Sterbehilfe und Selbsttötung als wahrhaft existenzielle Fragen zwischen den Aktendeckeln der höchsten Gerichte

Immer wieder und verständlicherweise höchst kontrovers werden die „letzten“ Fragen am Ende des Lebens diskutiert. Und um Fragen der Sterbehilfe und Selbsttötung wird nicht nur gesellschaftlich und politisch gerungen, sondern das landet auch vor den Gerichten, bis ganz nach oben. Schadensersatz für „erlittenes Leben“? Sollte das Weiterleben als ersatzfähiger „Schaden“ anerkannt werden, dann wird das Folgen haben, so war beispielsweise ein Beitrag überschrieben, der hier am 14. März 2019 veröffentlicht wurde. Da ging es um den Fall eines Sohnes, der von dem Hausarzt seines 2011 verstorbenen Vaters Schadensersatz erstreiten wollte, da der Mediziner seinen Vater „zu lange“ am Leben gehalten habe. Kurz darauf hat der Bundesgerichtshof seine, die Klage des Mannes ablehnende Entscheidung verkündet. Dazu der Beitrag Kein Schadensersatz für „erlittenes Leben“, urteilt der Bundesgerichtshof. Und trotzdem sind einige unzufrieden vom 8. April 2019.

Aber auch andere Gerichte sind mit diesen Themen in Beschlag genommen, so derzeit selbst das Bundesverfassungsgericht. »Das Bundesverfassungsgericht prüft das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Sechs Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz liegen den Richtern vor«, so Jost Müller-Neuhof unter der Überschrift „Keiner bringt sich gerne um”. »Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat vor falschen Erwartungen an das Verfahren zum Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gewarnt. Es gehe „nicht um die moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung und ihrer Folgen für die Gesellschaft, (…) sondern allein um die Reichweite des Freiheits­raums, den das Grundgesetz einer staatlichen Strafdrohung entgegensetzt“, sagte er heute zum Auftakt der zweitägigen Verhandlung in Karlsruhe«, so der Bericht Das Recht darf zur Sterbehilfe nicht schweigen vom 16. April 2019. »Am zweiten Verhandlungstag zeigen die Fragen der Verfassungsrichter, dass es zu den Klagen gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe keine leichte Entscheidung geben kann«, so Christiane Badenberg in ihrem Artikel Möglichkeiten der Sterbehilfe ausgelotet. Eine Entscheidung des BVerfG in dieser Angelegenheit ist noch nicht gefallen.

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BAG-BVerfG-EuGH-Blues: Katholisch-weltliches Ping-Pong eines wiederverheirateten Chefarztes im Orbit der höchsten Gerichte über mehr als zehn lange Jahre

Die katholische Kirche hat wieder einmal die medialen Aufmerksamkeit. Diesmal ist zwar kein weißer Rauch aus dem Vatikan aufgestiegen, so dass man das machen kann, was viele Medien so gerne tun: personalisierte Berichterstattung. Wer ist der neuen Papst? Was hat er an, wenn er auf den Balkon tritt? Welchen Namen hat er sich selbst gegeben? Nein, der derzeitige Papst ist noch da, aber er hatte in den Vatikan geladen und nicht wenige Gläubige hatten inständig gehofft, dass auch diesmal irgendwie weißer Rauch emporsteigen würde, um eines der weiteren dunklen Kapitel in der Geschichte dieser so langlebigen Organisation endlich auszuleuchten. Es geht um den „Anti-Missbrauchsgipfel“. Vier Tage lang wurde im Vatikan über das Thema Missbrauch diskutiert. Was sagen die deutschen Bischöfe und Theologen dazu? Die einen finden die Ergebnisse „sehr klar“, die anderen fürchten, dass die Kirche „mit Karacho an die Wand fährt“, so der Bericht Anti-Missbrauchsgipfel: Das sagen Deutschlands Bischöfe und Theologen. Und der eine oder andere wird sich daran erinnern, dass die Deutsche Bischofskonferenz sogar einen eigenen „Missbrauchsbeauftragten“ hat, in Gestalt des Trierer Bischofs Stephan Ackermann.

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Die Jobcenter und die „angemessenen“ Kosten der Unterkunft. Hoffnung auf höhere Zuschüsse durch neue Entscheidungen des Bundessozialgerichts

Gerade in den zurückliegenden Monaten hatten wir wieder einmal eine „Hartz IV-Debatte“. Dabei ging es auch und vor allem um die Frage, ob und wie man das Grundsicherungssystem (SGB II) weiterentwickeln sollte und könnte. Auch das vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Frage der verfassungsrechtlichen (Nicht?-)Zulässigkeit von Sanktionen wurde und wird diskutiert.

Man sollte an dieser Stelle daran erinnern, dass das Grundsicherungssystem nicht nur Arbeitslose bzw. Langzeitarbeitslose absichern soll, die immer im Zentrum der „Hartz IV-Debatten“ stehen. Die bilden sogar nur mit mehr als 1,4 Mio. Menschen eine Minderheit der insgesamt 5,9 Mio. Menschen, die in „Bedarfsgemeinschaften“ leben (müssen). Und auch die vieldiskutierten 424 Euro für einen Alleinstehenden pro Monat sind nur ein Teil der Hartz IV-Leistungen. Als zweite wichtige Säule der Grundsicherung ist die Übernahme der „angemessenen“ Wohnkosten für die Leistungsbezieher zu nennen.

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Die Besserstellung gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag ist verfassungsrechtlich zulässig

Das Trittbrettfahrerproblem ist ein Dauerbrenner in der Diskussion über Tarifverträge und deren Nutzen. Die Ökonomen diskutieren die mit diesem Begriff angesprochene Problematik im Kontext echter öffentlicher Güter (bei denen nicht alle Nutzer dieser Güter bereit sind, für deren Entstehungs- und Unterhaltskosten aufzukommen) und auch bei den Allmendegütern, wo es zu einer Übernutzung kommen kann. Das alles, weil man Nutznießer werden kann, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen, da man vom Konsum bzw. der Inanspruchnahme nicht ausgeschlossen werden kann.

Mit einer vergleichbaren Problematik sind die Gewerkschaften, die mit den Arbeitgebern Tarifverhandlungen führen und einen Tarifvertrag abschließen, gegenüber den Arbeitnehmern konfrontiert, die zwar die vereinbarten Entgelte und deren Erhöhung gerne „mitnehmen“, aber auf eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft und damit auf die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags verzichten. Und der Homo oeconomicus unter den Beschäftigten würde an dieser Stelle – rational durchaus begründet – die Frage aufwerfen: Warum soll ich zahlen und mich vielleicht sogar noch zusätzlich in der Gewerkschaft engagieren, wenn ich die Vorteile auch so mitnehmen kann? Denn der Tarifabschluss gilt ja für alle Beschäftigten des tarifgebundenen Unternehmens, ohne Differenzierung nach Gewerkschaftszugehörigkeit. 

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Wo gehobelt wird, da fallen Spähne. Zur Forderung nach höheren Beiträgen zur Pflegeversicherung für Kinderlose

Der Bundestag hat am 9. November 2018 das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz abschließend beraten und gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der AfD, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung angenommen. »In der Schlussdebatte sprachen Redner von Union und SPD von der wichtigsten Pflegenovelle seit vielen Jahren. Auch die Opposition würdigte die in der Vorlage enthaltenen Verbesserungen, mahnte jedoch weitergehende Schritte an, um die Versorgung nachhaltig zu stärken und die Finanzierung der kostspieligen Pflege zu sichern«, berichtet der Bundestag selbst. Das neue Gesetz beinhaltet zahlreiche Regelungen und ist sowohl für die Altenpflege wie auch und gerade für die Krankenhauspflege von Bedeutung.  Insbesondere für die Krankenhäuser sei mit dem Gesetz ein Paradigmenwechsel verbunden, so wird der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zitiert.

Und der wird in diesen Tagen auch noch mit ganz anderen Aussagen in den Medien präsentiert: Jens Spahn fordert höhere Pflegebeiträge für Kinderlose, so ist einer der vielen Artikel dazu überschrieben: »Wer Kinder hat, zieht spätere Beitragszahler groß, argumentiert der Gesundheitsminister. Deshalb will er den Pflegebeitrag für Kinderlose weiter anheben.« Spahn wolle für die Pflegeversicherung über „eine angemessene Beteiligung von Kinderlosen“ diskutieren. Natürlich stellt sich immer die Frage, was genau denn angemessen ist – aber der eine oder andere wird an dieser Stelle daran denken, dass doch bereits heute in der Pflegeversicherung die „Kinderlosen“ stärker zur Kasse gebeten werden. 

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