlich zuspitzenden Personalmangelsituation, die zu enormen Frustrationen unter den Fachkräften und im Pflegealltag zu teilweise desaströsen Gefährdungssituationen führt (vgl. dazu nur am Beispiel der Nachtdienste in Krankenhäusern den Blog-Beitrag Man kann sich auch zu Tode sparen. Die alles überlagernde Kostensenkungslogik trifft in der Pflege beide Seiten der Medaille hart, die Patienten und die Pflegekräfte vom 07.03.2015). Aber damit nicht genug: Auch hinsichtlich der Frage einer stärkeren institutionellen Verselbständigung der Pflege gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Pflege sowie auseinanderlaufende Entwicklungen zwischen den Bundesländern.

Zeitgleich steigt und steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen – gerade erst hat das Statistische Bundesamt die Pflegestatistik 2013 veröffentlicht. Im Dezember 2013 waren in Deutschland 2,63 Millionen Menschen formal pflegebedürftig im Sinne des SGB XI. 71 Prozent (also 1,86 Millionen) von ihnen wurden zu Hause versorgt – davon 1,25 Millionen Menschen ausschließlich von ihren Angehörigen. In Pflegeheimen vollstationär betreut wurden insgesamt 764.000 Pflegebedürftige (29 Prozent). Im Vergleich mit Dezember 2011 – also innerhalb von zwei Jahren – ist die Zahl der Pflegebedürftigen um 125.000 gestiegen. Das wird in den vor uns liegenden Jahren so weiter gehen und an Dynamik noch zulegen aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung.

Und der Bedarf an und die Nachfrage nach professioneller Pflege wird deutlich zunehmen, denn die „stille Pflegeressource“, also die Angehörigen und darunter vor allem die Frauen, werden aus unterschiedlichen Gründen eher weniger zur Verfügung stehen. Dies trifft gerade in der Altenpflege auf einen bereits heute in vielen Regionen spürbaren Fachkräftemangel. Und es ist ja nicht nur die Altenpflege, wo die Knappheitsprobleme bereits an allen Ecken und Enden spürbar sind. Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, wird in dem Artikel Pfleger warnen vor Kollaps in der Altenversorgung den Bereich der Altenpflege verlassend mit den Worten zitiert: »Allein in Krankenhäusern fehlten etwa 50.000 Stellen, um den Personalabbau zwischen den Jahren 2007 und 2009 auszugleichen.«

Das „Pflegepotenzial“ der Angehörigen im Bereich der Altenpflege läuft in vielen Fällen auf vollen Touren und das ist nicht nur bei einem Auto mit erheblichen Verschleiß verbunden. Diese Tage veröffentlichte die Techniker Krankenkasse (TK) die Ergebnisse einer Befragung pflegender Angehöriger: TK-Pflegestudie zeigt: Die Mehrheit der pflegenden Angehörigen verzichtet auf professionelle Unterstützung. »Nur vier von zehn (41 Prozent) teilen sich die Aufgabe mit professionellen Pflegekräften, die ins Haus kommen. Sogar nur acht Prozent nutzen zeitweise die Unterstützung von professionellen Einrichtungen für Tages-, Nacht- oder Kurzzeitpflegeaufenthalte. Dabei sind zwei Drittel (65 Prozent) der pflegenden Angehörigen täglich im Einsatz. Eine knappe Mehrheit von 54 Prozent teilt sich die Pflegeaufgaben mit anderen Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn. Jeder Vierte pflegt ganz allein.«

Weitere Ergebnisse der Befragung kann man hier nachlesen:

Beate Bestmann, Elisabeth Wüstholz und Frank Verheyen: Pflegen: Belastung und sozialer Zusammenhalt. Eine Befragung zur Situation von pflegenden Angehörigen, Hamburg: Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG)

Die Fragilität des Themas Pflege durch Angehörige ist in der Fachdiskussion hinreichend bekannt – und immer mehr Arbeitnehmer/innen werden in Zukunft mit den Herausforderungen der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege konfrontiert sein. Guido Bohsem hat das in seinem Artikel Vereinbarkeit von Beruf und Pflege scheitert an den Firmen aufgegriffen und auf einen wunden Punkt der vor uns liegenden Entwicklung hingewiesen: »In den kommenden 15 Jahren wird die Zahl der Pflegebedürftigen um etwa 700 000 Menschen ansteigen. Immer mehr Arbeitnehmer werden sich neben dem regulären Job auch um einen Pflegefall kümmern müssen. Die Unternehmen sind auf diese Realität noch überhaupt nicht vorbereitet.« Bei den Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitern sind nur 13 Prozent für den Fall gerüstet, dass ein Mitarbeiter eine Pflegeproblem in der Familien hat. Wie weit weg viele Betriebe – aus einer, das sei hier angemerkt, betriebswirtschaftlich erst einmal durchaus nachvollziehbaren Perspektive – von neuen Wegen einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sind, kann man diesem Passus des Artikels entnehmen:

»Einig sind sich die Unternehmen in ihrer Ablehnung der seit Anfang des Jahres geltenden Gesetze zur Pflegezeit. So schätzen 63 Prozent der Befragten die nun mögliche Arbeitszeitreduzierung als schlecht umsetzbar ein. Skepsis herrscht auch, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitnehmer zur Sterbebegleitung eine Auszeit nehmen kann. 53 Prozent halten diese Regelung für wenig praktikabel. Selbst die maximal zehn Tage, die Arbeitnehmer im akuten Pflegefall frei nehmen können, um die nötigsten Dinge für ihre Angehörigen zu erledigen, bewertet ein Drittel der Arbeitgeber als problematisch – obwohl ihren Mitarbeitern in dieser Zeit ein Unterstützungsgeld von der Pflegeversicherung gewährt wird. Besonders kleinere Unternehmen von 16 bis 49 Mitarbeitern sehen sich demnach außer Stande, den vorübergehenden Ausfall eines Mitarbeiters zu kompensieren.«

Aber man könnte es auch so sehen: Alles braucht seine Zeit. Die gleiche Abwehrhaltung hatten wir noch vor nicht allzu langer Zeit gegenüber der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und da hat sich ja in den vergangenen Jahren schon einiges getan unter dem Druck der sich verändernden Lebenswirklichkeit für viele Beschäftigte mit Familie und kleinen Kindern. So etwas kann (und muss) man auch erwarten für das Pflegethema. Eine ganz wichtige – und derzeit noch völlig vernachlässigte – Baustelle auf dem Weg in eine bessere Zukunft werden Zwischenformen ambulanter und stationärer Pflege sein, also konkret: Tagesbetreuungsstrukturen. Etwas sehr idealistisch (und hinsichtlich der Folgewirkungen für Frauen nicht unproblematisch) formuliert beispielsweise in dem Beitrag Pflege 2015: Teilzeitjob plus Tagespflege – so kann es funktionieren, der die neue Familienpflegezeit (dazu auch die Webseite des Bundesfamilienministeriums www.wege-zur-pflege.de) thematisiert:

»Auf dem Weg zum Teilzeitjob bringt die Tochter ihre pflegebedürftige Mutter zur örtlichen Tagespflege, um sie nach Feierabend wieder nach Hause mitzunehmen. So könnte künftig der Pflegealltag häufig aussehen.«

Die staatliche Förderung des Modells „Teilzeitarbeit und Teilzeitpflege“ ist aus frauenpolitischer Sicht höchst problematisch, aber unabhängig von dieser kritischen Dimension: Unstrittig ist der Bedarf an mehr tagesbetreuenden und damit beide, die Pflegebedürftigen wie die Angehörigen entlastenden und unterstützenden Strukturen vor Ort. Übrigens – auch hier könnte man viel lernen von den Erfahrungen, die wir im Bereich des Ausbaus der Tagesbetreuung für kleine Kinder gemacht haben.

Aber wieder zurück in den Kernbereich der institutionellen Pflegelandschaft. Ein Thema, das die Pflege und Pflegekräfte durchaus spaltet, sind die Pflegekammern, also eine institutionalisierte Form der Selbstverwaltung der Pflege wie man sie von den Ärzten kennt. An der Pflegekammer scheiden sich in Deutschland die Geister: Einige Bundesländer forcieren eine Gründung, manche sind unentschlossen und andere lehnen sie ab. Eine Übersicht über die völlig heterogene Lage in den Bundesländern kann man in diesem Beitrag der Ärzte Zeitung finden: So steht’s um eine Pflegekammer. In keinem anderen Bundesland ist die Gründung einer Pflegekammer so weit gediehen wie in Rheinland-Pfalz. Bereits am 5. Januar 2015 ist der Gründungsausschuss zusammengetreten und die Kammer wird 2016 das Licht der Welt erblicken.

Auch Schleswig-Holstein ist auf diesem Entwicklungspfad: »Eine vom Sozialministerium in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage hat eine knappe Mehrheit für die Errichtung einer Kammer erbracht. Das entsprechende Gesetz ist auf den Weg gebracht, damit der Errichtungsausschuss seine Arbeit aufnehmen kann.« Auf der anderen Seite ein Bundesland wie Baden-Württemberg: »Eine Pflegekammer ist für die rund 115.000 Beschäftigten in der Pflege nicht absehbar. « Erst einmal hat man eine Pflege-Enquete eingesetzt, die sich Gedanken machen soll. Oder Hamburg: »Eine Umfrage hat eine ablehnende Haltung zur Pflegekammer gezeigt. Die Sozialbehörde beschäftigt sich seitdem nicht mehr offiziell mit der Kammergründung.«

Die Gefechtslage in diesem Teilbereich ist unübersichtlich und von vielen institutionenegoistischen Interessen vergiftet. So sind nicht nur die privaten Träger von Pflegeeinrichtungen (vgl. dazu auch den bpa, den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste) entschieden gegen eine Verkammerung, sondern auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die hier eine institutionelle Konkurrenz in ihrem Kampf um einen höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad in der Pflege wittern.

Wieder einmal geht es natürlich auch um Machtfragen bzw. um die Hoffnung, durch eine solche Institutionalisierung aufschließen zu können zu dem, was die Ärzte schon haben. Ob das wirklich schlüssig ist und ob nicht möglicherweise die eigentlichen Probleme der Pflege von einem „Nebenkriegsschauplatz“ überlagert werden, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Offensichtlich allerdings zeigt sich das Grundproblem der Pflege auch hier, ihre Zersplitterung und das Fehlen vergleichbarer institutioneller Strukturen wie sie die Ärzte schon lange haben. In diesen Kontext muss dann auch so eine Wortmeldung eingeordnet werden: »In der Pflege ist die Qualitätssicherung zurzeit nur unbefriedigend geregelt. Ein Hauptproblem liegt darin, dass ein Gremium wie der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fehlt.« Das zumindest ist die Auffassung von Peter Axer beim 13. Kölner Sozialrechtstag, zitiert nach dem Artikel Mehr Qualität durch einen Pflege-GBA? »In der GKV habe sich der GBA zur Schlüsselfigur entwickelt, sagte Axer. Das Gremium habe eine starke institutionelle Basis, mit der es wissenschaftlichen Sachverstand und Erfahrungen implementieren kann.«

Und eine weitere institutionelle Großbaustelle für die Pflege ist ante portas, die hier nur nachrichtlich aufgeführt werden kann, weil sie für sich allein schon genug Stoff liefern würde für einen längeren Blog-Beitrag: Gemeint ist die Zusammenlegung der versäulten hin zu einer gemeinsamen Pflegeausbildung. Das steht auch noch auf der Tagesordnung.

Abschließend wieder zurück in die Tiefen und auch Untiefen der Pflege – sowohl für die Pflegekräfte wie auch für die Pflegebedürftigen. Dies am Beispiel der Fixierungen von Pflegebedürftigen, ein überaus heikles und emotional verständlicherweise sehr aufgeladenes Thema.
Pflegekräfte fühlen sich „mutterseelenallein“, so hat Ilse Schlingensiepen ihren Artikel überschrieben.:

»Wenn eine Pflegekraft in Altenpflegeeinrichtungen die Fixierung eines Patienten anregt, löst das häufig einen fatalen Dominoeffekt aus.
Der Betreuer beantragt die Maßnahme beim Amtsgericht, der zuständige Richter bestellt einen Verfahrenspfleger und holt Stellungnahmen von verschiedenen Stellen ein. Um sich ein Bild von der Lage zu machen, wenden sich der Richter, der Verfahrenspfleger und die anderen Beteiligten meist an ein und dieselbe Person: die Pflegekraft.«

Nur fühlen sich diese oftmals hoffnungslos überfordert mit dieser Situation. Die Entscheidung für eine Fixierung erfolgt in den Einrichtungen häufig aus Angst vor Haftungsproblemen oder finanziellen Forderungen von Angehörigen, falls einem Bewohner durch einen Sturz etwas passiert. Sebastian Kirsch, Richter am Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen, wird mit den folgenden Worten zitiert: »Der Einzige, der fachliches Wissen hat, wird von Haftungsängsten geleitet, alle anderen vertrauen auf seine fachliche Beurteilung mangels eigener Fachkenntnisse.«

Über was reden wir hier eigentlich? »Über die Zahl der Fixierungen gibt es keine belastbaren Zahlen. Viele Schätzungen gehen von 240.000 im Jahr aus, manche sogar von 400.000, sagt er. Dabei seien die mit den Maßnahmen verbundenen Risiken bekannt, die bis zum Tod durch Strangulation, Brustkompression oder Kopfschieflage reichen können«, so Schlingensiepen in ihrem Beitrag. Wie so oft gibt es eine erhebliche Lücke zwischen Theorie und Prass, zwischen Erwartung und Realität. In Pflegeheimen soll weniger fixiert werden, so ein Artikel aus dem November des vergangenen Jahres und mit einem speziellen Blick auf die in der Altenpflege arbeitenden Menschen.

Und um den Beitrag abzurunden und wieder bei den pflegenden Angehörigen zu landen: Viele Familien, die keinen ambulanten Pflegedienst eingeschaltet haben, sind dennoch nicht ohne Hilfe – sie greifen auf eine osteuropäische Haushaltshilfe und Pflegekraft zurück, die für eine bestimmte Zeit für eine „24-Stunden-Pflege“ in den Haushalten zur Verfügung stehen. Die meisten verantwortlichen Politiker stecken hier ihren Kopf in den Sand, denn sie wissen auf der einen Seite, dass unser Pflegesystem zusammenbrechen würde, wenn man von heute auf morgen auf diese Menschen verzichten müssen, denn ansonsten müssten die Familien aufgrund ihrer eigenen Verpflichtungen hinsichtlich der Erwerbsarbeit immer öfter eine Heimunterbringung wählen müssten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Beschäftigungen in diesem Bereich in einer Grau-, zuweilen auch in einer richtigen Schwarz-Zone angesiedelt sind. Zu diesem Themenkomplex vgl. auch den Beitrag von:

Margret Steffen: Gute Arbeit in Privathaushalten. Europäische Erfahrungen und mögliche Gestaltungsansätze der Beschäftigung osteuropäischer Haushaltshilfen und Pflegekräfte. Berlin: Vereinte Dienstleitungsgewerkschaft – ver.di, Januar 2015

So wie jetzt geht es nicht weiter – das ist die Kommentierung eines Teilnehmers am diesjährigen Deutschen Pflegetag. Dem ist derzeit leider nicht wirklich viel hinzuzufügen.

Man kann sich auch zu Tode sparen. Die alles überlagernde Kostensenkungslogik trifft in der Pflege beide Seiten der Medaille hart, die Patienten und die Pflegekräfte

Es geht – wieder einmal – um die Folgen des ungebrochenen Kostensenkungswahnsinns in der Pflege. Um es gleich voranzustellen: Nichts ist einzuwenden, wenn man Abläufe und Strukturen so organisiert, dass sie effizienter werden, wie das immer heißt. Allerdings gibt es – darüber sollte man sich bewusst sein – ein letztendlich unauflösbares Dilemma zwischen Effizienz und Effektivität, also die Wirksamkeit des Handelns wird ab einem bestimmten Punkt von Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit negativ tangiert. Das ist schon in der auf Optimalabläufe ausgerichteten Industrie so und das gilt erst recht für personenbezogene  Dienstleistungen, zu denen die Pflege gehört. Und gerade die Pflege zeichnet sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht aus durch „unangenehme“ Strukturmerkmale dieses Handlungsfeldes, aus strukturellen Gründen unabweisbar muss es hier grundsätzlich nicht-optimierbare Leerkosten geben, denn ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim sind keine durchrationalisierbaren Produktionsstätten. Und sie sollten es auch nicht sein. Sie werden aber immer öfter als solche in einen Krieg getrieben, den die dort arbeitenden Menschen wie auch die den dortigen Verhältnissen ausgelieferten Patienten nur verlieren können. Und das hat viel zu tun mit dem aus der alles überlagernden Kostenssenkungslogik resultierenden Rationalisierungsdruck beim Personal.

Wieder einmal bekommen wir Anschauungsmaterial für die realen Verhältnisse in der Pflege geliefert: »Deutschlands Krankenhäuser sind während der Nacht personell zum Teil gefährlich unterbesetzt. In mehr als der Hälfte aller Fälle (55 Prozent) muss eine Pflegekraft allein 25 Patienten betreuen. Das ist das Ergebnis einer bundesweit erhobenen Stichprobe der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in 225 Krankenhäusern in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag, 6. März 2015«, teilt uns die Gewerkschaft ver.di unter der Überschrift Bundesweiter Nachtdienstcheck: Deutsche Krankenhäuser zum Teil gefährlich unterbesetzt mit. Johannes Suppe schreibt in seinem Artikel Allein auf Station dazu: »Von Donnerstag auf Freitag haben 700 haupt- und ehrenamtliche ver.di-Mitarbeiter 237 Kliniken hinsichtlich ihrer Besetzung unter die Lupe genommen – gegen Widerstände von Seiten der Betreiber. Die warfen der Gewerkschaft eine »unseriöse Nacht- und Nebelaktion« vor.« Da muss man schon schmunzeln – offensichtlich wäre es den Verantwortlichen sicher lieber gewesen, wenn man das einen Monat vorher angemeldet hätte.

»Auf 55,8 Prozent der von ver.di untersuchten Stationen muss sich eine Fachkraft alleine um die Patienten kümmern, lautet der zentrale Befund. Im Durchschnitt seien das 25 Kranke. In einzelnen Fällen traf die Gewerkschaft auf Stationen mit einem Verhältnis von Fachkräften zu Patienten von eins zu 34.«

Und dann wird ein nur als absolut skandalös zu bezeichnender Befund aus dem ver.di-Nachtdienstcheck referiert – und der betrifft die Intensivstationen:

Dramatisch sei auch die Situation auf den Intensivstationen. Insgesamt wurden 419 solcher Einrichtungen besucht, doch nur auf 7,9 Prozent von ihnen wird der Fachstandard, der eine Intensivpflegefachkraft für maximal zwei Patienten vorsieht, eingehalten. Im Durchschnitt war eine Pflegerin jedoch für 3,3 Kranke zuständig. In nicht wenigen Fällen waren es laut Bühler noch deutlich mehr: »Auf 42 Intensivstationen musste sich eine Fachkraft um sechs und mehr Patienten kümmern.«

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin verlange dagegen ein Pflegekraft-Patienten-Verhältnis von eins zu zwei auf der Intensivstation, die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste sogar von eins zu eins bei beatmeten Patienten.
Aber selbst der deutsche Referenzwert von 1 : max. 2 Patienten wird in nicht unerheblichem Umfang erheblich verfehlt. Und das ist nicht nur hoch problematisch für die unter diesen Bedingungen arbeitenden Fachkräfte, sondern es kann lebensgefährlich werden für die Patienten.

Mit der Personalsituation auf den Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern hatte sich auch das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) bereits im Jahr 2012 auseinandergesetzt: Pflege-Thermometer 2012. Eine bundesweite Befragung von Leitungskräften zur Situation der Pflege und Patientenversorgung auf Intensivstationen im Krankenhaus, so heißt die damals veröffentlichte Studie der Pflegeforscher. Die Ergebnisse der Studie lassen sich mit diesem Dreiklang abbilden: Steigende Versorgungsleistungen auf den Intensivstationen, Probleme bei der Personalausstattung der Intensivstationen sowie Gesundheitsrisiken für Patienten nehmen zu. Wie fast immer in der Pflege haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern eines der Umsetzung dessen, was wir teilweise schon seit langem wissen.

»Knapp 60 Prozent der in dieser Nacht befragten Pflegekräfte gaben an, dass es in den letzten Wochen gefährliche Situationen gegeben habe, die durch mehr Personal hätten verhindert werden können. Die Mehrheit beklagte, dass sie „nie“ oder „selten“ ihre Arbeit in der erforderlichen Qualität erledigen könne … Die Folgen: Hygienestandards greifen nicht mehr, Schwerstkranke und Sterbende können oft nicht ausreichend betreut werden, Schmerzen müssen unnötig lange ertragen werden, Patienten liegen länger als zumutbar in ihre Ausscheidungen, so Julia Emmrich in ihrem Artikel Ein Pfleger, 25 Patienten: Nachtschichten oft unterbesetzt, in dem sie über die ver.di-Ergebnisse berichtet. Und weiter: »Laut Verdi fehlen bundesweit in den Krankenhäusern rund 70.000 Pflegekräfte. Die Gewerkschaft fordert eine gesetzliche Regelung, um die Personalstärke auf den Stationen einheitlich festzuschreiben. Die Bundesregierung will bis 2017 prüfen, wie das Personalproblem in den Kliniken gelöst werden kann.«

Man könnte jetzt an dieser Stelle nahtlos weitermachen und darauf hinweisen, dass die Ergebnisse einer solchen Aktion, wie ver.di sie hier im Krankenhaus-Bereich durchgeführt hat, in den Pflegeheimen noch schlimmer ausfallen würden.

Aber stattdessen soll der Blick auf ein zweites Fallbeispiel für konkrete Folgen des Kostensenkungswahnsinns gerichtet werden. Es geht hier um die Pflege kranker, behinderter und betagter Menschen, die auf Windeln angewiesen sind. Und hier zeigen einige Krankenkassen, was die Herrschaft der Controller und Kostensenker in praxi bedeuten kann. Thematisiert wird das Problem in dem bezeichnenderweise als „Sparwahn mit System“ überschriebenen Artikel von Peter Müller, Susanne Petersohn und Cornelia Schmergal, der in der heute veröffentlichten Print-Ausgabe des SPIEGEL (Heft 11/2015, S. 47) zu finden ist.

Die Autoren berichten zum Einstieg von einem konkreten Fall, der sicher stellvertretend für viele aufgerufen werden kann: Die 83-jährige Irmgard Weiß pflegt ihren erblindeten Mann zu Hause selbst, der vor allem in der Nacht nicht rechtzeitig merkt, dass er zur Toilette muss. »Seit 64 Jahren sind die beiden verheiratet – und viel hat sich geändert. In der Nacht steht die Rentnerin nun auf, um ihrem Mann die Windeln zu wechseln … Über Jahre ist Irmgard Weiß gut mit den Windelhöschen zurechtgekommen, die ihre Krankenkasse DAK ins Haus liefern ließ.« Seit einiger Zeit aber hat sie ein Problem, denn die Windeln erfüllen ihren Zweck nicht mehr. Und das hat einen Grund:

»Seit dem vergangenen Jahr hat sich die DAK in vielen Regionen von ihren Lieferanten getrennt und für andere Anbieter entschieden – des günstigeren Preises wegen. Doch die Windeln, die das Ehepaar Weiß nun erhält, „sind viel dünner und laufen ständig aus“, wie die Seniorin erzählt. Ihre Nächte sind jetzt noch anstrengender: Mit Baumwollvlies aus der Drogerie polstert sie die Klebehöschen aus, um Missgeschicke zu verhindern.«

Stefan Süß, Vorstand beim Selbsthilfeverband Inkontinenz, wird in dem Artikel zitiert mit dem Hinweis, dass sich die Beschwerden der Patienten in letzter Zeit vervielfacht hätten: Immer häufiger kämen die Kassen ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nach, „eine ausreichende Versorgung mit Inkontinenzprodukten sicherzustellen“.

Es geht hier um etwa 1,5 Millionen Menschen, die derzeit Windeln oder Einlagen auf Rezept bekommen. »Hochbetagte Pflegefälle sind darunter oder Menschen mit Behinderungen. Versicherte, die sich auf das Solidarsystem verlassen müssen.« Aber das tickt immer stärker nach den Spielregeln der Kostensenkungslogik.

»Doch hinter dem Sparwahn steckt System. Kassen sind zu wirtschaftlichem Verhalten verpflichtet, seit einigen Jahren können sie mit Herstellern von Inkontinenzprodukten oder Sanitätshäusern eigene Verträge abschließen, um Versicherte kostengünstiger zu beliefern.« Und wie immer im Leben kann zu kostengünstig auch bedeuten zu schlechte Qualität, die dann die letzten Glieder in der Kette, also die Betroffenen, im wahrsten Sinne des Wortes hautnah zu spüren bekommen. Und die Preisspanne ist offensichtlich erheblich, wenn man dem SPIEGEL-Artikel folgt:

»Während sich die IKK Classic die Windeln eines Versicherten noch rund 29 Euro netto im Monat kosten lässt, sparen finanzklamme Kassen häufiger. Wie Ausschreibungsunterlagen belegen, zahlt die DAK ihren Lieferanten nur eine Pauschale von knapp 13 Euro monatlich.«

Bislang bleibt für die Patienten oft nur ein Ausweg: Sie zahlen aus der eigenen Geldbörse drauf. Wenn sie sich das denn leisten können. Die ganz unten, die diese Möglichkeit nicht haben, sind mal wieder am meisten getroffen.

Dabei handelt es sich um kein Problem, das erst jetzt aus dem Nichts entstanden ist. Es ist unauflösbar verbunden mit der inneren Logik von Ausschreibungs- und Vergabeverfahren und den aus ihnen resultierenden enormen Preis- und Kostendruck, der früher oder später auf die Qualität durchschlagen muss. Mit den gleichen, hoch problematischen Mechanismen sind wir auch in anderen sozialen Handlungsfeldern konfrontiert, man denke hier nur als ein Beispiel an die Fördermaßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik. Auch für die sozialgerichtliche Aufarbeitung gibt es schon zahlreiche Beispiele – wobei wir eben immer mitdenken müssen bei der Bewertung, dass es sich bei der Konstellation Pflegebedürftiger bzw. Kranker versus Krankenkasse um ein sehr asymmetrisches Verhältnis zuungunsten der Patienten handelt. Nur ein Beispiel, der Hinweis auf einen Artikel aus der Ärzte Zeitung, der auf den 09.07.2013 datiert: Windel undicht? Dann darf’s auch teurer sein, so ist er überschrieben. Sind die günstigeren Hilfsmittel, zu denen Windeln gehören, mangelhaft, muss die Kasse auch höherpreisige Produkte zahlen, urteilten die Richter vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam. Grundsätzlich hat das LSG entschieden: Krankenkassen dürfen ihre Versicherten bei der Hilfsmittelversorgung auch auf einen günstigen Vertragspartner verweisen, den sie über ihre Ausschreibungen gewonnen haben.

»Nehmen Versicherte teurere Anbieter in Anspruch, müssten sie dann grundsätzlich die Mehrkosten tragen. Das gelte allerdings nur, wenn die Krankenkassen auch mit günstigen Produkten ihres Vertragspartners eine „ausreichende Versorgung“ sicherstellen, betonten die Potsdamer Richter.«

Sind die Windeln mangelhaft, dann kann man von der Krankenkasse die Übernahme der Mehrkosten für die verwendeten besseren Windeln verlangen. So weit, so grundsätzlich gut für die Patienten. Aber seien wir ehrlich: Das ist nur eine – wenn überhaupt – „second best“-Lösung. Denn bei jedem, der sich mit Sozialrecht auskennt, leuchten alle Alarmlampen, wenn der Begriff „angemessen“ auftaucht, einer dieser „unbestimmten Rechtsbegriffe“, der für viel Ärger und für viele Prozesse sorgt. Man denke nur an die Problematik, dass im SGB II normiert wurde, dass „angemessene Unterkunftskosten“ übernommen werden. Eine Quelle vieler Konflikte und Klagen vor den Sozialgerichten. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es sein kann, nachzuweisen, dass die Windeln, die man in Anspruch nehmen muss, gerade nicht mehr „angemessen“ sind.

Gerade in derart sensiblen Bereichen wie der Pflege sollte man auf ein System vertrauen können, dass über Mechanismen verfügt, die Interessen der ihm anvertrauten Hilfebedürftige wenn nicht vollständig, so doch aber wenigstens auf einem hohen Qualitätsniveau zu berücksichtigen. Wenn sich die – betriebswirtschaftlich durchaus konsequente und in sich schlüssige – Kostensenkungslogik als Hauptmotiv des unternehmerischen Handelns durchsetzt, dann wird es eng für die betroffenen Patienten. Wie wir gesehen haben.

Der eine oder die andere könnte jetzt auf die Idee kommen, ein Korrektiv in den Kostensenkungswahn einzubauen. Und zwar bei den Krankenkassen. Wie das aussehen könnte? Man könnte beispielsweise die Führungskräfte der Kassen mit den Produkten konfrontieren, über die sich ihre Versicherten beschweren – ein Wochenende lang. Nur mal so als Gedanke, um neue Wege zu gehen bei der Überbrückung des ewigen Spagats zwischen Theorie und Praxis.