Die fortschreitende Programmitis in der Arbeitsmarktpolitik und ein sich selbst verkomplizierendes Förderrecht im SGB II

Es wird seit vielen Jahren beklagt. In der Arbeitsmarktpolitik wird zum einen das Förderrecht immer komplizierter, weil man über dieses Instrumentarium versucht, ganz andere Ziele zu adressieren als eine möglichst passgenaue Förderung der Arbeitslosen, dabei vor allem haushaltpolitische Ziele, also die Verteilung begrenzter und in den vergangenen Jahren deutlich schrumpfender Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Zum anderen hat man natürlich den Effekt, dass je komplizierter das Förderrecht ausgestaltet ist, desto mehr Schnittstellen ergeben sich, die man dann wieder, wenn es nötig erscheint, mit neuen Regelungen einzufangen versucht.

Zum anderen liebt man es in der Politik, mit Hilfe von Sonderprogrammen energisches Handeln gegen erkannte bzw. kritisierte Probleme zu signalisieren. Manche Skeptiker wenden an dieser Stelle ein, oftmals geht es dabei nur um eine Aktivitätssimulation. Für diese Kritiklinie spricht, dass viele der Sonderprogramme hinsichtlich der Anforderungen, die (potenzielle) Teilnehmer erfüllen müssen, derart restriktiv bzw. hoch selektiv sind, dass von vornherein klar ist, dass nur wenige tatsächliche Förderfälle realisiert werden können, was auch vor dem Hintergrund der knappen Budgets für diese Programme ein eigenes, natürlich nicht offen kommuniziertes Ziel ist.

Derzeit können wir wie in einem Lehrbuch genau diese skeptische Einschätzung in der Realität bestätigt beobachten. Gemeint sind die Sonderprogramme zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, die von der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) aufgelegt worden sind, um das offensichtliche und manifeste Problem einer sich trotz der allgemein guten Arbeitsmarktverfassung der vergangenen Jahre verhärtenden und verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit zu „bekämpfen“. 

mehr

Wenn vulgärökonomistisch deformiertes Denken von Wirtschaftsfunktionären korinthenkackerhaft in den Bundestag getragen wird: Wirtschaftsverbände warnen vor den (angeblichen) Folgen einer (kleinen) Weiterbildungsprämie

Es gibt Momente im sozialpolitischen Leben, da möchte man nur noch den Kopf immer wieder auf den Tisch schlagen, wovor einen lediglich das Wissen über die Folgewirkungen bewahrt. Aber der Reihe nach: Derzeit sind wieder gesetzgeberische Aktivitäten in den beiden Rechtskreisen SGB III und II zu verzeichnen. Im Mittelpunkt der (kritischen) Diskussion steht dabei das mehr als euphemistisch „Rechtsvereinfachungsgesetz“ genannte Bestreben der Bundesregierung, mit einem Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Gesetzentwurf vom 06.04.2016, BT- Drucksache18/8041) zu einer Entbürokratisierung der Arbeit in den Jobcentern beizutragen. Ein wohlfeiles Anliegen, dass aber nicht mal in molekularen Maßstäben mit dem vorliegenden Entwurf auch erreicht werden kann. Das ist hier bereits auseinandergenommen worden, vgl. dazu beispielsweise Entbürokratisierungdes SGB II und mehr Luft für die Jobcenter? Von Luftbuchungen, Mogelpackungenund einem trojanischen Pferd vom 14. Februar 2016. Ende Mai wird es dazu eine Anhörung geben und die vielstimmige Kritik an dieser Mogelpackung reicht nicht nur von den üblichen Verdächtigen, sondern selbst die Personalräte der Jobcenter haben ihren Ärger öffentlich gemacht (vgl. dazu den Blog-Beitrag Ein zornigerBrief von Jobcenter-Mitarbeitern an die Bundesarbeitsministerin sowie Hinweiseaus den Jobcentern zum Umgang mit denen, die zu ihnen kommen werden vom 15. Februar 2016).

mehr

Programmitis als Krankheitsbild in der Arbeitsmarktpolitik: Wenn das „Wir tun was“ für die Langzeitarbeitslosen verloren geht im hyperkomplexen Raum der Sonderprogramme, die in der Realität scheitern müssen

Die politisch Verantwortlichen lassen sich seit geraumer Zeit feiern bei der Verkündigung der monatlichen Arbeitslosenzahlen in Nürnberg. Noch nie seit der Wiedervereinigung sei die Zahl „der“ Arbeitslosen so niedrig gewesen. Für den Februar 2016 teilt uns die Bundesagentur für Arbeit mit: 2.911.000. Das sind über 100.000 weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Diese Erfolgsmeldung lässt man sich auch nicht eintrüben durch die ebenfalls seitens der BA in ihrem Datenwerk ausgewiesene Zahl der Unterbeschäftigten: 3.707.000. Das ist nun schon eine andere Hausnummer (allerdings ist die im Vergleich zum Vorjahr sogar noch stärker zurückgegangen, nämlich um 180.000 Menschen). Zugleich wird deutlich, man muss genau hinschauen, was sich denn hinter „den“ Arbeitslosen verbirgt. Offensichtlich sind die 2,9 Mio. Menschen lediglich eine untere Untergrenze, von Erwerbslosigkeit sind weitaus mehr Menschen betroffen. Das wird seit Jahren immer wieder auch kritisch begleitet, soll in diesem Beitrag aber gar nicht weiter verfolgt werden. Auch nicht die Tatsache, dass aufgrund der auch medialen Fixierung auf die Zahl der offiziell ausgewiesenen Arbeitslosen (2,9 Mio.) bei nicht wenigen Beobachtern eine ganz andere Zahl auf Schwierigkeiten stößt, die sich in einer deutlich höheren Umlaufbahn bewegt: Für das Hartz IV-System (SGB II) werden 6.045.000 „Leistungsbezieher“ gemeldet, was ja nun wirklich eine andere Größenordnung ist. Auch wenn man berücksichtigt, dass darunter auch 1,7 Mio. Kinder unter 14 Jahren sind, die in den „Bedarfsgemeinschaften“ der Hartz IV-Empfänger leben, bleiben ausweislich der amtlichen Daten 4,3 Mio. „erwerbsfähige Leistungsberechtigte“. Offensichtlich taucht nur ein (kleiner) Teil von ihnen in der offiziellen Zahl „der“ Arbeitslosen aus. 

mehr

Ein deutscher Wiedergänger in der französischen Arbeitsmarktpolitik? Der sozialistische Präsident Hollande versucht 2016, den Gerhard Schröder zu machen

Ein Blick über den deutschen Tellerrand ist geboten, schon grundsätzlich, aber mit Blick auf Frankreich im Besonderen. Es geht dabei ja nicht nur um einen unserer Nachbarn, sondern die deutsch-französischen Beziehungen sind für Europa von substanzieller Bedeutung, wie man derzeit in den Untiefen der (Nicht-)Flüchtlingspolitik innerhalb der EU schmerzhaft von deutscher Seite zur Kenntnis nehmen muss. Und die besondere Bedeutung macht sich auch rein ökonomisch bemerkbar. Über viele Jahre hinweg konnte man bei einer Analyse des deutschen Außenhandels gewissermaßen automatisch ohne weitere Prüfung der Daten bei der Frage, wer denn gemessen an den Exporten der wichtigste Handelspartner Deutschlands sei, antworten: Frankreich. In dieses Land wird aus Deutschland am meisten exportiert.

Nun aber muss man erstmals seit 1961 sagen: wurde. Denn das vergangene Jahr markiert eine Zäsur: Frankreich ist nicht mehr Deutschlands größter Kunde: »Die Vereinigten Staaten haben Frankreich nach mehr als einem halben Jahrhundert als wichtigsten Kunden der deutschen Wirtschaft abgelöst. Die deutschen Warenexporte in die Vereinigten Staaten schnellten 2015 um fast 19 Prozent auf 114 Milliarden Euro nach oben … Die Ausfuhren nach Frankreich wuchsen dagegen nur um 2,5 Prozent auf 103 Milliarden Euro.« Diese nackten Zahlen sind nur einer der vielen Hinweise auf die tiefgreifende Krise, in der sich die französische Volkswirtschaft befindet – eine fundamentale Krise, die bis in alle Ecken der französischen Gesellschaft ausstrahlt. Die anhaltend hohe (registrierte) Arbeitslosigkeit verdeutlicht die Malaise – gerade im Vergleich mit den deutschen Werten aus den vergangenen Jahren. Seit 2009 laufen die Kurven auseinander – in Frankreich steigt die Arbeitslosenquote, in Deutschland ist sie deutlich zurückgegangen. 

mehr

Ein betriebliches Integrationsjahr für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose. Endlich ein großer Wurf?

Endlich mal nicht einer dieser kleinteiligen Vorstöße in der Debatte über die Frage, wie man die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge hinbekommen kann – und dann auch noch ohne Ausblenden der anderen, die schon hier sind und ebenfalls erhebliche Probleme haben, (wieder) auf dem Arbeitsmarkt landen zu können, also den Langzeitarbeitslosen. Und gleichsam als Sahnehäubchen oben drauf auch noch die Perspektive, dass der Ansatz – kommt er doch von einer Gewerkschaft – selbstverständlich nicht die eigenen Tarife unterlaufen soll.

Darum geht es: »Die IG Metall schlägt ein betriebliches Integrationsjahr für anerkannte Flüchtlinge und für Langzeitarbeitslose vor, um durch Arbeit ein selbständiges Leben zu ermöglichen.« so die Ankündigung in einer Pressemitteilung, die überschrieben ist mit IG Metall fordert betriebliches Integrationsjahr für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose. Und weiter erfahren wir: »Das von der IG Metall geforderte Integrationsjahr soll neben einem Arbeitsplatz auch Integrations- und Sprachkurse für die Flüchtlinge umfassen. Qualifizierung und Arbeit sollen betriebsnah kombiniert werden. Finanziell gefördert würde das Integrationsjahr von der Bundesagentur für Arbeit. Dafür sollen bereits vorhandene Programme genutzt werden.«

Auf den ersten Blick kommt der Ansatz wie die lange gesuchte eierlegende Wollmilchsau daher, denn hier werden bekannte, für eine gelingende Arbeitsmarktintegration erfolgsträchtige Elemente vereint: Eine Förderung für die Arbeitgeber im Sinne einer Lohnkostenbezuschussung, um bestimmte Defizite des zu integrierenden Arbeitnehmers auszugleichen, eine Platzierung in der realen betrieblichen Welt über ein echtes Arbeitsverhältnis, die Verbindung von echter Arbeit und Qualifizierung, bei den Flüchtlingen besonders relevant die Sprachförderung und das alles unter dem konzeptionellen Dach des Gedankens, dass wenn die Betroffenen erst einmal schon den einen Fuß in der betrieblichen Tür haben, einige von ihnen auch den zweiten reinbekommen, wenn man mit ihnen positive Erfahrungen gesammelt und die positiven Potenziale zur Kenntnis genommen hat.

Und besonders wichtig vor dem Hintergrund der aktuell ich immer stärker Konfrontation aufladenden Debatte über eine angebliche Bevorzugung der Flüchtlinge der eben nicht nur lapidare Hinweis der Gewerkschaft: »Die von der IG Metall vorgeschlagenen Maßnahmen sollen nicht nur Flüchtlingen, sondern auch allen anderen am Arbeitsmarkt Benachteiligten offen stehen.«

Wie kann man sich das genauer vorstellen? Die Umsetzung solle auf Basis der tariflichen Entgelte erfolgen und der Arbeitgeber wird durch das heute schon vorhandene Instrument des Eingliederungszuschusses für seine Integrationsleistung entlastet, so die IG Metall. Es wären auch Teilzeitmodelle denkbar, die zusätzliche sprachliche Qualifikationen für Flüchtlinge, durchaus teilweise außerhalb der Arbeitszeit, ermöglichen. Denkbar sei eine Vier-Tage-Woche mit reduziertem Entgeltanspruch: vier Tage bezahlte Arbeit und ein Tag Sprachkurs. Und wenn das Integrationsjahr die Tür für eine Anschlussbeschäftigung eröffnet, dann könne die berufliche Qualifizierung beispielsweise durch den in der Metall- und Elektroindustrie bestehenden Tarifvertrag Bildungsteilzeit oder das Wegebauprogramm der BA fortgesetzt werden.

Aber die großen Zahlen, werden die einen oder anderen Kritiker einwerfen. Das mag vielleicht für einige wenige klappen – aber für so viele, die gekommen sind? Zusätzlich zu den vielen Langzeitarbeitslosen, die bekanntlich schon seit langem da sind und die ja auch profitieren sollen von dem neuen Ansatz.

Die IG Metall negiert die großen Zahlen keineswegs, sondern greift diese auf (allerdings in der Pressemitteilung leider dann doch wieder „nur“ reduziert auf die Flüchtlinge, die es in den Arbeitsmarkt zu integrieren gilt: »Nach aktueller Auskunft der Bundesagentur für Arbeit werden dem Arbeitsmarkt durch die Geflüchteten rund 380.000 Menschen zusätzlich zur Verfügung stehen können. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden rund 700.000 neue, zusätzliche  sozialversicherungspflichtige Stellen in Deutschland aufgebaut und 2,1 Millionen offene Stellen bei der Arbeitsagentur gemeldet.«
Also eigentlich kein Problem?

Über die allgemein gehaltenen Informationen aus der zitierten Pressemitteilung hinaus hat es weitere konkretisierende Informationen gegeben, die man der Presseberichterstattung entnehmen kann, beispielsweise IG Metall will Flüchtlinge mit kräftigen Lohnzuschüssen integrieren oder der von Stefan von Borstel unter diese Überschrift gesetzte Artikel: IG Metall fordert Integrationsjahr für Flüchtlinge.

Auch hier wieder erst einmal die großen Zahlen mit der relativierenden Botschaft dessen, was da auf uns zukommt, wenn man es aus der Vogelperspektive betrachtet. Borstel zitiert dazu Jörg Hofmann, den Vorsitzenden der IG Metall:

»Deutschland habe 420.000 Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten, rechnete Hofmann vor. Wenn jeder dieser Betriebe nur einen zusätzlichen Integrationsplatz zur Verfügung stellen würde, wäre die Arbeitsmarktintegration der Hartz-IV-Bezieher keine Frage fehlender Arbeitsplätze. Das größte Potenzial gebe es im deutschen Handwerk mit seinen 584.000 Betrieben.«

Bleibt die Frage nach dem Instrumentarium für die Förderung, da wurde seitens der IG Metall darauf hingewiesen, dass man kein neues Programm schaffen wolle, sondern ein vorhandenes Instrument nutzen möchte, das es schon seit langem gibt – den Lohnkostenzuschuss.  Der Arbeitsplatz soll mit einem Einstellungszuschuss von bis zu 50 Prozent gefördert werden. Diese Zuschüsse gibt es heute schon.

Ganz offensichtlich ist der „Eingliederungszuschuss“ nach § 88 SGB III gemeint: »Arbeitgeber können zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten (Eingliederungszuschuss).« Im § 89 SGB III finden wir Hinweise auf die mögliche Höhe und Dauer dieser Förderung: »Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen.« Nur der Vollständigkeit halber: Im § 90 SGB III ist als Sonderform noch der „Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen“ geregelt, bis zu 70% Lohnkostenzuschuss für 24 Monate, wobei die Laufzeit in besonders schweren Fällen und bei einem Alter ab 55 auf bis zu 96 Monate ausgedehnt werden kann.

Wie sieht die bisherige Nutzung dieses Instruments aus? Wenn man einen Blick in die Eingliederungsbilanzen der BA wirft, dann erfährt man beispielsweise für das Jahr 2014, dass es 77.032 Zugänge in eine Förderung über den Eingliederungszuschuss gegeben hat, davon 48.783 bei den besonders förderungsbedürftigen Personengruppen. Hinsichtlich der finanziellen Dimension: 2014 wurden insgesamt 5,56 Mrd. Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben (davon 2,7 Mrd. Euro im SGB III und 2,86 Mrd. Euro im SGB II). Auf den Eingliederungszuschuss entfielen davon 433 Mio. Euro, also (nur) fast 8%. Eine Vorstellung von den der Förderung zugrundeliegenden berücksichtigungsfähigen Löhnen vermittelt die durchschnittlichen Förderaufwendungen für dieses Instrument in Höhe von 666 Euro pro Monat.

Auf der einen Seite eine Bestätigung des grundsätzlichen Ansatzpunktes des IG Metall-Vorschlags wie aber auch zugleich Anlass für ein großes Fragezeichen kann man den Daten zum Erfolg des Instruments entnehmen. Beim Eingliederungszuschuss für die besondere Gruppe der Langzeitarbeitslosen wird eine Eingliederungsquote von 72,8% ausgewiesen (76,3% für alle Geförderten) – ein sehr hoher Wert. Der wiederum angesichts der Besonderheiten auch nicht überrascht, denn die Förderung gibt es nur, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht (und wir wissen schon seit langem – auch nicht wirklich überraschend: Je betriebsnäher die Förderung, um so höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Geförderten „hängen bleiben“ im Unternehmen, vor allem wenn man in Rechnung stellt, dass wir es in der Praxis mit einer „positiven Selektion“ dergestalt zu tun haben, dass man nicht gerade die Arbeitslosen, die mit mehreren Vermittlungshemmnissen belastet sind, sondern eher die „guten Risiken“ mit dieser Förderung versorgt).

Mit Blick auf das, was es bisher in diesem Bereich gibt, müssen wir also zum einen festhalten, dass es rein quantitativ gesehen um ein sehr überschaubares Fördervolumen geht – wir also mithin über eine gewaltige Aufstockung der Förderung sprechen, wenn der Vorschlag der IG Metall Wirklichkeit werden soll. Denn dann geht es nicht mehr wie 2014 um 77.000 Förderfälle mit dem Eingliederungszuschuss, sondern um mehrere Hunderttausend, vor allem, wenn nicht nur die Flüchtlinge, sondern grundsätzlich völlig richtig, auch die Langzeitarbeitslosen berücksichtigt werden sollen. Da beißt die Maus keinen Faden ab – wenn man diesen Weg gehen möchte, dann müssen wir die Mittel dafür erheblich aufstocken. Zur Finanzierung findet man in den vorliegenden Berichten keine wirklich verwertbaren Hinweise, außer Allgemeinplätze. So in dem Artikel von Borstel: »Zu den Kosten des Modells machte der IG-Metall-Chef keine Angaben. Es sei aber günstiger, als den Betroffenen Hartz-IV zu zahlen.«

Jeder wünscht sich endlich einen großen Wurf, aber angesichts der bisherigen Erfahrungen wie auch der Besonderheiten „des“ Arbeitsmarktes (den es als solchen gar nicht gibt), bleibt eine gehörige Portion Skepsis. Dies kann man auch an einem parallel vorgelegten konkreten Programm verdeutlichen: Aus Flüchtlingen werden Auszubildende, vermeldet das Bundesbildungsministerium.

»Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) haben dazu eine gemeinsame Qualifizierungsinitiative für junge Flüchtlinge gestartet. Ihr Ziel: Durch ein umfassendes Qualifizierungs- und Betreuungssystem sowie eine intensive fachliche Berufsorientierung und Berufsvorbereitung sollen Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sowie Asylbewerber oder Geduldete mit Arbeitsmarktzugang an eine Ausbildung im Handwerk herangeführt werden.«

Angesichts der Tatsache, dass etwa die Hälfte der Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind, unter 25 Jahre alt sind, überzeugt dieser Ansatzpunkt erst einmal. Es geht also auch hier um eine Personengruppe im Umfang von mehreren hunderttausend Personen. Vor diesem Hintergrund werfen wir dann aber mal ein Blick auf die angestrebten (das heißt bekanntlich noch lange nicht: realisierten) Zahlen, die man mit dem neuen Programm erreichen will:

»Das Programm wendet sich an Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sowie an Asylbewerber oder Geduldete mit Arbeitsmarktzugang. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist, dass die jungen Flüchtlinge nicht mehr schulpflichtig und unter 25 Jahre sind, über gute Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und sich im deutschen Ausbildungs- und Beschäftigungsmarkt orientieren können. Sie sollten deshalb einen Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie das Programm „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ der Bundesagentur für Arbeit durchlaufen haben, das auf eine Feststellung ihrer Kompetenzen und eine allgemeine Berufsorientierung ausgerichtet ist.
In der anschließenden „Berufsorientierung für Flüchtlinge“ bereitet das BMBF die jungen Flüchtlinge auf eine Ausbildung im Handwerk vor und setzt dabei auf eine vertiefte fachliche und praktische Berufsorientierung in den Bildungszentren des Handwerks … Das Handwerk unterstützt den Praxisbezug durch betriebliche Praktika für die Teilnehmer der speziellen Berufsorientierung und stellt die Infrastruktur der Bildungsstätten zur Verfügung.«

Soweit die Beschreibung des geplanten Programms. Und wie viele sollen daran partizipieren?

»Das Programm ist zunächst auf 24 Monate angelegt. Ziel ist die Integration von bis zu 10.000 Flüchtlingen in eine Handwerks-Ausbildung.«

„Bis zu 10.000“? Das haut einen jetzt nicht wirklich vom Hocker. Vielleicht kommt diese Bescheidenheit daher, dass wir es mit einer dieser klassischen „Litfaßsäulen“-Modellprogramme zu tun haben (mit denen wir gerade in der Arbeitsmarktpolitik immer wieder konfrontiert und vertröstet werden), nach dem Motto: Wir tun doch was. Oder aber dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Arbeitsmarkt- und Ausbildungsintegration eine überaus sperrige Angelegenheit darstellt, die es aufgrund der ihr innewohnenden Komplexität und zugleich Individualität des konkreten Handelns aufgrund des damit verbundenen Aufwands unmöglich macht, das Rad an der ganz großen Zahl zu drehen.